Sonntag, 25. Oktober 2009

Als leaf-peeper in Bretton Woods

Wer im Oktober in den Neuenglandstaaten der USA unterwegs ist, erlebt unendlich ausgedehnte Laubwälder, die geradezu in Flammen stehen. Der "Indian Summer" versetzt die Wälder in einen grandiosen Farbenrausch, an der die herbstliche Laubfärbung unseres europäischen Altweibersommers nicht im entferntesten heran reicht. Besonderen Eindruck machen die tiefrot glänzenden Zuckerahornbäume. Die "fall foliage" insbes. in Vermont und New Hampshire lockt Besucher aus ganz Amerika, besonders aber aus den an Laubbäumen armen Kalifornien, die schon von weitem als "leaf-peeper" (Blättergucker) zu erkennen sind.

Die exakten Termine der kräftigsten Herbstlaubfärbung lassen sich langfristig nicht prognoszieren. Die Grenzlinie bewegt sich kontinuierlich von Kanada nach Süden und kann den Zeitungen entnommen werden. Sogar eine hotline für die fall foliage gibt es. Es ist empfehlenswert (mit einem Leihwagen) der intensivsten Laubfärbung einfach nachzufahren. Meine Frau Brigitte und ich machten genau das und so gelangten wir, fast unversehens, zu den landschaftlich wunderschön gelegenen "White Mountains" in New Hampshire und von dort zu der kleinen Siedlung Bretton Woods.

Im Grunde besteht dieser Ort nur aus einem gewaltigen weiss und rot angestrichenen Hotel - dem Mount Washington Hotel - das sich wahrhaft königlich vor der Bergkulisse der White Mountains präsentiert. Zimmerpreise ab 600 Dollar pro Nacht sorgen für ein "ausgewähltes" Publikum, aber ein Lunch mit anschliessender englischer Teestunde auf der Veranda ist finanziell noch zu packen.

Denn das Mount Washington Hotel ist berühmt und atmet Geschichte. Dort fand 1944, auf Veranlassung des US-Präsidenten Roosevelt, eine Konferenz von Finanzexperten statt. Dabei wurde, angesichts des sich abzeichnenden Ende des 2. Weltkriegs, das internationale Währungssystem für die Nachkriegszeit aus der Taufe gehoben. Bei dem bekannten Abkommen von Bretton Woods wurden zum Beispiel die noch heute existierenden Institutionen Weltbank und Internationaler Währungsfond (IWF) geschaffen und ausserdem wurde der künftige Wert des Dollar als Leitwährung festgelegt. Der Wert des Dollars änderte sich aber im Laufe seiner mehr als zweihunderjährigen Geschichte oftmals, wie man aus der einschlägigen Literatur im book shop des Hotels nachlesen kann.

Geht man in der Historie bis zur Gründung der Vereinigten Staaten im Jahr 1787 zurück, so erfährt man, dass damals der Silberdollar als Währungseinheit eingeführt wurde. Er war das offizielle Geld und besass einen Silbergehalt von 24 Gramm. Sobald eine Münze durch Abrieb ein Prozent ihres Gewichts verloren hatte, wurde sie aus dem Verkehr gezogen und eingeschmolzen. Wer an den Silberdollars herumfeilte oder gar falsche in Umlauf brachte , wurde gehängt. Ähnliche Gold- und Silberwährungen gab es im Deutschen Reich ("Goldmark") und im Britischen Empire ("Pfund Sterling"). Das 18. Jahrhundert war eine Zeit der stabilen Verhältnisse, des Wohlstands und des wirtschaftlichen Aufschwungs.

Da es ziemlich unhandlich war, Säcke mit Gold- und Silbermünzen umher zu schleppen, wurde parallel dazu das Papiergeld eingeführt. Aber: jeder Banknotenbesitzer konnte jederzeit diese Zahlungsmittel bei seiner Bank in Edelmetall rücktauschen. Nun machte das aber nicht jeder und die schlauen Notenbanker merkten dies natürlich. Sie druckten (sicherlich im Einverständnis mit den Politikern) mehr Papiergeld als an Edelmetall hinterlegt war. Besonders krass wurde dieses Missverhältnis im 1. Weltkrieg, der bei strenger Einhaltung der Gold- und Silberwährung gar nicht hätte geführt werden können. Die Folgen sind bekannt. Während der deutschen Hyperinflation 1923 wurde das Geld im Schubkarren zum Lieferanten gefahren. (Wobei man vorallem auf die Schubkarre zu achten hatte, denn sie war am folgenden Tag schon mehr wert als das transportierte Papiergeld.)

Der 1. Weltkrieg ruinierte die Währungen aller kriegführenden Länder. Auch die USA wurden klamm, insbes. nach der Wirtschaftskrise 1928. Im Jahr 1933 wusste sich der damalige Präsident Roosevelt nicht mehr anders zu helfen, als den privaten Goldbesitz unter Strafe zu stellen. Münzen, Barren, ja sogar Goldschmuck mussten abgeliefert werden; die privaten Haushalte und die Banktresore wurden auf Anordnung der Regierung durchsucht und alles Gold konfisziert!

Nach dem 2. Weltkrieg waren die kriegführenden Staaten wiederum pleite - diesmal allerdings mit Ausnahme der USA. Die Amerikaner hatten ja zuvor schon riesige Geldmengen eingezogen und waren so schlau, sich die Waffenlieferungen während des Kriegs in Gold bezahlen zu lassen. Im Abkommen von Bretton Woods konnten die USA deshalb durchdrücken, dass künftig eine Unze Gold (ca. 28 Gramm) exakt 35 US-Dollar wert waren. Der Dollar war also goldgedeckt. Alle anderen Länder mussten sich anpassen. Das englische Pfund verlor damals einen Grossteil seines ursprünglichen Werts; unsere Reichsmark erlitt bei der Währungsreform 1948 einen Totalverlust.

Aber die Kriege hörten nicht auf. Der anschliessende Koreakrieg und ganz besonders der langandauernde Krieg gegen Vietnam kosteten viel Geld. Zwangsläufig schmissen die Amerikaner wieder die Druckerpresse an, was natürlich nicht verborgen blieb. Im Jahr 1969 legte (der Intimfeind) Frankreich all seine Papierdollars bei der US-Notenbank zum Eintausch gegen Gold vor - aber die Amerikaner konnten nicht liefern. In der Folge kündigte Präsident Nixon, in echter Grossmachtmanier, die Golddeckung des Dollar einfach auf. Auf der Dollarnote steht seitdem der Spruch "In God we trust". Sarkasmus pur!

Und die Kriege gingen weiter. Der 2-Wochen-Krieg gegen Kuweit war noch verhältnismässig billig, jener gegen den Irak umso teuerer. Der noch anhaltende Krieg in Afganistan ist in seiner Dauer noch gar nicht abschätzbar und am Horizont dräuen schon weitere Auseinandersetzungen (Iran, Nordkorea). Hinzu kommen die ständigen Hilfslieferungen für Isreal. Der Dollar, einst unbestrittene Leitwährung, hat an Wert erheblich verloren. Andere Währungen, wie der Euro, der japanische Yen und der chinesische Yuan sind als Konkurrenten hinzu gekommen. Bei solcher Bedrängnis stellt sich die Frage: warum nimmt überhaupt noch jemand den Dollar an?

Die genaue Antwort dafür weiss niemand, aber es scheint so zu sein, dass dahinter der grösste Coup der Finanzgeschichte steckt. Den Amerikanern ist es wohl gelungen, eine stetige Nachfrage für ihre marode Dollarwährung zu erzeugen. Und das scheint - ohne, dass es offiziell zugegeben wird - so zu funktionieren: die USA haben offensichtlich mit den Saudis, den grössten Öllieferanten der Welt, ein Abkommen dergestalt getroffen, dass diese ihr Öl nur gegen US-Dollars verkaufen, während die USA (als Gegenleistung) das saudische Königshaus gegen alle inneren und äusseren Feinde schützt. Wer Öl braucht muss in Dollars bezahlen, was die amerikanische Währung an der Börse stützt.

Inzwischen wird an diesem Deal gerüttelt. Als erster versuchte es Saddam Hussein, der im Jahr 2000 erklärte, sein Öl nur noch gegen Euro zu verkaufen. Die Folgen sind bekannt. Vielleicht waren die "Massenvernichtungswaffen" nur vorgeschoben. Als Nordkorea 2002 seine Dollarbestände in Euros umtauschte, landete es postwendend auf der "Achse des Bösen". Und Hugo Chavez, jener aufmüpfige Präsident von Venezuela sollte sich auch vorsehen, bevor er seine Drohung, Öl nur noch gegen Euro und Yen zu verkaufen, wahr macht.

Der Poker um den Dollar ist noch nicht zu Ende. Vielleicht bekommen wir bald eine (künstliche) Leitwährung, bestehend aus den wichtigsten Währungen dieser Erde. Eine Art "Währungskorb", also. Zur Zeit sitzen die Chinesen auf einen Gebirge aus amerikanischen Schatzbriefen, womit die USA ihre Importe aus China bezahlen. Wenn die Chinesen diese auf den Markt werfen würden, wären die Amerikaner mit Sicherheit zahlungsunfähig.

Die schlauen Chinesen machen das aber nicht. Sie nutzen diese relativ wertlosen Papiere und kaufen damit in aller Welt - auch in Deutschland - Hochtechnologiefirmen zusammen und stärken damit ihre Wettbewerbsfähigkeit. Und was macht der arme Michel, um sein bisschen Bargeld auf dem Postsparbuch vor der sich am Horizont abzeichnenden Inflation zu schützen?

Er kauft Gold, die Unze für 1.050 Euro.

Samstag, 17. Oktober 2009

KIT beschlossen, FZK in der Landesliga

Für den Forschungsminister in Baden-Württemberg, Professor Peter Frankenberg, war 2009 ein besonders ergiebiges Jahr. Nicht weniger als neun Hochschulen durfte er gründen. Im März etablierte er, auf einen Schlag, acht "Duale Hochschulen Baden-Württemberg", die sich auch stolz "Baden -Wuerttemberg Cooperative State Universities" nennen dürfen. Alle verfügen über Rektorat und Fakultäten. An ihnen lehren Professoren, deren Vergütung allerdings meist unter der von Gymnasiallehrern liegt. Denn es handelt sich um die altbekannten Berufsakademien, die man in der Titelatur hochgehoben hat.

Am 1. Oktober ds. J. kam eine neunte Hochschule hinzu, die sich KIT nennnt, das "Karlsruhe Institut für Technologie" und deren Name leicht ins Englische zu übertragen ist: "Karlsruhe Institute of Technology". Bei KIT ist das Preisschild grösser, denn an ihm wird geforscht und die Professoren beziehen höhere Gehälter. Insgesamt 700 Millionen Euro müssen Jahr für Jahr bereit gestellt werden, um den Betrieb aufrecht zu erhalten.

Angesichts einer solchen Riesenfirma hätte der Steuerzahler nach dem Gründungsakt eigentlich mehr Informationen im Internet erwarten dürfen. Auf alle Fälle wird ein Organigramm vermisst, aus dem die verschiedenen Einheiten und ihre wesentlichen Aufgaben ersichtlich werden. Leider Fehlanzeige. So ist man auf mündliche Informationen angewiesen, eben die altbekannte "Buschtrommel".

Mit wem man auch spricht, es wird klar: die beiden Fusionspartner sind noch lange nicht zusammen gewachsen. Immer mehr zeigt sich, dass beide Dickschiffe bezüglich Struktur - und besonders bezüglich Kultur - noch Welten trennen. Die Grossprojekte der FZK korrespondieren nicht mit den vielen kleinen Institutsprojekten und Doktorarbeiten an der Uni. Beim FZK - einer Nachkriegsgründung - ist Ton und Umgang vergleichsweise locker; bei der Uni glaubt man gelegentlich noch Humboldt oder gar Wilhelm II hervorlugen zu sehen.

Von Gleichberechtigung ist bei der Zusammenführung ähnlicher Organisationseinheiten bislang wenig zu merken. Bei der Infrastruktur und den Bibliotheken hatte die Uni klar das Sagen; beim Rechenzentrum der FZK kann man sogar von einer "feindlichen Übernahme" durch die Uni reden. Etwas kompensiert wird dies durch die präsidiale Vorhand des FZK im administrativen Bereich, sprich Personal, Einkauf und Finanzen. Wenn im Unibereich die kaufmännische Buchführung oder gar die Budgetierung eingeführt werden sollte, dann sage ich Heulen und Zähneklappern voraus. Aber Hunderte von Millionen Jahresausgaben sollte man heute, im Computerzeitalter, nicht mehr nach der uralten Kameralistikmethode durch die Institutssekretärin verbuchen lassen. Dass man bei der Uni ein andersartiges SAP-System zugelassen hat, wird sich bald als grosser Fehler herausstellen.

Der KIT-Senat ist zwischenzeitlich aus der Taufe gehoben. Paritätisch mit 2 mal 25 Personen besetzt, ist es ein grosses Gremium geworden. ( Hinzu kommen noch die Präsidenten und die Gleichstellungsbeauftragten!) Leider hat der Senat kaum etwas zu sagen. Das war beim Wissenschaftlich-Technischen Rat (WTR) am FZK anders. Er war kleiner, mit mehr wissenschaftlichen Mitgliedern besetzt und hatte als gesellschaftsrechtliches Organ beim F&E-Programm sowie der Verteilung der Finanzmittel ein gehöriges Wort mitzureden. Vor wenigen Wochen wurde er leider aufgelöst.

Die sichtbarste Verbindung zwischen Uni und FZK ist der KIT-Shuttle. Er fährt mehrfach täglich vom urbanen Campus Süd zu dem im Hardtwald gelegenen Campus Nord, der von einigen frotzelnd auch "Campus Gulag" genannt wird.

Zu einem heftigen Streit zwischen Präsidium und Institusleitern ist es vor kurzem bei der geplanten Einführung der sog. Bereichsvorstände gekommen. Er ist noch keineswegs ausgestanden und könnte sich zu einer Bruchstelle in der grossen KIT-Organisation entwickeln. Beim Präsidium möchte man zwischen sich und die Institutsleiter eine zusätzliche Leitungsebene von etwa 10 bis 12 Bereichvorstände legen, um eine gewisse Arbeitsentlastung zu erfahren. (Ein Präside wird sogar mit dem Weggang zur "Areva-School" in Verbindung gebracht.) Die Institutsleiter betrachten dies als "Degradierung" und haben dagegen, zusammen mit den Dekanen, Front bezogen. Wie, und ob überhaupt,ein gangbarer Kompromiss gefunden werden kann, ist derzeit noch unklar. Der Vorschlag der Institutsleiter, die Bereichsvorstände (z. B. bei den Berufungsverhandlungen) mit gleicher Kompetenz wie das Präsidium auszustatten, wurde abgelehnt. Es würde die Präsidenten zu "Frühstücksdirektoren" machen.

Von den anfangs viel beschworenen Synergieeffekten bei der Fusion beider Einrichtungen ist bisher noch wenig zu spüren. Im Gegenteil, überall türmen sich die Aufgaben und die Mitarbeiter - auf allen Ebenen - werden mit bürokratischer Arbeit geradezu zugeschüttet. Wann der Fusionsgewinn sich einstellen wird, ist derzeit überhaupt noch nicht zu erkennen. Ob ein Mathematiker oder ein Wirtschaftswissenschaftler aus KIT je Vorteile ziehen wird, darf bezweifelt werden.

Aber die Uhr tickt. Nächstes Jahr steht die routinemässige Evaluierung von KIT durch die Experten des Wissenschaftsrats an. Dabei werden die 6 Kompetenzbereiche mit ihren 30 Kompetenzfeldern detailliert auf input und output zu untersuchen sein. Vor diesem Hintergrund ist es (zumindest psychologisch) nicht hilfreich, dass die Universität Karlsruhe bei einem kürzlichen weltweiten Hochschulranking besonders schlecht abgeschnitten hat. Gerade mal der 184. Platz wurde erreicht; davor lagen fast alle deutsche Hochschulen von einiger Prominenz. Hoffen wir, dass KIT der Exzellenzstatus erhalten bleibt, ansonsten wäre der Image-Schaden gewaltig.

Im Länd´le gäbbet es nur noch ein KIT´le.

Sonntag, 11. Oktober 2009

Der arme Pluto

Jeder weiss, dass Planeten um unsere Sonne kreisen. Weniger kennen die Namen dieser neun Planeten. Und ganz wenige wissen, in welcher Reihenfolge - von der Sonne her gesehen - sie im Weltall aufgereiht sind.


Nun, die Planeten unseres Sonnensystems heissen: Merkur (sonnennächst), Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto (sonnenfernst). Aber wer kann sich diese Abfolge merken? Dafür haben die Hobbydichter unter den Astronomen gesorgt, mit folgenden Abzählreim:

"Mein Vater Erklärt Mir Jeden Samstag Unsere Neun Planeten.


Problem gelöst? Nicht ganz, denn vor drei Jahren hat die Internationale Astronomische Union (IPU) bei ihrem Kongrerss in Prag dem Pluto seinen Rang als "Planet" aberkannt. Seitdem gibt es in unserem Sonnensystem nur noch acht klassische Planeten, dazu Zwergplaneten und Kleinkörper. Pluto zählt ab sofort zu den "Zwergplaneten" und führt die Nummer 134340. Asteroiden, Kometen und andere Objekte (die keine Monde sind) oder die Sonne umkreisen, sind "Kleinkörper".


Die Entscheidung der IPU hat eine längere Geschichte. Schon als der Amateurastronom Clyde Tombaugh im Jahr 1930 Pluto als letztes "Gestirn" in unserem Sonnensystem entdeckte, regten sich Zweifel, ob er wirklich den Status eines Planeten verdient. Er ist viel kleiner als die vier (klassischen) Jupitermonde, ja sogar als der Erdmond und ausserdem noch masseärmer. Seine Bahn um die Sonne ist exzentrisch und hat grosse Ähnlichkeit mit einer Kometenumlaufbahn. Aber egal, die Astronomen akzeptierten ihn schliesslich als 9. Mitglied der Planetenfamilie. Sie gaben ihm den Namen Pluto, in Anlehnung an den Gott der Unterwelt in der griechischen Mythologie, womit sie gleichzeitig auch auf die extreme Sonnenferne dieses Himmelskörpers hinweisen wollten.


Nachdem der Pluto jahrelang im Sonnensystem als Aussenseiter gegolten hatte, fand er schliesslich zu seiner eigentlichen Rolle als Mitglied des sog. Kuiper-Gürtels. Dies ist ein scheibenförmiger Bereich jenseits der Neptunbahn, in dem sich viele, wahrscheinlich hunderttausende von Gesteinsbrocken aufhalten und gemeinsam in hundert bis tausend Jahren um die Sonne kreisen. Wahrscheinlich ist der Kuiper-Gürtel auch die Heimat kurzperiodischer Kometen, wie des Halleyschen Komet. Allesamt sind sie Überreste aus einer Zeit vor 5 Milliarden Jahren, als sich die Sonne und die Planeten bildeten.


Aber die Entdeckung des Kuiper-Gürtels relativierte auch die Rolle des Pluto. Durch immer leistungsstärkere Teleskope entdeckte man immer mehr transneptunische Objekte, von denen einige sogar die Grösse des Pluto hatten bzw. ihn überboten. In der jüngeren Vergangenheit gab es bereits mehrere Forschergruppen, welche die Entdeckung eines "zehnten Planeten" für sich reklamierten. Es war abzusehen, dass es bald Dutzende von Planeten in unserem Sonnensystem geben würde.


Dies war für die internationale Vereinigung der Astronomen der Anlass, eine neue Definition für Planeten zu verabschieden. Sie bestimmte, dass ein Planet vorallem drei Eigenschaften erfüllen müsse: erstens soll er auf einer kreisnahen Bahn die Sonne umlaufen und zweitens soll er ausreichend Masse besitzen, damit ihn die eigene Schwerkraft zu einer annähernd kugelförmigen Gestalt zusammen zieht. Drittens - und das ist für Pluto von Bedeutung - soll der Planet seine Nachbarschaft von kosmischen Material frei geräumt haben, d.h. seine Masse muss die Gesamtmasse aller anderen Himmelskörper in seinem Bahnbereich übertreffen. Letzteres ist bei Pluto nicht der Fall, denn er bewegt sich im Kuiper-Gürtel gemeinsam mit einer Anzahl ähnlich grosser Objekte.


Die Degradierung des Pluto ging nicht ohne Schmerzen ab. Viele Astronomen bemühten sich (zumeist aus emotionalen Gründen) ihn in der Planetenfamilie zu belassen. Einige schlugen sogar vor, eine eigene Klasse der "Plutone" zu etablieren. Aber das Präsidium der IPU blieb hart und so kam es wie es kommen musste. Tröstlich ist, dass unsere Astrodichter - kaum ,dass die Entscheidung für zukünftig 8 Planeten (ohne Pluto) gefallen war - schon wieder einen neuen Reim für deren Reihenfolge gefunden hatten:


Mein Vater Erklärt Mir Jeden Samstag Unseren Nachthimmel.

Sonntag, 4. Oktober 2009

Die Büchse der Pandora ist geöffnet.

Physiker sind eigenartige Gesellen; sie sind immer bestrebt, ihr an sich riesiges Fachgebiet so klein wie möglich zu machen. Während sich die Maschinenbauer an ihren dickleibigen Formelwerken (wie dem "Dubbel") erfreuen und die Chemiker stolz auf den 20-bändigen "Gmelin" verweisen, scheinen die Physiker vom Reduktionswahn besssen zu sein. Dabei sind sie in ihrem faustischen Bestreben "zu erkennen was die Welt, im Innersten zusammen hält" bereits weit voran gekommen.

Seit Albert Einstein die Allgemeine Relativitätstheorie entdeckt hat, kann man damit unser Universum und die Schwerkraft recht gut beschreiben. Und den Mikrokosmos, die Welt der Atome und der restlichen drei Kernkräfte, hat Max Planck mit seiner Quantentheorie enthüllt und seine Nachfolger bauten sie zur sog. Standardtheorie aus. Aber zwei Theorien sind den Physikern eben eine zuviel, weil sich damit die Schwerkraft (auch Gravitation genannt) sowie die schwache, starke und elektromagnetische Kraft nicht unter einem einzigen Dach vereinigen lassen und weil es noch ein halbes Dutzend Phänomene gibt, die man mit der Standardtheorie nicht gut erklären kann.

In diese Bresche springt die "Stringtheorie", an der weltweit seit etwa vierzig Jahren herumgeknobelt wird. In ihr sind die elementaren Bausteine des Universums nicht punktförmige Elementarteilchen, wie Protonen oder Elektronen, sondern schwingende Saiten
(engl. "strings") von winziger Länge. Je nach der Art ihrer Schwingung repräsentieren sie unterschiedliche Elementarteilchen. Die Stringtheorie besitzt ein überragendes Potential. Mit ihr glauben die Physiker eines Tages alle Phänomene unseres Universums vorhersagen und erklären zu können und in wenigen, vielleicht sogar in einer einzigen Gleichung, mathematisch beschreiben zu können. Die "Weltformel", der Traum aller Physiker wäre entdeckt.

Aber die von den Physiker herbei gesehnte Fundamentaltheorie auf der Basis von Strings zeigt Konsequenzen, die überraschend, unverständlich, ja furchterregend sind. So fordert die Stringtheorie aus mathematischen Konsistenzgründen, dass die Welt aus neun Raumdimensionen und einer Zeitdimension bestehen muss. Für uns Menschen erkennbar sind aber nur Länge, Breite und Höhe sowie die Zeit, welche die Physiker üblicherweise zu denvier Raumzeitdimensionen zusammenfassen. Aber das ist noch nicht alles. Gemäss der Stringtheorie gibt es nicht nur ein einziges Universum - das Unsrige - sondern deren viele, ja unermesslich viele. Der Abschätzung nach sind es 10 hoch 100, vielleicht sogar 10 hoch 1000 Welten, von denen wir umgeben sind. Das ist weit mehr als die Zahl der Atome in unserem Universum! Jede dieser Parallelwelten soll andere Eigenschaften besitzen als unsere eigene. Jede ist mit anderen Elementarteilchen angefüllt und wird von anderen Kräften dirigiert. Und die Stringtheoretiker vermuten, dass nur in wenigen dieser Universen "Menschen" existieren, die wie wir Fragen nach der Struktur "ihrer Welt" stellen.

Fürwahr, mit dieser Theorie haben die Physiker die "Büchse der Pandora" geöffnet. Der Weltgeist ist entfleucht und hundert neue Fragen und Probleme werden sichtbar.

Aber noch stehen die Verfechter der neuen Theorie unter heftiger Kritik. Man wirft ihnen vor, weniger rationale Physik als dubiose "Metaphysik" zu betreiben und Behauptungen aufzustellen, die sie nicht begründen, beziehungsweise durch Experimente erhärten können. Eine Theorie ist nach bisherigen Vorstellungen aber nur dann etwas wert - darauf hat schon der Philosoph Karl Popper (1902- 1994) hingewiesen - wenn ihre Konsequenzen auch falsifizierbar sind. Deshalb bemühen sich die Stringforscher derzeit, die wichtigsten Folgerungen ihres Theoriengebäudes zu erläutern und zu "beweisen".

So stellt man sich die genannten sechs räumlichen Extradimensionen als ein sehr, sehr kleines räumliches Gebilde vor. Sie sind nach einem Fachwort der Physiker "kompaktifiziert", unbeobachtbar klein, besitzen aber trotzdem enorme Bedeutung. Übertragen auf unsere Welt ist ein Blatt Papier zwar dreidimensional, erscheint aber (auf erstem Blick) nur als zweidimensionale Ebene. Und ein dünner Spaghetti scheint sogar ein lineares Objekt zu sein, obwohl er ebenfalls drei Dimensionen besitzt. Die Stringtheoretiker lesen aus ihren Gleichungen heraus, dass je nach der Art der Kompaktifizierung die Universen mit unterschiedlichen Elementarteilchen ausgestattet sind.

Die Vielzahl der parallelen Welten ist zwar verwirrend, ermöglicht aber gleichzeitig zwei immer wieder gestellte Fragen der Astrophysik elegant zu beantworten. Die eine Frage ist, warum unsere Naturgesetze gerade die Gestalt haben, die wir beobachten. Und die weitere Frage ist, warum die etwa zwei Dutzend Naturkonstanten (z.B. die Lichtgeschwindigkeit) unseres Universums so fein abgestimmt sind, dass sie Leben in unserer Welt ermöglichen - jedoch bei geringfügiger Veränderung ihres Zahlenwerts dieses Leben unmöglich machen würden, ja vielleicht sogar den Aufbau von Sternen und Galaxien.

Die Stringtheorie gibt darauf folgende Antwort: Wenn es (nahezu) unendlich viele verschiedene Welten gibt, in denen unterschiedliche Naturgesetze gelten und unterschiedliche Naturkonstanten versammelt sind, dann muss es auch eine geben - nämlich die Unsrige - in denen unser "Gesetzes-und Konstantenfenster" verwirklicht ist. Unser eigener Kosmos muss also nicht ein (von einem "Schöpfer") fein abgestimmtes "Kuriosum" sein, sondern ist zwangsläufig eine der vielen Lösungen der Stringgleichungen.

Die Gesamtheit der Welten sehen die Stringforscher in einem vieldimensionalen "Hyperraum" versammelt. Übertragen auf unsere dreidimensionale Welt ist dies eine "Landschaft", bestehend aus Ebenen, Tälern und Bergen. Die Universen schweben, Ballonen gleich, darin in verschiedenen Höhen umher, entsprechend der Grösse ihrer "Vakuumenergie". Das ist eine kosmologische Grösse, welche man (entfernt) mit der potentiellen Energie vergleichen kann. Die Vakuumenergie unseres eigenen Universums ist messbar; sie ist relativ niedrig, weswegen man unsere Welt in einer Talposition vermutet. Aber die Universen können ihre Position verändern. Möglicherweise war der Urknall - die Geburt unserer Welt - nur der Übergang von einem Zustand höherer Energie in ein energetisches Tal.

Die Stringphysiker sind sich bewusst, dass sie ihre theoretischen Vermutungen (zumindest in Teilen) verifizieren müssen, wenn sie von den ausserhalb stehenden Kollegen akzeptiert werden wollen. Erste Vorbereitungen dafür treffen sie am Genfer Teilchenbeschleuniger LHC, welcher derzeit (nach einer Panne) repariert wird. Abschätzungen zufolge müsste die Energie des LHC ausreichen, um Stringteilchen zu erzeugen und nachzuweisen. Diese Experimente stehen übrigens im Zusammenhang mit der Erzeugung Schwarzer Minilöcher und werden von einigen Umweltschützern heftig kritisiert. Auch die Kosmologen können einzelne Aspekte der Stringtheorie testen, etwa durch die Analyse der Hintergrundstrahlung sowie durch Experimente zu den (heftig gesuchten) Gravitationswellen.

Psychologisch gesehen, haben die Naturwissenschaftler der Menschheit in den vergangenen Jahrhunderten allerhand zugemutet. Stand der Mensch früher mit seiner Umgebung "im Mittelpunkt der Welt", so ist er seit Beginn der Neuzeit sukzessive abgerutscht. Zuerst vertrieb ihn Nikolaus Kopernikus aus dem Zentrum des Universums, dann stiess ihn Charles Darwin ins Tierreich zurück. Über unser eigenes Sonnensystem wissen wir inzwischen, dass es sich nur in einer unbedeutenden Randposition der Milchstrasse befindet. Und nun kommen noch zu allem Überfluss diese Stringforscher und behaupten, dass unser Weltall nicht einzigartig ist, sondern nur eines von sehr vielen anderen.

In die Abfolge dieses Niedergangs passt es nachgerade, dass Familienministerin Ursula von der Leyen und ihre Vorgängerinnen uns Männer vom Familienoberhaupt zum einfachen Familienmitglied degradiert haben.



Nachschrift:
"Davon habe ich noch nichts gemerkt".

Brigitte Marth

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