Samstag, 27. Juli 2013

Durch wieviele Hände ging der Ring der Nibelungen?

Sommerzeit ist Festspielzeit, beispielsweise in Bayreuth. Jeweils von der letzten Juliwoche bis zur letzten Augustwoche werden dort Wagner-Opern en suite gespielt. Tickets sind schwer zu bekommen, die vier Opern des "Ring der Nibelungen" gibt es nur im Paket. Für einen Parterresitz in der 10. Reihe (5 Reihen hinter Merkel!) löhnt man die beträchtliche Geldsumme von rd. 1.000 Euro. Und wenn man die holde Gattin (oder die süsse Freundin) einlädt, dann sind es schon 2.000 Euro. Hinzu kommen noch locker 1.000 Euro an Hotelkosten. Demgegenüber ist allerdings im Restaurant des Festspielhauses ein Brötchen mit zwei schmackhaften fränkischen Bratwürsten schon für 2,50 Euro zu haben und das Pils kostet blosse 3 Euro.

Beträchtlich teurer ist schon wieder das buchförmige Theaterprogramm mit dem Inhalt der verschiedenen Stücke. Hier setzt meine Hilfestellung als Blogger ein. Quasi als Entschädigung dafür, dass meine Leser ein ganzes Jahr lang meine Blogs zu verschiedenen Themen ertragen haben, möchte ich mit diesem Post eine Kurzfassung des "Rings" anbieten. Die etwas verworrene Geschichte des Goldraubs wird verständlich dargestellt und die verschiedenen Gauner, welche sich des daraus geschmiedeten Rings bemächtigt haben, werden namentlich identifiziert. Ich empfehle Ihnen also, liebe Leser, auf das teure Programm der Katharina Wagner zu verzichten und einen print-out meines Kurzblogs in den Theatersaal zu schmuggeln.


Das Rheingold

Die Story beginnt in archaischer Zeit, als der Rhein noch nicht durch die Abwässer der Chemiefirmen Roche, BASF und Hoechst versaut war, sondern das Flussbett sich in purem Gold darbot. Dieser Schatz sollte durch die drei Rheintöchter bewacht werden, die aber ihre Pflichten nur liederlich wahrnahmen. Alberich, dem Anführer des Zwergenreiches, gelang es das Gold zu rauben, sein Bruder Mime schmiedete daraus einen Ring, mit dessen Hilfe man zu unbeschränkter Macht kommen konnte - sofern man der Liebe entsagte.

Alberich war also der erste Besitzer des Nibelungenrings, nennen wir ihn, nach mathematischer Logik, Alberich (1).  Lange konnte er sich daran nicht erfreuen, denn Gottvater Wotan brauchte Geld für seine Burg Walhall und raubte ihm mit brachialer Gewalt den kurz vorher geschmiedeten Ring. Also: Wotan (2). Wotan reichte den Ring, gezwungenermassen, an den monströsen Bauunternehmer Fasolt weiter - Fasolt (3).  Der allerdings, konnte sich nur kurze Zeit daran erfreuen, denn sein ähnlich ungeschlachter Bruder Fafner erschlug ihn, streifte sich den Ring über und entschwand als Fafner (4).


Die Walküre

Nach diesem turbulenten Auftakt liess es Wagner in der zweiten Ringoper, der Walküre, ruhiger angehen. Der Ring spielt darin keine Rolle, wir müssen annehmen, dass er noch am Finger des Brudermörders Fafner steckt. Stattdessen verwöhnt Wagner sein Publikum mit dem Walkürenritt, viel Hojotoho und mit einer drallen Dirn, namens Brünhilde.


Siegfried

In der dritten Oper, dem Siegfried, geht es wieder zur Sache. Wir begegnen erstmals diesem inzestiösen, aber kraftvollen Götterprodukt Siegfried beim Schmieden seines Schwertes Nothung. Er kann es brauchen, denn bald darauf trifft er im dunklen Tann auf einen schröcklichen Drachen, hinter dem sich niemand anders verbirgt als der Baumeisterriese Fafner, den wir schon aus dem Rheingold in schlechter Erinnerung haben. Mittels des ebenfalls geraubten Tarnhelms hat er sich in einen Drachen (beziehungsweise Lindwurm) verwandelt und bewacht nun, quasi als Fafner/Drache (4), das geraubte Gold samt Ring. Wie nicht anders zu erwarten, erschlägt Jungheld Siegfried mit seinem Superschwert Nothung den Drachen, und steckt sich - als Siegfried (5) -  den Ring über, ohne allerdings seine mythologische Bedeutung zu erkennen. Unter ornithologischer Leitung des Waldvogels gelangt Siegfried zum Walkürefelsen, findet dort Brünhilde, wo aber ein Ringaustausch (noch nicht) stattfindet.


Götterdämmerung

Das geschieht im Vorspiel der vierten Ringoper, der Götterdämmerung. Noch während die Nornen am Weltfaden spinnen, und berauscht von der Liebesnacht mit Brünhilde, steckt Siegfried der Walküre den Ring an und verzichtet damit auf dessen Macht. Brünhilde (6) ist nun also Besitzerin des Nibelungenrings und Siegfried begibt sich auf eine längere Rheinfahrt.

Bei der Gibichungenhalle, einem Herrschersitz am Rhein, legt er einen Stopp ein und verliebt sich (dank eines Zaubertranks) in Gutrune, die Schwester des Burgherrn Gunther. Dieser möchte seinerseits Brünhilde heiraten und Siegfried sagt zu, bei diesem Unternehmen zu helfen. Mit dem Tarnhelm verwandelt er sich in Gunther, bezwingt Brünhilde und entreisst ihr den Ring. Siegfried wird dadurch zum zweiten Mal sein Besitzer als Siegfried (7).

Bald darauf fliegt die Chose auf, es kommt zu ernsthaften Zerwürfnissen im Hause der Gibichungen und der düstere Hagen tötet Siegfried mit seinem Speer hinterrücks bei einem Jagdausflug. Auf einem Scheiterhaufen verbrennt sich Brünhilde mit dem toten Siegfried, wobei die Flammen bald auf Gibichungen und sogar die Götterburg Walhall übergreifen. Schliesslich tritt der Rhein aus seinem Bett und überflutet die Reste. Die Rheintöchter tauchen wieder auf, holen sich aus der Asche den Nibelungenring zurück und bringen ihn wieder - als Rheintöchter (8) - zum Grunde des Stroms.

Alle, die den Ring unrechtmässigerweise besassen, sind zu Tode gekommen. Die Herrschaft der Götter ist ebenfalls zu Ende gekommen. Zurück bleiben die Menschen, die sich ein weiteres Mal um die freie und hehre Liebe bemühen können.

Aber, die Zukunft ist offen.











Sonntag, 21. Juli 2013

Wie Jean Paul zum Doktor promovierte

Als Johann Paul Friedrich Richter - alias Jean Paul - das vierzigste Lebensjahr erreicht hatte, siedelte er mit seiner Frau Karoline und seinen Kindern Emma und Max in die oberfränkische Stadt Bayreuth über. Dort blieb er, von verschiedenen Kurzreisen abgesehen, bis zu seinem Tod im Jahr 1822. Seine Romane Unsichtbare Loge (darin: Schulmeisterlein Wutz), Siebenkäs, Palingenesien und Titan fanden ein interessiertes Publikum, der Hesperus machte ihn berühmt und wohlhabend. Des weiteren sollten in Bayreuth noch die Werke Dr. Katzenbergers Badereise, Flegeljahre, Levana, Schmelzle und der Komet entstehen.

Die häusliche Arbeit in der Umgebung der Familie war nicht Jean Pauls Sache. Der Dichter erledigte die Romanschreiberei im Gasthaus "Rollwenzel" am Stadtrand von Bayreuth, wo ihm die Wirtin gleichen Namens im Obergeschoss ein Zimmer zur Verfügung stellte und dazu jede Menge von dem braunen, fränkischen Bier, das ihr Gast so liebte. Jeden Tag verliess (der schon etwas dicklich gewordene) Schriftsteller mit Knotenstock, Ranzen und Hund sein Haus und wanderte festen Schritts hinaus in seine Einsiedelei. Frau Karoline sah dies mit leichtem Unwillen, konnte aber "ihrem Hagestolz" diese Routine nicht abgewöhnen. Als sie sich einmal bei ihren Vater in Berlin darüber beklagte, schrieb ihr dieser trocken zurück, sie solle dem Schicksal dankbar sein, so einen berühmten Ehemann ergattert zu haben. Diese Bürgermoral der damaligen Zeit trifft Goethe ziemlich genau in seinen Roman Hermann und Dorothea, wenn er dort feststellt: Dienen lerne beizeiten das Weib nach seiner Bestimmung. Und in einem Bonmot von Jean Paul selbst heisst es: Wenn eine Frau liebt, dann liebt sie in einem fort; ein Mann jedoch hat dazwischen zu tun.


Promotion bei Palaver und Punsch

In den späteren Jahren pflegte Jean Paul während der Sommerzeit jeweils Reisen in benachbarte deutsche Städte zu unternehmen. So besuchte er Bamberg, Erlangen, Nürnberg und Frankfurt, wobei er seiner Ehefrau jeweils einen Zettel hinterliess, worauf vermerkt war, was sie in gewissen Gefahrensituationen zu tun habe. Punkt zwei dieser Aufzählung lautete: "Bei Feuer sind zuerst die schwarzeingebundenen Buchexzerpte zu retten".

Im Jahr 1818 führte ihn eine Reise nach Heidelberg, wo er den Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel kennenlernte. Dieser war vorher Rektor am Nürnberger Egidien-Gymnasium gewesen, wo er Philosophie, Germanistik und Mathematik (!) unterrichtete. Inzwischen war er von der Universität Heidelberg auf deren Lehrstuhl für Philosophie berufen worden. Hegel gilt heute noch als wichtigster Vertreter des deutschen Idealismus. Seine Philosophie erhebt den Anspruch die gesamte Wirklichkeit zusammenhängend, systematisch und logisch zu deuten.

An einem lauschigen Sommerabend veranstaltete die Universität ein Treffen einiger ihrer Honoratioren, zu dem auch Hegel und der besuchsweise weilende Jean Paul geladen waren. Der gereichte Punsch lockerte die Stimmung auf und so wagte ein Pfarrer Hegel aufzufordern, seine philosophischen Vorstellungen einmal so zu artikulieren, dass sie auch für die Mädchen seiner Gemeinde verständlich seien. Hegel wand sich, brachte nichts Nennenswertes zustande und deutete schliesslich auf Jean Paul, wobei er sagte: "Der kann es."  Und in der Tat, unser Schriftsteller explorierte die Gedanken Hegels so leichtfüssig und allgemeinverständlich, dass Hegel platt war. Spontan tat er den Ausspruch: "Jean Paul muss Doktor der Philosophie werden!"

Dabei beliess es Hegel allerdings nicht. Wenige Tage später berief er eine Fakultätssitzung ein, überzeugte seine Kollegen von den akademischen Qualitäten des Jean Paul und die Promotion (ehrenhalber) wurde einstimmig beschlossen. Die Urkunde, natürlich in Latein verfasst, erkannte dem Dichter den Titel, die Privilegien und die Rechte eines Doktors der Philosophie und der freien Künste zu. Versehen mit dem Siegel der Universität wurde das Diplom umgehend in Heidelberg der Öffentlichkeit bekanntgegeben.

Jean Paul war darauf so stolz, dass er von da an nur noch nur noch mit der Nennung seines Dr.-Titels unterschrieb. Seine Frau wies er an, die pergamentene Urkunde, welche in einer roten Kapsel steckte, in der Bayreuther Bekanntschaft fleissig herumzuzeigen.

Dichter sind eben auch nur Menschen.

Mittwoch, 10. Juli 2013

KIT: Warten auf Hanselka

Hanselka ante portas

Die Verweildauer der Präsidenten beim KIT - dem Zusammenschluss zwischen der Technischen Universität und dem Forschungszentrum - ist erstaunlich kurz. Seit der offiziellen Gründung des KIT sind noch nicht einmal vier Jahre vergangen; in dieser kurzen Zeitspanne wurden jedoch bereits zwei Präsidenten "verbraucht". Im Vorjahr, nach dem allseits bedauerten Verlust des Elitestatus, verliess der Gründungspräsident Horst Hippler das schwankende Schiff. Vor einigen Monaten hat sein zeitweiliger Co-Präsident, Eberhard Umbach, seinen Abgang in den Ruhestand angekündigt. Die Diskussionen im Aufsichtsrat, insbesondere mit dem Daimler-Boss Dieter Zetsche, sollen nicht vergnügungssteuerpflichtig gewesen sein. Turnusgemäss laufen auch die Verträge der beiden Vizepräsidenten (Löhe, Fritz) für die Forschung aus, die aber gegen ihre Wiederberufung nicht intervenieren würden.


Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka

Den obersten Chef, den neuen Präsidenten, scheint man jetzt gefunden zu haben - auch wenn noch nicht alle Gremien zugestimmt haben. Es ist Professor Dr. Holger Hanselka und gerüchteweise wurde bekannt, dass er der einzige ernsthafte Kandidat war. Die regionale Monopolzeitung hatte sich "einen Nobelpreisträger mit Managererfahrung" gewünscht, damit aber wohl etwas zu hoch gegriffen. Immerhin ist Hanselka, 51 Jahre alt, derzeit Vizepräsident der Technischen Universität Darmstadt und gleichzeitig Direktor des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit. Hier dirigiert er etwa 300 Mitarbeiter; beim KIT wird er 9.000 Mitarbeiter und 24.000 Studenten vorfinden. Die Aufsichtsrätin Renate Schubert erwartet vom Kandidaten, "dass er das KIT für die nächsten Jahrzehnte national und international hervorragend positionieren wird".

Hanselka ist Maschinenbauer und im Falle seiner Berufung würden ihm Vizepräsident Wanner und die beiden vorgenannten VP aus der gleichen Fakultät zur Seite stehen. Die Kernbereiche Lehre und Forschung werden zukünftig bei KIT also von vier Maschinenbauern wahrgenommen. Das frühere Übergewicht der Physiker im Vorstand ist damit gebrochen. Mit einer Ausnahme: VP Dr. Ulrich Breuer ist Physiker, steht aber im KIT dem Ressort Wirtschaft und Finanzen vor. Und um keine Genderprobleme aufkommen zu lassen, versieht Frau Dr. Elke Luise Barnstedt den Bereich Personal und Recht.


Unsichere Finanzen

Seit dem Wegfall der Zuschussgelder aus der Exzellenzinitiative plagen das KIT heftige Geldsorgen. Sie scheinen an der früheren Uni (Campus Süd) prekärer zu sein, als am Forschungszentrum FZK (Campus Nord). Insgeheim monieren die Zentrumsleute, "dass die Uni das KIT finanziell herunterzieht". An der Uni meinen manche, "dass die FZK das Geld nachgeworfen bekommt". Problematisch für die Buchhaltung ist, dass die Geldströme für die beiden Partner immer noch nicht vermengt werden dürfen. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass die Uni eigentlich "pleite" sei und deshalb "verschlankt" werden musste. Das wird vom zuständigen Finanzchef Breuer zurückgewiesen. Er definiert als sein Finanzziel "die rote Null". Zugeben muss er allerdings, das die Uni seit Jahren ein Minus von zehn Millionen Euro mitschleppt. So passiert es leider, dass Studierende oft erst nach einem halben Jahr ihr Zeugnis bekommen, weil die Verwaltung "magersüchtig" geworden ist.

Beim Campus Nord, der über ein Jahresbasisbudget von 270 Millionen Euro verfügt und zu 90 Prozent aus Bundesmitteln finanziert wird, ist im kommenden Jahr eine umfassende Überprüfung angesagt. Alle 13 Grossforschungsprogramme, von der Astrophysik über die Klimaforschung bis zur Technikfolgenabschätzung stehen auf dem Prüfstand. Als Ergebnis dieser Evaluierungen kann sich ein Einnahmeplus von 3 Prozent ergeben - aber auch ein Minus von 5 Prozent (entsprechend 13,5 Millionen Euro) ist drin.

Von Seiten des Wissenschaftsministeriums in Stuttgart wird kritisiert, das zu wenige Forscher des FZK an der Uni Vorlesungen und Übungen halten. Dies will man zukünftig verbessern, indem man als Anreiz den "KIT-Professor" einführt. Die Verleihung dieses internen Titels soll der Kooperation zwischen Nord und Süd mehr Schwung verleihen. Vorläufig sind 30 KIT-Professuren vorgesehen, die der Uni kapazitätsneutral nicht auf den üblichen Dozenten-Studenten-Schlüssel angerechnet werden. Ein Ansturm von Kandidaten ist bei dieser Initiative nicht zu erwarten, da diesem (betriebsinternen) Professortitel ein Hauch von "Schmalspurigkeit" anhängt.


Die Kernforschung wird ausgehungert

Im Zeichen des Atomausstiegs geht es der Kernforschung im FZK schlecht. Immer weniger wird in diesem Bereich investiert und während der letzten eineinhalb Jahren mussten auf Betreiben der grün-roten Landesregierung sogar 22 Planstellen gestrichen werden. Diese Mitarbeiter sind nun bei anderen Forschungsgebieten eingesetzt und kommen wohl nicht mehr zurück. Derzeit sind am KIT noch 120 Wissenschaftler in der Kernforschung tätig, davon 90 im Bereich der Entsorgung und 30 bei der Reaktorsicherheit. Das wissenschaftlich hochinteressante Thema Transmutation wird - wegen seiner Nähe zu den Generation IV-Reaktoren -  von den Kernenergiegegnern kritisch beäugt und ist der Öffentlichkeit kaum noch zu vermitteln.

Auch die deutschen Energieversorger haben ihr Interesse an der Kernforschung verloren, was wegen der Ausstiegsvorgaben der Politik nicht verwundern sollte. Damit entfallen aber gleichzeitig erhebliche Drittmittel. Auch vor der Bewertung ausländischer Kernkraftwerke (wie Fessenheim) schreckt man aus diplomatischen Gründen zurück. Lediglich auf den Gebieten des Rückbaus nuklearer Anlagen sowie der Entsorgung werden in Zukunft in Deutschland noch (Strahlenschutz-) Wissenschaftler und Techniker benötigt. Ihre Zahl ist jedoch überschaubar und so verwundert es nicht, dass die Anzahl der Studierenden an den deutschen Hochschulen mit Schwerpunkt Kerntechnik von Jahr zu Jahr absinkt.


Lage, Lage, Lage...

...heisst es im Immobiliensektor. An diese alte Spruchweisheit hat man sich wohl nicht erinnert, als der Bau der Kantine Nord vor Jahren beschlossen wurde. Dieser Neubau liegt wie ein Riegel vor dem (immer noch) attraktiven Verwaltungshochhaus und nimmt diesem viel von seiner architektonischen Wirkung. Darüber hinaus musste das kleine anliegende Wäldchen arg dezimiert werden, und lädt so kaum mehr zum Schlendern ein. Wenn die Kantine einmal in Betrieb ist, werden ihre Essensdüfte die Bewohner des Zentralgebäudes schon Stunden vorher über die jeweilige Speisenkarte des Küchenchefs informieren.  Als grosses Problem wird auch die Parkplatzsituation gesehen; zum Glück ist hier das Präsidium mit gleich zehn Stellplätzen komfortabel ausgestattet.

Ein Problem sieht der Personalrat herankommen, wenn demnächst die neuen Zutrittsvorschriften zum FZK für Externe und Rentner in Kraft gesetzt werden. Um diesen das Essen im Zentrumsbereich zu ermöglichen, werden derzeit verschiedene Varianten diskutiert. Eine Variante verlegt den Aussenzaun um die neue Kantine herum, sodass sich diese ausserhalb des Geländes befindet. In einer anderen Variante erhält die alte Kantine einen Gästeraum, zu dem das Essen aus der neuen Kantine angefahren wird. Das bedeutet zwar zusätzliche Arbeitskräfte, aber der Nachteil der neuen Kantine- sie hat weniger(!) Essensplätze als die alte - könnte damit ausgeglichen werden.


Ahnenforschung

Jahrzehntelang war die Gemeinde Eggenstein-Leopoldshafen sehr stolz auf ihr Wappen. Es zeigt ein Hufeisen und das Atomsymbol auf einem Schild und repräsentiert damit die alte und die neue Zeit. Nun haben 800 Bürger in einer Unterschriftsliste verlangt, das Atomsymbol - im Zeichen der Energiewende - wieder durch das alte Wappensymbol "Ruderer mit Ruderboot" zu ersetzen. In einer Gemeinderatssitzung wurde darüber temperamentvoll diskutiert. Man kam zu keinem Beschluss, aber das Thema ist damit noch nicht ad acta gelegt.


Das derzeitige Wappen der Gemeinde Eggenstein-Leopoldshafen

Auch das KIT lässt seine Geschichte aufarbeiten. Vorläufig aber nur die des ehemaligen Kernforschungszentrums. Der Archivleiter des Forschungszentrums Jülich, Bernd Rusinek, erhielt den Auftrag, die eventuellen NS-Verstrickungen von Personen im FZK aufzuarbeiten. Im Mittelpunkt steht der ehemalige Geschäftsführer Rudolf Greifeld, der während des 2. Weltkriegs in der Kommandatur des besetzten Paris tätig war. Für seine Verdienste um die Zusammenarbeit mit der ehemaligen Technischen Hochschule Karlsruhe erhielt er die Ehrensenatorwürde. Greifeld ist 1984 verstorben.

Die genannte Recherche soll bis Oktober 2014 vorliegen. Es steht zu hoffen, dass anschliessend auch einige Koryphäen des Uni-Bereichs unter die Lupe genommen werden. Zum Beispiel der Ehrensenator Carl Wurster mit seinen Verbindungen zu der Zyklon B-Firma Degesch/ Auschwitz sowie Professor Fritz Haber, der sich im 1. Weltkrieg gerne als "Vater des Giftgases" bezeichnen liess.

Sonntag, 7. Juli 2013

Schlechte Nachrichten aus Fukushima

Das Unglück von Fukushima geschah vor gut zwei Jahren. Ein Erdbeben der Stärke 9 sowie die anschliessende Flutwelle kostete 20.000 Menschen das Leben. Im Gefolge - und wegen zu niedriger Dämme - verunfallten vier japanische Kernkraftwerke, wobei es wegen Kernschmelzen und Wasserstoffexplosionen zum Austritt radioaktiver Gase und Substanzen kam. Die Betreiberfirma TEPCO müht sich seitdem, die Schäden zu beheben. Langfristig ist an den Rückbau aller zerstörter Kernkraftwerke gedacht. Die Fortschritte, welche bislang bei den Aufräumarbeiten erzielt wurden, sind allerdings bescheiden.


Zu viel Wasser

Das Problem Nr. 1 sind derzeit die radioaktiven Wässer. Die Reaktoren 1 bis 3 müssen immer noch gekühlt werden. Dies geschieht mit Meerwasser, von dem jeden Tag ca. 400 Kubikmeter (cbm) auf die heissen Komponenten, insbesondere die Reaktortanks und die teilweise geschmolzenen Reaktorkerne gespritzt werden. Dieses Wasser muss natürlich wieder aufgefangen werden, da es nunmehr mit den radioaktiven Nukliden Cäsium und Strontium kontaminiert ist.

Weitere 400 cbm fliessen täglich als Grundwasser in die Reaktoranlagen und werden dort ebenfalls radioaktiv verschmutzt. Tepco möchte dieses Grundwasser mit Wällen aufhalten und ins Meer leiten. Dies verhindern jedoch die örtlichen Fischer, weil sie um die Reinheit ihrer Fischbestände fürchten. Mittlerweile ist das kontaminierte Grundwasser sogar bis zum einige Kilometer entfernten zweiten Reaktorkomplex Dai-ni vorgedrungen, dessen Reaktoren ansonsten keine Schäden aufweisen.

Die Kühlwässer und das aufgefangene Grundwasser lagern zur Zeit in mächtigen zylindrischen Tanks ausserhalb der Kernkraftwerke. Bislang hat man 300.000 cbm radioaktiv belastetes Wasser gesammelt. In den kommenden Jahren soll die Lagerkapazität auf 700.000 cbm erweitert werden. Um dafür die Fläche zu schaffen, musste ein Wald abgeholzt werden. Das Dekontaminieren der Wässer scheint ein Problem zu sein. Die Reinigungsfaktoren der bestehenden Verdampferanlagen sind offensichtlich nicht ausreichend. Eine japanische Expertendelegation ist derzeit weltweit unterwegs um entsprechenden know how zu sammeln.


Zu viel Radioaktivität

Die Aufräumarbeiten an den beschädigten Reaktoren kommen nicht so recht voran, weil die Radioaktivität in den Anlageräumen zum Teil noch recht hoch ist. Dies gilt insbesondere für den Reaktor 3, wo man noch eine Dosisleistung von 1,2 Millisievert pro Stunde misst. Die Dosisgrenzwerte sind international auf 1 Millisievert pro Jahr für die Normalbevölkerung und 20 Millisievert pro Jahr für beruflich strahlenexponierte Personen festgelegt. Legt man die oben genannte und gemessene stündliche Dosisleistung von 1,2 Millisievert zugrunde, so bedeutet dies, dass ein Normalmensch beim Zutritt zu diesen zerstörten Reaktor seine Jahresdosis in ca. 50 Minuten erhält, ein am Kernkraftwerk Beschäftigter immerhin bereits in 16 Stunden. Logischerweise sind an solchen hochverstrahlten Orten fernbedienbare Roboter unabdingbar. Diese müssen jedoch erst mühsam und zweckgerecht entwickelt werden. Mittlerweile geht man davon aus, dass zumindest in Reaktor 3 das Core stark geschmolzen ist. Teile der Brennelemente werden auf dem Boden des Reaktortanks, wahrscheinlich sogar auf dem Boden des Containments liegen. Die gängigen Lademaschinen sind für das Bergen dieser Brennelemente ungeeignet. Auch hierfür müssen Roboter entwickelt werden.

Vermutete Lokationen für das geschmolzene Reaktor-Core (nach Tepco)

Grosser Aufwand wird auch beim Reaktor 4 getrieben, der ein obenliegendes Lager für 1.500 abgebrannte Brennelemente beherbergt. Hier besteht das Risiko, dass bei einem abermaligen Beben das wassergekühlte Lager undicht wird oder sogar auseinanderbricht. Mit riesigen, aus der Ferne dirigierten Stahlkonstruktionen versucht man derzeit das morbide Lager zu stützen um anschliessend die stark radioaktiven Brennelemente entladen zu können.


Zu wenig Personal

Für die Aufräumarbeiten an den vier Kernkraftwerken hat die Firma Tepco ca. 2.500 Leih- bzw. Vertragsarbeiter angeheuert. Sie werden von 500 Tepco-eigenem Personal in ihre Arbeiten vor Ort eingewiesen. Die Umkleidung in Strahlenschutzanzüge beginnt im ehemaligen Trainingszentrum der japanischen Nationalmannschaft, etwa 20 km südlich des Reaktorareals. Neben der üblichen Kleidung ist das permanente Anlegen von Atemschutzmasken Pflicht. Wegen der grossen sommerlichen Hitze in Japan, tragen die Arbeiter unter ihren Schutzanzügen  Westen mit Kühltaschen. Da sie sich an manchen Stellen nur wenige Minuten betätigen dürfen, um ihre Dosisgrenzwerte nicht zu überschreiten, ist die tägliche Arbeitsleistung dieser Kolonnen relativ gering. 

Immer mehr wird es zu einem Problem, überhaupt Arbeiter für diese - relativ gut bezahlten - Tätigkeiten zu finden. Das gilt vor allem für die Dekontamination der Wohnhäuser ausserhalb des eigentlichen Reaktorgeländes. Hier sind gerade mal zehn Prozent der Stellen besetzt, weswegen die Hauseigentümer selbst versuchen, ihre Gebäude abzuspritzen. Es scheint schwierig zu sein, mit den Stundendosiswerten unter 1 Mikrosievert zu gelangen. Dies ist jedoch erforderlich, um ganzjährig (8760 Stunden) in einem solchen Haus wohnen zu dürfen. Die meisten Bewohner der Region halten sich deshalb nur tagsüber in ihren Häusern auf und verlassen am Abend die Sperrzone.


Zu hohe Kosten

Die Kosten für die Aufräumarbeiten an den vier havarierten Kernkraftwerken sind gigantisch. Allein für die geordnete Stilllegung der Reaktoren werden zwischen (umgerechnet) 8 bis 40 Milliarden Euro veranschlagt - je nachdem wen man fragt. Das belastet in erster Linie die Bilanz des Stromerzeugers Tepco. Hinzu kommen noch 50 bis 100 Milliarden Euro an Schadensersatzforderungen der Umlandgemeinden und der Fischer. Es ist evident, dass diese Summen das Energieunternehmen nicht allein wird schultern können, sondern, dass auch der japanische Steuerzahler belastet werden wird.

Inzwischen hat in Japan der heisse Sommer eingesetzt und alle Klimaanlagen schnurren auf Hochtouren. Tepco benötigt dringend seine 12 intakten Kernkraftwerke, die seit zwei Jahren auf behördliche Anordnung still liegen. Der Antrag zur Wiederaufnahme des Betriebs ist gestellt; man wird sehen, wie der neue Premierminister Shinzo Abe darüber demnächst entscheiden wird.

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