Sonntag, 27. März 2016

Das Märchen von der Glättung des Windstroms

In der Physik und der Mathematik gibt es Phänomene, deren naturwissenschaftliche Gültigkeit zu hundert Prozent erwiesen ist. Trotzdem werden diese immer wieder von technisch engagierten Laien (gemeinhin als "Dilettanten" bezeichnet) recht öffentlichkeitswirksam in Frage gestellt. Beispielhaft dafür ist das energetische Perpetuum Mobile oder die Quadratur des Kreises, an deren Unmöglichkeit diese dilettierenden Entdecker einfach nicht glauben wollen.

Mit der Einführung der sogenannten Energiewende ist ein weiteres Phänomen hinzu gekommen, über das sich trefflich streiten lässt:  die Glättung des Windstroms. Bei den Bürgerversammlungen zur Durchsetzung von Windkraftprojekten taucht dieses Argument immer wieder auf. Bekanntlich produzieren Windmühlen keinen grundlastfähigen Konstantstrom sondern nur volatilen "Zappelstrom", der die Netzstabilität gefährdet und welcher ohne Subventionierung und gesetzlich erzwungene Einspeisung kaum Käufer finden würde. Von den Windkraftfreaks wird deshalb gerne auf die grundsätzlich mögliche Glättung bzw. Verstetigung dieses Stroms durch Pumpspeicher oder Methangasspeicherung hingewiesen - ohne allerdings hinzuzufügen, dass man zur Absicherung einer nur dreiwöchigen Flaute in Deutschland den gesamten Bodensee um satte 300 Meter hochpumpen müsste.  Und, dass bei der Methangasspeicherung die Hälfte der ursprünglichen Energie im Prozess verloren geht.


Lastganglinie (=zeitabhängige Einspeiseleistung) aller deutschen Windenergieanlagen
ab 2010 mit aktuell 30.000 MW Nennleistung

Bei den genannten Werbeveranstaltungen werden die anfänglichen Bedenken des Anlegerpublikums  - nach meiner Erfahrung! - in etwa mit folgender "Begründung" zerstreut:  Es ist zwar richtig, dass ein einzelnes Windrad nur unsteten Zappelstrom erzeugt - aber, wenn mehrere davon, also ein ganzer Park, in Betrieb sind, dann sieht die Sache ganz anders aus. Denn dann füllen sich, wegen der unregelmäßigen Einspeisung, die Stromtäler immer mehr auf und es entsteht schließlich aus dem Zappelstrom ein wertvoller Konstantstrom. Ergänzend wird noch kurz auf die Expertise von Fraunhofer-Professoren hingewiesen, was die Besucher solcher Veranstaltungen zumeist beruhigt und ihre Investitionsbereitschaft anfacht.

Der Streit der Experten

Ein besonders prominenter Vertreter der Glättungshypothese bei Windstrom ist das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel. In ihrem Windenergie Report Deutschland 2012 behauptete das IWES, dass "man nur durch eine gleichmäßige geografische Verteilung über eine große Fläche eine Glättung der Netzeinspeisung erreicht". Diese frohe Botschaft wurde von vielen Windkraftplanern aufgegriffen, aber auch von den Umweltministern aus fünf rot-grün regierten Bundesländern, darunter Franz Untersteller aus Baden-Württemberg. In deren Positionspapier  kann man folgendes nachlesen: "Eine ausreichende räumliche Verteilung reduziert die Volatilität der Windkrafteinspeisung und erhöht damit die Versorgungssicherheit".

Diese Tatarenmeldung forderte kritische Bürgerinitiativen, wie die in Hessen und Rheinland-Pfalz sehr aktive Vernunftkraft heraus. Sie hat ein "förmliches Beschwerdeverfahren" gegen das IWES wegen "wissenschaftlichen Fehlverhaltens" eingereicht und dabei ihre eigene These gegenüber gestellt: "Durch den Zubau an Windkraftanlagen wachsen die Schwankungen des erzeugten Stroms immer weiter an. Das Problem der Volatilität wird mit jeder zusätzlichen Windkraftanlage verschärft".

Der technische Experte der Bürgerinitiative Vernunftkraft, Dr.-Ing. Detlef Ahlborn, hat kürzlich in einem wissenschaftlichen Artikel in den Energiewirtschaftlichen Tagesfragen (Heft 12, 2015), aufgrund mathematisch-statistischer Überlegungen, diese Theorien untermauert. Ahlborn kommt zu dem Schluss, dass die Windeispeisungen der verschiedenen Windräder untereinander korreliert sind und zusätzliche Einspeisungen - also der Bau weiterer Windmühlen - die Varianz der Summeneinspeisung nur vergrößern würde. Dabei bemüht er den fundamentalen Zentralen Grenzwertsatz der Statistik. Die Beschwerde der BI Vernunftkraft ging an den Präsidenten der Fraunhofer Gesellschaft, sowie die beiden Ombudsmänner der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Universität Kassel. Auf deren Erwiderungen darf man gespannt sein.

Man kann nicht bei jedem Menschen vertiefte Kenntnisse in mathematischer Statistik voraussetzen, deshalb sei eine Überlegung, die dem "gesunden Menschenverstand" entspricht, nachgeschoben. Die Windräder werden bekanntlich durch meteorologische Tiefdruckgebiete angetrieben. Diese erstrecken sich in Europa über große Flächen. Die Windverhältnisse in Südhessen sind nahezu identisch mit jenen in Nordhessen. Ja, das Gleiche gilt meist auch für Deutschland und das zentrale Europa. Experimentell lässt sich das beweisen, indem man die Windeinspeisung der Länder Deutschland, Schweden, Polen, Finnland, Frankreich, Spanien, Dänemark, Tschechien und Österreich addiert und in einem Diagramm - wie unten dargestellt - übereinander legt.


Kumulierte Stromerzeugung durch Windkraft, ausgewählte Länder, 1. Quartal 2015

Wer hier eine "Glättung der Netzeinspeisung" erkennt, der sollte einen Facharzt für Augenheilkunde konsultieren.

Sonntag, 13. März 2016

Die Kunstmuseen zwischen Glamour und Armut

Die Bildende Kunst gibt es schon seit mehr als 20.000 Jahren - man denke nur an die Höhlenmalereien der Steinzeit. Die Kunstmuseen in Deutschland sind jedoch allerjüngsten Datums: die Alte Pinakothek in München konnte in diesem Jahr erst ihren 180. Geburtstag feiern, die Berliner Nationalgalerie den 155. und das Kölner Wallraf-Richartz-Museum das 30-jährige Jubiläum. Natürlich gab es auch schon vorher bedeutsame Ölgemälde, aber diese waren in der Regel nur in den Kirchen oder versteckt in den Schlössern der Adeligen und für den Normalbürger öffentlich kaum zugänglich. Mittlerweile ist in Deutschland die Zahl der Museen und Kunstausstellungen auf über 4.000 angestiegen. Anfangs gab es weltweit nur eine einzige Biennale - die von Venedig - , während der vergangenen 25 Jahre sind weitere 105 dazu gekommen. Die modernen Museen haben das Fach Kunstgeschichte erst ins Leben gerufen; ohne Museen gäbe es keine Kunsthistoriker.

Parallel zu der wachsenden Zahl öffentlicher Museen gibt es noch die Privatmuseen, welche insbesondere in Baden-Württemberg wie Pilze aus der Erde schießen. Man denke nur an die Museen des Schraubenfabrikanten Reinhold Würth in Künzelsau und anderswo und das des Zeitungshändlers Frieder Burda in Baden-Baden. Beide verweisen gerne darauf, dass sie sämtliche Kosten ihrer Einrichtungen selbst tragen. Der guten Ordnung halber sollte man jedoch anmerken, dass die deutschen Finanzgesetze es zulassen diese Kosten gewinnmindernd von der Steuer abzusetzen, womit sich auch der Altruismus dieser Fabrikanten in Grenzen hält.


Das Guggenheim Museum in New York

Große Museen, in moderner Bauweise, entstanden nach dem 2. Weltkrieg in reicher Zahl. Sie sind gewissermaßen die Kathedralen der Neuzeit. Den Anfang machte 1959 das Guggenheim Museum in New York. Dieses Gebäude des Architekten Frank Lloyd Wright hat die Grundform einer Rotunde. Entlang einer sich windenden Rampe mit einer Steigung von drei Prozent sind die Kunstwerke ausgestellt. In der Folge entstanden in vielen Metropolen spektakuläre Museumsbauten, unter anderem durch die Architekten Renzo Piano und Daniel Libeskind. Die zeitgenössischen Künstler waren begeistert von diesem neuartigen Ambiente ihrer Werke. Bezeichnend dafür ist der Ausspruch von Pablo Picasso: "Gebt mir ein Museum, ich werde es füllen".

In permanenter Geldnot

Auf den ersten Blick erscheint es wie eine Erfolgsgeschichte: die deutschen Museen (insgesamt!) haben jährlich konstant über hundert Millionen Besucher. Bei genauerem Hinsehen stellt man jedoch immer wieder fest, dass - insbesondere bei den Kunstmuseen - die meisten Besucher nur zur Eröffnung der Ausstellungen kommen. Bei der Vernissage, bei Wein und Schnittchen, lässt sich eben angenehm mit den zumeist anwesenden Größen der Stadt parlieren. Danach ist jedoch in Bezug auf Besucher meist tote Hose. Was bleibt zu tun: Wechselausstellungen für die Happy Few. Aber das geht ins Geld und wird nur in seltenen Fällen über die Eintrittsgebühren wieder hereingeholt. Garanten für andauernd hohe Besucherzahlen sind nur die "Popstars", wie Gerhard Richter und Damien Hirst, wobei letzterer inzwischen in London sein eigenes Museum bauen ließ. 

Viel zu leicht lassen sich die Stadtoberen zu Museumsprojekten verführen. Der gefeierte Neubau des Essener Folkwang-Museums kostete 55 Millionen Euro, bezahlt wurde er komplett von der Krupp-Stiftung als privatem Schenker. Nun muss die (wegen RWE) inzwischen arme Stadt  Essen für die exorbitant gestiegenen Unterhalts- und Betriebskosten aufkommen. Die klassische museale Trias Sammeln, Bewahren, Erforschen wird nunmehr ersetzt durch Wasser, Strom, Heizung. Selbst für die Sicherheit fehlt häufig das Geld, weshalb es nicht selten zu spektakulären Gemäldediebstählen kommt. So gesehen wird immer stärker für eine Selbstverpflichtung der Kommunen plädiert: Museumsneubauten sollten nur noch zugelassen werden, wenn vorher alle Folgekosten finanziell geregelt sind.

Über die Eintrittspreise der Besucher generieren die Museen im Schnitt 10 bis 20 Prozent ihrer Einnahmen. Das ist nicht sehr viel, sodass die Museumsmanager immer wieder den Gedanken erwägen, den Eintritt in ihre Häuser kostenfrei zu machen. Am ZKM in Karlsruhe gibt es einen eintrittsfreien Freitagnachmittag, das Folkwang Museum in Essen darf man neuerdings sogar jeden Tag kostenfrei besuchen. Den Einnahmeausfall erstattet die Krupp-Stiftung für zunächst fünf Jahre. Die Besucherfrequenz in Essen hat sich durch diesen Verzicht rapide erhöht: von 1.500 auf 7.500 Personen im Monat. Über die Cafeteria, die Shops sowie durch die Vermietung attraktiver Konferenzräume gelingt es manchen Häusern nicht selten, die Einnahmeausfälle zu kompensieren. Außer dem schafft man es, junge Menschen für das Museum zu interessieren und generell ist damit ein Imagegewinn verbunden.

Magere Ankaufetats

Die reiche deutsche Museumslandschaft war seit langem das Resultat einer glücklichen Verbindung zwischen öffentlichen und privaten Engagements. Beim Ankauf neuer Kunstwerke hält sich die öffentliche Hand seit einiger Zeit allerdings sehr zurück. So verfügte die Berliner Nationalgalerie mit ihren sechs Häusern im Jahr 2011 über gerade mal 65.000 Euro - das sind 1,2 Prozent der betrieblichen Sachkosten. Der Alten und Neuen Pinakothek in München standen 49.050 Euro staatliche Gelder zur Verfügung. Die Städtischen Museen in Freiburg - fünf an der Zahl - müssen sich einen Ankaufsetat von gerade mal 10.000 Euro im Jahr teilen. Bemerkbar macht sich diese Geldklemme auch bei Sonderausstellungen, weil die Versicherungssummen für entliehene Werke anderer Museen immer mehr ansteigen.

Zum Glück gibt es noch die privaten Donatoren, denn viele Kunstwerke gelangen an die Museen - wie die Amerikaner sagen - über Death, Debts and Divorce. Aber nichts ist umsonst, denn große Privatsammler verlangen von den Museen häufig einen eigenen Anbau oder Flügel, wo ihre Sammelleidenschaft eins zu eins für die Ewigkeit weitergeführt werden soll. Beispielhaft dafür ist die Sammlung von Udo und Anette Brandhorst in München, wo der Freistaat Bayern - für 120 Millionen Stiftungsvermögen - einen spektakulären Neubau für 48 Millionen Euro spendieren musste. Alternativ bauen manche Privatsammler gleich ihre eigenen Museen, als wollten sie sagen: Ich zeige euch, wie es geht, ich kann es sowieso besser.

Ein hohes Risiko beim Ankauf neuer Kunstwerke ist die Provenienz (Herkunft), welche oft nicht ausreichend dokumentiert und nachweisbar ist. Das Freiburger Museum für Neue Kunst bekam das vor einigen Jahren zu spüren: die in New York lebende Erbin eines jüdischen Kunstsammlers aus Dresden, der von den Nationalsozialisten verfolgt und zum Verkauf seiner Sammlung gezwungen wurde, beanspruchte ein wertvolles Gemälde von Otto Dix für sich. Am Ende stimmte die Stadt Freiburg zu und kaufte mit Hilfe mehrerer Stiftungen des Bundes dieses wichtige Werk der Kunstgeschichte für knapp eine Million Euro zurück. Inzwischen lassen die Freiburger Museen mit Hilfe eigens engagierter Provenienzforscher ihre Bestände überprüfen. Besonders bei Werken der Klassischen Moderne ist die Provenienz häufig lückenhaft und damit risikobehaftet.

Schlussendlich: 
Fast alle Museen in Deutschland und anderswo haben Finanzprobleme. Ausgenommen sind nur das gute Dutzend internationaler Großmuseen mit einer spektakulären Architektur, bei dem der Bau sich nahezu selbst genügt. Die Exponate sind hier eigentlich nur noch Zugabe.

Und ein Museum in Köln, das jährlich von 650.000 Besuchern frequentiert wird, damit das beliebteste Museum der Domstadt ist und keinerlei staatliche Unterstützung benötigt:
das Schokolademuseum der Firma Stollwerck AG.

Samstag, 12. März 2016

Nobelpreis für die Chronistin des Grauens

Wenn zur Herbstzeit, während der Frankfurter Buchmesse, die Nobelpreise für Literatur vergeben werden, dann ist meist eine Überraschung angesagt. Selbst die cleveren Londoner Buchmacher liegen häufig mit ihren Wetten schief - sonst wären die "ewigen Favoriten" wie Philipp Roth (USA), Haruki Murakami (Japan), Salman Rushdie (Indien) und Peter Handke (Deutschland) längst nobiliert worden. Ein weiterer auf dieser short list, der Italiener Umberto Eco, hat kürzlich das Zeitliche gesegnet.

Am 10. Oktober des Vorjahres war es nicht anders, als die Weißrussin Swetlana Alexijewitsch zur Nobelpreisträgerin für Literatur ausgerufen wurde. Gemunkelt wird, es sei hilfreich gewesen, dass das 6-köpfige Stockholmer Preiskomittee kurz zuvor eine Frau, nämlich Sara Danius, zur Vorsitzenden bekam. Danius soll sich angeblich für ihr erstes Dienstjahr eine Frau als Preisträgerin gewünscht haben und möglicherweise wollten sich ihre fünf Akademikerkollegen nicht gleich zu Beginn bei ihrer Chefin unbeliebt machen.


Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch (geb.1968)

Die geborene Sowjetrussin Swetlana Alexijewitsch steht damit in einer Reihe mit drei berühmten Vorgängern aus ihrem Land, den Romanschriftstellern Boris Pasternak (Preis 1958 verliehen), Michail Scholochow (1965) und Alexander Solschenizyn (1970). Aber nur vordergründig gehört Swetlana in die Liste dieser Romanciers. Sie hat eine eigenständige Form von Literatur geschaffen, die durchaus gewöhnungsbedürftig ist und an die sich das Schwedische Komitee erst gewöhnen musste - obwohl die derzeit in Minsk lebende Weißrussin dafür bereits 2013 mit dem Preis der Frankfurter Buchmesse ausgezeichnet wurde.

Eine Archivarin der russischen Geschichte

Svetlana A. hat in vierzig Jahren ein halbes Dutzend Bücher geschrieben, welche die fast hundertjährige Geschichte der Sowjetunion und Russlands abdecken. Es sind keine Fiktionen, sondern allesamt "Tatsachen"-Romane. Sie entstanden in ihrer vollgestellten Küche, wo sie sich mit Soldatenmüttern unterhielt und mit Kriegskindern, mit Rotarmisten und den Opfern der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Das Gesagte wurde in Hunderten von Tonbandprotokollen festgehalten; die Gespräche und Interviews erstreckten sich über Stunden,Tage und manchmal auch über Wochen bis Monate. Zum Schluss, aber erst zum Schluss, fasste die Schriftstellerin ihre Gespräche collagenartig zusammen. Nach dieser aufwendigen Vorbereitung erscheinen ihre Bücher wie große "Chorwerke". Sie selbst nennt ihre Werke "Romane der Stimmen". Es sind  "Dokumentarromane", welche es in dieser Form bisher nicht gab, weswegen Svetlana auch zu Recht den Nobelpreis der Literatur erhalten hat.

In dem Roman "Zinkjungen" erzählen Soldaten und ihre Mütter vom Morden und Sterben in dem sinnlosen Afghanistan-Krieg. Am Ende waren es 15.000 Soldaten, die in dem zehnjährigen Inferno ihre Leben lassen mussten. Ihre Leichen durften den Angehörigen nur in kurzen, zugeschweißten Zinksärgen übergeben werden, was den Titel des Werks reflektiert. Der O-Ton einer Mutter im Buch: Ich weiß noch, der Sarg wurde ins Zimmer gebracht, ich habe mich darauf geworfen und wollte immer messen, messen...ein Meter, zwei Meter... mein Sohn ist doch fast zwei Meter lang...Wie eine Irre habe ich mit dem Sarg geredet: "Wer ist da drin, bist du da drin mein Sohn?"...




Ewiges Russland


Wenig bekannt ist, dass Millionen sowjetrussischer Frauen im 2. Weltkrieg an der Front waren, bereit für ihr Vaterland als Schütze, Infanterist, ja sogar als Panzerfahrer zu sterben. Insbesondere ab 1943, als es kaum mehr Männer zu rekrutieren gab, wurden ganze Güterzüge von Frauen in die vordersten Kampflinien geschickt - ohne sonderliche militärische Grundausbildung. Nach dem Krieg waren sie vergessen. Die Orden und Ehrenzeichen erhielten die feisten Generäle, welche sich zumeist in den rückwärtigen Etappen aufgehalten hatten.  Swetlana Alexijewitsch setzt diesen unbekannten tapferen Sowjetfrauen ein Denkmal mit Ihren Buch: "Der Krieg hat kein weibliches Gesicht."


Der anschließende Kalte Krieg ist seit über zwanzig Jahren vorbei, doch das postsowjetische Russland sucht noch immer nach einer neuen Identität. In ihrem Buch: "Secondhand-Zeit: Leben auf den Trümmern des Sozialismus" lässt die Schriftstellerin diese Zeitperioden Revue passieren. Während man im Westen immer noch von der Gorbatschow-Zeit schwärmt, will man sie in Russland am liebsten vergessen. Inzwischen gilt sogar Stalin vielen  - auch unter den Jüngeren - wieder als der große Staatsmann. Für Swetlana leben die Russen gleichsam in einer Zeit des "secondhand", der gebrauchten Ideen und Werte.


Wladimir Putin kommt bei der Nobelpreisträgerin nicht gut weg. Für ihn ist das Ende der Sowjetunion die "größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts". Er hat seine Politik darauf ausgerichtet, die Schmach des Auseinanderbrechens vergessen zu machen: Russland soll wieder eine Weltmacht werden. Deshalb will er alles dem Begriff der "Größe" unterordnen: Das Zarenreich war groß, die Sowjetunion war groß und heute ist Russland (immer noch) groß.


In der Sowjetunion haben die Menschen nichts als Furcht und Autorität gekannt. Die heutigen Russen haben - nach Swetlana - "nicht die geringste vage Vorstellung darüber, was eine Zivilgesellschaft sein könnte". Sie akzeptieren die neuen Kriege in der Ukraine, der Krim und in Syrien als den direkten Weg zur Wiederauferstehung des großen russischen Weltreiches.

Impressum

Angaben gemäß § 5 TMG:

Dr. Willy Marth
Im Eichbäumle 19
76139 Karlsruhe

Telefon: +49 (0) 721 683234

E-Mail: willy.marth -at- t-online.de