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Mittwoch, 31. Juli 2019

Die deutschen Elite-Universitäten: armer Adel

Im Grunde kann man an den 104 deutschen Universitäten ganz passabel studieren. Die Lehrpläne der einzelnen Fächer unterscheiden sich nicht dramatisch. Das gilt sogar für die mehr technisch ausgerichteten "Technischen Universitäten" (TU), früher allgemein als "Technische Hochschulen" (TH) bezeichnet. Ich kann das selbst für das Fach Physik bezeugen, welches ich (nacheinander) an der Uni München und der (damaligen) Technischen Hochschule München absolviert habe. An der Uni waren die Vorlesungen mehr abstrakt, an der TH mehr anwendungsbezogen. Das hatte unter anderem die Auswirkungen, dass bei den Klausuren an der TH die Lösungen der Differentialgleichungen streng numerisch verlangt wurden, während der Uni-Prof  Maak sich mit dem Existenzbeweis einer Lösung begnügte.

Es war in der Endphase der Schröder-Regierung, als die Ministerialen im Berliner Forschungsministerium im Jahr 2006 die Idee de "Exzellenzinitiative" kreierten. In einem Wettbewerb mit parallel ausgelobtem finanziellen Förderprogramm, sollte mehr Struktur in die deutsche Universitätslandschaft gebracht werden. In einer Art nationaler Wissenschaftsolympiade sollten die besten Universitäten von den nur guten geschieden werden. Die "Highflyer" sollten das Recht erhalten (auf begrenzte Zeit) sich "Elite-Universität" nennen zu dürfen. Ohne es direkt auszusprechen, dachte man an die amerikanischen, englischen und schweizer Hochschulen Stanford, Yale, MIT, und Harvard, ebenso wie an die englischen Oxford, Cambridge und Imperial College, sowie an die schweizer ETH in Zürich.


Der Exzellenzwettbewerb 2019 - Sieger und Verlierer

Inzwischen sind zwei Exzellenzwettbewerbe - in den Jahren 2006 und 2012 - Geschichte. Die Ergebnisse der dritten Wettbewerbs wurden am 19. Juli 2019 bekanntgegeben. Das Verfahren bestand aus zwei Stufen. Zunächst konnten sich die Universitäten im Jahr 2016 für Forschungskooperationen - sogenannte "Exzellenzcluster" - bewerben. Aus den eingereichten 195 Projektanträgen waren Ende 2018 lediglich 57 ausgewählt worden. Um ausgezeichnet zu werden mussten die Universitätsverbünde mindestens drei Cluster vorweisen, Einzeluniversitäten mindestens zwei. Darüber hinaus war eine schlüssige Gesamtstrategie zu präsentieren, die Internationalisierung, forschungsbasierte Lehre etc. erkennen ließ.

Zu den Siegern in 2019 zählen die Universitäten Aachen, Bonn, Dresden, LMU München, TU München, Tübingen, Konstanz, Hamburg, Heidelberg, der Verbund der drei Berliner Unis (Humboldt, Freie, TU), sowie das KIT in Karlsruhe. Die zwei Münchener Unis sind, im Gegensatz zu den drei Berlinern, getrennt angetreten, weil sich die Rektorate "eine Kooperation nicht verstellen können" Selbstbewusstsein pur! Wer Exzellenzuniversität wird, bleibt es für sieben Jahre und bei erfolgreicher Verteidigung zweier Exzellenzcluster auf Dauer. Als Preisgeld stellen Bund und Land den Siegern insgesamt 148 Millionen Euro zur Verfügung.

Leer ausgegangen sind die Universitäten Freiburg, Kiel, Braunschweig, Stuttgart, Bochum, Köln, Münster und der Verbund der Universität Hannover mit der dortigen Medizinischen Hochschule. Die Uni Kiel hat bereits angekündigt, dass sie beim nächsten Wettbewerb im Jahr 2026 wieder am Start sein werde.


Das KIT:  adabei

Das KIT hatte bei dem Exzellenzwettbewerb 2019 Glück. Ob es das Glück des Tüchtigen war, bleibt offen. Jedenfalls griff die Bundesforschungsministerin Anja Karliczek höchstpersönlich ein und erhöhte  sozusagen per "Ordre de Mufti", die Anzahl der finalberechtigten Cluster von 46 auf 57. Ohne diese beachtliche Aufweitung wäre das KIT (ebenso wie die Uni Heidelberg) nicht in den Endwettbewerb gekommen. Ob das Wiedergutmachung für die Nichtberücksichtigung des Südwestens beim vorlaufenden Batteriewettbewerb war, wo die Uni Münster siegte, bleibt Spekulation.


Präsident Holger Hanselka (vorne links) feiert mit seiner Entourage 
den Sieg des KIT           Foto:Breig/KIT

Die Geschichte des KIT bei den früheren beiden Exzellenzwettbewerben ist gescheckt. Beim ersten Wettbewerb 2006 siegte das KIT (zusammen mit den beiden Münchener Unis) überraschend als dritte Universität - und musste dafür einen hohen Preis bezahlen. Das benachbarte Großforschungszentrum KfK in Leopoldshafen wurde auf Betreiben des damaligen Geschäftsführers Popp - ohne sonderliche Mitarbeiterbefragung - schlicht per Quasifusion zum KIT eingemeindet, was der Hauptgrund für die elitäre Wahl war. Auch heute noch sind viele ehemalige Mitarbeiter des KfK der Ansicht, dass der Verlust der Selbstständigkeit dafür ein viel zu hoher Preis war. Egal, im unkontrollierten Überschwang ließ Popp in ganz Karlsruhe Plakate mit der Aufschrift "Wir sind Elite" anbringen. Kurze Zeit darauf ging er, aus sicherlich triftigen Gründen, in den Ruhestand. Beim zweiten Wettbewerb 2012 fiel das KIT durch, obwohl Präsident Hippler vorher lauthals verkündet hatte: "An uns kommt keiner vorbei".


Einige kritische Anmerkungen

International betrachtet, hat die Exzellenzinitiative nur wenig Aufsehen erregt. Sie wird als eine rein deutsche "Turnübung" katalogisiert. Nach wie vor sind in den allermeisten internationalen Rankinglisten nur zwei bis drei deutsche Universitäten auf den ersten 50 Plätzen zu finden - zumeist die beiden Münchener Unis und Heidelberg. Unter den TOP 10 wurde m. W. noch nie eine deutsche Universität registriert. Der (insgeheime) Wunsch manch deutscher Politiker, einen deutschen akademischen Leuchtturm à la Harvard aufzubauen, hat sich also bislang nicht erfüllt.

Apropos Harvard: das Standing dieser Universität und die Konditionen, unter denen sie betrieben wird, unterscheiden sich um Lichtjahre von den deutschen Unis. Harvard verfügt über ein Stiftungsvermögen von 50 Milliarden Dollar, über das die Hochschule frei verfügen kann. Dieses vermehrt sich jährlich um die Einschreibegebühren ("Tuition") der 21.000 Studenten, welche bis zu 50.000 Dollar erreichen können. Demgegenüber wird den deutschen Unis jährlich über Bund und Land die sogenannte Grundfinanzierung in der Höhe von einigen hundert Millionen Euros zugewiesen, zuweilen vermehrt um selbst eingeworbene Drittmittel. Die Studiengebühren sind praktisch abgeschafft.

Die jährlichen Preisgelder aus der Exzellenzinitiative belaufen sich (je nach Anzahl der Cluster) auf rd. 5 bis 15 Millionen Euro und machen in der Regel nicht mehr als ein Prozent der Grundfinanzierung aus, und spielen damit kaum die Abwicklungskosten ein Der Titel "Elite" streichelt also mehr die Seele der Präsidenten und Stadtoberen. Die allermeisten Studenten lässt er kalt, ausgenommen jene, die in den Instituten arbeiten, in denen an den Clustern geforscht wird.

Unterschiedlich ist auch die wissenschaftliche Qualität der Studienanfänger. Harvard darf sich seine Erstsemester selbst aussuchen und nimmt im Schnitt nicht mehr als fünf Prozent der Applikanten. Den deutschen Unis werden die Abiturienten zumeist "zugewiesen". Oft müssen sie in Förderkursen nachgeschult werden, weil ihr präsentes Gymnasialwissen eigentlich nicht zum Studium ausreicht. So darf es kaum verwundern, wenn die Liste der Nobelpreisträger an deutschen Unis kurz ist. Harvard verfügt derzeit über 39 Nobelpreisträger, das Massachussetts Institute of Technology (MIT) - insgeheim der Namensgeber des KIT - über deren 20.

Viele deutsche Universitäten sind sogenannte Massenuniversitäten mit 50.000 Studierende oder gar darüber. Die Uni Köln ist dafür ein Beispiel. Ihre 800 Millionen Grundfinanzierung gehen zum großen Teil in die Lehre, für die Forschung bleibt da wenig übrig. So erklärt sich auch das sang- und klanglose Ausscheiden dieser Universität aus der diesjährigen Exzellenzinitiative. Nix mit "Elite" für die Großstadt Köln. Auf mittlere Sicht wird sich daran wohl wenig ändern.
Denn die deutsche Exzellenzinitiative wird noch auf lange Zeit ein Fest bleiben für:

große Gefühle und geringe Erträge.


Montag, 21. Mai 2018

Personal- und Finanzprobleme bei KIT - Vorschlag zur Lösung

26 Monate suchte das KIT in überregionalen Stellenanzeigen und durch direkte persönliche Anfragen nach einem neuen Finanzchef. Die Amtszeit des bisherigen Vizepräsidenten, des Physikers Dr. Ulrich Breuer, war nach einem Veto des KIT-Senats Ende 2017 abgelaufen. Nun ist "der Neue" endlich gefunden; er will sein Amt im Sommer 2018 antreten.

Breuer war in seiner fünfjährigen Tätigkeit bei KIT weniger beliebt als geachtet. Als er 2012 seinen Dienst antrat, fand er eine Millionenlücke im Budget des KIT vor, das er - nach den Bestimmungen des öffentlichen Haushaltsrechts - durch rigide Sparmaßnahmen über mehrere Jahre hinweg abbauen musste. In einer solchen Situation kann man sich schwerlich Freunde machen und so kam es dazu, dass die geschröpften Professoren des Senats vor ca. zwei Jahren gegen seine Vertragsverlängerung votierten.

Breuer hat inzwischen zügig eine neue Stelle als Kaufmännischer Direktor beim Dresdner Forschungszentrum gefunden. Im KIT musste man die Vakanz (kommissarisch und temporär) auf mehrere Schultern verteilen - eine finanzielle Gratwanderung angesichts der Höhe des Jahresbudget.



Michael Ganß mit Präsident Holger Hanselka (KIT)


Große Aufgabe für den Neuen

Der zukünftige Vizepräsident des KIT wurde im April 2018, zur großen Erleichterung der Führungsgremien, vom Senat "mit großer Mehrheit" bestätigt. Es ist der Maschinenbauer und Diplomingenieur Michal Ganß. Der 59-Jährige war seit 15 Jahren als Kaufmännischer Geschäftsführer im Helmholtz-Zentrum Geesthacht bei Hamburg tätig. Dieses Forschungszentrum wurde 1956 gegründet und hat mittels zweier Schwimmbadreaktoren etwa 40 Jahre lang Nuklearforschung betrieben. Vor knapp zehn Jahren wurde der letzte dieser Reaktoren stillgelegt und man verlegte sich auf Küsten- und Festkörperforschung. Das Helmholtz-Zentrum gehört mit ca. 800 Mitarbeitern und einem Jahresetat von rd. 100 Millionen Euro zu den kleineren Forschungseinheiten im Helmholtzbereich und wird vornehmlich vom Bund gefördert.

Was Michael Ganß beim KIT vorfinden wird, ist eine Institution, die um mehrere Nummern größer ist als sein bisheriger Arbeitsbereich. Das KIT besitzt einen Jahresetat  von 850 Millionen Euro, beschäftigt ca. 9.500 Mitarbeiter, darunter etwa 350 Professoren. Durch den Zusammenschluss von Forschungszentrum und Technischer Universität ist das KIT in seiner Struktur auch wesentlich komplexer geworden. Die Finanzierung erfolgt immer noch getrennt über Bund und Land und die Geldströme dürfen nicht vermischt werden. Die Verschlankung der Infrastruktur, was Breuer nur teilweise gelungen ist, steht nun als dringliche Aufgabe vor dem Nachfolger Michael Ganß. Dafür hat dieser, angesichts seines fortgeschrittenen Alters, vermutlich nur eine einzige Amtszeit zur Verfügung.


Häufiger Wechsel auf der Präsidialebene

Charakteristisch für die eher kurze 12-jährige Geschichte des KIT ist ein häufiger Wechsel auf der Präsidialebene bzw. (hierarchisch gleichrangig) des Vorstands. Nur selten wurden die zumeist 6-jährigen Amtszeiten sowie die ebenso langen Verlängerungen ausgenutzt. Das Kommen und Gehen der Topmanager in der KIT-Geschichte soll in Kürze dargestellt werden.

Dr. Manfred Popp, der Vorstandsvorsitzende des ehemaligen Forschungszentrum und Co-Vorsitzende des neuformierten KIT, verließ 2006 - bereits nach wenigen Monaten(!) - seine Position und verabschiedete sich in den Ruhestand.
Prof. Horst Hippler, Gründungspräsident des KIT, verließ vorzeitig im Mai 2012 - unmittelbar vor Verlust des Elitestatus - seine Position und ließ sich zum Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz wählen.
Prof. Eberhard Umbach, nach der formellen Fusion des KIT im Oktober 2009 zu dessen Präsidenten ernannt, verabschiedete sich bereits im Oktober 2013 in den Ruhestand.
Dr. Peter Fritz, Vizepräsident und Nuklearexperte, schied im Jahr 2013 als 61-Jähriger aus dem Präsidium aus.
Dr. Elke Luise Barnstedt, Vizepräsidentin für Personal und Recht von Anfang 2011 an, verabschiedete sich im Dezember 2016 vorzeitig in den vorgezogenen Ruhestand.
Dr. Ulrich Breuer, Vizepräsident des KIT für Wirtschaft und Finanzen von 2012 an, wurde vom Senat die Verlängerung seines Dienstvertrags verweigert und schied im Dezember 2017 aus dem Präsidium aus.

Der jetzige Präsident des KIT, Professor Dr. Holger Hanselka, ein Maschinenbauer, kam von der Fraunhofer-Gesellschaft und trat 2013 sein Amt an. Seine Wiederwahl - für die er kandidieren will - steht also im nächsten Jahr an. In einem Zeitungsinterview bekannte sich Hanselka erstaunlich offen dazu, dass er nicht die übliche Vertragsverlängerung von 6 Jahren, sondern lediglich eine solche von 4 Jahren anstrebe. Die verbleibenden 2 Jahre wolle er "genießen", denn insgesamt 10 Jahre für dieses Amt bei KIT seien anstrengend genug. Falls die Gremien dem zustimmen, wird man also schon mittelfristig wieder nach einem Präsidenten suchen müssen.


KIT-Vision:  Filettieren oder Eindampfen

Seinen ursprünglichen Erwartungen konnte das KIT bislang nicht gerecht werden. Die Gründungsväter haben "wissenschaftlichen Mehrwert, eine schlankere Verwaltung und mehr finanziellen Spielraum" versprochen. Nichts davon ist eingetreten. Stattdessen hat man durch den Zusammenschluss von FZK und TU einen Koloss, um nicht zu sagen ein organisatorisches Monstrum geschaffen, das kaum zu managen ist, viel Geld verschlingt und aus der Sicht vieler Institute und Fakultäten nicht notwendig wäre. Schuld daran ist unter anderem das KIT-Gesetz, welches bindend vorschreibt, dass die Geldströme von Bund und Land nicht miteinander vermengt werden dürfen, sowie die über viele Jahre gewachsenen "verschiedenartigen Kulturen" von FZK und TU.

Angesichts dieser unerfreulichen Situation, in welche nichts ahnende bis naive Organisationslaien die beiden frühen eigenständigen Partner gedrängt haben, sollte man die Trennung von FZK und TU ernsthaft in Erwägung ziehen. Es wäre sozusagen die Filettierung des KIT , ein organisatorischer Reset, welcher die ursprünglichen und inhärenten Kräfte der beiden Einheiten wieder freilegen würde. Allerdings wäre dafür die komplette Abschaffung des 2009 beschlossenen KIT-Gesetzes erforderlich. Daran ist jedoch schwerlich zu glauben, denn die Politiker scheuen es, ihre eigenen Gesetze zu annullieren und sich damit der Kritik der Opposition und den Medien auszusetzen.

Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit, um aus der gegenwärtigen vertrackten Situation herauszukommen. Ich möchte sie als Eindampfen des KIT bezeichnen. Dafür wäre eine Sortierung aller Aufgaben und Abläufe des KIT erforderlich - je nachdem ob diese vom Forschungszentrum allein, oder von der Universität allein, oder: nur im Zusammenwirken von FZK und TU, also vom KIT, erledigt werden können. Diese thematische Aufspaltung würde mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben, dass allenfalls für 10 Prozent der jetzigen Aufgaben ein inniges Zusammenwirken von FZK und TU erforderlich wäre. Ausgedrückt in Geld sind dies ca. 85 Millionen Euro pro Jahr.

Dies vorausgesetzt, sollte man die früheren Gesellschafter FZK und TU wieder aufleben lassen und ihnen ihre Selbstständigkeit zurückgeben. Der Rest wäre eine Fusionsgesellschaft KIT-neu, für die weiterhin die KIT-Gesetze gelten würden - allerdings in leicht novellierter Form. Die gemeinsamen Aufgaben würden in einem Anhang dieses revidierten Gesetzes festgelegt und jährlich neu (unter enger Mitwirkung des Senats) beschlossen. Im Prinzip würde man sich damit dem Jülicher Kooperationsmodell "JARA" annähern, allerdings die Bezeichnung KIT beibehalten.

Wer könnte diese Umorganisation lancieren und auf den Weg bringen? Nun, nicht in erster Linie der Präsident. Sein Arbeitsvertrag sieht vor, das KIT in seiner gegenwärtigen Form zu leiten; eine Initiative von seiner Seite würde zuviel unerwünschten medialen Wirbel verursachen. Auch der Aufsichtsrat wäre in der Anfangsphase wohl nicht das optimale Gremium. Seine wirkmächtigsten Mitglieder, die Abgesandten von Bund und Land, kämen mit den Vorschlag eines KIT-neu wohl kaum über die Staatssekretärsebene hinaus. Nein, das Ganze sollte klug von einigen Senior-Mitgliedern und renommierten Professoren des Senats "eingetütet" und vorsichtig den Entscheidungsträgern in Bund und Land schmackhaft gemacht werden. Der richtige Zeitpunkt für ein solches Vorgehen wäre vermutlich kurz nach der gegenwärtig laufenden Exzellenzinitiative, wo KIT hoffentlich einige ihrer Projekte ("Cluster") durchbekommen wird - aber wohl kaum den 2012 verlorenen Titel "Eliteuniversität".

Das "Eindampfen" des KIT und seine Umwandlung in FZK, TU sowie KIT-neu könnte mit geringem Aufwand an Management und rechtlichen Veränderungen vollzogen werden und hätte außerdem den Charme, dass die aufwändige externe Suche nach geeignetem Führungspersonal (bei Beginn) überflüssig wäre. Denn das Leitungspersonal könnte mühelos und effizient aus dem bereits vorhandenen Fundus von Präsidenten, Vizepräsidenten, Bereichsleitern und Vorständen rekrutiert  werden. Das Management von KIT-neue könnte in Personalunion durch Führungspersonen oder Prokuristen der beiden Hauptgesellschaften FZK und TU geschehen.

Also:  Glückauf!

Freitag, 21. Juli 2017

Whistleblowing bei KIT - keine Erfolgsgeschichte

Jemanden "verpfeifen", also Übles nachreden, neudeutsch: sich als "Whistleblower" betätigen - nein, das tut man nicht. So ist die Einstellung der meisten Menschen. Und der Verfasser unserer Nationalhymne, der Dichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, brachte es in seinen Aphorismen auf den Punkt: "Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant". Hoffmann hatte diesbezügliche Erfahrungen. Als Germanistikprofessor verfasste er die sogenannten "Unpolitischen Lieder" - welche aber alles andere als unpolitisch waren. Ihretwegen wurde er immer wieder verpfiffen und von den diversen Landesherren sanktioniert. Bis zum Verlust seines Breslauer Lehrstuhls.

Gut hundert Jahre später hatte sich in der fast gleichen Landesgegend die Deutsche Demokratische Republik (DDR) ausgebreitet. Unter der dortigen Regierung (Ulbricht, Honecker) kam das Spitzelwesen zu voller Blüte. Der Cheforganisator Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit (Stasi), engagierte nicht weniger als 200.000 sogenannte "Informelle Mitarbeiter" (IM) welche die restlichen 16 Millionen Staatsbürger zu observieren und zu denunzieren hatten. Die Folgen sind bekannt: die DDR kollabierte 1989, nicht zuletzt aufgrund der internen Pressionen.

Der Dieselskandal: wo sind die Schuldigen?

Welche Probleme entstehen können, wenn es kein - offenes oder geheimes - Überwachungssystem gibt, kann man an dem gegenwärtigen Dieselskandal erkennen. Die Autofirmen VW und Audi, (vielleicht auch Mercedes und Bosch) hatten offensichtlich Schwierigkeiten bei der Einhaltung der weltweiten Abgasvorschriften. Dies muss zu den Ingenieuren, tief unten in der Motorenabteilung, durchgedrungen sein. Flugs entwickelten diese Experten - ohne Auftrag von oben, natürlich! - eine "Schummel-Software", welche verhinderte, dass der TÜV bei seinen Überwachungen auf dem Rollenprüfstand dieses Abgasmanko erkennen konnte.

Das war den Konzernchefs, insbesondere dem sonst genau hinschauenden Martin Winterkorn,  nicht bekannt. Sonst hätte er - nach eigenen Aussagen - diese Manipulation sofort unterbunden und entsprechend bestraft. Dessen ungeachtet musste Winterkorn die Verantwortung tragen, weswegen er als Vorstandschef bei VW entlassen wurde. Natürlich bei standesüblicher Abfindung und auskömmlichem Ruhestandshonorar. Was aus den illoyalen Entwicklungsingenieuren wurde, ist in der Öffentlichkeit nicht bekannt. Wären sie besser überwacht (vielleicht sogar bespitzelt) worden, dann könnte der bislang unbescholtene Topmanager heute noch seinen Job zum Nutzen der VW-Konzernfamilie ausüben.

Das 3-gestufte Informationssystem des KIT

Beim "Karlsruher Institut für Technologie" (KIT) steht jedem, der einen Sachverhalt aufdecken oder eine Person anschwärzen möchte, eine gesonderte Organisationseinheit zu Diensten. Es ist die OE "Compliance", kurz genannt "COMP", welche über die Einhaltung der Gesetze und die ethischen Standards wacht. Dafür zuständig ist die Juristin Margarita Bourlá, zusammen mit zwei weiteren Mitarbeiterinnen, welche insgesamt der Vizepräsidentin  Christine von Vangerow berichten.

Die Stabsstelle COMP berät die Mitarbeiter des KIT in allen Fragen der Compliance und der Korruptionspräventation. Sie können Frau Bourlá auf drei verschiedenen Wegen erreichen:

1. Auf direktem schriftlichen oder telefonischen Weg, an die Adresse der Stabsstelle COMP.

2. Anonym über einen Vertrauensanwalt in Schorndorf
(wo es kürzlich bei einer Sommerparty zu Krawallen kam.)

3. Über ein elektronisches Hinweisgeberportal. Hierbei handelt es sich um ein anonymes Medium bei dem das System keine IP-Adresse protokolliert und die Datenbank mit einem 1024bit-Schlüssel sowie ein Nutzerpasswort gesichert ist.

Zwei anonyme Beschuldigungen

Wie oben dargestellt, beruht das Überwachungssystem des KIT weitgehend auf Anonymität. Dass dies nicht der Weisheit letzter Schluss ist, lässt sich an zwei Vorfällen in der noch kurzen KIT-Vergangenheit belegen, wo diese Methodik schrecklich schief gelaufen ist. Dabei kam es zu einer Vielzahl von negativen Berichterstattungen in den überregionalen Medien, worunter das Ansehen des KIT sehr gelitten hat.

1. Die Causa Axel Weis

Jemand musste - in fast kafkaesker Manier - den Projektmanager Axel Weis verleumdet haben. Denn am Morgen des 12. Februar 2008 durchsuchten zahlreiche LKA-Beamte sein Haus und sein Büro. Computer, Ordner und Finanzunterlagen wurden dabei beschlagnahmt. Selbst im gemeinsamen Ehe-Tagebuch lasen die Ermittler. Aus dem Durchsuchungsbeschluss ging hervor: Korruptionsverdacht bei der milliardenschweren Stilllegung der Karlsruher Atomanlagen. Die folgende Anklage endete im Dezember 2013 mit einem lupenreinen Freispruch. Aber seit der Razzia waren Axel´s Autorität und Ehre irreparabel vernichtet. Seinen gutdotierten Job war er ohnehin los. Fast eine Viertel Million Euro für entgangenes Gehalt, Rente und Gerichtskosten kamen obendrein.


2. Die Causa der Professorin Britta Nestler

Ein anderes Ereignis - ebenfalls ausgelöst durch eine anonyme Anzeige - betraf die KIT-Forscherin Britta Nestler. Für Ihre Forschungsergebnisse im Bereich der Materialwissenschaften sollte ihr am 15. März 2017 der Leibniz-Preis zuerkannt werden. Aber nur Stunden zuvor wurde das Preiskommittee anonym darüber informiert, dass mit den Publikationen der Preiskandidatin "etwas nicht stimme". Die Verleihung wurde deshalb aufgeschoben, stattdessen beauftragte man eine Expertengruppe mit der Begutachtung der inkriminierten Arbeiten.

Weder dem KIT noch dem Leibniz-Gremium ist wegen dieser Maßnahme ein Vorwurf zu machen. Glücklicherweise stellte sich nach (langen) vier Monaten heraus, dass die Vorwürfe unberechtigt waren und die Preisverteilung wurde mit allen Ehren im Juli nachgeholt. Ein Umstand bleibt jedoch noch dubios und wird immer noch im KIT heftig diskutiert: wie gelingt es Frau Nestler - fast im Monatstakt - Arbeiten aus ihren komplexen Fachgebiet zu veröffentlichen, wo andere froh sind, wenn sie es schaffen, bloß eine oder zwei Publikationen (pro Jahr!) zu erreichen? Wie schafft Frau Nestler (neben ihren Verpflichtungen als vierfache Mutter) dieses Quantum?  Ein wissenschaftlicher Vortrag der Professorin im Senat mit anschließender Diskussion könnte da Aufschluss geben. Und für die restlichen 9.000 Mitarbeiter ein Interview in der Hauszeitschrift "Dialog".

Was tun?

Die Tatsache, dass die beiden negativsten Vorfälle in der kurzen Geschichte des KIT auf anonyme Anzeigen zurückgehen - welche sich beides Mal als falsch erwiesen - sollte zu denken geben. Von daher gesehen ist es völlig unverständlich, dass dieser Informationsweg von der Abteilung Compliance so propagiert wird. Anonyme Denunziationen kann man zwar nicht verhindern, aber man muss sie auch nicht exzessiv fördern. Warum eröffnet COMP dafür verschiedene Wege, noch dazu ein Internetportal? Jeder Griesgram, der schlecht geschlafen, oder sich mit seiner Frau am Frühstückstisch gestritten hat, könnte sich dadurch - mit geringstem Aufwand - ermuntert sehen, am PC in seinem Büro, anonym und ungerechtfertigterweise, Dampf abzulassen.

Der umgekehrte Weg ist richtig: man sollte die Mitarbeiter ermuntern, eventuelle Probleme oder Beschwerden mündlich vorzutragen oder schriftlich bei Nennung des Namens. Und die Vorgesetzten - bis hinauf zum Präsidium - sollten sich verpflichtet fühlen, diesen Nöten ihrer Mitarbeiter eine angemessene Zeit zu widmen, auch wenn ihnen deren Probleme manchmal nicht so wichtig erscheinen mögen. Und man sollte nicht vergessen, dass es im KIT m. E. einen durchaus kompetenten Personalrat gibt, dessen Pflicht es ist, den Mitarbeitern bei ihren Nöten zu helfen und als Mediator zur Seite zu stehen.

Sonntag, 7. Mai 2017

KIT - publish or perish ?

Beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) köchelt es. Das Problem steht im Zusammenhang mit der Vergabe des sogenannten Leibniz-Preises an eine Institutschefin. Der Leibnizpreis ist ein Förderpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), benannt nach dem Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716). Das Preisgeld von bis zu 2,5 Millionen Euro darf sieben Jahre lang nach Vorstellungen der Preisträger und ohne bürokratischen Aufwand für eigene Forschungsarbeiten verwendet werden - im Gegensatz zum Nobelpreis, dessen Summe bei nur ca. 1 Million Euro liegt, die allerdings voll für private Zwecke zur Verfügung steht. Bislang wurde der Leibnizpreis - zum Teil geteilt - an 48 Wissenschaftlerinnen und 326 Wissenschaftler vergeben. Gefördert wurden damit 115 mal die Naturwissenschaften, 101 mal die Sozial-und Geisteswissenschaften und 53 mal die Ingenieurwissenschaften.

Diesmal sollte der Preis - zum 7. Mal - an eine Wissenschaftlerin des KIT gehen. Geehrt werden sollte damit die Materialwissenschaftlerin Frau Professor Dr. Britta Nestler, Direktorin am Institut für Angewandte Materialien - Computational Material Science (IAM-CMS). Die Verleihung des Preises stand für Mittwoch am 15. März um 15 Uhr an - aber wenige Stunden vorher sagten die Verantwortlichen des DFG die Preisvergabe an Frau Nestler ab. Begründet wurde dies mit "anonymen Hinweisen" in Bezug auf ihre Forschungsarbeiten, welche auf Umwegen zum DFG gelangt seien. Seitdem werden diese Vorwürfe vom einem Expertengremium geprüft. Das Ergebnis ist bislang (2. Mai 15 Uhr) offen.

Frau Professor Nestler hat Mathematik und Physik studiert und ist seit dem Jahr 2010 in der o. g. Position beim KIT tätig. Seitdem hat sie ca. hundert wissenschaftliche Arbeiten - also im Schnitt eine Publikation pro Monat -  vorwiegend auf dem Gebiet der computergestützten Materialmodellierung (meist zusammen mit Ko-Autoren) veröffentlicht. Der Präsident des KIT, Professor Holger Hanselka, bezeichnet sie auf der Website des KIT als "Top-Wissenschaftlerin in ihrem Fachgebiet". Im Internet kann man nachlesen, dass Frau Nestler diese beträchtliche wissenschaftliche Arbeit zusätzlich zu ihren Verpflichtungen als 44-jährige ledige Mutter von 4 Kindern schafft.

Die graue Vorzeit

Die "Causa Nestler" ist bisher nur aus den Medien bekannt und kann deshalb erst endgültig bewertet werden, wenn das Votum des Gutachtergremiums vorliegt. Dessen ungeachtet drängt sich dem aufmerksamen Beobachter heutzutage der Eindruck auf, dass der puren Anzahl von Veröffentlichungen manchmal ein zu großer Wert beigemessen wird. Das war früher, etwa in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts, deutlich anders.

Es war die Zeit, als ich in München am kernphysikalischen Institut von Professor Heinz Maier-Leibnitz in Physik promovierte. Dort (und an der dazugehörigen Reaktorstation Garching) schrieben die Assistenten und akademischen Mitarbeiter eine bis (maximal) zwei Veröffentlichungen pro Jahr. Manchmal auch weniger, wenn der Aufbau einer komplexen Versuchsanlage länger dauerte. Und ML, wie wir unseren Chef Maier-Leibnitz kurz benannten, fand das ganz in Ordnung. Er legte aber Wert darauf, dass nur die wirklichen Bearbeiter eines Themas als Autoren genannt wurden; sogenannte "multi-people-papers" gab es nicht. Das hatte für mich die Konsequenz, dass ich meine Doktorarbeit unter meinem - und nur meinem - Namen veröffentlichen durfte. Daraus erwuchs mir kein Nachteil, denn kurz darauf bekam ich eine der damals begehrten Post-Doc-Stellen in den USA.

Viel bekannter wurde ein Kollege, der im Labor nebenan promovierte und mit dem ich mir die damals wertvollen Messgeräte, wie den Tectronix-Oszillografen, teilte: Rudolf Mößbauer. Er hatte von Maier-Leibnitz als Doktorthema die Messung der Kernresonanz-Fluoreszenz erhalten und entdeckte im Verlauf seiner Experimente die Resonanzabsorption an Iridium 191. Damit erschloss er den Naturwissenschaften ein völlig neues Gebiet, nämlich die sogenannte Mößbauer-Spektroskopie. Sie erlaubt es, kleinste Änderungen und Aufspaltungen der Gammastrahlen zu messen.  Mößbauer durfte seine Ergebnisse allein unter seinem Namen in einem (deutschen) Journal veröffentlichen. Im Jahr 1961 erhielt er dafür den Nobelpreis für Physik.

Dass Maier-Leibnitz bei dieser Ehrung leer ausging, machte viele in seinem Institut betroffen. Später wurde bekannt, dass das Nobelkommittee in Stockholm ML durchaus als weiteren Preisträger vorgesehen hatte. (Drei Preisträger sind nach den Statuten möglich). Aber Maier-Leibnitz verzichtete freiwillig auf den Nobelpreis, obwohl Professor Waller, ein Abgesandter aus Stockholm, ML am Rande einer Konferenz in Paris eindringlich zuredete. Mößbauer, ein besessener Forscher, mit zuweilen genialischen Zügen - aber auch leichten charakterlichen Defiziten - verlieh diesem Festkörpereffekt seinen Namen und wurde dadurch weltberühmt.

Sein  Altruismus wurde Maier-Leibnitz wenig gedankt. Beim 75. Geburtstag im April 1986 war Rudolf Mößbauer als Festredner in die Münchener Universität geladen. Der ehemalige Doktorand von Maier-Leibnitz nutzte fast die gesamte Redezeit um nur seinen eigenen Beitrag zur Nobelarbeit herauszustellen. Die Verdienste seines Doktorvaters bei der Betreuung unterdrückte er nahezu total.  Das geladene hochrangige Publikum war entsetzt.

Die rekordsüchtige  Gegenwart

Die stilistische Hyperbel "publish or perish" kommt aus dem amerikanischen Wissenschaftsbetrieb und ist an den dortigen Universitäten eine gängige Redewendung. Bei Vertragsverhandlungen mit den Hochschulpräsidenten um "Tenure-Track-Positionen", also um die begehrten Lebenszeit-Professuren, ist die schlichte Anzahl der eigenen Publikationen ein gewichtiges Argument. Auch in Deutschland hängt die Verlängerung der häufig befristeten Personalstellen nicht selten am (veröffentlichten) Forschungserfolg. Motto: "Wer schreibt, der bleibt".

Dagegen versucht die Deutsche Forschungsgemeinschaft als wichtiger Drittmittel-Sponsor anzukämpfen. In ihrer Empfehlung aus dem Jahr 1998 zur "Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis" hat sie alle Forscher daran erinnert, dass "Originalität und Qualität den Vorrang vor Quantität" habe. Diesen Aufruf verknüpfte sie mit der Empfehlung, bei Projektanträgen nur noch maximal 5 Titel aus der Publikationsliste auszuwählen. Die Forscher-Community umging dieses Verlangen durch die Einführung der "Ehrenautorschaft". Damit waren jene Autoren gemeint, welche zur Bereitstellung der Fördermittel beigetragen haben, also in der Regel die Institutsleiter.

Auch die wissenschaftlichen Verlage fühlten sich durch die schiere Menge der eingehenden Manuskripte überrollt. Sie verlangten die sogenannte "Peer-Review" als Verfahren zur Qualitätssicherung. Unabhängige Gutachter aus dem gleichen oder benachbartem Fachgebiet sollen die zur Veröffentlichung eingereichten Papers auf ihren wissenschaftlichen Wert hin überprüfen. Doch auch dieses Verfahren birgt seine Probleme. So dauert es häufig Monate, ja Jahre, bis ein Fachartikel erscheinen kann. Und die "Peers" können durch abwertende Gutachten das Eindringen von Konkurrenten in ihre "Forschungsnische" verhindern.

Durch den "Impact-Faktor" versucht man bei veröffentlichten Arbeiten im Nachhinein die Qualität festzustellen. Dabei gibt dieser Faktor an, wie häufig im Durchschnitt ein veröffentlichter Artikel in einem anderen Artikel zitiert wird. Doch auch hier sind Manipulationen möglich. Etwa dadurch, dass manche Zeitschriften ihre Autoren dazu anhalten, die eigenen Publikationen bevorzugt in ihre Referenzen aufzunehmen.

Schließlich gibt es auch in der Wissenschaft das weite Feld von Fälschung und Betrug. Insbesondere bei Doktorarbeiten in den Geisteswissenschaften werden immer wieder Plagiate bekannt, ja sogar Arbeiten, die ausschließlich von "Ghostwritern" stammen. Selbst in den Naturwissenschaften gibt es Fälle von bewusster Manipulation durch "Schönung" von Ergebnissen über Weglassen abweichender Messwerte. In der angloamerikanischen Literatur verwendet man dafür das bezeichnende Wort "cooking".

Unübertroffen:  CERN

Ein "multi-people-paper", das den Weltrekord in Bezug auf die Anzahl der Autoren für sich beanspruchen kann, wurde vor ca. 2 Jahren beim Beschleunigerzentrum CERN in Genf verfasst. Im Rahmen eines Hochenergie-Teilchenversuchs beschlossen die beiden Experimentiergruppierungen ("Collaborationen")  ATLAS und CMS ihre Daten zusammen zu legen, wodurch die Masse des Higgs-Bosons auf +/- 0,25 % bestimmt werden konnte. Der Nobelpreis für die Vorhersage dieses Teilchens war bereits 2013 an den Namensgeber Peter Higgs und den Belgier Francois Englert gegangen.

Die Poolung der Messdaten von ATLAS und CMS war ein hochkomplexer Vorgang, denn jede der genannten Collaborationen bestand aus Dutzenden von Institutionen in vielen Ländern. Dementsprechend waren viele Wissenschaftler und Ingenieure an dem Gesamtunternehmen beteiligt. Bei der Veröffentlichung des gemeinsamen Papers in den Phys. Rev. Lett. 114 191803 (2015) beschloss man ein einzigartiges Verfahren:

Alle am Higgs-Experiment beteiligten Forscher - 5.154 Personen - wurden namentlich genannt. 

Die Publikation umfasste insgesamt 33 Seiten. Auf den ersten 9 Seiten wurden die Versuchsdaten und ihre Auswertung beschrieben. Danach folgte - auf 24 Seiten -  nur noch die Auflistung der verschiedenen internationalen Forschungsinstitutionen mit der alphabetischen und namentlichen Nennung sämtlicher beteiligter Wissenschaftler:

von Georges Aad bis Lukasz Zwalinski.



Der CERN- Beschleuniger LHC
mit den beiden Detektoren ATLAS und CMS


Eine Vorläuferpublikation zur Entdeckung des Higgsteilchens durch das ATLAS-Team wurde ebenfalls im Rahmen einer "hyperauthorship" beschrieben, wie die Amerikaner diese kollektiven Veröffentlichungen benennen. Damals, im Jahr 2012, waren 2.932 Forscher in der Zeitschrift Phys. Lett. B 716, 1-29 (2012) aufgelistet.

21 von ihnen waren während der langjährigen Versuchskampagne bereits verstorben.

Sonntag, 5. Februar 2017

KIT: Wirbel im Vize-Präsidium

Der Präsident des KIT, Professor Holger Hanselka, braucht ein gutes Gedächtnis für Namen und Gesichter. Denn: innerhalb Jahresfrist kam es in seinem "Kabinett", dem fünfköpfigen Vizepräsidium, zu zwei Neuzugängen und (de facto) zu zwei Abgängen. Ruhender Pol ist lediglich Alexander Wanner, der Vizepräsident (VP) für die Lehre, der schon seit Mitte 2013 - und damit drei Monate länger als Hanselka - diesem Gremium angehört.

Neu hinzu gekommen  (Anfang 2016)  sind die VP Oliver Kraft für Forschung sowie Thomas Hirth für Innovation und Internationales. VP Kraft hat offensichtlich den Projektleiter für KATRIN, Guido Drexlin, zur verstärkten Öffentlichkeitsarbeit für das etwas dahindämmernde Großexperiment bewegen können, wobei das Ereignis "first light" gerade recht kam. Das Ressort von VP Hirth erscheint mit lediglich zwei Dienstleistungseinheiten (DE) noch ausbaufähig. Abgegangen sind  Ende 2016 Frau Elke-Luise Barnstedt; nicht wiederberufen wurde Ulrich Breuer, der Vizepräsident für Wirtschaft und Finanzen.


Aufbauorganisation KIT (Stand Januar 2017)

VP Barnstedt verließ das KIT (offiziell) freiwillig und nutzte damit die Chance des Vorruhestands. Gerüchteweise hatten sich jedoch bereits einige Mitglieder des Senats "in Stellung gebracht", die mit der Personalpolitik der Vizepräsidentin nicht einverstanden waren. Ihr wurde besonders vorgeworfen, die zeitlich befristeten Verträge am KIT übermäßig ausgeweitet zu haben.  Das Phänomen der "Permadocs", die sich von einer befristeten Stelle zur nächsten hangeln, ist ab einem gewissen Lebensalter nicht mehr eine Frage der Wahl, sondern oftmals die einzige noch verbleibende Option. Barnstedts Nachfolgerin ist - gendergerecht - Frau Christine von Vangerow (56), vermutlich dem pommersch-märkischen Landadel entstammend. Sie ist Juristin und war zuletzt 23 Jahre am Bundesamt für Materialforschung (BAM) wo sie sich vornehmlich im Dienstleistungsbereich betätigte. Manchen erscheint die BAM als "kuscheliges Biotop", im Vergleich zum "wilden Dschungel" des KIT, in den sie jetzt geraten ist.

Finanzchef gesucht

Zum Eklat kam es bei der Wiederberufung des Vizepräsidenten für Wirtschaft und Finanzen. Der Stelleninhaber Dr. Ulrich Breuer, gelernter Physiker, fiel überraschend beim Senat durch. Breuer hatte seine Position noch unter Horst Hippler, dem Vorgänger von Hanselka zu Anfang 2012 angetreten. Hippler verließ schon drei Monate später seinen Chefposten, als absehbar war, dass der Elitestatus des KIT verloren gehen würde. Er hinterließ Breuer einen Schuldenberg - sich selbst besorgte er den lukrativen und (nahezu überflüssigen ) Posten eines Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz. Breuer konnte in der Folge zeitweise die akademischen Hilfskräfte und Sekretärinnen nicht zeitgerecht bezahlen, was ihm verständlicherweise keine Freunde einbrachte. Als er auch einige Dienstleistungseinheiten im Bereich der Infrastruktur schließen bzw. auslagern wollte, kam es zu einem sogenannten "go-in" des Personalrats bei einer Präsidiumssitzung - ein Ereignis das  singulär in der Geschichte des KIT ist und heute noch der prozessualen Aufarbeitung harrt. Finanzchefs machen sich eben selten Freunde, Breuer war jedoch von Anfang an mit einer "mission impossible" konfrontiert.

Aber Hanselka schätzt offenbar seinen Vizepräsidenten, denn er schlug den KIT-Gremien vor, Breuer für weitere sechs Jahre in seiner gegenwärtigen Position zu bestätigen. Der Aufsichtsrat gab, (ohne Gegenstimme) sein ok, aber beim Senat, einem Club von ca. 50 Professoren, klemmte es. Dort hatte sich im Lauf der vergangenen fünf "dürren" Jahre unter Breuer erheblicher Frust angesammelt, sodass sich dieses Gremium (auch nach mehrfacher Abstimmung) nicht erweichen und den Vizepräsidenten glatt durchfallen ließ. Spätestens an dieser Stelle würde ein außenstehender Steuerzahler (wie ich) gerne etwas mehr über diesen mächtigen Senat erfahren, beispielsweise über seine Zusammensetzung und Organisationsstruktur. Leider ist das nicht möglich, da dieses Gremium - anders als Aufsichtsrat und Präsidium - sich sehr bedeckt hält, indem es im Internet nicht auftritt, sondern nur im geschlossenen "Darknet" des Intranets.

Dass es Präsident Hanselka nicht gelungen ist, den Senat umzustimmen, kann man aus seinen Rundschreiben Nr. 23 und 31 entnehmen, wo jeder am Schwarzen Brett lesen konnte, dass Breuer zum Jahresende 2017 gehen muss. Leider konnte Hanselka auch nicht verhindern, dass die regionale Zeitung BNN genüsslich und ausführlich in Wort und Bild darüber berichtete ("Ulrich Breuer muss Ende 2017 gehen", "Heftiger Streit im KIT",  "Die Wut trifft den Vizepräsidenten" etc.). Das Jahr 2017 wird also von einer zeitweiligen Vakanz im wichtigen Finanzsektor geprägt sein, denn Breuer (Jahrgang 61) muss sich verständlicherweise um einen neuen Job umsehen. (Gerüchteweise wurde er bereits in München, im Umfeld der dortigen Universitäten LMU und TUM, gesichtet). Währenddessen wird das KIT versuchen, einen Ersatz für Breuer anzuheuern. Das wird nicht leicht sein, denn Finanzchefs, die in der Lage sind, einen nahezu-ein-Milliarden-Etat zur Zufriedenheit der Zuwendungsgeber und der Rechnungshöfe zu managen, wachsen nicht auf den Bäumen. Die Newcomerin von Vangerow (und Hanselka selbst?) werden wohl unterstützend eingreifen müssen, wenn Breuer wieder mal absent ist.

Öffentlichkeitsarbeit gevierteilt

Schon seit Monaten pfiffen es die Spatzen von den Dächern, dass die einst so mächtige Dienstleistungseinheit PKM (=Presse, Komunikation und Marketing) aufgelöst und restrukturiert werden würde. Mit dem Rundschreiben Nr. 3 des Präsidenten vom 23. Januar 2017 ist dies nun geschehen. Die Umorganisation kommt der Höchststrafe nahe und gleicht einer Vierteilung, denn die vormaligen Aufgaben des PKM wurden auf vier verschiedene DE aufgeteilt. Der Hauptbrocken, die Strategische Entwicklung und Kommunikation, verbleibt im Ressort des Präsidenten und wird künftig von der (smarten) Frau Alexandra-Gwyn Paetz (SEK) verwaltet, deren Präsidialstab sechs Abteilungen umfasst und die sich kein x für ein u vormachen lässt. Für Innovations- und Relationsmanagement sowie für Allgemeine Services sind ab jetzt die Herren Fahrenberg und Dullenkopf zuständig. Der frühere langjährige Leiter des PKM, Dr. Thomas Windmann, wird zum Ressort von Frau von Vangerow geschlagen. Er soll dort (als Einzelkämpfer) die neugegründete Stabsstelle "Mediation" übernehmen.

Im KIT gehen die wildesten Gerüchte darüber um, was den Präsidenten zu diesem Kahlschlag bewogen haben könnte. Es muss etwas Triftiges vorgefallen sein, welches das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinen Pressechef zerstört hat. Einige der zirkulierenden "Vermutungen" sind so krass, dass sie wiederum nicht "blogreif" sind. Egal, jedenfalls hat Dr. W. in seiner neuen Position reichlich Gelegenheit, die Instrumente der Mediation (=Vermittlung im Konfliktfall) an sich selbst zu erproben.

Zwei Kulturen

In seinen Zeitungsinterviews räumt Präsident Hanselka ein, dass am KIT - auch nach fast zehn Jahren  - immer noch "zwei Kulturen" bestünden. Zum einen wegen der räumlichen Trennung von Campus Nord und Campus Süd, zum anderen wegen der Finanzierung aus verschiedenen Geldquellen. Die Universität erhält ihre Forschungsmittel vornehmlich vom Land, das Forschungszentrum vom Bund. Beide Finanzströme dürfen qua Auflage nicht vermengt werden. Hanselka sagt öffentlich, dass es sein Ziel bis zum Ende seiner Amtszeit (2019) sei, dieses Mischungsverbot aufzuheben.

Das wird nicht leicht sein, denn die ministeriellen Vorschriften zur Trennung der verschiedenen Geldströme gab es auch schon früher am sogenannten Kernforschungszentrum. Selbst innerhalb des gleichen Projekts, z. B. beim Schnellen Brüter, wurde die Forschung aus anderen Geldquellen finanziert als der Bau der Brüterkraftwerke, obwohl häufig die gleichen Wissenschaftler damit beschäftigt waren. Und am Jahresende haben die Zuwendungsgeber und Rechnungshöfe die Projektleitungen genau dahingehend überprüft, ob sie diese Finanzvorgaben auch eingehalten haben.

Da das KIT eine eigene gesetzliche Grundlage hat, ließe sich dieses Mischungsverbot dort natürlich leichter aufheben. Aber bei der Bundesregierung scheut man offensichtlich die Schaffung eines Präzendenzfalles. Denn in der deutschen Forschungslandschaft gibt es noch weitere Institutionen, welche eng miteinander kooperieren - und aus verschiedenen Quellen finanziert werden.

Diese könnten dann vermutlich alsbald in Berlin vor der Tür stehen mit dem Ansinnen, auch ihnen das Trennungsgebot zu erlassen.

Sonntag, 30. Oktober 2016

Was KIT von RWE und E.ON lernen kann.

Am KIT rumort es.

Die Mitarbeiter sind unzufrieden mit der Führung des Unternehmens. Seit Wochen berichtet die örtliche Presse BNN in großen Schlagzeilen darüber. Vor kurzem kam es deshalb zu einer einzigartigen Demonstration: etwa zwei Dutzend Mitarbeiter, unter der Führung des Personalrats, stürmte in eine Sitzung des Präsidiums und verlas dort eine geharnischte Erklärung über die angebliche Verletzung der Mitbestimmungsrechte bei der geplanten Umorganisation der Dienstleistungseinheiten. Gleichzeitig wurde eine Klage vor dem Arbeitsgericht angekündigt.

Das zeigt deutlich, dass die vor mehr als zehn Jahren vollzogene Verschmelzung des ehemaligen Forschungszentrums (FZK) mit der Technischen Universität (TU) zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nicht gelungen ist. Der Grund liegt darin, dass die beiden Fusionspartner von der Struktur und der Aufgabenstellung her fundamental unterschiedlich sind, sodass die im April 2006 von den damaligen Chefs Popp und Hippler weitgehend erzwungene Vereinigung nicht gelingen konnte. Mit KIT ist kein unternehmerischer Mehrwert sondern nur eine permanente Belastung der Mitarbeiter durch eine mehr und mehr überbordende Bürokratie entstanden.

Man sollte deshalb - so schrecklich es für manchen klingen mag - die beiden ungleichen Partner wieder trennen und verselbstständigen. Die vertrauensvolle Kooperation zwischen FZK und TU sollte beibehalten werden, wie sie vorher schon fünfzig Jahre lang bestanden und gut funktioniert hat.

Das Separieren der Fusionspartner mag als eine gigantische Aufgabe erscheinen. Das ist aber nicht der Fall. Am Beispiel der beiden DAX-Unternehmen RWE und E.ON, die kürzlich ( in viel höherem Maßstab) eine Aufspaltung ihrer Firmen - erfolgreich(!) - vollzogen haben, soll dies dargestellt werden.


RWE und E.ON spalten sich auf

Für die beiden größten deutschen Energie- und Stromversorger, nämlich RWE und E.ON sah es noch vor einem Jahr düster aus. Das altehrwürdige RWE stand vor dem finanziellen Abgrund: der Aktienkurs war seit der Energiewende im Jahr 2011 von 55 auf 10 abgestürzt. Die Essener konnten nicht mehr als "Witwen- und Waisen-Papier" empfohlen werden. -- Ähnlich erging es E.ON. Deutschlands größter Energiekonzern hatte im gleichen Zeitraum 60 Prozent seines Börsenwerts verloren. Der Aktienkurs war von 25 auf 7 gefallen. Beiden Unternehmen drohte die Insolvenz.

In dieser höchsten Gefahr beschlossen die beiden Konzernchefs Johannes Teyssen (E.ON) und Peter Terium (RWE) ihre Unternehmen für die Investoren, also die potentiellen Aktienkäufer, transparent und attraktiv zu machen - und zwar durch geschickte Aufspaltung der Altfirmen. E.ON gliederte das Geschäft mit dem fossilen Kraftwerken in die neue Firma Uniper aus und beließ in der Mutterfirma den Ökostrom, den Netzbetrieb und die Atomkraftwerke. Der Konkurrent RWE gründete die Tochtergesellschaft Innogy, welche u. a. die Neuen Energien betreute.

Die Aufteilung der Unternehmen war ein voller Erfolg. Die "grüne" RWE-Tochter Innogy reüssierte glänzend an der Börse und ist inzwischen 20 Milliarden Euro wert - natürlich vor allem, weil sie den sicher subventionierten Sonnen-und Windstrom vertreibt. ( Zum Vergleich: RWE-alt kommt nur auf einen Börsenwert von 8,5 Milliarden). Ähnlich ist es bei E.ON, wo die teuren Erneuerbaren Energien bei der Alt-Firma verbleiben. Aber auch die abgespaltene Tochter Uniper profitiert davon, da sie zukünftig bei herbstlicher Sonnen- und Windflaute sogenannte "Engpasspreise" verlangen darf.


Die Möglichkeiten des KIT-Gesetzes

Die Aufspaltung von RWE und E.ON in vier, nun erfolgreiche, Firmen innerhalb von weniger als zwei Jahren ist eine Meisterleistung der daran beteiligten Manager und Juristen. Immerhin handelte es sich um riesige Unternehmen mit je ca. hundert Milliarden Euro Jahresumsatz, die geschickt aufgeteilt werden mussten, sodass daraus profitable Entitäten entstehen konnten. Bei den Vermögensteilen, die neuen Eigentümern anzugliedern waren, handelte es sich unter anderem um milliardenteure Kernkraftwerke und jeweils ca. 50.000 Mitarbeiter mussten mit neuen Anstellungsverträgen ausgestattet werden.

Damit verglichen wäre die oben angesprochene Trennung des KIT in die ursprünglichen Partner Forschungszentrum (FZK) und Technische Universität (TU) fast nur ein Klacks, der innerhalb eines Jahres zu bewerkstelligen wäre - sofern die beteiligten Politiker zustimmen würden. Dafür müsste lediglich das sogenannte KIT-Gesetz geändert bzw. aufgehoben werden, ein Gesetz des Landes Baden-Württemberg, welches seit 25. Juli 2009 gültig ist. Es regelt die Zusammenarbeit der TU Karlsruhe mit der Großforschungseinrichtung FZK. Beide Organisationen wären dann - wie früher - wieder selbstständig, dürften jedoch punktuell im Forschungsbereich kooperieren.



Das ehemalige Forschungszentrum Karlsruhe
(Der Hardtwald kommt bedrohlich näher)

Von einer Auftrennung könnte man erwarten, dass FZK und TU wieder in "ruhiges Fahrwasser" gelangen würden. Das war während der vergangenen zehn Jahre KIT nicht der Fall. Allein schon die lange Strecke der amtierenden KIT-Chefs während einer einzigen Dekade - Popp, Hippler, Maschuw, Umbach, Hanselka - ist dafür Beweis genug. Und, dass kürzlich der Präsident Hanselka sogar in einem persönlichen Rundschreiben (Nr. 23/2016) am Schwarzen Brett von internen gegensätzlichen Diskussionen bei der Vertragsverlängerung eines Vizepräsidenten (Dr. Breuer) berichten musste, lässt tief blicken.


Was macht das KIT mit seinem vielen Geld?

Das KIT erscheint finanziell opulent ausgestattet. Jedes Jahr fließt fast eine Milliarde Euro in diese Institution, gespeist aus Mitteln des Bundes, des Landes und aus Drittmitteln. Im Jahr 2015 waren es, präzise zitiert, insgesamt 860,8 Millionen Euro, wovon 428,4 Mio an den Universitätsbereich und 432,4 Mio an den Großforschungsbereich gingen. Was macht das KIT mit dem vielen Geld? Einigermaßen transparent ist, von außen gesehen, nur der Bereich der Uni. Dort werden ca. 25.000 Studenten ausgebildet, die von etwa 400 Professoren betreut werden.

Schwierig ist der Durchblick  beim sogenannten Großforschungsbereich, dem ehemaligen Forschungszentrum. Dort soll nach dem KIT-Gesetz Großforschung betrieben werden, wobei unter § 2 deutlich der Aufbau von Forschungsanlagen gefordert wird. Aber wo sind diese? Sicherlich, es existieren im FZK die Großprojekte "Katrin" und "bioliq" sowie "Anka"- aber diese wurden längst vor der Gründung des KIT aufgebaut. Inzwischen sind die beiden Erstgenannten zeitlich um ein Jahrzehnt verzögert und die Strahlenquelle Anka wurde (angeblich aus Budgetgründen) im vorigen Jahr drastisch dezimiert. Neue, auch äußerlich sichtbare Großprojekte scheinen nicht hinzugekommen zu sein. Jedenfalls nicht von jenem Kaliber, welche kürzlich im Mitarbeitermagazin "Dialog 3. 2016" auf gruselige Weise abgebildet wurden. (Hat VP Breuer bereits die Photoredaktion wegrationalisiert?). Die dort gezeigten fünf großen Forschungsanlagen waren weltweit bekannt. Von den Mitarbeitern des früheren Kernforschungszentrum wurden sie für weniger als 900 Millionen DM errichtet. Das ist - fiktiv gerechnet - ziemlich genau ein Jahresetat des gegenwärtigen Großforschungsbereich.
Wo bleiben die äquivalenten KIT - "Leuchttürme"? 
Where is the beef, Professor Hanselka?

Ungeachtet der Gesamtverantwortung des KIT-Chefs H., gibt es aber noch zwei Vizepräsidenten, in deren Ressort der Aufbau von neuen Forschungsanlagen direkt fällt. Dies sind die Professoren Oliver Kraft und Thomas Hirth, einschließlich der ihnen zugeordneten Bereichsleiter. Gewiss, die Erstgenannten sind erst seit Jahresbeginn im Amt, aber die 100-Tage-Frist ist längst abgelaufen. Bis dato hört man aus ihrem Umfeld nichts zur Planung neuer Großprojekte.

Stattdessen wird in den Regionalzeitungen großräumig über die künftige Einsparung etlicher Dienstleistungseinheiten berichtet, was auch zu dem eingangs beschriebenen "Go-in"  im Stil der 70er Jahre geführt hat. Doch schon eine überschlägige Finanzabschätzung lässt erkennen, dass selbst die vollständige Eliminierung dieser Kleingruppen dem KIT allenfalls eine (Sachmittel-) Einsparung von wenigen hunderttausend Euro pro Jahr erbringen würde. Bei einem Jahresetat von 860 Mio wären das "pea nuts" - um im Jargon des ehemaligen Deutsche Bank Manager Hilmar Kopper zu sprechen.

Im Jahresbericht 2015 des KIT kann man viele der oben geschilderten Sachverhalte nachlesen. Der Bericht ist im letzten Teil (Zahlen und Fakten) durchaus informativ, ansonsten (im Bildbereich) recht "kopflastig". Was den Hauptteil (Lehre und Forschung) angeht, erscheint er mir zu "soft" -  um nicht zu sagen: technophob.
Wurde er von einem Germanisten geschrieben?


Fazit

Bilanziert man die zehnjährige Geschichte des KIT, so muss man leider feststellen, dass das Forschungszentrum (jetzt KIT Campus Nord) immer mehr zu einem bloßen Anhängsel der Universität (Campus Süd) geworden ist. Manche sprechen sogar von einer "verlängerten Werkbank".

Metaphorisch gesprochen: früher ähnelten die Partner FZK und TU wendigen Schnellbooten, die sich in ihrem Forschungsambiente sicher bewegten und eine weltweite Identität besaßen. Daraus ist ein träger Dampfer geworden, der auf dem Weltmeeren umher irrt und sich nicht mehr schnell genug auf die forscherischen Erfordernisse einstellen kann.

KIT ist eine monströse Super-Struktur, die leider auch eine lähmende Bürokratie zur Folge hat.

Die Absicht der Gründerväter des KIT, eine Forschungseinrichtung wie die 80-fache amerikanische  Nobelpreisuniversität MIT zu schaffen, wird nicht gelingen. Die Wahl des Namens KIT wirkt aus dieser Sicht eher anmaßend, ja geradezu peinlich.

Der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe hat auch für diese Situation einen Spruch parat:

Getretener Quark wird breit, nicht stark.

Sonntag, 11. September 2016

Inside KIT

Ein Grummeln geht um im KIT - das Grummeln der Unzufriedenheit.

Über das Murren der Mitarbeiter, insbesondere im ehemaligen Forschungszentrum Karlsruhe FZK, jetzt KIT Campus Nord bzw. Großforschungsbereich GFB, will ich aber kein Manifest schreiben, indes ein Blog darüber ist sicherlich angemessen. Schon deshalb, weil diese Unzufriedenheit der ehemaligen "FZK´ler" den Personalrat vor einigen Wochen dazu veranlasst hat, den hohen Präsidenten des KIT und seine Vizepräsidenten zu einer KIT-Betriebsversammlung "einzuladen", wo diese Herren (die Dame befand sich im Urlaub) sich den Fragen des Personalrats und der Beschäftigten zu stellen hatten..

Das ist kein alltägliches Ereignis in der 60-jährigen Geschichte des FZK, beziehungsweise des ehemaligen Kernforschungszentrums. Die Fragen der Mitarbeiter deckten so wichtige Themen ab, wie Großprojekte, Führungskultur, Finanzsituation, Personalpolitik, Exzellenzinitiative und anderes mehr. Der Zusammenschluss der ehemaligen Technischen Hochschule und des Forschungszentrums, de facto seit zehn Jahren existent, ist keineswegs nur eine Erfolgsstory, wie man das immer wieder darzustellen versucht. Im Gegenteil, insbesondere von den Gründungsvätern des KIT, dem FZK-Geschäftsführer Manfred Popp und dem TH-Rektor Horst Hippler, wurden in der Anfangszeit gravierende Fehler gemacht, welche dieses Fusionsprodukt in der Zukunft durchaus noch in schweres Fahrwasser  bringen können. Im Folgenden werde ich auf die wesentlichen Probleme, besonders beim Forschungszentrum, eingehen.

Der Präsident:  hoch droben

Der Präsident des KIT, Professor Dr. Holger Hanselka (54), ist eine flamboyante Erscheinung. Er studierte Maschinenbau an der TU Clausthal und nach einigen Zwischenstationen, u.a. in Magdeburg und Darmstadt sowie als Leiter eines Fraunhofer-Instituts, wurde er im Oktober 2013 in sein heutiges Amt berufen. Für seine 9.315 KIT-Mitarbeiter ist Hanselka kaum erreichbar, auch nicht für die 5.504 im wissenschaftlichen Bereich. Aber selbst die ca. 350 Professoren und Juniorprofessoren - und hier wirds schon heikel - genießen nur selten die Gunst eines Gesprächs mit ihm. Ja, sogar die etwa 150 Institutsleiter haben Probleme, an H. heranzukommen. Das ist bedauerlich, denn die Chefs der Institute sind (samt Mitarbeiter) die eigentlichen Träger von Forschung und Lehre, also für das "Produkt" des KIT. Ihre Arbeit bestimmt den Ruf nach außen und in den internationalen Bereich hinein.

Die Institutsleiter sind im Organigramm des KIT nicht per Namen, sondern nur summarisch, gewissermaßen in "Klumpen-Form" aufgeführt. Wobei es erstaunlicherweise zwei Organigramme (siehe Jahresbericht 2015) für die Firma KIT gibt. Das überrascht, denn bei den allermeisten Unternehmen ist es üblich, ein einziges Organigramm für den ausgewählten Bereich nach außen zu kommunizieren. Der Vorgänger von Hanselka, Professor Eberhard Umbach, kam noch mit einem solchen Organigramm aus (Stand 18. März 2011), welches zudem den Charme besaß, dass auf diesem auch alle Institute aufgelistet waren. Im Übrigen bedürfen Hanselkas Organigramme wohl der baldigen Novellierung. Wie man hört, will die Vizepräsidentin für Personal und Recht, Frau Dr. Elke Barnstedt, demnächst in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Man darf gespannt sein, wie die Findungskommission das offensichtliche Genderproblem auf dem Präsidiumslevel lösen wird. Darüberhinaus wird, dem Vernehmen nach, die Abteilung Presse, Kommunikation und Marketing (PKM)  umstrukturiert.


Das Organigramm des KIT für die "Wissenschaftsorganisation"



Das Organigramm des KIT für die "Aufbauorganisation"

Kommen wir zurück zu den Instituten; sie sind nur pauschal in den Organigrammen vermerkt. Für einen Institutsleiter (IL) im "Institut für Angewandte Materialien", beispielsweise, ist der Sprecher des IAM die erste formelle Hierarchiestufe. Dann folgt der Dekan der Maschinenbaufakultät, wobei man sich erinnert, dass Urvater Hippler die Fakultäten bei KIT einstmals abschaffen wollte. Offensichtlich ist ihm dies nicht gelungen. Danach folgt die Stufe der Bereichsleiter, die früher den schreckeinflößenden Namen Chief Officers besaßen. Ab jetzt wird die Luft dünner, denn unser oben genannter Institutsleiter betritt das Niveau der Vizepräsidenten. Wenn er all seinen Mut zusammen nimmt, wird er schließlich bei The Chief Himself, Professor Hanselka,  vorgelassen. Geht so ein armer IL den "Dienstweg", dann hat er bei seinem Hürdenlauf also nicht weniger als fünf Hierarchiestufen zu erklimmen.

Um nicht missverstanden zu werden: Professor Hanselka steht keineswegs im Ruf der "Unnahbarkeit". Aber Fakt ist doch, dass es beträchtliche bürokratische Hürden gibt, bis ein "gewöhnlicher Institutsleiter" mit seinem Anliegen bei ihm vorsprechen kann. Das war im früheren Forschungszentrum ganz anders; Institutsleiter und Projektleiter waren im Organigramm direkt unter dem Vorstand angesiedelt. Für den Leiter eines größeren Projekts war es kein Problem, bei seinem Vorstand einen Termin - innerhalb ganz weniger Tage - zu bekommen. Gab es ein akutes Problem zu besprechen, dann auch noch am gleichen Tag. Die Tür zum Vorstandzimmer stand in der Regel offen und wem es gelang, sich an der Zerbera Frau K. vorbei zu schlängeln, der wurde zumeist auch vom Vorstand (in meinem Fall Professor H.) hereingewunken. Für ein Viertelstündchen, fünf Minuten Smalltalk inklusive. Diese relativ leichte Zugänglichkeit hatte auch für die Vorstandsebene einen nicht geringen Nutzen: sie wusste stets, was im Forschungszentrum so "lief".

Die Malaise der Großprojekte

Das Forschungszentrum FZK war während seiner 50-jährigen Selbstständigkeit weltweit dafür bekannt, dass dort Großprojekte im Finanzbereich von einigen Millionen bis zu mehreren hundert Millionen DM ersonnen und erfolgreich abgewickelt wurden. Beispielhaft dafür sind die (meist kerntechnischen) Projekte FR 2, MZFR, WAK, KNK I, KNK II, SNEAK, BETA, HZ, SNR 300,  KASCADE etc.etc. Davon übrig geblieben sind derzeit im wesentlichen nur noch die zwei Großprojekte "KATRIN" und "bioliq". Beide sind in gewisser Beziehung "notleidend", denn sie befinden sich in technischer, terminlicher und finanzieller Schieflage.

KATRIN  ist  ein astrophysikalisches Experiment, womit die Ruhemasse des sogenannten Elektron-Neutrino gemessen werden soll. Der Versuchsaufbau ist 75 Meter lang und besteht aus vier funktionalen Einheiten, nämlich der Tritiumquelle mit Pumpstrecke, den zwei elektrostatischen Spektrometern zur Energieanalyse sowie dem Enddedektor zum Zählen der transmittierten Elektronen. Beeindruckend in seiner Größe ist das Hauptspektrometer, welches allein 200 Tonnen wiegt. Wesentliche technologische Herausforderungen sind das hohe Vakuum (mit 10 hoch minus 11 millibar) sowie die Temperaturstabilität der Quelle. Derzeit ist man dabei, die Gesamtanlage zusammenzubauen und betriebstüchtig zu machen. Mit diesen Arbeiten ist man ca. zehn Jahre hinter Plan, wenn man die Ankündigungen im "letter of intent" aus dem Jahr 2001 zugrunde legt. Auch die in diesem Dokument genannten Kosten von 17 Millionen Euro dürften inzwischen obsolet sein. Bedauerlicherweise kann man im aktuellen KIT-Jahresbericht 2015 nichts zum technischen und finanziellen Stand dieses Projekts lesen, was übrigens auch für das andere Großprojekt bioliq gilt.

Die anschließende Messkampagne bei Katrin wird wohl im Jahr 2017 beginnen und ca. fünf Jahre dauern. Ursächlich für diese vergleichsweise lange Zeit ist der Umstand, dass in der Anlage zwar Milliarden von Betazerfällen ausgelöst werden, aber nur das letzte Elektronenvolt im Spektrum interessant ist. Und dort gibt es nur ca. 1 bis 2 Zerfälle pro Stunde! (Erinnert mich an meine eigene Physik-Diplomarbeit bei Maier-Leibnitz mit der langwierigen Messung des Steilabfalls der Bragg-Kurve). Schreitet das Experiment, wie jetzt geplant, voran, dann sind im Jahr 2021 die Messungen beendet. Zwei weitere Jahre muss man für die Auswertung und Synthese bis zur Veröffentlichung (in den Renommier-Journals SCIENCE oder NATURE) einrechnen, womit wir uns dann im Jahr 2023 befinden. Das ist, welch ein Zufall, genau das Jahr in dem der engagierte und international bestens vernetzte Projektleiter Professor Guido Drexlin in Rente geht. Und sich ab dann als "physics-freelancer" an eine schöne Universität im sonnigen Kalifornien verdingen möchte. Die Freuden des "troisième age"!

Und wenn es zeitlich nicht klappt mit Katrin? Nun der Professor hat bereits ein "Bauchgefühl" wie der gesuchte  Wert der der Neutrino-Ruhemasse sein könnte:
nämlich 0,278 Elektronenvolt. 

Ein weiteres Großprojekt im FZK ist bioliq Hier soll die Reststoff-Biomasse Stroh zu Autokraftstoff, also Sprit, verarbeitet werden. Durch Pyrolyse wird ein schwerölähnliches Produkt erzeugt, das in einem Flugstromvergaser zu Synthesegas weiter verarbeitet wird. Leider scheint das nicht so einfach zu sein, denn die Bemühungen von mehr als ein Dutzend Jahren sind immer noch nicht vom Erfolg gekrönt. Die Errichtung der dazu erforderlichen Pilotanlage im FZK war nicht billig, immerhin wurden schon mehr als 60 Millionen Euro investiert. Darüber hinaus hat das bioliq-Verfahren auch vielfache Konkurrenz. Ein Wettbewerber war "Choren Industries" im sächsischen Freiberg, wo man versuchte synthetischen Kraftstoff aus Restholz herzustellen. Obwohl sich namhafte Automobilkonzerne an diesem Unternehmen beteiligten, ging die Firma Choren 2011 bankrott.  Die Medien sprachen von geschönten Zahlen und zu geringen Produktionsmengen.  Hoffentlich ereilt KIT mit seinem Großprojekt bioliq nicht ein ähnliches Schicksal. Es hat keine so starke Industrieunterstützung wie Choren und das wirtschaftliche Umfeld infolge der andauernden Ölschwemme ist fast noch schwieriger geworden. Leider erfährt der externe Steuerzahler auch hier nichts über Produktmengen und Betriebskosten.

Viel geforscht wird bei KIT im Bereich der Astrophysik. Über das KIT-Centrum Elementarteilchen- und Astrophysik (KCETA) ist man mit zahlreichen internationalen Forschergruppen verknüpft und führt seit vielen Jahren Experimente am Beschleuniger LHC bei CERN durch. In diesem Verbund bearbeiten elf Physikinstitute grundlegende Fragen zum Ursprung der Masse, zur Asymmetrie Materie/Antimaterie, zur Zusammensetzung Dunkler Materie/Dunkler Energie und zum Ursprung der kosmischen Strahlung usw. Leider stellt sich in den letzten Jahren immer deutlicher heraus, dass bei den LHC-Experimenten nicht mehr viel zu finden ist. Offensichtlich ist die Drei-Milliarden-Maschine zu schwach für den Aufbruch in eine neue physikalische Ära. Möglicherweise benötigt man einen stärkeren Beschleuniger. Aber den zu planen, zu beschließen, zu finanzieren und letztlich zu bauen würde viele, viele Jahre in Anspruch nehmen. Das vorläufige Ende der Astrophysik?

Neue, wenn auch kleinteilige Projekte, sind am Horizont sichtbar. Vor kurzem hat sich KIT in das sogenannte Kopernikus-Projekt eingeklinkt. Es wurde von der Bundesforschungsministerin, Frau Wanka, aus der Taufe gehoben und soll die gefährdete Energiewende absichern. Kopernikus ist auf zehn Jahre ausgelegt, insgesamt beteiligen sich daran 23 Einrichtungen und Partner. KIT will sich dem Problem der Netzstabilität zuwenden, welche wackelig sein kann, weil die Stromproduktion durch Wind und Sonne bekanntermaßen stark fluktuiert. Keine wirklich neue Erkenntnis. Die Netzbetreiber müssen an die tausend Mal pro Jahr per Hand eingreifen, um die Frequenz bei 50 Hertz zu stabilisieren. Aber kaum ist das Problem ausgelobt, schon hat das ebenfalls an Kopernikus beteiligte Konkurrenzentrum FZK Jülich eine Lösung parat. Im seinem Magazin "effzett" ist ein Tweet des Jülicher Forschers Dr. Dirk Witthaut abgedruckt, in dem folgendes behauptet wird: "Durchblick statt Blackout: Formel sagt Stromausfälle voraus und identifiziert Schwachstellen im Netz. #Energiewende".
Schneller geht's nimmer!

Vielleicht nach dem Motto  "Kleinvieh macht auch..." bahnt sich im Universitätsbereich eine erstaunliche Entwicklung an: in großer Zahl werden dort Kleinprojekte gegründet, die man im Verbund mit industriellen Partnern abwickeln möchte. Diese Miniprojekte - im Schnitt um die 30.000 Euro - sollen zum Einstieg in spätere Großprojekte bei KIT (Campus Nord??) werden. Die Idee klingt zunächst gut und erfolgversprechend - ist sie aber nicht. Schon allein die Fülle dieser Kleinprojekte erschreckt: im Jahr 2015 waren es bereits 200. Das bedeutet, dass jedes Institut im Schnitt 1 bis 2 dieser Projektchen bearbeitet. Gesteuert wird das Ganze durch eine eigenständige Gesellschaft, der "KIT Campus Transfer GmbH", mit bereits zwei Geschäftsführern und (vermutlich) entsprechendem Unterbau und dazugehörigen Fixkosten. Der Personalrat kritisiert diese Entwicklung, weil sie geeignet ist, dem KIT-Nord die Projekte "wegzuschnappen" und zudem wohl nicht zuletzt den "privaten Wohlstand" der damit beschäftigten Professoren mehrt. Außerdem ist diese Innovation konträr zur grundsätzlichen KIT-Philosophie. Bei der Gründung des KIT war es allgemeines Verständnis, dass KIT-Süd für die Lehre sowie die Diplom- und Doktorarbeiten etc. zuständig ist und KIT-Nord für die wirklichen großen Projekte. Die Zuwendungsgeber in Bund und Land sollten diese problematische Entwicklung im Auge behalten.

Gravierende Fehler in der Vergangenheit

Der Niedergang des Forschungszentrums wurde bereits in der Vergangenheit, zwischen den Jahren 1991 bis 2006 eingeleitet und zwar durch einige falsche Strategieentscheidungen des damaligen Geschäftsführers Dr. Manfred Popp. Er veranlasste, beispielsweise, den Komplettausstieg aus der Medizintechnik , worin eine kleine, personell leider unterbesetzte Gruppe mit großem Engagement tätig war. Konkurrierende Forschungszentren stiegen in das aufstrebende Gesundheitsgebiet ein; ich nenne nur das FZK Jülich mit seiner weithin bekannten Hirnforschung.

Eine weitere Fehlentscheidung, in noch höherem Maßstab, war der weitgehende Ausstieg aus der Kerntechnik, den Popp anfangs der neunziger Jahre verfügte. Zu dieser Zeit waren in Deutschland noch 18 große Kernkraftwerke in Betrieb, die man F+E-mäßig, besonders auf dem Gebiet der Sicherheit, hätte begleiten und unterstützen müssen. Als die Bundeskanzlerin im März 2011, auf einer dubiosen Datenbasis und praktisch im Alleingang, die sofortige gestaffelte Abschaltung aller deutscher Kernkraftwerke entschied, war die verbliebene Kerntechnikgruppe beim FZK bereits zu klein und unterkritisch geworden, um Merkels Entscheidung wissenschaftlich-technisch ernsthaft  hinterfragen zu können. Wie nicht allseits bekannt, werden einige deutsche KKW noch bis zum Jahr 2022 in Betrieb sein, wobei auch für diese eventuell noch die  F+E-Unterstützung notwendig werden könnte. Darüber hinaus gibt es rund um Deutschland herum derzeit 140 Kernkraftwerke, meist älterer Bauart, welche die deutschen Kerntechniker nicht mehr sachkundig bewerten können, weil uns das Ausland hierfür die Expertise abspricht. Dass die EU-Kommission gerade jetzt ihr Institut für Transurane im Forschungszentrum Karlsruhe zu zentralen Standort für die "Nukleare Sicherheit" vergrößert, beweist darüberhinaus, dass der deutsche Ausstieg aus der kerntechnischen Sicherheitsforschung voreilig war.

Den allergrössten Fehler beim Management des Forschungszentrums beging der Geschäftsführer Popp als er, kurz vor der Gründung des KIT, den "Bereich für die Stilllegung der kerntechnischen Anlagen" von der FZK ausgliederte und an die "Energiewerke Nord" (EWN) weiter gab. Der Karlsruher Stilllegungsbereich hatte vorher in Deutschland praktisch eine Monopolposition inne und war vor allem in den neunziger Jahren sehr erfolgreich, als dort zwei Kernkraftwerke (KKN und HDR) bis zur Grünen Wiese rückgebaut und der FR 2 sicher eingeschlossen worden war. Darüber hinaus wurden erhebliche Fortschritte bei der Demontage der Wiederaufarbeitungsanlage WAK gemacht und die Verglasungseinrichtung für die Flüssigabfälle konzipiert und durchgesetzt. Seit gut einem Jahr versucht das KIT diesen strategischen Fehler wieder gut zu machen, indem sie eine kleine Rückbaugruppe aufbaut und den Verbund mit externen Partnern anstrebt. Das wird - mangels eigener Großanlagen und wegen der begrenzten Expertise  - allenfalls zu einem Nischendasein führen. Der Zug im Rückbau atomarer Anlagen ist abgefahren. Die Energieversorgungsunternehmen und eine Vielzahl kleiner, aber kompetenter Firmen, haben das Kommando übernommen. FZK/KIT haben fahrlässigerweise vor zehn Jahren ein Alleinstellungsmerkmal aufgegeben und sich selbst von einem Milliardenmarkt  abgekoppelt.

Seit die Energiewerke Nord  um 2006 das Kommando beim Stilllegungsbereich übernommen haben, ist kein weiteres Kernkraftwerk im Forschungsbereich mehr zur Gänze rückgebaut worden; KNK und MZFR sollen erst im nächsten Jahrzehnt entsorgt werden. Der Terminplan zum Abriss der WAK hat sich bis ca. 2030 verschoben, statt einer Milliarde Euro (wie geplant) sind nunmehr ca. drei Milliarden erforderlich. EWN ist übrigens -ungeachtet ihres Namens - als Unternehmen der "unechten Industrie" zuzurechnen; es wird vom Bund und damit vom Steuerzahler zu 100 Prozent alimentiert. Derzeit passiert bei den rückzubauenden Anlagen um die WAK mindestens fünf Jahre lang nichts, weil erst zwei Zwischenläger für die radioaktiven Abbruchmaterialien genehmigt und gebaut werden müssen. Das bereits bestehende große Zwischenlager - um das sich jeden Tag 4.000 KIT-Forscher herumbewegen und in dessen Nähe man das neue Casino gebaut hat - ist randvoll. Was man offensichtlich relativ spät gemerkt hat. Diese Stagnation der Rückbautätigkeiten führt zu hohen Personalkosten, weil (auf Anraten des "Übervaters" Dieter Rittscher?) bei der WAK fast nur mit Eigenpersonal geschafft wird. Das FZK hatte früher, auf Betreiben seines Controllers, 50 Prozent Fremdpersonal eingesetzt, was zu höherer Flexibilität und zu niedrigeren Kosten bei "Flautezeiten" führte.

Der Name des ehemaligen Geschäftsführers Popp, der das Forschungszentrum von 1991 bis 2006 leitete, ist bereits mehrfach gefallen. Es besteht Anlass, sich dieser Personalie zuzuwenden. Der jetzt 75-jährige alte Physiker war 1972, zwei Jahre nach seiner Promotion, zum Bonner Bundesforschungsministerium gekommen. Innerhalb von nur sechs Jahren machte er - ausgestattet mit einem SPD-Parteibuch - innerhalb der sozialliberalen Koalition eine Blitzkarriere. Schon 1978 wurde er zum Ministerialdirigenten ernannt. Während der darauffolgenden Kohl-Regierung wurde Popp - nunmehr Mitglied der CDU - 1987 zum Staatssekretär für Umwelt und Reaktorsicherheit in der Hessischen Landesregierung unter Wallmann ernannt. Nach dem Sturz dieser Regierung wurde Popp, auf Betreiben seines ehemaligen Bonner Forschungsministeriums, nun Vorsitzender des Vorstands beim ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe und huldigte fortan, mit dem Ausstieg aus der Kerntechnik, dem grünen Zeitgeist.. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) schrieb in einem Kommentar vom 2. April 1991 dazu folgendes: "Wie er (sprich: Popp) in dieses Amt gekommen ist, darüber bedürfte die Öffentlichkeit noch der Aufklärung. Denn welche Voraussetzungen Popp für die Leitung einer so großen, sich zudem in der Phase der Neuorientierung befindenden Forschungsorganisation qualifizieren, ist aus seinem Werdegang nicht zu ersehen."  All diese Zitate stammen keineswegs von mir, sondern man kann sie, direkt oder implizit, in der Historie des FZK, "Geschichten aus der Geschichte",  auf Seite 66 nachlesen.

Finanzen und Exzellenzinitiative

Das Finanzbudget des KIT betrug im Jahr 2015 860 Millionen Euro; davon entfielen auf den Universitätsbereich 428 Mio und auf dem Großforschungsbereich 432 Mio. Die Finanzierung erfolgte über Bundesmittel (254 Mio Euro), Landesmittel (248 Mio) und Drittmittel (358 Mio). Die Geldströme von Bund und Land dürfen nicht vermischt werden, was die Buchhaltung nicht unwesentlich erschwert. Die Drittmittel sind nur zum kleineren Teil Einwerbungen aus der Industrie, zumeist stammen sie von der EU, der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie aus Extratöpfen von Bund und Land. 860 Millionen sind eine stattliche Summe. Das ehemalige Forschungszentrum musste zumeist mit 500 Millionen DM auskommen. Trotzdem kneift es bei KIT immer wieder an allen Ecken und Enden, wie man von dem für Finanzen und Wirtschaft zuständigen Vizepräsidenten Dr. Ulrich Breuer hört.

 Besonders groß war die Geldnot zu der Zeit, als die Mittel aus der verlorenen Exzellenzinitiative ausblieben, also um das Jahr 2012. Dem KIT entgingen damals 60 bis 80 Millionen pro Jahr, mit denen es fest gerechnet hatte und die zum Teil bereits verplant oder gar ausgegeben waren. Weitere Defizite entstanden dadurch, dass die von außen eingeworbenen Drittmittel häufig nur zu einem Gemeinkostensatz von 20 Prozent kalkuliert waren , welche allerdings selten die wahren Kosten deckten. Die Einführung der gemeinsamen Verwaltungs-Software SAP für Uni und FZK dauerte ewig. Und zum Schluss war sie auch noch keineswegs einheitlich. Weil damals auch noch die Verwaltung "verschlankt" wurde, kam es zu der schlimmen Situation, dass die Hilfsassistenten, im Jargon Hiwis genannt, für ihr Jobben an der Uni monatelang kein Geld bekamen, beziehungsweise nur Abschlagszahlungen. Es passierte sogar, dass die Studierenden erst nach einem halben Jahr ihr Zeugnis erhielten, weil in der magersüchtigen Verwaltung zu wenige Sekretärinnen verfügbar waren. Finanzchef  Breuer schleppte jahrelang ein Minus von 10 Millionen Euro mit sich; als Finanzziel gab er (Schäuble lässt grüßen) "die rote Null" aus.

Mit der Exzellenzinitiative, einen Förderprogramm des Bundes für die Hochschulen, hat das KIT bislang gute und böse Erfahrungen gemacht.  Im Jahr 2006 gewann KIT bei der Exzellenzinitiative I (zusammen mit den beiden Münchener Universitäten) den Ehrentitel "Elite-Universität" sowie erhebliche Sondermittel. Ausschlaggebend war die Vorlage des KIT-Konzepts, das die Juroren damals wohl noch beeindruckte. Bei der Exzellenzinitiative II im Jahr 2012 war man in Karlsruhe siegessicher. KIT-Präsident Horst Hippler gab den Ton vor. "Ausscheiden - das ist einfach nicht vorgesehen. Am KIT kommt keiner vorbei". Und dann kam der 12. Juni 2012 - ein schwarzer Freitag. Hippler musste kleinlaut verkünden, dass KIT bei der Schlussabstimmung der Gutachter durchgefallen war. Der schöne Titel "Elite-Universität" war futsch. Präsident Hippler war offensichtlich schon im voraus informiert worden, denn er machte sich bereits am 24. April 2012 vom Acker. Schlauerweise bewarb er sich um die Präsidentschaft der Hochschulrektorenkonferenz HRK, wo er allerdings erst nach einer Kampfabstimmung gewählt wurde. Seinen Co-Präsidenten Professor Eberhard Umbach ließ er die Riesenorganisation KIT allein weiter regieren. Seitdem okkupiert der ehemalige TH-Rektor Hippler, nunmehr 70, diesen HRK-Job, der von vielen als ein höchst überflüssiger Ruheposten für alte Profs angesehen wird.

Was waren die Ursachen für das Ausscheiden bei der Exzellenzinitiative II?  Nun, die Forschungsanträge, die  sogenannten Cluster, in den beiden Bereichen Nanotechnologie ("Funktionelle Nanostrukturen") und Informatik ("Verlässliche Software") waren durchgefallen. Das Superinstitut für Nanoforschung war unter Professor Herbert Gleiter in den vergangenen 15 Jahren mit hohem finanziellen Aufwand aufgebaut worden. Gleiter selbst heimste bei seinen globalen Rundreisen fast mehr Ehrenmedaillen und Awards ein als die gesamte deutsche Olympiamannschaft in Rio. Und nun diese Pleite. Hätte er sich doch mehr seinem INT gewidmet. Hic Rhodos, hic salta, sagten schon die alten Lateiner.

 Im kommenden Jahr will die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka über die Exzellenzinitiative III für die ca. hundert deutschen Hochschulen entscheiden. Der Schweizer Physiker Dieter Imboden hat dafür ein leicht verändertes Konzept vorgelegt. Die Eckwerte sind: Laufzeit 2018 bis 2028, Fördersumme fünf Milliarden Euro, also 0,5 Mrd. pro Jahr  Das ist nicht gerade übermäßig viel, wenn man andere Budgetzahlen zum Vergleich heran zieht:   Der Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung beträgt 17,5 Mrd, der für die Flüchtlinge sogar 25 Milliarden pro Jahr - und das noch auf lange Zeit! Am KIT will man diesmal alles richtig machen und hat zur Vorbereitung die vierköpfige "Projektgruppe FOR X" eingerichtet. Wie in dem Mitarbeitermagazin "KIT Dialog 1.2016" nachzulesen ist, steht an der Spitze der Lenkungsausschuss mit dem Präsidium und den Bereichsleitungen. Er steuert das Gesamtprojekt und wird von einem "Sounding Board" beraten. Außerdem wurden acht Teilprojektgruppen zu verschiedenen Themen wie Chancengleichheit, Karrierewege etc. eingerichtet. Die Projektgruppe FOR X wird zudem unterstützt durch ein Erweitertes Team, das mit Referentinnen des Präsidiums und Mitarbeitern der DEs Forschungsförderung, Innovationsmanagement, Internationales, Personalentwicklung und berufliche Ausbildung sowie dem Karlsruhe House of Young Scientists besetzt ist.
Viel Knowhow kommt hier zusammen. Hoffentlich vergisst man nicht kompetente Wissenschaftler einzuklinken, welche wohl allein dazu in der Lage sind, wettbewerbsfähige "Proposals" abzugeben.

Synthese und Schlussbetrachtungen

Zusammenfassend kann man sagen, dass sich bei KIT ein vorher nicht gekannter lähmender Bürokratismus ausgebreitet hat. Bereits angeführte Beispiele sind der Gremiendschungel bei der Vorbereitung der Exzellenzinitiative III sowie die organisatorischen Triplizierung des Technologietransfers durch die Einheiten Presse, Kommunikation, Marketing (PKM), durch Research to Business (R2B)und durch die KIT Transfer GmbH. Auf der unteren Verwaltungsebene bemüht man sich seit Jahren - weitgehend erfolglos - die dezentrale Struktur im Süden mit der zentralen im Norden zu harmonisieren. (Siehe Beschaffungs- und Personalwesen)

Die beiden Fusionspartner, FZK und TU, vor zehn Jahren rangmäßig noch auf Augenhöhe, sind inzwischen krass unterschiedlich geworden in ihrer öffentlichen Bedeutung. Die Universität, mit ca. 25.000 Studierende kaum größer als Freiburg oder Tübingen, hat eindeutig das Übergewicht gewonnen. Wenn in ihren Bereich etwas schief läuft (etwa weil einige Hiwis ihren Lohn zu spät erhalten), dann wird das in der Presse ausführlich dargestellt. Wenn dagegen im Großforschungsbereich, wie im Vorjahr geschehen, die Synchrotronstrahlenquelle ANKA drastisch reduziert wird, dann ist das kein öffentliches Thema.

Dabei ist das internationale Ansehen des KIT durchaus unterschiedlich zu werten. In dem schon genannten KIT-Jahresbericht werden die ausländischen Studierenden nach Ländern aufgelistet. Demnach befinden sich unter den TOP 20 vorzugsweise Tunesier und Türken, sowie eine ganz große Zahl von Chinesen. Aber keine US-Amerikaner und Briten, die im internationalem Ranking bei den Naturwissenschaften die Spitzenposition einnehmen! Könnte es sein, dass die jungen Leute aus den Entwicklungs- und Schwellenländern besonders deswegen gerne zum KIT kommen, weil es dort keine Studiengebühren, dafür aber hohe Sozialleistungen gibt und man zur Not mit Englisch durchkommt ohne Deutsch lernen zu müssen? Bekanntlich liegen die jährlichen Collegekosten an den US-Universitäten bei 40.000 Dollar und die Absolventen sind zumeist mit einer Schuldenlast von 50.000 Dollar noch über viele Jahre hinweg belastet.


KIT-Ausländische Studierende nach Ländern  (Top 20 von 117)

Der Name KIT wurde von den Urvätern Popp/Hippler im Anklang an das berühmte "Massachusetts Institute of Technology"- MIT - ausgesucht. Das war hoch gegriffen, um nicht zu sagen anmaßend. Diese weltberühmte technische Universität in Boston hat bisher ca. 80 Nobelpreisträger hervorgebracht und verfügt über ein Jahresbudget, welches den KIT-Etat um den Faktor 12 übertrifft. Da wird KIT noch lange hinterher laufen müssen.

Ernste Sorge bereitet der Niedergang des ehemaligen Forschungszentrum, also KIT Campus Nord . Entgegen seinem Namen Großforschungsbereich (GFB) werden dort kaum noch große Projekte bearbeitet, abgesehen von den im Argen liegenden Objekten Katrin und bioliq. Neue - und aufregende - Projekte sind nicht in Sicht. Man darf annehmen, dass die Gesellschafter in Bund und Land nicht endlos jedes Jahr fast eine halbe Milliarde Euro in diese siechende Lokation hineinpumpen wird. Eher schon werden sie ein Gutachtergremium einberufen, welches den wissenschaftlichen Return ihrer Zuwendungen  aus Steuermitteln beurteilt. Sollten nicht bald neue Großthemen gefunden werden, so ist wohl mit Kürzung der Finanzmitteln zu rechnen, womit eine Spirale nach unten eingeleitet werden könnte. Bereits jetzt geriert sich KIT Nord nur noch verlängerte Werkbank des KIT, ja als bloßes Anhängsel. (Dafür typisch: das 60-jährige Jubiläum des ehemaligen Kernforschungszentrums Karlsruhe-Leopoldshafen wurde am 19. Juli 2016 vom Präsidium mit keinem Wort gewürdigt. Demgegenüber hat FZ Jülich an dieses Datum mit einem Sonderheft erinnert).

Typisch für die Negativentwicklung bei KIT Nord ist, dass das Präsidium vor kurzem aus seiner Beletage im siebten Stock des Verwaltungsgebäudes in den Süden umgezogen ist, um sich dort im Herzen der Universität standesgemäß einzulogieren.
 Die 7 Autoparkplätze im Norden, indes, bleiben für das 5-köpfige Präsidium weiterhin reserviert.

Sonntag, 28. August 2016

Axel Weis verstorben

Axel Weis, ein früherer Mitarbeiter im ehemaligen Forschungszentrum Karlsruhe (FZK) - später KIT - ist am 26. August 2016 an einem Herzinfarkt verstorben.

Herr Weis war viele Jahre im FZK tätig, zuerst im Bauwesen, später in der Beschaffungsabteilung EKM. Nach Gründung des Bereichs zur Stilllegung nuklearer Anlagen war er dort anfangs Projektkaufmann, danach Projektmanager für den Rückbau verschiedener kerntechnischer Objekte.

Überregional bekannt wurde Axel Weis durch ein mehr als zehnjähriges Prozessverfahren, über welches in den Printmedien und bei verschiedenen TV-Anstalten berichtet wurde. Der Anlass waren anonyme Beschuldigungen, welche Weis der Korruption beim Management der Stilllegungsprojekte verdächtigten. Im Strafprozess vor dem Landgericht Karlsruhe am 13. Dezember 2013 wurde er jedoch in allen Punkten von der Anklage freigesprochen. In der mündlichen Urteilsbegründung verurteilte der Vorsitzende Richter das verwerfliche Tun der anonymen Anzeiger "wodurch honorige Männer gebrandmarkt, vorverurteilt und fast schon vernichtet werden". Die anschließenden Zivilprozesse zum Schadensersatz wegen Amtshaftung waren in den ersten beiden Instanzen nicht von Erfolg gekrönt, sodass Weis im November 2015 Revisionsklage beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt einreichte. Der Herztod des inzwischen 67-Jährigen beendet nun dieses Verfahren.

Axel Weis wird im engsten Familienkreis auf einem Ruheforst begraben. Den Ort - unter einer Eiche -  hat er sich vor fünf Wochen mit seiner Frau Carmen noch selbst ausgesucht.

RIP


Sonntag, 21. Februar 2016

KIT ist unterfinanziert

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der Zusammenschluss zwischen Forschungszentrum und Universität Karlsruhe, beklagt Finanznöte. Das KIT verfügt zwar über einen respektablen Jahresetat von ca. 800 Millionen Euro, aber nur je ca. 30 Prozent steuern Bund und Land bei. Satte 40 Prozent müssen über sogenannte Drittmittel-Aufträge, zumeist bei Industrie und Wirtschaft, eingeworben werden. Der Präsident, Professor Holger Hanselka, gibt ganz offen zu: "Ohne Drittmittel würden wir auf Dauer austrocknen."

Die Kehrseite dieser Situation ist, dass ein großer Teil der Projekte, welche über Drittmittel finanziert werden, zeitlich befristet sind, also keine Daueraufträge darstellen. Diese Vorhaben werden üblicherweise durch Mitarbeiter abgewickelt, die einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag besitzen. Bei KIT sind sie in der Mehrheit, wie vom Personalrat seit langem beklagt wird. Nach den derzeit verfügbaren Zahlen waren von 5546 Mitarbeitern am KIT 4065 mit einem befristeten Vertrag ausgestattet; im Bereich der Universität waren es sogar 2704 von 2952 insgesamt. Die Arbeitsverträge haben Laufzeiten von wenigen Jahren, zuweilen sogar nur über ein halbes Jahr und werden nicht selten ein halbes Dutzend mal verlängert ("Kettenverträge").

Die Nöte der Jungakademiker

Die Praxis der befristeten Arbeitsverträge ist an allen deutschen Hochschulen gang und gäbe. In der Altersklasse zwischen 25 und 34 Jahren haben mehr als 70 Prozent einen Arbeitsvertrag mit Verfallsdatum, wie Arbeitsmarktforscher festgestellt haben. Ein Großteil dieser Kontrakte weisen zudem extrem kurze Laufzeiten von weniger(!) als einem halben Jahr auf und werden mickrig entlohnt. Für die Betroffenen ist es schwierig, sich im Berufs- und Familienleben einzurichten. Wer einen befristeten Arbeitsvertrag hat, bekommt häufig keinen Kredit von der Bank, etwa für ein Auto oder eine Wohnungseinrichtung - ganz zu schweigen vom Kauf einer Immobilie.

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka hat deshalb ein Gesetz auf den Weg gebracht, um die akademische Laufbahn besser planbar zu machen. Arbeitsvertrag und Einsatzdauer sollen besser synchronisiert werden, Kurzbefristungen sind zu minimieren. Im Gefolge dieser Initiative brachte das KIT im November vergangenen Jahres ein siebenseitiges Rundschreiben heraus, in dem die oben genannten ministeriellen Vorschläge aufgenommen sind. Gleichwohl sind in diesem Schreiben eine ganze Anzahl von Ausnahmen vermerkt; zum Durchdringen des Textes sind einige Semester Jurastudium hilfreich.

Schlecht sieht es in Deutschland um die Betreuung der Studenten aus, deren Anzahl zwischen den Jahren 2003 und 2013 um 20 Prozent gewachsen sind. Parallel dazu hat sich die Betreuungsrelation von Studierenden zu wissenschaftlichen Mitarbeitern und Professoren im Bundesmittel von 13,5 auf 16,1 verschlechtert, in den Ingenieursfächern sogar von 11,0 auf 17,7. Diese Überlastung des Lehrpersonals führt zu grotesken Zuständen. Häufig wird die Lehre auf andere Gruppen übertragen, die dafür nur 40 Euro pro Stunde - oder überhaupt nichts - bekommen. Diese Lehrenden, welche (außerhalb des Vorlesungsverzeichnisses) vor den Studenten stehen, kommen von Forschungseinrichtungen oder aus der Industrie und wollen Kontakt zur Hochschule halten. Darunter sind auch Lehrbeauftragte, die nur für ein Semester und zwei Stunden pro Woche eingesetzt werden. Und schließlich die "letzte Reserve", nämlich wissenschaftliche Mitarbeiter, die ihr (schmales) Gehalt fürs Forschen oder Promovieren bekommen, die aber nicht nein sagen können, wenn der Herr Professor sie in den Vorlesungsbetrieb einspannt. Motto: wer nicht als Dozent (im offiziellen Vorlesungsverzeichnis) geführt wird, der holt auch keine Studenten an die Uni. Ein Drittel des Lehrkörpers an den Universitäten soll unbezahlt sein!

Exzellenzinitiative - keine Bonanza

In der Hoffnung auf zusätzliche Geldquellen setzt mancher Universitätsrektor oder -präsident auf die sogenannte Exzellenzinitiative. Sie wurde 2005 von der damaligen Bundesforschungsministerin Edelgard Buhlman ausgelobt und hat seitdem (in drei Runden) im Zusammenwirken von Bund und Ländern einige Milliarden Euro Finanzmittel verteilt. Unterstützt wurden Hochschulen, die ein überzeugendes "Gesamtkonzept" vorlegen konnten, sowie bei den Forschungsprojekten ("Clustern") und der Post-Doktoranden-Lehre ("Graduiertenschulen") besser waren als der Rest. Auch das KIT war von 2006 bis 2012 in diesem bevorzugten Club und durfte sich zeitweilig sogar "Elite-Universität" nennen. Umso stärker war die Enttäuschung, als diese Förderung 2012 - insbesondere wegen schwacher Proposals der Nanoforscher - auslief. Monatelang konnten damals noch nicht einmal die armen "Hiwis" bezahlt werden und die Ausgabe der Diplomzeugnisse verzögerte sich, da zu wenig Schreibkräfte zur Verfügung standen.


Das neue attraktive Casino des KIT
(beliebt bei Kantinen-Gourmets)

Trotzdem: diese Zusatzförderung allein ist nicht die finanzielle Rettung der Universitäten. Von 2006 bis 2017 werden Bund und Länder insgesamt 4,6 Milliarden Euro ausgeworfen haben. Auf erstem Blick ist das eine respektable Summe und doch ist es relativ wenig. So erhält beispielsweise die große Technische Universität München insgesamt 289 Millionen. Umgerechnet auf ein Jahr sind das bloße 26 Millionen - bei einem Jahresetat von 1,3 Milliarden Euro! Von den amerikanischen Hochschulen, wie MIT und Harvard, welche über viele Jahre hinweg ein milliardenschweres Kapitalvermögen angesammelt haben, ist man da noch meilenweit entfernt.

Mit wesentlich höheren Geldsummen wird derzeit in der großen Politik agiert. Die Flüchtlinge, welche Deutschland bereits aufgenommen hat, werden - nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft - volle 55 Milliarden Euro an Kosten verursachen. Wohlgemerkt: allein in den drei Jahren von 2015 bis 2017! Wenn Bundesminister Schäuble nur eine einzige Milliarde mehr zur Verfügung stellen würde, dann könnte an jeder der hundert deutschen Universitäten ein Studentenwohnheim für je 10 Millionen Euro gebaut werden. Die Wohnungsnot der Studenten - zum Teil aus der Zuwanderung resultierend - könnte dadurch deutlich abgemildert werden.

Ein Hoffnungsschimmer am Horizont

Gegenwärtig wird die vierte Exzellenzinitiative vorbereitet. Die Expertenkommission des schweizer theoretischen Physikprofessors Dieter Imboden hat vor kurzem ihren Bericht vorgelegt und mit Frau Wanka sowie den Landesministern diskutiert. Zwei wesentliche Änderungen bei den Graduiertenschulen und den Zukunftskonzepten scheinen sich anzubahnen. Die Förderung der Graduiertenschulen will man auslaufen lassen und bei den Zukunftskonzepten hat man sich etwas durchaus Originelles ausgedacht. Statt, wie bisher, die in die Zukunft weisende Konzeption der Hochschulen zu bewerten, will man ab jetzt die schon erreichte Forschungsbrillanz der einzelnen Unis evaluieren. "Past merits" sind nach Ansicht von Imboden gute Indikatoren für die Exzellenz. Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hat dafür den Namen "Exzellenzbonus" geprägt.

Für das KIT ergibt sich damit die Chance, ab 2017 wieder zu punkten und damit die Scharte von 2012 auszuwetzen. Denn: anno 2006 haben Popp und Hippler, die Chefs des Forschungszentrums und der Technischen Universität Karlsruhe den Zusammenschluss beider Organisationen zum KIT durchgedrückt und dadurch den Exzellenzstatus erreicht. Ihre damalige Argumentation war unter anderem, dass durch die Fusion zum KIT ein "wissenschaftlicher Mehrwert" entstehen würde. Im Rahmen der jetzigen Evaluierung müsste dieser Mehrwert nunmehr feststellbar sein und dann zu entsprechender zusätzlicher finanzieller Förderung des KIT führen. Ist das nicht der Fall, dann wäre der Beweis erbracht, dass die Kreation des KIT vor zehn Jahren nutzlos war und nur zu mehr Bürokratismus geführt hat.

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