Samstag, 26. September 2015

RWE - und seine Kommunen - am Abgrund

Der altehrwürdige, renommierte Energiekonzern RWE mit Sitz in Essen (NRW), steht vor dem finanziellen Abgrund. Abzulesen ist dies an seinem Aktienkurs. Vor der sogenannten Energiewende lag er noch bei 55, jetzt ist er auf 10 Euro pro Aktie abgestürzt. In den vergangenen viereinhalb Jahren hat der Konzern drei Viertel seines Börsenwerts verloren; vom Aktienhöchststand im Jahr 2008 ist gerade noch ein Zehntel übrig geblieben.  An manchen schlimmen Tagen, wie dem 15. September 2015, büßte die Firma sogar eine Milliarde ihres Wertes ein. Das Unternehmen ist damit nicht mehr die langfristig sichere Geldanlage, die vormals als "Witwen- und Waisen-Rentenpapier" empfohlen werden konnte. Einige meiner Freunde bei RWE wollten dies nicht wahrhaben. Sie kauften noch 2014 Aktien zum Kurs von 30 nach - und verloren inzwischen zwei Drittel ihres Investments.

Zu allem Überfluss plagen RWE auch noch riesige Schulden, so um die 35 Milliarden Euro. Sie resultieren zumeist aus Fehlentscheidungen früherer Firmenchefs. Der vormalige Hausjurist und überraschenderweise zum Vorstandsvorsitzenden hochgelobte Dietmar Kuhnt kaufte allerhand marode englische und amerikanische Wasserfirmen auf, was den vorher kerngesunden zum ersten Mal in hohe Schulden trieb. Sein Nach-Nachfolger Jürgen Großmann, ein Zwei-Meter-Manager mit Ruhr-Stallgeruch und einer Statur wie eine deutsche Eiche, investierte zur Unzeit Milliarden in eine Vielzahl von fossilen Kraftwerken. Der jetzige RWE-Chef, Peter Terium (52), geborener Holländer und gelernter Wirtschaftsprüfer, Vegetarier sowie Billardspieler, räumte auf. Er legte die meisten Kraftwerke seines Vorgängers still, darunter das nagelneue Gaskraftwerk "Claus C" und scheute sich auch nicht, das markante Bürohochhaus in Essen (Spitzname "Wattikan") an einen US-Immobilienfonds zu verscherbeln und wieder zurück zu leasen. Mittlerweile ist er bei einem Dutzend kleiner Wasserkraftwerke angelangt, deren Verkauf bis zum Ende d. J. geplant ist, weil sich ihr Betrieb für RWE angeblich nicht mehr lohnt.


Das Bürohochhaus des RWE in Essen ("Wattikan")

Geldsorgen der Kommunen

Die von der Bundesregierung nach Fukushima angeordnete Stilllegung der Kernkraftwerke hat RWE ins Mark getroffen. Drei große Atomkraftwerke (Biblis A und Biblis B) wurden sofort abgeschaltet, drei weitere (Emsland, sowie Gundremmingen B und C) sollen, zeitlich abgestuft, bis zum Jahr 2022 folgen. Diese Kernkraftwerke waren, neben den Kohlekraftwerken, die eigentlichen  Gewinnbringer des Konzerns. Kein Wunder, dass ihre Stilllegung in der Bilanz riesige finanzielle Lücken gerissen hat. Immerhin stellte ein Untersuchungsausschuss des Landes Hessen inzwischen fest, dass zumindest die Abschaltung der Kraftwerke Biblis A und B illegal war, weil der Betreiber dazu - wie im Atomgesetz verlangt - vorher nicht angehört worden war. Ministerpräsident Volker Bouffier schiebt die Verantwortung für diese Maßnahme der Bundesregierung zu. Demnächst wird die Bundeskanzlerin dem Ausschuss Rede und Antwort stehen müssen.

Die finanzielle Schieflage der RWE hat auch Auswirkungen auf die Kommunen in Nordrhein-Westfalen, denen der Konzern zu 24 Prozent gehört. Die Krise trifft sie sogar mehrfach: wegen verminderter Gewinne sinken die Gewerbesteuereinnahmen der betroffenen Städte, daneben müssen diese auch den Wertverlust ihrer Aktien und die Dividendenkürzungen verdauen. Die Reduktion der Dividende auf ca. 50 Cent pro Aktie wirft die Investitionsplanung der Städte Essen und Mülheim total über den Haufen. Fast noch schlimmer ist das Absinken des Börsenwerts für das RWE. Wie viele Kommunen in NRW hat die Stadt Essen bei Einführung der doppelten kaufmännischen Buchführung im Jahr 2007 den damaligen hohen Aktienkurs von 77 Euro als Eigenkapital in ihre Bücher genommen und damit einen satten Buchgewinn erzielt. Nach dem oben geschilderten Börsensturz musste allein die Stadt Essen ca. 800 Millionen auf ihre Beteiligung an RWE abschreiben. Das Eigenkapital der Stadt ist damit fast auf Null angelangt. Im Gegensatz zu Essen gibt es allerdings auch andere Städte in NRW, die nicht unter dieser Misere leiden. Die Landeshauptstadt Düsseldorf, beispielsweise, hat vor sieben Jahren ihre Anteile an RWE rechtzeitig verkauft und ist seitdem schuldenfrei!

Auch die Stadtwerke München haben große finanzielle Sorgen. Nachdem sie zuletzt noch 80 Millionen Euro Gewinn gemacht haben, wird dieses Jahr erstmals ein Minus vor dem Ergebnis nach Steuern stehen. Der Energiesektor hat seit Jahren den teuren, aber defizitären und unverzichtbaren U-Bahn-Ausbau mitfinanziert. Aus den Gewinnen der Stadtwerke konnte der Stadtkämmerer bisher zuverlässig ca. 100 Millionen Euro in den städtischen Haushalt einstellen. Das gilt zukünftig nicht mehr. Aber dieses Unglück kommt nicht allein. Die Stadt München ist auch mit 25 Prozent an dem Atomkraftwerk Isar II beteiligt und hat offensichtlich zu wenig Geld für dessen Abriss ab dem Jahr 2022 zurückgelegt. Etwa um 100 Millionen Euro muss diese Rücklage, angesichts der niedrigen Zinsen, aufgestockt werden. Dessen ungeachtet propagieren die Grünen dieser Stadt, dass München große Gewinne aus dem Betrieb von Windkraftanlagen zieht, an denen sie beteiligt ist. Verschwiegen wird, dass diese aus Subventionen herrühren, die vom Stromverbraucher bezahlt werden.

Zoff im Aufsichtsrat

Zu allem Überfluss hat bei RWE auch der seit 2009 agierende Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Schneider angekündigt, dass er diesen Posten bei der nächsten Hauptversammlung im Frühjahr 2016 aufgeben werde. Ein neuer Kontrollchef musste also her; Gehalt: um die 300.000 Euro pro Jahr, also pea-nuts bei Herren dieses Kalibers. Üblicherweise obliegt es dem abgehenden Chef seinen Nachfolger zu finden - natürlich im Einvernehmen mit den anderen Aufsichtsräten. Und da begannen die Probleme, denn das hohe Gremium war sich nicht einig. Die Kommunen halten, aus historischen Gründen, zwar nur etwa ein Viertel des Aktienkapital, haben aber - wiederum aus historischen Gründen - volle 4 der insgesamt 10 Aufsichtsräte. Sie mussten in den Findungsprozess eingebunden werden.

Und der war nicht einfach, denn die Kommunen und die Kapitalseite (6 Sitze) verfolgen verschiedenartige Geschäftsmodelle. Die Kommunen wollen, etwas platt gesagt, aus dem weltweit agierenden Energiekonzern RWE wieder einen regionalen Versorger machen, ein großes "Stadt- und Landwerk", wie einer der ihren sagte. Sie betrachten den Konzern fast als Eigentum der Stadt- und Landkreise und halten es für das Wichtigste, dass es genug Dividende für die klammen Kommunen gibt - selbst wenn das Unternehmen wenig abwirft und jeden Euro eigentlich für die Investitionen bräuchte. Die Kapitalseite betrachtet diese Vision als rückwärts gewandt und zieht da nicht mit. Der Kandidat der Kommunen war der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, derzeit Chef der Ruhrkohle AG und ein Strippenzieher allererster Güte. Er hätte, im Sinne der Kommunen, das RWE mehr oder minder verstaatlicht, wie seinerzeit seine Abbruchfirma RAG.

Nun, Müller ist aus dem Rennen, denn Schneider hat seinen Nachfolger gefunden. Es ist der ehemalige Chef des Software-Konzerns SAP, namens Werner Brandt. Zwei weitere Mitglieder wollen den RWE-Aufsichtsrat ebenfalls verlassen, unter ihnen der Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche. (Will er etwa die Diesel-Software in Sindelfingen überprüfen?). Da vom kommenden Jahr an bei der Besetzung des RWE-Aufsichtsrats die Frauenquote zu berücksichtigen ist, werden zwei sachkundige Damen gesucht.

Also: "Ladies to the front!"

Samstag, 19. September 2015

Gabriel contra E.ON

E.on, Deutschlands größter Energie- und Stromkonzern, ist in Nöten. Seit der Energiewende im Jahr 2011 verlor das Unternehmen 60 Prozent seines Börsenwerts. Im vergangenen Jahr machte der Konzern mit 3 Milliarden Euro Schulden den höchsten Verlust seiner Geschichte. Derzeit ächzt die einst kerngesunde Firma unter einer Schuldenlast von 30 Milliarden Euro. Der Aktienkurs ist von 25 ( im Jahr 2011) auf bloße 7,7 im September d. J. abgestürzt. Die Gefahr der Insolvenz (oder zumindest einer feindlichen Übernahme) ist nicht mehr von der Hand zu weisen.

Einen Großteil der Schuld tragen die Maßnahmen der Bundesregierung im Zuge der sogenannten Energiewende. Merkels hastiger und technisch nicht gerechtfertigter Ausstieg aus der Kernenergie gab den Anstoß zu der wirtschaftlichen Spirale nach unten; ihr Bundesminister Sigmar Gabriel lässt seit Jahren keine Gelegenheit aus, E.on auf diesem Weg weiterhin zu schurigeln.  Im folgenden werden die wichtigsten politischen Entscheidungen benannt, welche E.on in die heutige Misere geführt haben.


Logo des Konzerns E.ON  SE


Die Ursachen des Niedergangs

Die Zwangsmaßnahmen gegenüber den Energieversorgungsunternehmen (EVU) begannen bereits unter der Regierung Schröder sowie seinen damaligen Ministern Müller und Trittin im Jahr 2000. Damals wurde den EVU die Laufzeitbegrenzung der Kernkraftwerke per Gesetz aufgedrückt und die Entsorgung der Reststoffe in Gorleben systematisch blockiert. Nach den Unfällen in Fukushima kamen noch folgende regierungsamtliche Maßnahmen hinzu:

1.  Die zu E.on gehörigen Kernkraftwerke Isar 1 und Unterweser wurden im März 2011 durch Sofortvollzug, aber gesetzeswidrig ohne erforderliche Begründung, stillgelegt. Schadensersatz wurde bis heute nicht geleistet.

2.  Bei den ebenfalls zum E.on-Konzern gehörenden Kernkraftwerken Brokdorf, Grafenrheinfeld, Isar 2, und Grohnde wurden die Laufzeiten bis max. zum Jahr 2022 erheblich verkürzt. Auch hierfür gab es keine gesetzliche Grundlage. International üblich sind Laufzeiten von 40 bis 60 Jahren. Auch für diese Laufzeitverkürzungen wurde kein Schadensersatz geleistet. Im Gegenteil: den Betreibern wurde eine sehr hohe Brennelementsteuer auferlegt.

3.  Die bevorzugte Stromeinspeisung von Erneuerbaren Energien (EE), vorzugsweise aus Wind und Sonne,  wurde regierungsamtlich verfügt. Dabei wurden die variablen Kosten der EE willkürlich und realitätswidrig (beim "Merit-Order-System) auf Null gesetzt. Neue und klimafreundliche Gaskraftwerke wurden durch diese bürokratische Maßnahme plötzlich unwirtschaftlich.

4.  Die Subvention des Stroms aus EE wurde exzessiv angehoben. Der Gedanke des Wettbewerbs wurde negiert, stattdessen wurde nach planwirtschaftlichen Gesichtspunkten verfügt. Der Börsenstrompreis fiel dadurch zwischen den Jahren 2011 und 2015 von 50 auf 29 Cent pro Megawattstunde, was die Ertragssituation bei den EVU drastisch verschlechterte. Gleichzeitig stieg die EEG-Umlage auf über 6 Cent pro Kilowattstunde für die Verbraucher. Die EE-Subventionskosten pro Jahr belaufen sich derzeit auf 25 Milliarden und sind im Steigen.

5.  Die EVU sind per Gesetz weiterhin verpflichtet das Stromnetz stabil zu halten. Wegen der hohen Einspeisung von EE-Strom erzeugt dies große Zusatzkosten, insbesondere im Winter, wenn Sonne und Wind weniger verfügbar sind. Die Bundesregierung hat sich bisher geweigert, sich an diesen Kosten wirklichkeitsgetreu zu beteiligen. (Diskussion Kapazitätsmarkt). Im Sommer muss Überschussstrom an benachbarte Länder "verschleudert" werden.

6.  Kohle ist durch die Verschiebung im Merit-Order-System wieder "wirtschaftlich" geworden und wird deshalb zunehmend verstromt. Bundeswirtschaftsminister Gabriel versucht dies, mit Hinweis auf die angebliche Klimaschädlichkeit, zu verhindern und auf alle Fälle zu verteuern.

7.  Wegen fehlender Gleichstromtrassen und saisonaler Stromspeicher zeigen sich immer mehr die grundsätzlichen Schwächen der sogenannten Energiewende.

8.  Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, wenn dem Konzern E.on - wie den anderen Energieunternehmen RWE, EnBW und Vattenfall - die wirtschaftliche Basis verloren ging. Verantwortlich für den Niedergang dieser renommierten Großunternehmen ist einzig und allein der gesetzgeberische Murks von Merkel und Gabriel.

Die Diskussion um die Entsorgung

Einvernehmen herrscht darüber, dass Kernkraftwerke, wie alle anderen Industriebauten, nach der Nutzung zurück gebaut werden müssen und die Restmaterialien sicher zu entsorgen sind. Von den Gegnern der Kernenergie wird gelegentlich die Meinung verbreitet, dies sei technisch und finanziell nicht möglich. Beides stimmt nicht, wie kurz dargestellt wird.

1. Für den Rückbau von Atomkraftwerken gibt 2 Varianten: der (vorläufige) sichere Einschluss oder die vollständige Beseitigung bis hin zur sog. Grünen Wiese. Für beide Alternativen existieren   schon reichliche Erfahrungen. Vollständig, also bis zur Grünen Wiese, wurden die drei Kernkraftwerke VAK Kahl, HDR Großwelzheim und das KKN Niederaichbach beseitigt. Im sicheren Einschluss befinden sich derzeit das KWL Lingen und der THTR Hamm-Uentrop.  In verschiedenen Stadien des Rückbaus sind gegenwärtig 14 Atomkraftwerke begriffen. Dazu gehören u.a. KWO Obrigheim, KMK Mülheim-Kärlich, KNK II, etc.

2.  Auf der Basis dieser reichhaltigen Erfahrungen kostet der Rückbau eines großen Kernkraftwerks ca. 1 Milliarde Euro, der im Strompreis bereit enthalten war und der von den Stromkonzernen bilanziell rückgestellt wurde. Insgesamt betragen die Rückstellungen der EVU ca. 40 Milliarden Euro, wovon 20 Mrd. für den Rückbau und 20 Mrd. für die Entsorgung der radioaktiven Stoffe im Endlager vorgesehen sind. Die Firma E.on ist verantwortlich für den Rückbau von 6 grossen Kernkraftwerken und einigen Kleinanlagen. Dafür wird ein Aufwand von 7 Mrd. Euro veranschlagt. Die bilanzielle Rückstellungssumme liegt derzeit bei insgesamt 16,6 Mrd. Euro, was ausreichend sein sollte sowohl für den Rückbau als auch für die Entsorgung der Reststoffe. (Ähnlich ist das Verhältnis bei den anderen drei großen EVU).

3.  Bei der Entsorgung der Reststoffe gilt folgende Vereinbarung: das Endlager (Kosten 1 bis 2 Milliarden Euro) muss vom Bund bereitgestellt werden. Alle Kosten, einschließlich der Verpackung in Fässer und der Verbringung in das Endlager werden den EVU angelastet. Nach obiger Kostenaufstellung stehen bei E.on hierfür ca. 16,6 - 7 = 9,6 Mrd. Euro zur Verfügung, was aufgrund der Erfahrungen vollkommen ausreichend sein sollte.

4.  Wo liegt dann das Problem für die nahezu endlose Diskussion um die Entsorgung der Atomkraftwerke? Nun, das Problem beruht darin, dass der Bund nach der vorsätzlichen und fahrlässigen Aufgabe des praktisch bereits genehmigten  Endlagers Gorleben - durch den damaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin - bis jetzt nicht in der Lage ist, einen neuen Standort für ein solches Lager zu präsentieren.  Ob dies in Deutschland überhaupt jemals möglich sein wird, ist durchaus zweifelhaft - denn Gorleben ist überall!

5.  Zu allem Überfluss hat Trittin auch noch das Zwischenlager Gorleben gekippt, in denen die bestrahlten Brennelemente in Castor-Behältern lagern sollten. Seitdem müssen an etwa einem Dutzend Reaktorstandorten neue (kleinere) Zwischenläger für diese Brennelemente gebaut werden, die dort wohl bis zum St. Nimmerleinstag lagern werden. Und das, obwohl das dafür errichtete Zwischenlager Gorleben nur zu knapp einem Drittel gefüllt ist und für alle deutschen Brennelemente ausgereicht hätte!

Der sogenannte Stresstest

1.  Da es zeitlich überhaupt nicht abzuschätzen ist, wann der Bund ein neues Endlager bereitstellen kann, hat sich E.on zu einem drastischen Schritt entschlossen. Der Vorstandsvorsitzende Johannes Teyssen kündigte Mitte 2014 an, dass er (ab 2016) den Konzern in zwei Teile aufspalten wolle: die fossilen Kraftwerke, sowie die Kernkraftwerke, sollten in die neue Firma Uniper ausgegliedert werden; das Geschäft mit dem Ökostrom, der Netzbetrieb und die Kundenbeziehungen sollten in der bisherigen Firma E.on SE verbleiben. Die Atomrückstellungen sowie die daraus erwachsenden Verpflichtungen sollten an die Firma Uniper gehen.

2.  Dieser Schritt brachte Minister Gabriel in Wallung. Er bezichtigte E.on, sich ihrer Verpflichtungen entledigen zu wollen, durch die Gründung einer Bad Bank. Seine Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Er wies seine Referenden an, ein sogenanntes Nachhaftungsgesetz auszuarbeiten. Dieses sollte bewirken, dass die Ursprungsgesellschaft E.on - nicht wie bisher lediglich 5 Jahre lang - sondern künftig unbeschränkt für die Atomverpflichtungen einzustehen habe. Eltern haften für ihre Kinder, tönte er populistisch - obwohl auch im Bereich der Familie die Haftung terminiert ist. Das Ende vom Lied: E.on-Chef Teyssen machte die Ausgliederung der Kernkraftwerke rückgängig. Sie gehören jetzt wieder zum E.on-Konzern, allerdings unter dem (altehrwürdigen) Namen PreußenElektra.

3.  Einmal in Fahrt, legte Gabriel sogleich nach: eine Expertenkommission soll im Oktober die Kernkraftwerke einem finanziellen Stresstest unterziehen. Die Kommission soll nicht nur feststellen wie sicher die derzeitigen Atomrückstellungen wert sind, sondern auch in ferner Zukunft, etwa 2050 oder 2080, falls dann Endläger existieren. Als Basis dient ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton aus Düsseldorf. Wie leicht vorstellbar, hängt dieser Zukunftswert insbesondere von den angenommenen Zins und Zinseszinsen ab. Diese schwanken erfahrungsgemäß innerhalb von zehn Jahren oft zwischen 1 und 7 Prozent. E.on hat 4,7 Prozent zugrunde gelegt. In der gegenwärtigen Niedrigzinsphase haben sogar die erfahrenen deutsche Versicherer die Reißleine gezogen, indem sie keine Lebensversicherungen mit Zinszusagen und Überschussbeteiligung mehr anbieten. Es ist fraglich, ob Gabriel in seiner Kommission Propheten aufzubieten hat. Diese gibt es bekanntlich nur in der Bibel und sind dort bereits vollständig gelistet.

4.  Als Fazit bleibt der betrübliche Eindruck, dass Merkel und Gabriel, als Vertreter der beiden Volksparteien, drauf und dran sind die verdienstvollen großen deutschen Energiekonzerne in den Abgrund zu zwingen. Am 15. September 2015 verlor E.on an der Börse innerhalb eines Tages zeitweise 2,3 Milliarden Euro. Das ist der Wert eines Atomkraftwerks.

Dienstag, 15. September 2015

In memoriam: Professor Lothar Köster

Kurz vor seinem 93. Geburtstag ist Professor Dr. Lothar Köster am 7. September 2015 in Garching verstorben. Er war 29 Jahre lang - von 1958 bis 1987 - Technischer Direktor des ersten deutschen Forschungsreaktors FRM in München-Garching. Unter Kösters Leitung entstand eine effektive Betriebs- und Organisationsform am FRM, die sowohl die hohen Sicherheitsanforderungen als auch die Wünsche der Forscher nach möglichst viel wissenschaftliche Freiheit erfüllte. Der Verfasser dieses Nachrufs hatte die Ehre und das Vergnügen unter Professor Köster die Anlagen zur Bestrahlungstechnik am FRM mit aufbauen zu dürfen.

Lothar Köster wurde am 9. Oktober 1922 in Essen geboren und studierte Physik an der Universität Heidelberg. Nach seiner Promotion 1953 bei Heinz-Maier-Leibnitz und Walter Bothe ging er für kurze Zeit als Abteilungsleiter zum Isotopenlabor der damaligen Farbenfabrik Bayer. Professor Maier-Leibnitz berief ihn später als Chef  für den Reaktor FRM. Köster gelang es mit einer kleinen, von ihm ausgewählten Mannschaft und mit geringen Kosten alle TÜV-Anforderungen zur Erhöhung der Reaktorleistung von 1 Megawatt auf 2,5 MW und schließlich auf 4 MW zu erfüllen.


Professor Dr. Lothar Köster (1922 - 2015)

Köster organisierte in Garching nicht nur den Betrieb, sondern baute auch selbst große Experimente auf. Zu nennen ist das Schwerkraftrefraktometer, das weltweit die genaueste Bestimmung der Wechselwirkungen zwischen Neutronen und Protonen erlaubte. Weitere Versuche waren die Präzisionsmessungen zu kohärenten Streulängen. Schließlich entstand in den 80er Jahren unter Kösters Leitung die Konverteranlage am FRM, welche die Strahlentherapie von oberflächennahen Tumoren mit schnellen Neutronen ermöglichte. Dazwischen habilitierte er und hielt Physik-Vorlesungen an der Technischen Universität München. Für seine vielfältigen technischen und wissenschaftlichen Leistungen erhielt Lothar Köster 1987 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

Köster war ein typischer Vertreter der Kriegsgeneration. Noch während des Abiturs wurde er zum sogenannten Reichsarbeitsdienst einberufen und 1942, als 19-jähriger, musste er als Infanterist an die Ostfront. Bei einem Meldegang riss ihn 1943 eine Granate von den Füßen. Zahlreiche Granatsplitter drangen in beide Beine ein und verwundeten ihn lebensgefährlich. Sein ganzes weiteres Leben hatte Köster unter den Spätfolgen dieser Verwundung zu leiden; mit zunehmendem Alter war das Gehen schmerzhaft und eingeschränkt. Kurz vor Kriegsende, im April 1945 wurde er gefangen genommen. Die Bedingungen im Lager waren grausam: die Soldaten lagen wochenlang bei Kälte und Nässe (ohne Unterlage und Decke) auf dem blanken Erdboden.

Als größtes Glück seines Lebens bezeichnete Lothar Köster die Eheschließung mit Frau Dr. Hertha Müller, die er schon seit der Schulzeit kannte. Sie schenkte ihm drei wohlgeratene Kinder (Karin, Dora und Ludwig), die bis zu ihrem Tod im Oktober 2011 ein ständiger Quell der Freude und Kraft waren und fortan den Vater während seiner letzten vier Jahre rührend betreuten.

Professor Lothar Köster hat in seinem langen Leben viel geleistet und viel erlitten. Für seine Angehörigen, seine Freunde und Mitarbeiter wird er in steter Erinnerung bleiben.

Dr. Willy Marth, Karlsruhe

Sonntag, 13. September 2015

Der Tod des Sonnenkönigs

Unsere Nachbarn, die Franzosen, lieben ihre Herrscher weit mehr als wir Deutsche. In regelmäßigen Abständen gibt es bei der Grande Nation Umfragen derart: Wer war der berühmteste Staatsmann Frankreichs? Eine kürzliche Befragung brachte folgende Reihung zustande: 1. General des Gaulle - 2. Napoleon Bonaparte - 3. König Ludwig der Vierzehnte. Ob in Deutschland die vergleichbare Sequenz Adenauer/Bismarck/ Friedrich der Große erzielt werden würde, ist zumindest fraglich. Aber die Liebe der Franzosen zum jeweiligen Regenten hat offensichtlich auch ihre Grenzen. Immerhin wurde de Gaulle auf dem Höhepunkt seiner Macht abgewählt, Napoleon zwei Mal in die Verbannung geschickt und der Nach-Nachfolger von Ludwig XIV, der unglückliche Louis XVI (samt seiner Gemahlin Marie-Antoinette) sogar geköpft.

Louis XIV, dessen Tod sich am 1. September 2015 zum 300. Mal jährte, blieb Arges von seinen Zeitgenossen erspart - sofern man von den chirurgischen Malträtierungen seiner Ärzte absieht, die ihm beim Ziehen einiger Backenzähne gleich einen Teil des Unterkiefers mit herausrissen. Daraus resultierte auch die anschließende Vorliebe des Königs für pürierte Speisen. Louis, geboren 1638, war 72 Jahre lang König von Frankreich, die ersten Jahre allerdings unter der Regentschaft seiner Mutter und des diplomatisch außerordentlich versierten Kardinals Mazarin.

Kriegsherr, Bauherr und Mäzen der Kunst

Louis bezeichnete sich als "Sonnenkönig" (le Roi-Soleil) und niemand sollte es wagen, die Sonne zu verdunkeln. Um das zu verhindern führte er eine Unzahl von Kriegen. Vor allem gegen die Habsburger, aber auch gegen die Spanier und die Niederländer, welche seine Invasionen zeitweise nur dadurch verhindern konnten, dass sie ihre Deiche anstachen und ihr Land fluteten. Schlimm war der Heerzug gegen die Pfalz, der mit der Zerstörung von Heidelberg, Worms und Speyer endete und der völligen Auslöschung von Mannheim. Kein Ruhmesblatt für Ludwig waren auch seine Kriege gegen die Hugenotten, welche die Vertreibung von ca. einer Viertelmillion Protestanten zur Folge hatte, die zumeist der Lehre von Johannes Calvin anhingen. Der König agierte nach dem Motto cuius regio, eius et religio: ein Land, eine Konfession - und zwar die des Herrschers.


Ludwig XIV (1638 - 1715)

Als Bauherr war Ludwig XIV unübertroffen. Das kleine Jagdschloss Versailles, südwestlich von Paris in einer sumpfigen Gegend gelegen, wurde unter ihm für eine gigantische Geldsumme zu einem pompösen Schloss mit Spiegelsaal und weitläufigen Garten ausgebaut. Gleichzeitig diente Versailles als eine Art Kaserne für den französischen Hochadel, die Louis dort unter Kontrolle hielt. Zur Morgentoilette (lever) und beim abendlichen Zubettgehen (coucher) bestand für die Adeligen Präsenzpflicht. Die jeweiligen Favoriten unter ihnen durften für den König den pot de chambre halten und waren mächtig stolz darauf. Kein Wunder, dass es in den prunkvollen Räumen und Sälen von Versailles immer etwas "streng" roch, gab es doch nur wenige Abtritte und Plumpsklos.

Trotz der vielen Kriege und der unglaublichen Verschwendungssucht für Bauten, erreichte Frankreich unter Louis Quatorze auch auf dem Gebiet der Kultur und der Wissenschaften die Vorherrschaft in Europa. Die Schriftsteller Moliere und Racine wurden an den königlichen Hof geholt und durften dort ihre Dramen aufführen - auch wenn sie implizit manch leise Kritik am Absolutheitsanspruch des Monarchen erkennen ließen. Mit viel Aufwand wurde auch die (französische) Oper gefördert sowie die Ballettkunst, der sich gelegentlich sogar Seine Majestät selbst hingab. Schließlich gründete Ludwig - als erster in Europa! - wissenschaftliche Akademien für die Bildhauerei, die Malerei, die Architektur und die Naturwissenschaften.

Das Ende

Die Kriegszüge, an denen sich Ludwig, hoch zu Ross, fast stets beteiligte und die Völlerei bei Essen forderte zunehmend ihren Tribut. Ab 1713, zwei Jahre vor seinem Tod, war Ludwig, nun im 75. Lebensjahr, meist an den Rollstuhl gefesselt. Häufige Gichtanfälle bereiteten ihm heftige Schmerzen. Aber der König ertrug sie mit Gefasstheit und Gelassenheit. Das damalige Menschenideal der französischen Klassik - des honnête homme - lebte er seinen Zeitgenossen vor. Aber die Krankheitssymptome wurden immer vielfältiger. Leibschmerzen und häufige Übelkeit gesellten sich dazu, ebenso wie Wundbrand am Bein. Seine Ärzte wollten dies mit Eselsmilch bekämpfen, was zwar keinen Erfolg zeitigte, aber glücklicherweise die Schmerzen auch nicht verstärkte. Der königliche Leidenszustand war das Gespräch an den europäischen Höfen; die Londoner Buchmacher nahmen Wetten auf den Zeitpunkt seines bevorstehenden Todes an.

Was Ludwig ganz besonders plagte, war der Umstand, dass er keine direkten Nachkommen hatte. Alle seine Kinder und Enkel waren vorzeitig gestorben. Die Krone musste dem (1713) dreijährigen Urenkel Louis übergeben werden. Als Regenten bis zu dessen Volljährigkeit bestimmte Louis XIV den Herzog Philipp von Orléans. Da er diesem Adeligen nicht sonderlich vertraute, setzte er ein kunstvoll formuliertes Testament auf, mit welchem er die Kompetenz der zukünftigen Regenten einschränken wollte. Die letzten zwei Lebensjahre dachte Ludwig zunehmend kritisch über seine früheren Taten nach. "Ich habe zu viele Kriege geführt und zu viel Geld für Bauten verschwendet", gestand er ganz offen seiner Umgebung.

Als die Krankheiten ihn aufs Lager bannten, sagte er: "Nun kommt die Stunde des Todes". Er fing an, sich von seinen wichtigsten Höflingen zu verabschieden. Je nach Rang waren diesen 5 bis 15 Minuten zugemessen; seiner Frau, der Marquise de Maintenon, gestattete er, die ganze Zeit am Fuße seines Bettes zu verweilen. Was Ludwig verborgen blieb - aber vielleicht ahnte - war, dass diese Adeligen sich sofort um die Gunst des Herzogs von Orléans bemühten und nur noch auf das physische Ende des Sonnenkönigs warteten. Das kam am Sonntag, dem 1. September 1715. Mit großem Pomp wurde Louis XIV in der Pariser Abteikirche Saint Denis bestattet, der Grablege für die französischen Könige. Strengste Trauer war angeordnet, aber auf den Straßen von Paris lachte und sang das Volk. Die erste Maßnahme des Regenten Philipp war, das er Ludwigs Testament kassierte und für ungültig erklären ließ!

Die Auslöschung

Doch der bedeutendste König der französischen Geschichte fand in seinem Grabmal keine ewige Ruhe. Im Zuge der Französischen Revolution wurde er 1793 (zusammen mit den anderen bourbonischen Königen) aus seinem steinernen Grab gezerrt und seine sterblichen Überreste in ein Massengrab geworfen. Darüber ausgestreuter Kalk sorgte für die rasche Auslöschung der königlichen Gebeine. Nur die Kupferplatte seines Sargs tauchte später wieder auf: in einer Herberge in Saint-Denis, wo sie für den Boden eines Kochtopfs verwendet wurde.