Sonntag, 26. Juni 2016

Das Elektro-Auto: Merkels nächster Fehler nach der Energiewende?

Wenn unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel - immerhin promoviert in statistischer Quantenchemie - eine technische Idee lanciert, dann ist höchste Skepsis geboten. Man erinnere sich nur an die sogenannte Energiewende, welche vor fünf Jahren im Nachgang zu Fukushima auf ihre Initiative hin beschlossen wurde. Windräder und Solarkollektoren sollten die schrecklichen Atom- und Kohlekraftwerke ersetzen. Inzwischen weiß man, dass diese Art der Energieerzeugung immens teuer ist, das Stromnetz instabil macht und dringend benötigte Großspeicher nicht in Sicht sind.

Vor kurzem hat die Bundeskanzlerin die Automobile ins Visier genommen, eine der letzten Branchen, in denen Deutschland noch Weltgeltung besitzt. Die PKW sollen statt mit Benzin  oder Diesel mit elektrischem Strom betrieben werden. Eine Million solcher Automobile wünschte sich Merkel bis zum Jahr 2020. Als es nur wenige hunderttausend zu werden drohten, wurde eine staatliche Prämie ausgelobt. Die Käufer von E-Autos sollen einen Zuschuss von 4.000 Euro bekommen und zehn Jahre lang von der Kfz-Steuer befreit werden. Ob sich genügend Technikfreaks  für diese Transportform finden lassen - die gleichzeitig ökonomisch etwas unterbelichtet sein müssten - bleibt abzuwarten.


Erste elektrische Strassenbahn von Siemens & Halske 1881 in Berlin

Im übrigen  ist der Elektroantrieb zur Personenbeförderung nicht neu, sondern geradezu uralt. Die erste Straßenbahn in Berlin-Lichterfelde, von Siemens & Halske im Jahr 1819, also vor 135 Jahren gebaut und von den Berlinern liebevoll "Elektrische" genannt, wurde bereits mit E-Motoren betrieben. Zwei Jahre vorher präsentierte Siemens im Rahmen einer Gewerbeausstellung sogar die erste elektrische Lokomotive für Eisenbahnzüge. Bis zur Ablösung der Dampfloks dauerte es zwar noch einige Zeit, aber heute sind alle Schnellzüge, wie ICE und TGV, mit E-Loks ausgestattet - natürlich über stromführende Oberleitungen.

Marken, Technik, Preise

Fast alle großen Automobilhersteller haben Elektroautos im Portfolio ihrer Marken. Bei Mercedes ist es der B 250 e, bei BMW der i 3, bei Audi der e-tron und bei VW der e-Golf; Peugeot bietet den i On an. Sie sind zumeist in klassische, gut verkäufliche Chassis der fossilen Fabrikate integriert, sodass man die E-Mobile äußerlich kaum erkennen kann. Vielleicht steckt dahinter auch die Absicht, dem potentiellen Kunden zu suggerieren, dass die Wahl des Antriebsaggregats nebensächlich ist. Ein schwerer Fehler, wie weiter unten bewiesen wird. Bei Daimler-Mercedes  ist es die B-Klasse, von denen es - neben dem B 250 e - sieben Benziner- und sieben Dieselvarianten gibt, die praktisch allesamt gleich aussehen. An ihrem Fahrgeräusch sind vorbeifahrende E-Mobile von Normalautos kaum zu unterscheiden, da ein spezieller Geräuschgenerator für den typischen (Mercedes-) Sound sorgt und sich unterhalb einer Fahrgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern (zum Schutze der Fußgänger) selbst zuschaltet. Bei höheren Geschwindigkeiten wird das Fahrgeräusch durch den Luftwiderstand erzeugt.

Im technischen Aufbau unterscheiden sich E-Mobile von den Benzinern und Dieseln fundamental. Sie benötigen weder Otto- noch Dieselmotoren und auch kein aufwendiges Schaltgetriebe. Der Antrieb erfolgt vielmehr über einen (oder mehrere) Elektromotoren. Sie verleihen beispielsweise dem B 250 e von Mercedes 180 Pferdestärken und ein Drehmoment von 340 Newtonmetern. Insbesondere letzteres trägt zum Fahrspaß bei, denn die Leistung ist - wie bei Elektromotoren so üblich - praktisch sofort verfügbar, ohne auf höhere Tourenzahlen hochzuschalten. Die Energie kommt von einer im Unterboden verbauten Batterie, die einen niedrigen Fahrzeugschwerpunkt mit sich bringt.

Die meisten E-Mobile beschleunigen von 0 auf 100 km in weniger als 8 Sekunden. Beim amerikanischen Tesla X sollen es sogar nur 3 (drei!) Sekunden sein. Er ähnelt damit mehr einem "dragster", einem Rennauto, das in den USA für Autorennen über die Kurzstrecke von einer Viertelmeile sehr beliebt ist. ("Normalmenschen" sollten sich in ein solches Geschoß besser nicht setzen, außer sie hören auf die Namen Vettel oder Rosberg).  Die Reichweite für die deutschen Elektroautos wird mit 150 bis 200 km angegeben, abhängig vom Betriebszustand der Klimaanlage. Viel gepriesen wird in den Prospekten die "Null-Emission" der E-Autos, wobei es sich um eine "lokale Eigenschaft" handelt. Denn die Kraftwerke, welche den Strom für die Batterien erzeugen, sind noch längst nicht abgasfrei.

Die Verkaufspreise für Elektroautos sind stattlich. Die drei Premiummarken von Mercedes, BMW und Audi kosten alle knapp unter 40.000 Euro. Der VW e-Golf ist 5.000 Euro billiger, der Peugeot i.On ist sogar schon für 19.380  zu haben, besitzt allerdings eine wesentlich  schwächere Batterie. Demgegenüber kostet der Mercedes-Benziner B 200, mit der E-Version in etwa vergleichbar, nur 29.274 Euro und ist somit um mehr als 10.000 Euro billiger.

Problemkreis 1: das Tanken

Nahezu alle E-Mobile besitzen eine Lithium-Ionen-Hochvoltbatterie mit einer Kapazität von ca. 25 Kilowattstunden (kWh). Das ist eine relativ spärliche Energiemenge, sie entspricht dem Verbrauch von etwa 25 (älteren) Bügeleisen über eine Stunde hinweg. Beim derzeitigen Strompreis von 30 Cent pro Kilowattstunde kostet diese Ladeenergie aber auch nur 7 Euro 50. Damit fährt das E-Auto immerhin 200 km. Die Betriebskosten sind bei den "Stromern" also (derzeit noch) verhältnismäßig niedrig. 

Damit ist aber auch alles Positive schon gesagt. Nachteilig sind vor allem zwei Umstände: Die niedrige Batteriekapazität, welche nur für knapp 200 km Fahrstrecke reicht und die lange Zeit des Betankens. Eine einfache Rechnung soll letzteres veranschaulichen:  Eine haushaltsübliche Steckdose liefert etwa 3,1 Kilowatt (kW) an elektrischer Leistung, weshalb es geschlagene 8 Stunden dauert, um damit einen 25 kWh-Akku aufzuladen. Ein kräftiger 32 Ampere-Drehstrom-Anschluss ist für 22 kW ausgelegt, womit sich die Ladezeit auf ca. 70 Minuten verkürzt. Solche Anschlüsse werden von den Autofirmen als "Wallbox" angeboten; ihre Installation kostet 1.000 - 2.000 Euro.

Vergleichen wir die Ladezeiten beim E-Mobil mit einem Benziner, so sind die Unterschiede dramatisch. An einer Benzintankstelle fließen 20 Liter Kraftstoff - ausreichend für 200 km Fahrstrecke - in ca. 20 Sekunden in den Tank. An der Haushaltssteckdose muss das E-Fahrzeug 8 Stunden, also 8 mal 3.600 Sekunden betankt werden. Das sind volle 28.800 Sekunden! Im Vergleich zum Benziner kommt der Tankvorgang beim E-Mobil also einem "Tröpfeln" gleich. Das kann aus physikalischen Gründen nicht beliebig reduziert werden. Die fossilen Kraftstoffe sind eben energiemäßig "viel verdichteter" und damit effizienter.

Problemkreis 2:  das Tanken im öffentlichen Bereich

Derzeit gibt es ca. 25.500 Elektroautos (Hybride nicht mitgerechnet). Das Betanken vollzieht sich, wie oben dargestellt, vor allem im häuslichen Bereich. Wesentlich gravierendere Probleme entstehen, wenn - wie von der Kanzlerin gefordert - Millionen solcher Automobile die Straßen bevölkern und die Batterien wegen höherer Kapazität sogar Überlandfahrten ermöglichen. Dann ist die Einrichtung öffentlicher Tankstellen unumgänglich und die Betankung wird sich dort ganz anders vollziehen, als wir es bislang gewohnt sind.

Für die 40 Millionen Benziner und Diesel, welche zur Zeit in Deutschland in Betrieb sind, ist die Betankung kein Problem. Es geschieht zumeist an kleineren öffentlichen Tankstellen mit 4 Zapfsäulen, an denen (beidseitig) 8 Autos gleichzeitig betankt werden können. Das Befüllen mit Kraftstoff (50 Liter für 500 km) dauert etwa eine Minute; in ca. 10 Minuten sind alle 8 Autos abgefertigt und die Zapfstellen stehen für neue Kunden zur Verfügung.

Ein großer Unterschied zu heute ist die Tatsache, dass in Zukunft wesentlich mehr E-Mobile nicht in der häuslichen Garage mit Elektroanschluss sondern - wie heutzutage üblich -  auf der Straße stehen werden und zum Betanken eine öffentliche Tankstelle aufsuchen müssen. Diese umfasst heute ein Areal von ca. 1.000 Quadratmetern, in Zukunft werden - wegen der längeren Standzeiten - Tankzonen von der Fläche mehrerer Fußballfelder benötigt werden. Das ist in einem dicht bevölkertem Land wie Deutschland natürlich unmöglich. Und wenn man einen einzigen Benzinschlauch betrachtet, dann sollte man gleichzeitig an 10.000 Steckdosen denken. Die daraus entnommene elektrische Leistung könnte den Strombedarf einer Kleinstadt von etwa 15.000 Einwohnern decken. Sie muss zukünftig über zusätzliche Stromleitungen herbeigeschafft werden. Zum heutigen Wechselstromnetz und dem bevorstehenden Gleichstromnetz kommt also bald ein weiteres Mittelspannungsnetz für die E-Tankstellen hinzu.  (Nur zum Vergleich: zum Start eines Jumbo-Jets müssen pro Minute 720 Liter Kerosin (Diesel) in die Triebwerke gepumpt werden. Das entspricht der Gesamtleistung eines großen Kraftwerks von 430.000 Kilowatt, womit man eine Großstadt versorgen könnte).

Fazit

Wenn nicht alles täuscht, werden wir bei der E-Mobilität bald in der gleichen Klemme stecken, wie derzeit bei der Energiewende. Hier betreibt man praktisch zwei Energieerzeugungssysteme, das konventionelle und das erneuerbare - qua Subvention - unter Milliardenkosten, was sich in absehbarer Zeit nicht ändern wird.

Beim Aufbau der E-Mobilität, wird man zukünftig für einige Millionen Elektroautos ein teures Infrastruktursystem für die Betankung aufbauen müssen. Vermutlich auch hier mit dem Geld der Steuerzahler. Daneben wird es (wegen fehlender Großbatterien) weiterhin den fossilen Bereich geben, insbesondere für Lastkraftwagen, Schiffe und natürlich die Flugzeuge. Und in den anderen Ländern dieser Erde, insbesondere den großen Schwellenländern, wie Indien, Brasilien etc. wird man nicht im Traum daran denken, die technisch hervorragenden Benziner und Diesel aufzugeben.

Nur Deutschland, das mit weniger als einem Prozent zur sogenannten globalen Umweltverschmutzung beiträgt, rettet wieder einmal die Welt, dank Merkels Initiative.
Sprich:  Merkel-Murks

Freitag, 17. Juni 2016

Pippi Langstrumpf und ihre Kriegsberichtserstatterin

Jedermann kennt Astrid Lindgren, insbesondere die Kinder. Die Schwedin ist die wichtigste Kinderbuchautorin des 20. Jahrhunderts. Ihre Bücher wurden in 96 Sprachen übersetzt und mehr als 150 Millionen Mal verkauft. Berühmt sind u. a. Pippi Langstrumpf, die Brüder Löwenherz und Michel aus Lönneberga. Der Michel faszinierte unseren Sohn Michael so sehr, dass ihm seine Mutter Brigitte das Buch drei Mal hintereinander vorlesen musste. Und immer wieder lachte Michael schallend, wenn sein Namensvetter Michel - um die Reste der Suppe auszuschlürfen - seinen Kopf in einen Kochtopf zwängte, aus dem ihn der Doktor befreien musste.

Aber Astrid war nicht nur eine Kinderbuchautorin, sondern - was wenige wissen - auch eine Chronistin des Zweiten Weltkriegs. In einem guten Dutzend Tagebüchern  beschrieb sie die Ereignisse dieser weltumspannenden Katastrophe von 1939 bis 1945, vom Überfall auf Polen bis zur Kapitulation der Japaner - und zwar parallel zu ihrem Hauptwerk Pippi Langstrumpf. Erst nach ihrem Tod im Jahr 2002 wurden diese Kriegstagebücher unter dem Titel "Die Welt hat den Verstand verloren" veröffentlicht; in Deutschland vom Verlag Ullstein (576 Seiten, 25 Euro). Meinen Bloglesern seien sie sehr empfohlen.



Astrid Lindgren und Pippi Langstrumpf (Schauspielerin)

Mehr als 70 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs herrscht an Büchern darüber kein Mangel. Viele sind von sehr kundigen Historikern verfasst. Was Lindgrens Werk jedoch auszeichnet ist die persönliche und emotionale Authentizität; sie hat alles selbst beobachtet und erlebt.  Bei Kriegsausbruch war Astrid 32 Jahre alt und arbeitete als Sekretärin beim "Königlichen Automobilclub". Kurze Zeit darauf wurde sie in die "Abteilung für Briefzensur" des schwedischen Nachrichtendienstes versetzt. Lindgren hatte in der Schule Deutsch gelernt, konnte die deutsche Post lesen und sollte sie auf "landeskritische Inhalte" durchsehen. Diese Arbeit gab ihr die Anregung und gleichzeitig genügend Zeit für die Dokumentation des Kriegsgeschehens in ihren Tagebüchern. Immer wieder spricht sie darin die heikle politische Situation Schwedens an, ein Land das - ähnlich wie die Schweiz - zur Neutralität verpflichtet war, sich aber der Kollaboration mit den Nazis nicht ganz entziehen konnte, weil es sonst von Hitler überrollt worden wäre.

Die Zeit der Blitzkriege

Am 1. September 1939 beginnt Astrid Lindgren ihre Tagebuchaufzeichnungen mit: Heute hat der Krieg begonnen. Niemand wollte es glauben. (Zitate in Schrägschrift). Die deutsche Wehrmacht hatte zur Nachtzeit die Ostgrenze überschritten und das Nachbarland Polen angegriffen. Zwei Tage darauf erklärten England und Frankreich (aufgrund wohlbekannter Beistandsverpflichtungen) der deutschen Regierung den Krieg. Schon eine Woche später besetzen Hitlers Truppen die polnische Hauptstadt Warschau. Am 17. September marschieren, ganz unerwartet, die Russen von Osten her in Polen ein - angeblich um die Rechte der russischen Minderheit zu wahren. Am 3. Oktober 1939 kapituliert Polen. Lindgren: Deutschland und Russland haben das Land zwischen sich aufgeteilt. Man kann kaum glauben, dass so etwas im 20. Jahrhundert passiert. (Lindgren spricht in ihren Tagebüchern nie von den "Sowjets" sondern immer nur von den "Russen". Diese Diktion wird hier übernommen.

Am 30. November 1939 fällt Russland in Finnland ein. Die Russen haben heute Helsinki und einige andere Orte in Finnland bombardiert. Man würde am liebsten nicht mehr leben. In Schweden wird die Rationierung eingeführt; selbst Schmierseife ist nur noch in Kleinstmengen erhältlich. (Von nun an beschreibt Lindgren immer wieder mit peinlichster Genauigkeit die Nahrungsmittelbestände in ihrem Kühlschrank). In einem harten Winterkrieg wehren sich die tapferen Finnen aufs heftigste, müssen aber der russischen Übermacht weichen und am 13. März 1940 kapitulieren. Russland nimmt sich einige strategisch wichtige Teile von Finnland, u. a. die eisfreien Häfen.  Im Juli 1940 überfällt Russland die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen und gliedert sie der Sowjetunion ein. Im November 1918 hatte der Völkerbund noch deren Selbstständigkeit proklamiert.

Auch Hitler richtet seinen Blick auf Skandinavien. Am 9. April 1940 wird Dänemark - ohne Widerstand zu leisten - von den Deutschen besetzt. Gleichzeitig wird auch Norwegen angegriffen, um die Eisenerztransporte von Narvik nach Deutschland zu sichern, wie Lindgren vermutet. Schweden mobilisiert, wobei Astrids Ehemann Sture  als Landsturmmann eingezogen wird. Viele norwegische Städte werden durch  Bombenangriffe zerstört und es herrscht große Verbitterung gegenüber England, wegen der mangelnden Hilfe. Ohne Verbündete (die Engländer waren abgezogen) legte Norwegen einen Monat später die Waffen nieder.

In der Zwischenzeit, am 10. Mai 1940, sind deutsche Truppen in breitester Front in Holland, Belgien und Luxemburg eingedrungen. Gemäß Hitlers Tagesbefehl soll dieser Kampf das Schicksal der deutschen Nation für die nächsten tausend Jahre entscheiden. Fünf Tage später kapitulierte Holland, die weitflächige Flutung des Landes war kein Erfolg. Am 18. Mai wird Brüssel besetzt und die Wehrmacht steht (nach dem Durchbruch der Maginotlinie) zehn Meilen vor Paris. Als auch die Festung Verdun fällt - welche im 1. Weltkrieg so tapferen Widerstand geleistet hatte - vermerkt Lindgren in ihrem Tagebuch: Pauvre France! Gestern hat die französische Armee kapituliert. Die Hakenkreuzfahne flattert vom Eiffelturm.

Auch der Achsenverbündete Italien wollte seine Stärke beweisen und griff ohne Grund im Oktober 1940 das neutrale Griechenland an. Aber die Griechen wehrten sich erfolgreich und trieben die Italiener innerhalb eines Monats aus ihrem Land. Im April des folgenden Jahres nahm die deutsche Wehrmacht Revanche und besiegte Griechenland sowie einige weitere Balkanstaaten innerhalb weniger Wochen in harten Kämpfen. Lindgren am 3. Mai 1941: Der deutsche Feldzug in Griechenland ist beendet. Den Engländern ist wiederum "die Einschiffung" gelungen. Das konnten sie schon immer gut.

In der Tat: England hatte sich nicht nur in Griechenland (ruhmlos) aus dem Staube gemacht, sondern vorher schon in Norwegen und Dünkirchen, wo sie ungeheure Verluste an Kriegsmaterial  erlitten hatten. So war der Austausch des englischen Premierministers keine Überraschung mehr. Am 9. Mai 1941 musste der friedliebende, aber auch etwas naive Neville Chamberlain dem Kriegsherrn Winston Churchill weichen. Die Bombenkriege auf die englischen und deutschen Städte wurden immer härter.

Die Niederlage in den Weiten Russlands

Am 22. Juni 1941 schreibt Lindgren in ihr Kriegstagebuch: Heute morgen, um einhalb fünf, haben die deutschen Truppen die russische Grenze überschritten. Unvorstellbare Truppenmassen stehen sich jetzt beiderseits der Grenzen vom Eismeer im Norden bis zum Schwarzen Meer im Süden gegenüber. Anfangs November befanden sich die deutschen Soldaten bereits vier Kilometer vor Moskau. Im Süden hatten sie die Krim und den Hafen Sewastopol eingenommen, wenn auch unter ungeheuren Verlusten an Menschen und Material. Astrid: Der WELTKRIEG Nr. 2 ist jetzt eine Tatsache. Kurz vor Weihnachten 1941erklärte Japan, nach den Angriffen auf Pearl Harbour, den USA den Krieg. Die deutsch-italienischen Achsenmächte zogen mit und gaben ihrerseits die verhängnisvolle Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten ab.

Im eiskalten Winter 1941/42 geriet die deutsche Offensive ins Stocken. General von Brauchitsch musste als Sündenbock herhalten und wurde von Hitler entlassen. Der ehemalige Gefreite im 1. Weltkrieg übernimmt nun selbst das Kommando. Aber die Festung Stalingrad will nicht fallen. Lindgren schreibt in ihr Tagebuch: Die armen Deutschen frieren in ihren Erdlöchern, deren Ausgänge von russischen Scharfschützen bewacht werden. Ich habe Mitleid mit den deutschen Soldaten. Aber der Oberbefehlshaber Hitler verfügt, dass die Sechste Armee in ihren Stellungen aushalten muss. Und zudem hungert ganz Europa. Astrid: In Belgien fallen die Menschen auf der Straße vor Hunger in Ohnmacht. In Griechenland sterben täglich tausende von Menschen vor Hunger. Man hat keine Kraft sie zu beerdigen, sondern wirft sie einfach auf einen Friedhof.

Ich überspringe jetzt die folgenden zwei Jahre grausamer Kriegsführung samt der permanenten Luftangriffe auf die deutsche Bevölkerung. Aber am 6. Juni 1944 jubelt Astrid geradezu: INVASION, endlich! Die alliierten Truppen sind an Land gegangen. Stalin hatte diesen Schritt immer wieder gefordert: die zweite Front, um seine Ostfront zu entlasten. Die weiteren Eintragungen bis zur Kapitulation Deutschlands  (7 Mai 1945: Das ist der Tag des Sieges, der Krieg ist aus) werden immer spärlicher - und das hat seinen Grund. Astrids geliebter Ehemann Sture hatte beim Automobilclub Karriere gemacht und sich bei dieser Gelegenheit eine Freundin zugelegt. Lindgren leidet unter dieser Situation, die Ehe ist in Gefahr. Ein Erdrutsch ist über mein Leben hereingebrochen und ich bleibe einsam und frierend zurück. Sture kam ein halbes Jahr lang kaum nach Hause und verfiel immer mehr dem Alkohol, was 1952 zu seinem frühen Tod führte.

Es grenzt an ein Wunder, dass in dieser schweren Kriegszeit  Lindgren sich auch mit Kindergeschichten beschäftigen konnte.  Die Romanfigur der "Pippi Langstrumpf" schwirrte Astrid  seit 1941 im Kopf herum. Immer wieder erzählte sie - häufig aus dem Stegreif - Pippis fiktive Abenteuer ihren Kindern Lars und Karin sowie deren  Freunden aus der Nachbarschaft. Im Jahr 1944 getraute sie sich endlich die Geschichten aufzuschreiben. Das Manuskript sandte sie an den renommierten schwedischen Kinderbuchverlag Albert Bonniers Förlag A/B in Stockholm. Zur großen Enttäuschung erhielt sie eine glatte Absage. Die Erlebnisse der Pippi, eines kleinen frechen "Übermenschen  in Kindsgestalt", kamen dort nicht gut an. Angesichts des späteren Welterfolgs der Pippi Langstrumpf bei vielen anderen Buchverlagen werden sich einige im Bonniers-Verlag wohl in sonstwas gebissen haben.

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