Sonntag, 31. August 2008

Strom auf Pump

In meiner Fichtelgebirgsheimat ist zur Zeit eine mächtige Diskussion im Gange über - Sie werden es nicht erraten - über Pumpspeicherkraftwerke. Sie haben sicherlich von diesen Anlagen gehört, die es schon seit fast einem Jahrhundert gibt: Aus einem Obersee entlässt man Wasser durch Rohrleitungen in den Untersee, wobei die eingebauten Turbinen Strom erzeugen. Später pumpt man dieses Wasser wieder hoch und das Spiel beginnt von neuem. Den Nutzen sehen die Stromerzeuger darin, dass sie bei hohem Stromangebot (und niedrigen Preisen) den Obersee billig füllen können, um ihn bei hohem Strombedarf (und entsprechend hohen Preisen) wieder zu entleeren.

Ein solches Pumspeicherkraftwerk soll in der Nähe unserer Kreisstadt Wunsiedel entstehen, wobei der Obersee bei der Luisenburg, der Untersee im Röslautal liegen soll. Und wie immer bei Kraftwerksprojekten, gibt es leidenschaftliche Befürworter und ebenso leidenschaftliche Gegner. Der Dissens fängt schon damit an, dass die einen in dieser Anlage eine Stromerzeugungsmaschine, die anderen hingegen eine Stromvernichtungsmaschine sehen. Das mag verblüffen, aber erstaunlicherweise haben beide Parteien recht. Wenn ein Pumpspeicherkraftwerk sein Wasser aus dem Obersee entlässt, so produziert es ohne Zweifel Strom. Aber das Wasser muss später ja wieder hochgepumpt werden und dafür ist - wegen der unvermeidlichen Reibungsverluste etc. - etwa 30 % mehr Energie erforderlich. Energetisch könnte man also auch von einer "Stromvernichtungsmaschine" sprechen. Vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt allerdings rechnet sich das Ganze, weil man, (siehe oben) zu gewissen Zeiten eben einen höheren Strompreis erzielen kann. Im Kern sind Pumpspeicherkraftwerke also Regelanlagen für das elektrische Netz.

Mancher Anwohner dieser künstlichen Seen spekuliert bereits auf ein erhöhtes sportliches Freizeitangebot, etwa im Bereich des Angelns, des Schwimmsports, der Segelei u.a.m. Aber daraus wird wohl nichts, denn aus Sicherheitsgründen wird man beide Seen einzäunen müssen. Während des Turbinen- und Pumpbetriebs schwankt der Wasserspiegel in kurzer Zeit um mehrere Meter und es kommt zu mächtigen Strömungen und gefährlichen Strudeln. Die meterdicken Rohrleitungen erzeugen ungeheure Sog- und Schwallkräfte, die einen Schwimmer aufs Höchste gefährden würden. Auch ökologisch und biologisch sind solche Pumpspeicherseen durchaus problematisch. In der Schweiz hat man durch Messungen festgestellt, dass die künstlichen und schnell aufeinander folgenden Hoch- und Niedrigwasser die Fischeier und Wasserorganismen wegschwemmen, sodass die Fischbestände in kurzer Zeit aussterben.

Woher kommt dieses plötzliche Interesse am Bau neuer Pumpspeicherkraftwerke, sodass man sogar von einer Renaissance einer altbekannten Technologie sprechen kann? Die Antwort ist einfach: es ist die Windkraft, welche nach solchen Regeleinheiten ruft, genauer gesagt, das Stromangebot aus Windmühlen. Dieser Strom wird bekanntermassen sehr unregelmässig produziert - eben nach Windanfall - muss aber von den Stromfirmen gemäss dem Gesetz für Erneuerbare Energien (EEG) ins Stromnetz übernommen werden. Und das zu einem relativ hohen Festpreis. Die naheliegende Idee ist, den zu Unzeiten erzeugten Windstrom für Pumpspeicherkraftwerke zu verwenden, um ihn zu Hochpreiszeiten von dort wieder abzurufen. Im Grunde ist das eine Veredelung von Abfallstrom mit entsprechendem wirtschaftlichen Nutzen.

Mit dieser Idee beschäftigen sich - im Dunstkreis des Stromversorgers RWE - bereits eine Reihe von Hochschulinstituten. An der Ruhr-Universität Bochum wird die optimale Kopplung von Wind- und Wasserkraftwerken in Diplomarbeiten untersucht und führte im Jahr 2006 zur Verleihung des Umweltpreises an Dipl. Ing. Leif-Erik Langhans. An der TH Aachen kommt Professor Haubrich zu der Feststellung, dass Pumspeicherkraftwerke "die Geschwister der Windkraft" seien, weil ökologisch sauberer Strom in idealer Weise mit Windenergie kombiniert werde. In vielen akademischen Systemstudien wird überlegt, wie man die deutschen Mittelgebirge als Standorte für Pumpspeicherkraftwerke verwenden könnte. Da der Windstrom zumeist an der Nordeeküste erzeugt wird, ist ausserdem die Genehmigung und der Bau zusätzlicher Stromtrassen vom Meer zum Gebirge erforderlich. Kein Wunder, dass die Bewohner dieser meist landschaftlich schönen Gebirgsgegenden sich gegen diese Verunstaltung ihrer Heimat heftig zur Wehr setzen.

Welche Möglichkeiten gibt es, um die Windenergie weiterhin sinnvoll nutzen zu können - ohne den beschriebenen Landschaftsverbrauch? Nun, dafür wäre es notwendig das EEG so zu novellieren, dass der Windstrom nicht mit Priorität ins Netz "gedrückt" werden muss, mit dem Risiko der Überlastung und sogar von Netzzusammenbrüchen. Stattdessen sollten nicht benötigte oder gefährdende Erzeugungsspitzen durch Abschalten bzw. Abregeln der Windräder gekappt werden. Dies könnte in den Lastverteilerzentralen der Energieversorgungsunternehmen geschehen.

Im Fazit wäre gesamtwirtschaftlich günstiger, die Windfarmbetreiber für den entgangenen Erlös durch Abschalten bei Netzüberlastung zu entschädigen - wie es analog bereits seit langem in der Agrarwirtschaft bei drohender Überproduktion von Nahrungsmittel geschieht. Aber gegen Ideologien ist schwer anzukämpfen.

Freitag, 22. August 2008

Festspiele in der Provinz

Eigentlich sollte für Richard Wagners "Ring der Nibelungen" und seine übrigen Werke in München ein monumentales Opernhaus hoch über den Isarufern gebaut werden. König Ludwig II von Bayern, Wagners Förderer, plante es so und hatte bereits den Architekten Gottfried Semper engagiert, den Erbauer des Dresdner Hoftheaters. Aber Wagner, sonst durchaus dem Prunk ergeben, wollte es anders. Für seine Tetralogie stellte er sich ein schmuckloses Aufführungstheater in der Provinz vor, fernab vom Getümmel der Metropole.

Als Wagner München zeitweilig verlassen musste und in der Schweiz lebte, wurde er beim Durchblättern eines Konversationslexikons (!) auf Bayreuth aufmerksam. Er besuchte 1871 diese Kleinstadt von damals 17.000 Einwohnern und sie gefiel ihm. Hier in"Bareid"
(oberfränkische Dialektbezeichnung) wollte er sein Opernhaus bauen, in dem ausschliesslich seine eigenen Werke aufgeführt werden sollten. Die Stadtverwaltung war darüber entzückt und schenkte ihm ein Grundstück, das Markgrafenpaar hiess ihn gnädig willkommen. Im Mai 1872 wurde der Grundstein für das Festspielhaus gelegt und schon im August des darauffolgenden Jahres konnte das Richtfest gefeiert werden. So schnell ging es damals, als Genehmigungsverfahren und Bürgerinitiativen noch unbekannt waren. Parallel dazu wurde sogar noch Wagners Wohnhaus, die "Villa Wahnfried" gebaut. Im Garten liess Wagner gleich eine Grabstelle für sich und seine Frau Cosima ausheben, in die er - detailversessen wie er war - mehrmals hinab stieg um die Raumverhältnisse zu überprüfen.

Zuschauerraum und Bühnenhaus des zukünftigen Festspielhauses sind als Holzfachwerk ausgeführt; die Aussenwände sind weitgehend aus rotem Ziegelstein und fast schmucklos, was dem Theater lange Zeit die despektierliche Bezeichnung "Scheune" eingetragen hat. (Erst 1960 wurde ein Tragwerk aus Beton und Stahl eingesetzt.) Der Zuschauerraum besteht aus gleichmässig ansteigenden Sitzreihen nach dem Vorbild der antiken Amphitheater, wodurch von allen 1976 (!) Plätzen eine perfekte Sicht zur Bühne gewährleistet ist. Fussboden, Pfeiler und Säulen sind aus Holz, natürlich auch die bekannt harten Sitzplätze, was dem Zuschauerraum eine hervorragende Akustik verleiht. Um diese nicht zu gefährden werden keine architektonische Änderungen zugelassen, lediglich den Festspielbesuchern wird ein dünnes Sitzkissen zugestanden. (Echte Wagnerianer verzichten auch darauf.)

Die Musiker sitzen - unsichtbar für die Zuschauer - in einem abgedeckten Orchestergraben. Er lässt den typischen "Bayreuther Mischklang" entstehen, der die Lokalisierung einzelner Instrumente unmöglich macht. Stattdessen hat man den Eindruck, dass sich der Orchesterklang "allgegenwärtig" im Raum ausbreitet. Der Philosoph Theodor v. Adorno prägte deshalb die Bezeichnung von der "Verdeckung der Produktion durch die Erscheinung des Produkts". Wagner führte im Orchestergraben auch eine neue Sitzordnung für die Musiker ein: die Ersten Violinen, die im Orchester die Führungsstimme haben, sitzen nicht, wie üblich, links, sondern rechts von Dirigenten. Diese seitenverkehrte Anordnung der Streicher führt bis heute bei neu engagierten musikalischen Leitern zu erheblicher Verwirrung.

Die Finanzierung des Theaters wollte Wagner durch einen Patronatsverein sichern, der als eine Art künsterischer Aktiengesellschaft, Anteilsscheine zum Verkauf anbot. Wie vorhersehbar, lief der Absatz nur schleppend und Wagners königlicher Freund Ludwig musste mehrmals in die Bresche springen, um das Bayreuther Projekt zu retten. Vorher hatte Wagner in fast demütigender Weise in Berlin antichambriert, aber der Reichskanzler Bismarck und Kaiser Wilhelm rückten nicht einen Pfennig heraus. Sau-Preiß´n!

Nach vielen Mühen konnten 1876 die ersten Festspiele in Bayreuth aufgeführt werden. Es war durchaus ein Erfolg, trotz mancher erkennbarer Mängel. So war bei der Premiere der riesige Drachen offensichtlich unvollständig und mit der Mechanik haperte es - zum Vergnügen der Zuschauer. Dies war jedoch kein Wunder, denn Siegfrieds Lindwurm wurde in London zwar nach exakten Vorgaben Wagners gebaut, aber dann an eine falsche Adresse versandt.

Er landete in Beirut (heute Libanon) und den langen Rückweg nach Bayreuth überlebte er nur in derangierter Form.

Montag, 11. August 2008

Bericht aus Bayreuth

Das Fichtelgebirge, jenes hufeisenförmige Mittelgebirge im Nordosten Bayerns, ist nicht jedem auf Anhieb geläufig. Das ist schade, denn meine Heimat lädt nicht nur zum Wandern und Fahradfahren ein, sondern bietet im Sommer auch vielfältige Veranstaltungen von Events bis zu Highlights der Kultur.

Zur ersteren Kategorie zähle ich die alljährlich ausgerichteten "Oberfränkischen Meisterschaften im Sautrog-Rennen" im 500-Seelen-Dörfchen Seussen, das zufällig mein Geburtsort ist und in dem ich auch die ersten 18 Jahre meines Lebens verbracht habe. Ein Sautrog ist ein etwa 2 Meter langer, 80 cm breiter und 70 cm tiefer Holztrog, in dem das frisch geschlachtete Schwein mit heissem Wasser überbrüht wird, um es von den Borsten zu befreien. Zwei dieser Sautröge stehen bei den genannten Meisterschaften für jeweils ein Paar Wagemutige zur Verfügung, welche sie auf dem Dorfteich mit Paddeln von einem Ufer zum anderen bewegen sollen. Über Vor - und Zwischenläufe gewinnt schliesslich die geschickteste und zeitschnellste "Mannschaft", meist junge Bauernburschen aus der Umgebung. Zwischenzeitlich fallen immer wieder einige, zum grossen Hallo der Zuschauer, in den Teich, denn die Tröge sind sind enorm kippelig und schwer zu steuern. Das sachkundige Publikum sitzt auf Holzbänken dicht gedrängt um den Dorfteich und geniesst bei Bier und Bratwurst diesen Wettkampf. Ein empfehlenswerter Event, noch dazu bei freiem Eintritt.

Kulturell noch höher anzusiedeln sind die alljährlichen Festspiele auf der Luisenburg, einem sehenswerten Labyrinth aus mächtigen Granitfelsen. Der gegenwärtige Intendant dieses sehr beliebten Theaterspektakels ist der Münchener Schauspieler Michael Lerchenberg, welcher im Fernsehen gelegentlich als Imitator des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber zu sehen ist. Dieses Jahr stand unter anderem das sehr renommierte Schauspiel "Der Watzmann ruft" auf dem Spielplan, was die Zuschauer in Scharen angelockt hat. Hollarödulliöh!

Jeweils am ersten Samstag im August wird im nahen Selb das "Fest der Porzelliner" ausgerichtet, in dessen Mittelpunkt der grösste Pozellanflohmarkt Europas steht. Mit weit über 300 Verkaufsständen zieht er die Liebhaber des "Weissen Golds" aus ganz Deutschland, ja sogar aus den angrenzenden Ländern und der Übersee an. In unmittelbarer Nähe der berühmten Fabriken Rosenthal, Hutschenreuther, Thomas, Arzberg etc. wird hier jeder fündig, der neues (und vor allem altes) Porzellan sucht. Insbesondere an Figuren entzündet sich immer wieder die Sammelleidenschaft; aber manchmal ist es auch nur ein bestimmtes Milchkännchen - etwa von Arzberg - das nachgekauft werden soll. Dabei sieht der echte Porzellanjäger immer zuerst nach dem Stempel auf der Unterseite, der eine Art Prüfsiegel darstellt.

Das Städtchen Bayreuth ist nur eine halbe Autostunde von meinem Wohnort Kirchenlamitz im Fichtelgebirge entfernt und die dort jeweils im August ausgerichteten Richard-Wagner-Festspiele zählen zu den Höhepunkten der Musikkultur. Tickets sind schwer zu bekommen, aber mir ist das noch immer gelungen - auf Wegen, die ich hier nicht beschreiben möchte, um meine blog-Leser nicht zu langweilen. Dieses Jahr fühlte ich mich besonders privilegiert, denn ich erhielt ein Kartenpaar für den gesamten Premieren-Nibelungenring und das sogar in der Mitte des Parketts. Von gewissen Parkettplätzen hört man in Bayreuth die Musik aus dem Orchestergraben besonders gut, weitaus besser als auf den rückwärtigen Logen. (In dieser Meinung bin ich offensichtlich nicht allein, denn unsere sehr musikverständige Bundeskanzlerin Angela Merkel sass mit Ehemann Sauer und einer bodyguard-Entourage gerade mal 4 Reihen vor uns.)

Der "Ring der Nibelungen", bestehend aus den 4 Opern Rheingold, Walküre, Siegfried und Götterdämmerung wird in Bayreuth gewöhnlich innerhalb einer Woche, beginnend am Montag und endend am Samstag aufgeführt. Zwei Tage, meist Mittwoch und Freitag sind "Ruhetage" für die Musiker und Sänger, aber auch das p.p. Publikum. Denn so eine Wagneroper, nachmittags mit Fanfarenstössen beginnend und 4-5 Stunden dauernd (mit zusätzlich 2 Pausenunterbrechungen) ist durchaus stressig für jemanden, der sie zum ersten Mal hört. Eine gewisse Vorbereitung, etwa an den Ruhetagen, durch Lesen der Textbücher und sonstiger einführender Literatur, ist da sehr zu empfehlen. Aber die über 9000 Textzeilen des Rings und seine mehr als 100 Leitmotive sind nicht leicht zu memorieren.

Ein Grobgerüst an textualen Verständnis hat man, wenn man weiss, dass der Ring - das Symbol der Macht - von einem Besitzer zum anderen wandert. Also probieren wir einen Schnelldurchlauf: anfangs liegt das Gold auf dem Grund des Rheins, bewacht von den Rheintöchtern. Der Nibelungen-Gnom Alberich raubt es und schmiedet daraus den Nibelungenring. Gottvater Wotan raubt den Ring von Alberich und entlöhnt damit die beiden Riesen Fafner und Fasolt, welche ihm die Götterburg Walhall gebaut haben. Das Paar gerät in Streit, Fafner erschlägt seinen Bruder Fasolt und nimmt den Ring an sich. Dazu auch den Tarnhelm, mit dessen Hilfe er sich in einen Drachen verwandeln kann. Der furchtlose Siegfried erschlägt den Drachen und übernimmt den Ring - ohne dessen Bedeutung zu kennen. Er gibt den Ring als Liebespfand an die Walküre Brünhilde, erobert ihn aber wieder (in Gunters Gestalt) von ihr zurück. Nach Siegfrieds Tod durch Hagen verbrennt sich Brünhilde mit Siegfrieds Leiche. Die Rheintöchter holen den Ring aus der Asche und bringen ihn wieder zurück auf den Grund des Rheins. Dort liegt er jetzt noch, aber Wagner lässt offen, ob ihn nicht abermals ein Furchtloser von dort rauben könnte, sodass sich die Geschichte von Liebe, Gold und Macht wiederholen würde.

Richard Wagner wäre wohl auch als dramatischer Dichter bekannt geworden, hätte er sich nicht zum genialen Komponisten entwickelt. Die Musik steht in Bayreuth klar im Vordergrund, unterstützt durch die hervorragende Akustik des Festspielhauses, welche dem Architekten (ohne Schallingenieure) gelungen ist. Schon das Vorspiel des Rheingold ist von der ersten Note an berührend. Es beginnt mit einem tiefen Es der Kontrabässe und Fagotte, über das sich nach einiger Zeit das sehr ruhige Es-dur-Naturmotiv der Hörner legt. Diese Linie verdichtet sich von Takt zu Takt, schwillt an und bricht plötzlich ab um in den Gesang der Rheintöchter überzugehen. Die Keimzellen von Wagners Musik sind die schon genannten Leitmotive. Sie sind einer bestimmten Person, einem Ereignis oder einer Stimmung zugeordnet und erzeugen durch ihre Wiederholung an bestimmten Stellen Assoziationen, wodurch die szenischen Zusammenhänge verdeutlicht werden. Die Musik des Rings kennt keine Unterbrechungen innerhalb eines Aktes. Alles ist "durchkomponiert", es entsteht eine "unendliche Melodie".

Die Anforderungen an die Sänger und Sängerinnen sind horrend. Wohl am stärksten gefordert ist Brünhilde, die gleich bei 3 Opern auf der Bühne steht. Aber auch Siegfrieds Rolle ist sehr anstrengend. Im 3. Akt der Oper Siegfried stehen beide wohl eine Stunde allein auf der Bühne, bis sie sich schliesslich, überwältigt von der Liebe, in die Arme fallen: "Leuchtende Liebe, lachender Tod"

Die Regisseure haben es schwer in Bayreuth. Meistens müssen sie sich eine Menge Buh-Rufe anhören, wie in diesem Jahr Tankret Dorst, der den Nibelungenring inszenierte. Da man in dieser Tetralogie nie zur letzten Deutung kommen wird und es viele Möglichkeiten der szenischen Umsetzung gibt, wird man immer nur einen Teil des Publikums zufrieden stellen können. Selbst beim berühmten Jahrhundertring von Patrice Chéreau 1976 kam es fast zu einer Saalschlacht zwischen konservativen und progressiven Theaterbesuchern. Heute ist Chéreau heilig gesprochen.

Wagnerfreunde sind eine besondere Sorte von Menschen. Als ich nach der Götterdämmerung - 5 Stunden reine Spielzeit - etwas knieweich dem Ausgang zustrebte, hörte ich eine schon betagte Dame zu ihrer Bekannten sagen: "Und morgen machen wir weiter mit Parsifal"!

Unverwüstlich, diese Wagnerianer.

Sonntag, 10. August 2008

Uran - wie lange reicht es noch?

Bei der gegenwärtigen Diskussion um die Kernenergie spielen - neben der Sicherheit - die Uranreserven eine gewichtige Rolle. Wie lange der Kernbrennstoff Uran noch reicht, darüber kann man die verschiedensten Zahlen lesen: von 25 Jahren (Trittin) über 200 Jahre (Uranindustrie) bis zu mehreren tausend Jahren (Schnellbrüterforscher). Im Rahmen dieses blogs möchte ich diese komplexe Materie etwas durchsichtiger machen.

Zunächst einmal eine Binsenweisheit: Reichweitenbetrachtungen für einen Rohstoff (Ressource) - seien es Uran, Erdöl, Eisen, Diamanten etc. - hängen immer vom angenommenen Verbrauch und von den zugrunde gelegten Vorräten oder geschätzten Reserven ab. Der berühmte "Club of Rome" hatte diese Regel in der 70er Jahren nur unzulänglich befolgt, deshalb waren seine Prognosen auch falsch. Man hatte damals die Vorräte der betrachteten Rohstoffe als relativ fix angesehen und auf einen exponentiellen Verbrauch spekuliert, wodurch man zu einer (fehlerhaften) kurzen Reichweite kam. Der heilsame Einfluss der Preissteigerungen und die verstärkte Rezyklierung der benutzten Ressourcen blieben weitgehend unberücksichtigt.

Zurück zum Uran, wobei ich mich auf die Zahlenangaben der Internationalen Atombehörde in Wien (IAEO) und der Deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) abstütze. Wie ist der ehemalige Umweltminister Trittin zu der relativ kurzen Uranreichweite von nur 25 Jahren gekommen? Ganz einfach. Er hat sich im Jahr 2005 nur auf die billigste Kategorie der Uranvorräte bezogen, wovon es 1.700.000 Tonnen gab und die für unter 40 US-$ pro Kilogramm Uran auf dem Weltmarkt zu beschaffen waren. Diese Uranmenge hat er durch den weltweiten Jahresverbrauch an Uran (damals 68.000 Tonnen) dividiert und kam damit auf 1.700.000 : 68.000 = 25. Nach dieser Rechnung wären also die Uranvorräte in 25 Jahren erschöpft gewesen.

Diese Herangehensweise von Trittin ist rechnerisch zwar korrekt, aber gleichzeitig schlitzohrig. Von einem amtierenden Bundesminister können die Bürger mehr Seriosität erwarten. Denn bereits wenn man einen Uranpreis von knapp über 40 $ pro kg akzeptiert, erhöhen sich die Vorräte (wegen des jetzt höheren Angebots) auf 2.500.000 t und führen zu einer Reichweite von 37 Jahren. Für 80 $/kgU kann man den Rest der Vorräte aufkaufen und landet bei einer Reichweite von ca. 50 Jahren.

Im Prinzip ist es wie bei der Tankstellensuche, die heute jeder Autobesitzer betreibt. Pendelt der Benzinpreis in einer Stadt um die 1,55 Euro pro Liter, so findet man wenige Zapfsäulen an denen der Sprit für 1,52 Euro zu haben ist. Relativ viele kann man anfahren, wenn man sein Kauflimit auf 1,55 schraubt und für 1,60 Euro (oder knapp darunter) kann man praktisch an allen Tankstellen Benzin kaufen.

Nun könnte man einwenden, dass dem Uranpreis nach oben hin enge Grenzen gesetzt sind, denn wenn dieser Energieträger zu teuer wird, dann wird auch der im Kraftwerk erzeugte Strom teuer und bald nicht mehr absetzbar. Dieses Risiko ist jedoch sehr gering. Das Uran trägt nämlich nur mit 3-5% zu den Gesamtkosten der Stromerzeugung bei und beeinflusst selbst bei einem Preisanstieg von 100 oder 200% die Stromkosten damit nur marginal.

Wieder zurück zu unserer Reichweitenabschätzung. Die oben genannte Reichweite von 50 Jahren basiert auf Uranvorräten in "bekannten" Lagerstätten, die tatsächlich vermessen sind. Neben diesen Uranminen gibt es aber noch Vorkommen in der unmittelbaren Umgebung. Diese sind nicht bekannt im strengen Sinne, aber aufgrund geologischer Erfahrungen und Probenahmen sind sie als "vorhanden" einzuschätzen. Nimmt man diese Mengen noch hinzu, so erhält man weitere 35 Jahre an Reichweite. Und wenn man dann noch die "Reserven" betrachtet, die mit wissenschaftlicher und geologischer Kenntnis "sicher vermutet" werden, dann reichen die Uranvorräte insgesamt mindestens 200 Jahre. Das ist der Reichweitenwert, welcher von der Uranindustrie angenommen wird, z.B. der Urenco in Gronau. Natürlich wird dieses Uran, weil es nicht im Tagebau gefördert werden kann, sondern vielleicht aus grösserer Tiefe geholt werden muss, nur zu einem höheren Preis verfügbar sein.

Nochmals zurück zum Benzinmarkt. Der gegenwärtige Anstieg des Benzinpreises signalisiert nicht, wie häufig in den Zeitungen kolportiert, das Ende des Benzinzeitalters. Fast das Gegenteil ist richtig. Die höheren Preise läuten eine neue Phase der Exploration ein. Ölfelder, die früher als unergiebig galten, werden jetzt angebohrt und beliefern in Zukunft den Markt. Nach meiner festen Überzeugung werden auch noch unsere Kinder (und vielleicht sogar die Enkel) mit Benzin ihre Autos fahren - allerdings zu einem höheren Preis.

Bei Nutzung des Schnellen Brüters erhöht sich die genannte Reichweite von 200 Jahren nochmals dramatisch um den Faktor 100, also auf 20.000 Jahre! Der Schnellbrüter ist ein neuartiger Reaktortyp, der auch das "Abfalluran" U-238 in Spaltstoff umwandeln kann. Er wurde unter wesentlicher Mitwirkung des Kernforschungszentrums Karlsruhe entwickelt, in Kalkar am Niederrhein fertig gebaut, aber durch politische Einwirkungen der Grünen und der SPD am Betrieb gehindert. Mittlerweile ist die Planung von schnellen Reaktoren der 2. Generation in vielen grossen Industrieländern im vollen Gange. In Deutschland wird sie wegen der Koalitionsabsprache zwischen CDU und SPD verhindert.

Schliesslich ist zu vermerken, dass Uran auch als Beiprodukt bei der Phosphatgewinnung anfällt - eine weitere Reserve, die ca. 300 Jahre reichen würde. Etwas hypothetisch, aber technisch durchaus machbar, wäre die Abtrennung von Uran aus dem Meerwasser. Die Weltmeere beinhalten die gigantische Menge von 4 Milliarden Tonnen. Selbst wenn man nur ein Promille dieses Uraninhalts gewinnen könnte, wären dies erneut 600 Jahre an zusätzlicher Reichweite - allerdings zu derzeit noch unbekanntem Kostenaufwand.

Eines möchte ich mit dieser detaillierten Darstellung auf alle Fälle erreichen: Zahlenangaben über die Vorräte des Urans und seiner Reichweite bedürfen stets der Kommentierung und Erläuterung. Es ist unsinnig und im Falle des BMU sogar unverantwortlich, Reichweitenzahlen in den öffentlichen Raum zu stellen, ohne die Nebenbedingungen, wie Preise, Art der Lagerstätte u.a.m. deutlich zu benennen.

Die Versorgungssicherheit des Energieträgers Uran wird noch durch zwei weitere Umstände begünstigt, nämlich durch die Art der Herkunftsländer und durch seine leichte Lagerfähigkeit. Während das Erdöl vorallem aus den politisch instabilen Ländern des Nahen Ostens zu uns kommt, ist dies beim Uran nicht der Fall. Die wichtigsten Erzeugerländer dieses Kernbrennstoffs sind Kanada, Australien, USA und Südafrika, alles Gegenden, die politisch stabil sind und bei denen es noch nie zu Lieferschwierigkeiten kam.

Eine günstige Eigenschaft des Urans ist seine ausserordentlich hohe Energiedichte. 1 kg Natururan hat den gleichen Energieinhalt wie 13.000 kg Erdöl oder 19.000 kg Steinkohle. Das bedeutet, dass dieser Energieträger auf kleinem Raum gelagert werden kann. An den deutschen Uranfabriken und Kernkraftwerken ist es kein Problem den Uranbrennstoff für volle 7 Jahre auf kleinem Raum als Vorrat zu lagern. Über diese lange Zeit ist man also autark, d.h. unabhängig von Importen. Beim Erdöl beträgt die deutsche Vorratslagerung lediglich einige Monate.

Fazit: Der Energieträger Uran reicht auf alle Fälle mehrere Jahrhunderte. Will man die Kernenergie ausbauen, so stellt die langfristige Beschaffung dieses Brennstoffs kein Problem dar.

Sonntag, 3. August 2008

Die Ewigkeitskosten der Steinkohle

Frau Bärbel Höhn, die Spitzenpolitikerin der Grünen, ist nicht nur von unübersehbarer Statur sondern sie ist auch wortgewaltig, wenn es um ihr Lieblingsthema, die ungeliebte Kernenergie geht. Bei einer kürzlichen Podiumsveranstaltung an der Universität Karlsruhe konnte man das sehen und hören. Alle wirklichen und vermeintlichen Probleme der Kernkraftwerke hatte sie parat und hielt sie dem Vertreter des EnBW-Stromversorgers vor. Gerne hätte man etwas nachgefragt, aber sie entzog sich der Diskussion, indem sie den Hörsaal vorzeitig verliess.

So hätte ich sie beispielsweise zu den ökologischen und finanziellen Auswirkungen des Steinkohlebergbaus in Nordrhein-Westfalen befragen wollen. Immerhin war sie dort 10 Jahre lang (1995 - 2005) Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung. Sie hat in dieser Zeit die vom ehemaligen Ministerpräsidenten Rau eingeführte "Kohle-Vorrang-Politik" mitgetragen, welche dem deutschen Steuerzahler bis jetzt 130 Milliarden Euro an Subventionen gekostet hat. Einfach deswegen, weil man im Ruhrgebiet Steinkohle für 150 Euro Kosten pro Tonne, während sie auf dem Weltmarkt für 50 Euro zu kaufen wäre. Dieser wirtschaftliche Unsinn geht weiter bis zum Jahr 2018 und wird uns Steuerzahler noch einmal 40 Milliarden Euro kosten.

Besonders gravierend sind jedoch die ökologischen Schäden der Steinkohleförderung. Im Bergbaugebiet von Nordrhein-Westfalen hat sich die Erdoberfläche um bis zu 40 Metern abgesenkt, in der Innenstadt von Essen immerhin noch um 16 m. Ohne ständiges Abpumpen des Grubenwassers wäre das Ruhrgebiet längst eine Seenlandschaft.

Bis zu 2000 m Tiefe ist das Kohlegebiet wie ein Schweizer Käse von Schächten und Stollen durchsetzt. Auf der (bebauten) Erdoberfläche entstehen immer wieder Schäden an Gebäuden, Strassen und Bahnlinien, wenn das darunter liegende Abbaugebiet unter Bildung von Trichtern und Rissen wegsackt. Die Hausbesitzer in NRW reichen pro Jahr an die 40.000 Schadensmeldungen ein, zumeist vergeblich.

Die Bewegungen im Untergrund führen nicht nur zu Erschütterungen, sondern auch zu regelrechten Erdbeben. Allein in der Kleinstadt Dorsten kam es im Vorjahr zu 1.100 spürbaren kleineren Beben. Die Bewohner wurden um Schlaf und Ruhe gebracht, Ältere leiden an Herzrasen, Kinder haben Angst. Im Saarland kam es im Februar diesen Jahres zu einem so starken Erdbeben, dass sich der Ministerpräsident Müller entschloss, den Bergbau samt und sonders aufzugeben.

Ein grosses Problem ist die miserable Dokumentation der Schächte und Stollen. Man schätzt, dass es noch mehr als 2.200 Bergbauschächte gibt, deren Lage und Zustand nicht bekannt ist. Sie müssen erst in aufwändigen Suchaktionen wiederentdeckt werden. Die Tageslichtöffnungen dieser Schächte sind häufig verschlossen, nicht selten sogar mit Gebäuden überbaut.

Das allergrösste Problem im Ruhrgebiet sowie in grossen Teilen von NRW stellt jedoch das Grubenwasser dar. Es dringt von unten in die Schächte und Stollen ein und bringt sie zum Einsturz mit entsprechender Trichterbildung an der Oberfläche. Daneben verseucht es in dramatischer Weise das Trinkwasser. Und wenn es schliesslich an die (abgesenkte) Oberfläche gelangt, dann kommt es zu weitläufigen Überschwemmungen und ausgedehnter Seenbildung. Eine grosse Anzahl mächtiger Pumpen muss Tag und Nacht laufen, z.B. im Gebiet von Walsum bei Duisburg. Sie befördern das Grubenwasser aus den abgesackten Gebieten in die entfernten Flüsse, wie den Rhein. Derzeit liegt allein in Walsum die Fördermenge bei 20 Millionen Kubikmeter jährlich.

Man bezeichnet diese Lasten - auch offiziell - als Ewigkeitslasten und die damit verbundenen Kosten als Ewigkeitskosten. Sie gehen einher mit einem unbegrenzten Energieverbrauch. Da der Energieinhalt der geförderten Steinkohle endlich ist, der Strom für die Pumpen aber "ewig" anfällt, wird dieser den Energieinhalt der geförderten Kohle eines Tages übersteigen.

Über diese und ähnliche Dinge hätte ich die einstige Umweltministerin Bärbel Höhn gerne befragt. Aber, wie gesagt, sie musste leider vorzeitig verschwinden.

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Im Eichbäumle 19
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