Sonntag, 27. März 2011

Entsorgung im Weltraum?

Im Weltall bewegen sich zwar Milliarden und Abermilliarden von Sternen - aber wegen der riesigen Abstände zwischen ihnen ist er praktisch leer. Eine Reise durch das Universum, selbst, wenn sie mit Lichtgeschwindigkeit durchgeführt würde, wäre entsetzlich ereignislos. Der riesige zur Verfügung stehende Raum hat amerikanische Physiker bei der NASA veranlasst, über die Entsorgung von "Abfällen" aus Kernkraftwerken im Weltall nachzudenken. Bei erster Betrachtung mag dies vielleicht als eine schockierende Idee erscheinen, aber sie ist nicht neu und kommt immer wieder hoch - besonders in Zeiten wie jetzt, in der die Weltraumbehörde um Aufträge ringt.

Das Problem ist komplex und beginnt schon mit der Definition des Abfalls. Für manche ist alles, was aus dem Reaktor entladen wird, Abfall. Für andere gibt es diese abwertende Kategorie gar nicht; sie betrachten alles als "Wertstoffe", insbesondere aus zukünftiger Sicht. Eine Tonne Uranbrennstoff, der (wie üblich) drei Jahre in einem grossen Kernkraftwerk bestrahlt wird, enthält nach seiner Entnahme aus dem Reaktor nämlich eine grosse Menge an Elementen und Nukliden. Nach der Wiederaufarbeitung teilt man sie häufig in fünf Klassen ein, die ihrerseits wieder aus Unterklassen bestehen. Die folgende Tabelle benennt die Kilogrammengen, sowie die prozentualen Anteile.


Zusammensetzung einer Tonne Uran nach Bestrahlung in einem Druckwassereaktor (Abbrand 33 GW/t, 10 Jahre Kühlzeit)

Unbestritten ein Wertstoff ist das wiedergewonnene Uran, auch, wenn es mit dem Isotop U-236 "verunreinigt" ist. Plutonium besitzt zwar einen schlechten Ruf, ist aber trotzdem nützlich als Spaltstoff, insbesondere in Schnellen Brütern. Schwieriger wird es bei den sog. Minoren Aktiniden, als Neptunium, Americium und Curium,  auf welche die Brennelementhersteller gerne verzichten würden. Langlebige Nuklide wie Jod und Technetium bereiten im Brennstoffkreislauf ebenfalls Probleme. All dies sind die Stoffe, welche als Kandidaten für eine Entsorgung im Weltraum vorallem in Frage kämen. Gleichzeitig sind es aber auch die Elemente, welche beim Grossprojekt "Abtrennung & Umwandlung" (A&U) im Fokus stehen.

Hier begegnen sich Kerntechnik und Raumfahrt. Die Ingenieure der NASA haben eine jahrzehntelange Erfahrung im Bau von Raumsonden. Bei den meisten wird die Energie durch Plutonium 238 bereit gestellt, wovon sich 10 bis 50 Kilogramm in einer Sonde befinden. Die Idee liegt nahe, all die genannten Transurane in einer Sonde zu verstauen und in den Weltraum zu schicken. Natürlich muss ausgeschlossen sein, dass es im Falle eines Raketenabsturzes zu Kontaminationen auf der Erde kommt. Die Raumfahrtingenieure glauben diesen Störfall durch Keramik- und Grafitkapselungen beherrschen zu können.

Ein weiteres Problem sind die Kosten des Weltraumtransports. Im Augenblick sind sie sicherlich noch zu hoch, aber in 50 bis 100 Jahren wird das wohl anders ausehen. Ähnlich wie die Luftfahrt, wird auch die Raumfahrt billiger werden., insbesondere, wenn sich der Weltraumtourismus entwickelt, wofür es jetzt schon in den USA und Russland Anzeichen gibt. Ausserdem muss man den Kosten der Raumfahrtmissionen die Kosten für das Projekt A&U auf der Erde gegenüber stellen. Protonenbeschleuniger, Spallationsquelle und die subkritische Anlage als die wesentlichen Komponenten zur Transmutation werden ebenso wie die Raummissionen im acht- bis neunstelligen Eurobereich liegen. Die Energieversorgungsunternehmen sind beiden Unternehmungen gegenüber skeptisch und verweisen darüberhinaus auf die grossen technologischen Herausforderungen bei der Abtrennung der Minoren Elemente. Sie favorisieren die unbehandelte Lagerung der Abfälle bezw. Wertstoffe in oberirdischen Zwischenlägern für mehrere Jahrzehnte.

Bedenken gegen die "ex- und hopp-Methode" werden auch von ethischer Seite angemeldet: der Weltraum soll nicht zur Abfalkippe von radioaktiven Materialien degradiert werden. Dagegen kann man allerdings argumentieren, dass adss Universum von jeher mit diesen Stoffen angefüllt ist. Bei jeder Sternenexplosion (Supernova) entsehen Milliarden Tonnen an Uran uns Transuranen. Und solche Supernova-Ereignisse passieren in unserer Milchstrasse etwa alle 300 Jahre.

Es ist sogar sicher, dass es uns Menschen ohne diese kosmische Elementerzeugung gar nicht geben würde!

Sonntag, 20. März 2011

Reise ins Weltall? Ein Traum.

Sich zu den Sternen zu erheben, ist seit jeher ein Traum der Menschheit. Mit dem Apollo-Flug zum Mond ist das gelungen - aber nur ansatzweise. Schon die Mission zum Mars scheitert bislang an den hohen Kosten und (viel problematischer) an der schädlichen Strahlung im Weltall, welche die genetische DNS der Astronauten zerstören könnte. Immerhin: am 21, Juli 1969 haben Astronauten der USA zum ersten Mal den Mond betreten. Fünf weitere erfolgreiche Missionen folgten in den nächsten drei Jahren. Insgesamt waren 12 Menschen auf dem Mond, der von der Erde wenig mehr als eine Lichtsekunde entfernt ist.

Raumschiffe

Viel grössere Fortschritte als die amerikanische Weltraumbehörde NASA haben auf diesem Gebiet die Traumfabriken in Hollywood gemacht. Ihr Sternenschiff Enterprise vom Star Trek kreist bereits seit Jahrzehnten im Sonnensystem herum u. zw. nicht nur in unserem, sondern weit darüber hinaus. Der nächste Fixstern, Proxima Centauri, dient gerademal als Absprungstation für Exkursionen zu fernen Galaxien. Während Wernher von Braun und seine Mannen noch mit den Beschränkungen der Naturgesetze kämpften, welche ihnen Einstein und Newton auferlegt hatten, haben die Filmproduzenten diese längst gelöst - mit Hilfe der Sciencefiction.

Zwei wichtige "Breakthroughs" waren dafür notwendig: die Enterprise konnte, ohne Treibstoff mitschleppen zu müssen, im All umherkurven und ihre Reisegeschwindigkeit lag weit über der des Lichts. Wollte ein Raumschiff, wie es für die Apollo-Mission zum Mond verwendet worden ist, die Reise zu unserem nächsten Fixstern antreten, dann wäre es 900.000 Jahre unterwegs. Bei Annäherung an die Lichtgeschwindigkeit würden alle Treibstoffreserven der Welt nicht ausreichen, um dieses Limit zu erreichen. Ein Überschreiten dieser Grenze verbieten die Relativitätstheorien von Albert Einstein.

Demgegenüber ist die Enterprise mit Wundersystemen wie Warp-Drive und Hyperspace-Drive ausgestattet, die es auf Knopfdruck in die Überlichtgeschwindigkeit katapultieren. Und es nutzt die sogenannten Wurmlöcher, wodurch sich gewaltige astronomische Distanzen praktisch zeitlos abkürzen lassen. Einfach dadurch, dass es Orte ansteuert, wo sich der Raum stark krümmt und eine Raumfalte entsteht, welche zwei ansonsten weit auseinander liegende Punkte des Universums in unmittelbare Nachbarschaft bringt, ja sogar durch eine Art Verbindungstunnel (Wurmloch) schiffbar macht.

Als glatte Spinnerei betrachtet die NASA solche Ausgeburten der Sciencefiction vermutlich doch nicht; immerhin unterhält die Weltraumbehörde seit Jahren das John-Glenn-Forschungsinstitut in Cleveland, Ohio, wo eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern diese exotischen Ideen der Hollywoodregisseure evaluiert.

Raumsonden

Wesentlicher preiswerter kann man den Weltraum - richtiger gesagt unser Sonnensystem - mit unbemannten Sonden untersuchen. Im Jahr 1972 hat die NASA den 260 Kilogramm schweren Roboter Pioneer 10 (samt seiner Zwillingssonde Pioneer 11) auf die Reise geschickt. Er sollte insbesondere den Jupiter und den Asteroidengürtel zwischen diesem Planeten und dem Mars untersuchen. Nach 21 Monaten raste die Sonde in nur 134.000 Kilometern Entfernung an dem Gasplaneten Jupiter vorbei und fotografierte unter anderem seinen gelbbunten Gürtel, die Zonenbänder und den berühmten Roten Fleck. Die Sonde durchquerte auch ohne Kollisionen das Trümmerfeld der Asteroiden und befindet sich nun mit einer Geschwindigkeit von 60.000 Stundenkilometern auf dem Weg in den interstellaren Raum. Ausgestattet mit einer Atombatterie aus Plutonium-238, konnte sie noch bis zum Jahr 2003 den Funkkontakt mit den heimatlichen Antennen halten.

Als irdischer Sendbote trägt sie eine Grussbotschaft ihrer Erbauer. Auf einer goldplattierten Aluminiumtafel von DIN A4-Grösse ist ein unbekleidetes Mann/Frau-Paar eingeritzt mit grüssend erhobenem Arm. Daneben ist unser Sonnensystem skizziert mit der Flugbahn der Sonde und einigen kernphysikalischen Andeutungen. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine andere Zivilisation im Universum diese Tafel findet? Sicher verschwindend gering. Sie entspricht gewissermassen einer Flaschenpost, die wir in den kosmischen Ozean geworfen haben. Aber: auch eine Flaschenpost wurde schon gelegentlich gefunden!


Plakette der Weltraumsonde Pioneer 10 mit irdischen Assoziationen

Im Jahr 1977 standen die äusseren Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun in einer Linie, eine Anordnung, die es so nur alle 175 Jahre gibt. Für die NASA war das der Anlass, die Voyager-Sonden 1 und 2 zu starten, weil sich die beiden Raumfahrzeuge - wie Tarzan - von einem Gasriesen zum anderen "hangeln" und dabei deren Schwerkraft ausnutzen konnten. Die Sonden waren bein Start 825 Kilogramm schwer und wieder diente Plutonium-238 als Grundstoff für die Strombatterien.

Die Mission war ein voller Erfolg. Die Schleuderpassagen in der Nähe der Gasplaneten waren zeitlich genau abgestimmt und verliehen den Sonden genügend Schwung, um bis zum Neptun zu kommen. Dort entdeckten sie sechs weitere Monde zu den zwei bereits bekannten.  Darüberhinaus fotografierten sie auf dem Mond Triton aktive geysirartige Eruptionen, bei denen flüssiges Stickstoffgas mehrere Kilometer hoch in die Atmosphäre des Mondes geschleudert wurden. Bei Neptun selbst fanden sie zwei (saturnartige) Ringe, die von der Erde aus noch nicht beobachtet werden konnten.

Mit Stand vom Dezember 2010 haben die Voyager-Sonden die enorme Wegstrecke von 22.364.000.000 Kilometer zurückgelegt. Das sind genau 0,002 364 Lichtjahre.

Der nächste Fixstern ist 4,3 Lichtjahre entfernt!

Sonntag, 13. März 2011

Der strukturierte Kosmos

Blickt man mit blossem Auge in den nächtlichen Himmel, so kann man selbst bei guten Lichtverhältnissen kaum mehr als 2.000 Sterne sehen. Bei Nutzung eines 12-Zoll-Fernrohrs (das heutzutage schon für Hobbyastronomen erschwinglich ist), erkennt man bereits mehr als 20.000 leuchtende Punkte, die aber zumeist nicht einzelne Sterne, sondern Galaxien sind.

Jede dieser Galaxien beinhaltet ca.100 bis 500 Milliarden Sterne, wozu vermutlich noch die gleiche Anzahl an festen und gasförmigen Planeten hinzu kommt. Auf den ersten Blick erscheinen die Galaxien im Weltraum geometrisch ziemlich homogen verteilt zu sein, aber das ist ein Irrtum, denn das Auge unterliegt hier einer optischen Täuschung. Berücksichtigt man nämlich die unterschiedliche Entfernung dieser Galaxien - was messtechnisch kein einfaches Unterfangen ist - und analysiert man deren ausgesandtes Licht im Spektrum des Fernrohrs, so gelangt man zu einer ganz anderen räumlichen Vorstellung. Insbesondere die Rot-bzw. die Blauverschiebung der Spektrallinien lässt erkennen, dass sich die Galaxien in Gruppen anordnen.

Die kleinste Gruppeneinheit sind die sog. Galaxienhaufen, worin einige Dutzend benachbarter Galaxien vereinigt sind. Ihr Durchmesser beträgt in der Regel um die 10 Millionen Lichtjahre (LJ). Unsere Heimatgalaxie, die Milchstrasse, gehört zur sog. Lokalen Gruppe und umfasst etwa 40 Galaxien. Darunter sind der Andromedanebel und die Milchstrasse die weitaus grössten Galaxien; einige Dutzend kleinere Satellitengalaxien vervollständigen diesen nachbarlichen Verbund.

Auch die Galaxienhaufen sind nicht zufällig oder gleichmässig im All verteilt, sondern sie ballen sich zu grösseren Strukturen, die man als Superhaufen bezeichnet. Ein Beispiel dafür ist der Virgo-Superhaufen, der einen Durchmesser von 200 Millionen LJ besitzt und in dem sich über 1.000 Galaxien befinden.

Die derzeit grösste Struktureinheit im Kosmos sind die sog. Filamente. Darunter versteht man schnurartige Ansammlungen von Galaxien, wie z. B. die Grosse Mauer. Diese ist 500 Millionen LJ lang, 200 Millionen LJ breit und 20 Millionen LJ dick, wodurch sie den Eindruck einer Schnur (Filament) hervorruft. Sie besteht aus vielen Superhaufen und beinhaltet wohl an die zehn Billiarden Sonnenmassen.

Diesen Ballungen von Superhaufen und Filamenten stehen gewaltige Leerräume. die sog. Voids gegenüber. Es sind Räume ohne leuchtende Materie, die in der Regel hunderte von Millionen an Lichtjahren gross sein können. Die derzeit grösste Leere ist die sog. Bootes-Leere, mit einem Durchmesser von 400 Mio LJ. Leerräume sind überhaupt das beherrschende Kennzeichen des Universums; fast 90 Prozent des Raums ist leer. Könnte man "von aussen" auf das Weltall blicken, so hätte es wohl eine netzartige oder blasige Struktur, wobei die Galaxien-Superhaufen in dünnen Lagen oder langen Schnüren angeordnet sind. Die 2dF-Studie (2dF=two degree field) bestätigt diese Hypothese. Dabei haben Wissenschaftler aus mehreren Ländern in jahrelanger Kleinarbeit eine dreidimensionale Karte eines Teils des Universums erstellt, das einem "Bohrloch" gleicht.


Netzartige Strukturen im Weltall

Trotzdem stellt sich die Frage: wie kommt es zu dieser schwammartigen Struktur des Alls mit den riesigen Leerräumen? Bis zu 300.000 Jahren nach dem Urknall war die (Wasserstoff- und Helium-) Materie doch noch extrem homogen veteilt! Kleinste Heterogenitäten der damaligen Masseverteilung im Millionstelbereich hätten nicht diese gewaltigen Gravitationskräfte erzeugen können, um in der relativ kurzen Zeit von 13,7 Milliarden Jahren die beschriebenen Diskontinuitäten zu erzeugen.

Nun, als einigermassen reale Vermutung bleibt nur die sog. Dunkle Materie übrig. Von ihr gibt es massemässig mindestens fünfmal mehr als von der sichtbaren (baryonischen) Materie. Sie wabert wohl überall im Universum, ohne, dass unsere Teleskope sie ausmachen können. Aber sie macht sich indirekt durch ihre gigantische Schwerkraft bemerkbar. So gibt es in Richtung des Sternbildes Centaurus den sog. Grossen Attraktor. Er ist ein geheimnisvolles und unsichtbares Objekt, das Abermillionen von Galaxien an sich zieht. Auch unsere Milchstrasse gehört dazu, die mit einer Geschwindigkeit von 360.000 Kilometern pro Stunde in die Richtung dieses Monsters gerissen wird. Man kann sich das Phänomen nur dadurch erklären, dass diese Schwerkraftansammlung zehnmal mehr Dunkle Materie enthält, als alle sichtbaren Galaxien in dieser Region.

Die These der Astrophysiker ist, dass es schon seit den frühesten Anfängen des Universums einen (fünffachen) Überschuss an Dunkler Materie gegeben haben muss, der durch seine Schwerkraft dem Weltall die heute sichtbare Superstruktur aufgeprägt hat. Leider sind die "atomaren Teilchen" der Dunklen Materie, trotz allen Bemühens, bis heute nicht gefunden worden. Ihre Wechselwirkung mit den baryonischen Kernteilchen ist zu gering; nur durch ihre Gravitationswirkung kann man sie indirekt "nachweisen". Es ist geradezu tragisch für die heutige Generation der Astrophysiker, dass sie mit ihren ausgefuchsten experimentellen Mitteln (bei CERN in Genf und anderswo) der Dunklen Materie noch nicht auf die Spur kommen konnten.

Ganz zu schweigen von der Dunklen Energie, zu der sie überhaupt keinen Zugang haben und die sogar 70 Prozent des Universums ausmachen soll.

Sonntag, 6. März 2011

Rempeleien im Weltraum

Riesigen Raumschiffen gleich ziehen sie durch den Weltraum: die Galaxien. Beim Nachdenken darüber braucht es Mut zur Grösse. Eine Galaxie ist eine fast unvorstellbar grosse Ansammlung von Staub, Gas, Dunkler Materie, Planeten - und Sternen. Milliarden dieser selbstleuchtenden Sterne - sprich Sonnen - werden durch die Massenanziehung der Gravitation in einer einzigen Galaxie zusammen gehalten.

Die Milchstrasse, in der unser Sonnensystem liegt, beherbergt etwa 400 Milliarden Sonnen. Sie ist damit eine Galaxie mittlerer Grösse. Um eine Ahnung von ihrer geometrischen Ausdehnung zu bekommen, stellen wir uns die eigene Sonne, die uns jeden Tag wärmt, als ein Weizenkorn vor. Die Erde wäre dann nichts mehr als Staubkern im Abstand von 15 Zentimetern von dieser Sonne. Der Durchmesser unseres Sonnensystems würde auf 12 Meter schrumpfen. Aber: selbst in diesem radikalen Verkleinerungsmassstab hätte die Milchstrassenscheibe noch einen Durchmesser von 1 Million Kilometer. Ein Staubkörnchen neben einem Weizenkorn in einer Scheibe mit einem Radius von eineinhalbfacher Grösse der Mondbahn - das ist unser Platz in der Milchstrasse.


Die Milchstrasse von oben gesehen; dunkler Punkt kennzeichnet den Ort unserer Sonne 

Und von diesen Galaxien gibt es in unserem Kosmos weitere hundert Milliarden, vielleicht sogar mehr. Sie zeichnen sich durch eine ausserordentliche Formenvielfalt aus. Durch hochauflösende Fernrohre erkennt man elliptische, spiralförmige und balkenähnliche Galaxien sowie ganz irreguläre, welcher keiner dieser drei Typen zuzurechnen sind. Woher kommen diese unregelmässigen Formen, wo man doch - wegen der allseitigen Schwerkraft - eher kugel- oder scheibenförmige Ansammlungen vermuten würde?

Nun, infolge der Gravitation bewegen sich die Galaxien aufeinander zu. Dabei berühren sie sich, wodurch es zu "Blessuren" kommt. Bei diesen "Rempeleien" kann schon mal ein Spiralarm verbogen werden oder gar verloren gehen. Die Galaxien umkreisen sich, entreissen sich gegenseitig Gas und Sterne und schleudern alles in langen Schweifen in den Kosmos. Zudem herrscht draussen im All das "grosse Fressen". Es gibt kaum eine Galaxie, die nicht Spuren vom Verschmelzen mit anderen Galaxien zeigt. Im Normalfall ist es so, dass grosse Galaxien kleine Zwerggalaxien "verschlingen", sie sind gleichsam ihr "Lieblingsgericht". Bei diesen Verschmelzungsprozessen entstehen viele neue Sterne; Fusionen sind im Kosmos sehr produktiv.



Zwei Galaxien im Stadium der Durchdringung

Meistens umtanzen sich die Galaxien, aber es kommt auch vor, dass sie sich auf "Kollisionskurs" bewegen. Das klingt nach Frontalzusammenstoss auf der Landstrasse mit Totalschaden. Aber bei einer Kollision von Galaxien knallen die Sterne nicht wie Billardkugeln aufeinander. Vielmehr verschmelzen die Galaxien allmählich und lenken mit ihrer gemeinsamen Schwerkraft ihre Sterne und die anderen Objekte auf neue Bahnen. Das geschieht in Super-Zeitlupe: rasen zwei Galaxien mit jeweils 1.000 Kilometern pro Sekunde aufeinander zu, so würde es immerhin noch 30 Millionen Jahre dauern, bis sie aneinander vorbeigezogen sind.

Aber warum gibt es beim Verschmelzen ganzer Galaxien so gut wie keine Kollisionen einzelner Sterne? Das hängt damit zusammen, dass die Sterne in den Galaxien äusserst dünn verteilt sind. Betrachten wir wieder unsere eigene Milchstrasse und verkleinern im Gedanken unsere Sonne auf die Grösse einer Haselnuss. Dann würde die nächstliegende Sonne (von der Grösse einer Beere oder maximal einer Ananas) volle 600 Kilometer entfernt liegen. In jeder Landeshauptstadt Europas läge also - fiktiv - so eine Frucht. Es ist evident, dass bei diesen grossen Abständen Kollisionen von Sonnen (oder Planeten) sehr, sehr unwahrscheinlich sind. Galaxien sind also, trotz ihrer ungeheuren Massenansammlung, relativ leere Räume.

Welches Schicksal kommt auf unsere heimatliche Galaxie, die Milchstrasse, zu? Nun, man erwartet, dass sie in ferner Zukunft mit der Andromedagalaxie kollidieren wird. Beide Galaxien rasen derzeit mit der Wahnsinnsgeschwindigkeit von 500.000 Kilometern pro Stunde aufeinander zu und werden sich in etwa 5 Milliarden Jahren frontal treffen. Diese direkte Kollision wird einen gigantischen Verschmelzungsprozess in Gang setzen, wobei unsere Milchstrasse ihre schönen Spiralarme verlieren wird. Im Gefolge dieses Ringens wird sie sich mit dem Andromedanebel in eine riesige elliptische Galaxie verwandeln. Angelsächsische Astronomen haben diesem Endprodukt bereits den Namen "Milkomedia" gegeben, ein Kunstwort aus den beiden Begriffen Milky Way und Andromeda.

Für unsere Erde besteht das Risiko, dass sie bereits bei der Annäherung der Andromeda aus der Milchstrasse herausgeschleudert wird. Die Menschen - sofern es sie noch gibt - werden dies nicht mehr erleben, denn: in fünf Milliarden Jahren hat sich unsere Sonne längst zu einem sogenannten Roten Riesen aufgebläht, der die Erde in seinem Feuer verschluckt hat.