Donnerstag, 20. Juni 2019

Deutschlands Konzerne werden "grün" - und fordern Staatsknete

Der Zeitgeist in Deutschland ist "grün" geworden - kein Zweifel, wenn man die Ergebnisse der letzten Wahlen zugrunde legt. Dass dieser "Wind of Change" auch die Wirtschaftsunternehmen, ja sogar die DAX-Konzerne , erfasst hat, ist noch nicht allseits bekannt, soll aber in diesem Blog beispielhaft dargestellt werden. Viele Firmen orientieren ihre Produktlinien und Investitionen neu, ein Vorgang, welcher einem Paradigmenwechsel gleichkommt.

Und mit beträchtlichen Risiken verbunden ist, denn der neue Markt ist noch keineswegs überschaubar. Deshalb richten sich die Augen nicht weniger Unternehmenschefs nach Berlin: die dortige Regierung hat die "Wende" initiiert und soll deshalb mit Gesetzesänderungen und Subventionen an die Wirtschaft zur Beherrschung ihrer Risiken beitragen. An den Unternehmen VW, RWE und BASF soll diese Metamorphose exemplarisch beschrieben werden.


VW setzt auf das Elektromobil

Ausgerechnet VW, wird mancher gequält aufstöhnen. Jene Firma, die hauptverantwortlich für den größten Betrugsskandal in der deutschen Industriegeschichte ist. Die (bislang) fast 30 Milliarden Euro für Sanktionen an die amerikanischen Finanzbehörden zahlen musste und von der sich Millionen deutscher Dieselbesitzer immer noch betrogen fühlen. Dieses Unternehmen, welches seinem allmächtigen, aber total unwissenden Chef Martin Winterkorn mit 30 Millionen Euro Abfindung in die Rente schickte und der sich jetzt hoffentlich vor Gericht verantworten muss.

Der neue VW-Chef, Herbert Diess, bisher vor allem bekannt als leidenschaftlicher Ferrarifahrer, will seinen Kunden zukünftig keine  Autos mehr mit Verbrennermotoren verkaufen, sondern nur noch Elektromobile. Zwischendurch hält er Lobreden auf die schwedische Autistin Greta Thunberg und preist die deutschen Schüler für ihre freitäglichen Wut-Demos. Allerdings, wer heute als ehemaliger Polo- oder Golfbesitzer eines der von Diess propagierten E-Mobile kauft, muss sich an kurze Reichweiten, lange Ladezeiten und karge Ausstattung gewöhnen - darüber hinaus aber auch an hohe Kaufpreise. Die E-Renner sollen, dem Vernehmen nach, nicht unter 18.000 Euro zu haben sein; demgegenüber beginnt die VW-Preisliste für gängige Verbrenner bei rd. 12.000 Euro. Wie soll der "kleine Mann", der traditionell für den Großteil des VW-Umsatzes sorgt, dies finanziell packen?

Nun, Sportfahrer Diess hat auch dafür eine Lösung. Die Bundesregierung in Berlin muss ran, schließlich hat sie - mit ihren überzogenen Abgasgrenzwerten - für diese Malaise gesorgt. Diess´ Ausweg: wenn künftige VW-Kunden schon mehr beim Erwerb ihres Fahrzeugs zahlen müssen, dann sollen sie wenigstens über geringere Betriebskosten entschädigt werden. Also: der Benzinpreis, pardon der Strompreis, muss runter. Dafür soll die Bundesregierung die Atomkraftwerke länger laufen lassen, welche demnächst (spätestens 2022) vom Netz gehen müssen. Aufgrund eines Gesetzes, das vor acht Jahren fast einstimmig im Bundestag beschlossen wurde. Das wäre für Diess ein probates Mittel, denn bekanntlich sorgen Kernkraftwerke für preiswerten Grundlaststrom ohne Emissionen von CO2. Dass der Weiterbetrieb dieser Kraftwerke zu einen Aufschrei in beträchtlichen Teilen der Bevölkerung führen würde, stört Diess nicht. Für dieses Problem sind, aus seiner Sicht, die Politiker verantwortlich.


RWE mit Lust auf erneuerbare Energien

Bei der Hauptversammlung im Mai 2019 hat der RWE-Chef mit dem passenden rheinischen Namen (Rolf Martin)  Schmitz den Takt für sein Unternehmen vorgegeben: der einstige Stromriese RWE will nicht mehr in neue Kohlekraftwerke investieren. Stattdessen habe er "Lust auf erneuerbare Energien", verkündete Schmitz in überregionalen Zeitungen. In den letzten sechs Jahren habe das Unternehmen den CO2-Ausstoß um 60 Millionen Tonnen reduziert, entsprechend einem Anteil von 34 Prozent. Noch in diesem Jahr sollen die Transaktionen mit E.ON abgeschlossen werden, mit dem Ergebnis, dass RWE (weltweit) der zweitgrößte Produzent von Offshore-Wind sein wird. In jedem folgenden Jahr sollen 1,5 Milliarden Euro netto zusätzlich in erneuerbare Projekte investiert werden. Bis 2022 sollen alle fünf großen Kernkraftwerke abgeschaltet sein; an deren Stelle wird jedes Jahr 2 bis 3 Gigawatt an "Grünstrom"-Kapazität hinzu kommen. Allerdings: gegenwärtig gewinnt RWE noch mehr als die Hälfte seines Stroms aus Steinkohle und Braunkohle. Der Weg in eine "kohlefreie Ära" ist noch lang.

Auf diesem steinigen Geläuf erwartet der RWE-Chef Schmitz die Unterstützung der Bundes- und Landesregierung. So veranschlagt er die Entschädigung für den Braunkohleausstieg auf 1,5 Milliarden Euro  je Gigawatt Kraftwerksleistung. Ob die Politiker darauf eingehen werden ist noch offen, denn die gesamte Summe liegt um 100 Prozent über den Zahlungen aus dem Topf der Sicherheitsreserve. Weiterhin schlug Schmitz - "Dinosaurier des Jahres"- den Stopp der Umsiedlungen im Braunkohlegebiet Garzweiler kategorisch aus. Die dortige Kohle würde schon in den frühen 2020er Jahren als Brennstoff für die verbleibenden Kraftwerke gebraucht. Für zwei Drittel der Häuser und Anwesen hat sich RWE außerdem bereits mit den Eigentümern zum Umzug verständigt. Für die zu erwartenden Widerstände sei allerdings die Unterstützung der Regierungen unbedingt erforderlich.


BASF:  eine Chemiefabrik wird grün

Erst ein Jahr im Amt, ist der neue Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller dabei, die BASF ökologisch umzukrempeln. So kündigte er an, die Energiezufuhr für Kernbestandteile der Produktion von Gas auf Ökostrom umzustellen. Dadurch will sich die BASF von der Emission von Treibhausgasen abkoppeln - als erstes Unternehmen der Chemiebranche. Das Herzstück der neuen grünen Produktion sollen strombetriebene "Cracker" werden. Das sind große chemische Anlagen, in denen Rohbenzin bei 850 Grad Celsius in wichtige Grundchemikalien, wie Ethylen und Propylen aufgespalten werden. Dabei sind noch einige Fragen zu klären, unter anderem wie die grüne Energie (z. B. aus Wind) gespeichert wird, damit die Produktion unterbrechungsfrei laufen kann. Der Schwenk hin zur E-Chemie ähnelt dem der E-Mobilität. Das macht sich aber noch bei den Börsendaten bemerkbar. Momentan geht der Aktienkurs der BASF nach unten, Das Wachstum lahmt und die Rendite stagniert.

Im vergangenen Jahr ist Brudermüller - zum Erstaunen seiner Chemikerkollegen - dem Wirtschaftsbeirat der Partei der Grünen beigetreten. Er sei an offenen Diskussionen interessiert, sagt er. Seine dort geäußerte Idee, wegen des Niedrigwassers im Rhein, neue Staustufen zu bauen, sei bei den grünen Beiratsmitgliedern allerdings auf wenig Gegenliebe gestoßen.




Niedrigwasser im Rhein 2018

Zur strategischen Neuausrichtung des Konzerns erwartet der CEO Brudermüller Hilfe von außen; deshalb richten sich seine Blicke nach Berlin. Ohne ausreichende und verlässlich verfügbare Energien zu wettbewerbsfähigen Preisen bleiben die neuen Technologien nutzlos. Die Politiker, wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier, sollen dafür sorgen, dass der Strom aus Wind und Sonne besser verfügbar wird. Das ist einfacher gesagt als getan in einem Umfeld, wo schon eine Klage den Bau einer Stromtrasse blockieren kann. Außerdem schlägt Brudermüller vor, nicht die Energie (wie jetzt) zu bepreisen, sondern nur das emittierte CO2. Sein Motto: Jeder soll so viel Energie verbrauchen dürfen, wie er möchte; wenn er allerdings die "falsche" verwendet, dann soll er zahlen. Die Bundesregierung soll also die Reduktion von Treibhausgasen steuerlich begünstigen durch die Einführung eines globalen CO2-Preises.

Abschließend sei daran erinnert, dass die die Manager der BASF schon in der Frühzeit eine Schwäche für erneuerbare Energien hatten - zu Lasten der Kernenergie. Zum Beispiel Jürgen Hambrecht, der Vor-Vorgänger (2003 - 2011) von Martin Brudermüller als CEO des Ludwigshafener Konzerns. Hambrecht war im Frühjahr 2011 Mitglied der berühmt-berüchtigten Ethikkommission, welche über den Weiterbetrieb der deutschen Kernkraftwerke (nach den Unfällen von Fukushima) zu befinden hatte. Gemeinsam mit einer Gruppe von Bischöfen und Kardinälen, für welche die Kernenergie ohnehin "des Teufels" war (lt. Münchener Kardinal Reinhard Marx).

Zum Erstaunen bis Entsetzen der Kernenergie-Community stimmte Hambrecht für den Ausstieg.




Montag, 17. Juni 2019

Die Zeitung BNN korrigiert einen Fehler

"Lage, Lage, Lage" ist ein immerwährender Slogan im Immobilienbereich. Der Ort bestimmt weitgehend den Wert des Grundstücks, sowohl für Privatpersonen als auch für die  Gewerbetreibenden. Insoweit hat die Karlsruher Zeitung "Badische Neueste Nachrichten" (BNN) einen historischen Fehler korrigiert, der ihr vor 33 Jahren unterlaufen ist. Damals zog die gesamte Redaktion von der umtriebigen Karlsruher Innenstadt an die beschauliche Randsiedlung Neureut. Nun kommt - zumindest die Lokalredaktion - zurück an ihre Wurzeln; in Sichtweite des Rathauses,  der Büros der meisten Landtags- und Bundestagsabgeordneten sowie der Hohen Gerichte. Hier, nur wenige Schrittsekunden entfernt von der Pyramide, regieren nicht die Gesetze der grünen Wiese von Neureut mit abgeschotteten Büros, sondern man ist mittendrin bei den Zeitungslesern und den Informationsgebern. Kein Wunder, dass dieser Ortswechsel einhellig begrüßt wird, vom Oberbürgermeister Frank Mentrup bis zum Eventmanager Martin Wacker.


Die wechselvolle Geschichte der BNN

Die Geschichte der BNN ist typisch für viele Zeitungsgründungen nach dem 2. Weltkrieg, weist aber einige Besonderheiten auf, die durchaus berichtenswert sind. Im März 1946 erhielt das CDU-Mitglied Wilhelm Baur von der amerikanischen Besatzungsmacht die Lizenz zur Herausgabe der BNN. Damals wurde auch das Verlagsgebäude in die Lammstraße verlegt. Nach dem Tod seines Onkels Wilhelm (1973) wurde Hans Wilhelm Baur (1926 - 2015) Verleger des Blattes. In diese Zeit fiel auch die Entscheidung zum Umzug nach Neureut. Ursächlich war der Platzbedarf für die riesige, kurz vorher beschaffte Rotationspresse. Der Umzug der gesamten Redaktion wurde zusätzlich getroffen.

Seit Mai 2005 ist der bisherige Chefredakteur Klaus Michael Willimek auch Herausgeber und Geschäftsführer der BNN. Willimek wurde kurz vorher von seinem Onkel, dem Verleger Hans Wilhelm Baur adoptiert. Gegenwärtig figuriert Klaus Michael Baur im Impressum der BNN als Verleger, Herausgeber und Chefredakteur. Mehr geht kaum!

Die BNN gehört einer Stiftung, die nach dem Zeitungsgründer Wilhelm Baur benannt ist. Sie soll die Unabhängigkeit des Blattes garantieren. Die Ausschüttungsbeträge dieser Stiftung fließen unter anderem einem Mehrgenerationenhaus zu, das den Namen der 2004 verstorbenen Verlegersgattin Brunhild Baur trägt. Das Haus ist Teil des Verlagsgebäude in Neureut und wird gut geführt.




Zeitung machen und verkaufen: ein mühsames Geschäft

Die BNN ist die einzige Tageszeitung im Stadt- und Landkreis Karlsruhe, weswegen sie manchmal, leicht ironisch, als Monopolzeitung bezeichnet wird. Die verkaufte Auflage beträgt rd. 100.000 Exemplare, die Redaktion besteht aus ca. 90 Mitarbeitern. Während der vergangenen 20 Jahren ist die Auflage um ca. 30 Prozent abgesunken. (Immer wenn ein älterer Leser stirbt, reduziert sich die Zahl der Abonnenten sozusagen um die gleiche Einheit.). Die Jugend bezieht ihre Informationen fast ausschließlich über Smartphone aus dem Internet. Am Impressum der BNN erkennt man, dass auch die Anzahl der Redakteure schwindet; Ruheständler werden kaum adäquat ersetzt. In den letzten Jahren ist das Blatt, dem Zeitgeist entsprechend, erkennbar nach links gerückt. Möglicherweise hat man dadurch einige (grün-rote) Leser hinzugewonnen, vermutlich aber auch fast eben so viele konservative verloren.

Die BNN betreibt neun Lokalausgaben. Der Mantel (und damit der überregionale politische Teil) ist identisch. Die Lokalausgaben erscheinen unter anderem in Baden-Baden, Pforzheim, Bühl und Bruchsal. Die Jagd nach exklusiven Geschichten, den sogenannten "Scoops", hat die BNN weitgehend aufgegeben. Früher berichtete sie (als Erste) über angeblich schlechte Arbeitsbedingungen beim Discounter "Lidl" und musste durch kostspielige Prozesse und rückgehende Werbeeinnahmen teures Lehrgeld bezahlen. Ein weiterer Scoop war zweifelsohne die Exklusivmeldung über eine "Steuerfahndung im Hause Steffi Graf". Leider geschah dies im zeitlichen Umfeld des French Open Tennisturniers, was der BNN wenig Sympathie bei den badischen  Tennisfreunden einbrachte. Inzwischen konzentriert sich die Redaktion auf Sondermeldungen bei den diversen Karlsruher Bauprojekten. Allerdings gehören dort Termin- und Kostenüberschreitungen zum Alltag und beunruhigen die Leserschaft kaum sonderlich.

Beim Promi-Empfang anlässlich der Rückkehr der Lokalredaktion schlug der Leiter des ZKM-Museums, Peter Weibel, vor, dass die Abkürzung BNN künftig für BürgerNahe Nachrichten stehen solle. Ein kleiner Gag, der beim Zeitungschef Klaus Michael Baur indes gut ankam.