Freitag, 23. Februar 2018

Das Apple iPhone X - ein großer Wurf

Eine Frage vorab:
"Was ist derzeit das weltweit meistbegehrte
und deshalb meistverkaufte Industrieprodukt?"

Nein!
es ist nicht ein bestimmter Autotyp von BMW,
nicht das IKEA-Regal "Billy",
auch nicht das neueste Song-Album von Helene Fischer.

Durch die Überschrift habe ich mich allerdings schon verraten, denn:

The Winner is:
iPhone X


Dieses Smartphone von Apple (das iPhone "Ten" - so die offizielle Bezeichnung) hat im vergangenen Vierteljahr alle Verkaufsrekorde geschlagen.Trotz seines happigen Preises ist es das Lieblingsspielzeug, vor allem der Jugendlichen - zum Preis von 1.100 bis 1.300 Euro! Deshalb erachte ich es für angemessen, diesem global präsentem Produkt einen Blog zu widmen, ohne dabei gleich in eine Werbebotschaft abzugleiten.


links: iPhone X,  mitte: iPhone 8 Plus, rechts: iPhone 8


Zur Ästhetik des Designs

Der Rahmen des iPhone X hält die vorder- und rückseitigen Glasplatten zusammen und besteht aus Edelstahl von "chirurgischer Qualität". Dadurch lässt sich das X auch drahtlos aufladen, was bei eloxiertem Aluminium nicht möglich wäre. Darüber hinaus sichert der Stahl eine hohe Stabilität. Das X ist deutlich kleiner als das Vorgängermodell 8 Plus, liegt ausgesprochen gut in der Hand und lässt sich auch einhändig gut bedienen. Wer kleine Hände oder enge Hosentaschen hat, dürfte Gefallen an dem kompakten Gehäuse finden. Verglichen mit dem X erscheint das 8 Plus wie ein Brett.

Das Display ist randlos und bietet mit 2436 * 1125 Pixeln auf 5,8 Zoll einen weitaus größeren Bildbereich als die Modelle 8 (4,7 Zoll) und 8 Plus (5,5 Zoll). OLED-Technologie und die Bildauflösung sind aufs Höchste ausgereizt. Die Farbe schwarz wird auch wirklich als schwarz angezeigt; das heißt, die entsprechenden Pixel bleiben komplett finster - statt nur abgedunkelt zu werden. Dadurch erzielt man hohe Kontrastwerte und spart außerdem an Akkulaufzeit. Design, Haptik und Verarbeitung sind beim X in jeder Hinsicht gelungen.

Die Sensorausbuchtung im oberen Displaybereich (englisch: "notch") mag manchen stören, ist aber clever in die Benutzeroberfläche integriert. In den meisten Fällen wird oben die Statuszeile eingeblendet. Wen das irritiert, der kann das Format per Fingerwisch so verkleinern, dass die Ausbuchtung praktisch verschwindet. Offensichtlich hat das Gros der iPhone-X-Nutzer aber kein Problem damit.

Die Kameraeinheit steht auf der Rückseite - wie übrigens bei allen Mobilgeräten - etwas heraus. Es ist eben nicht möglich, die zwei Kameras flach in das Gehäuse zu integrieren. Das optische System benötigt nun mal eine gewisse Tiefe, wenn es ansprechende Fotos und Videos aufzeichnen soll. Beim iPhone X ist die Doppeloptik nicht quer, sondern senkrecht positioniert - steht also genau so weit heraus wie beim 8 Plus. Die beiden Kameras decken den Brennweitenbereich von 26 bis 58 Millimeter ab und liefern Portraitfotos in Studioqualität.


Zur Ästhetik der Handhabung

Die Home-Taste ist beim iPhone X als zentrales Steuerelement eliminiert. Der normalerweise auf der rechten Seite positionierte Drücker ist beim X deutlich breiter und damit besser erreichbar. Ein längerer Druck darauf startet den Apple-Assistenten Siri. Ausschalten kann man das IPhone X nur noch über eine Tastenkombination, indem man die Siri-Taste und die Leiser-Taste gleichzeitig drückt. Ein sinnvolle Neuerung, weil kaum jemand sein Smartphone regelmäßig ausschaltet. Also, wozu eine Taste mit einer Aktion blockieren, die nur selten zur Anwendung kommt.

Neue Wisch-Gesten ersetzen den Home-Button. Anstatt auf die Home-Taste zu drücken, um zur Startseite zurück zu kehren, wischt man jetzt von unten ins Display. Und um den App-Wechsler zu öffnen, verharrt der Daumen nach dieser Geste kurz auf dem Display und lässt erst dann los. Das Kontrollzentrum, welches bisher immer durch den Wisch von unten nach oben erreichbar war, hat dafür eine neue Heimat gefunden: Man muss von oben rechts ins Display wischen.

Die Gesichtserkennung Face ID ist der große Unterschied mit dem sich Apple von der Konkurrenz abhebt. Motto: "Dein Gesicht ist das Passwort". Die Einrichtung ist einfach: bei der Inbetriebnahme des IPhone X muss man nur sein Gesicht in den Erfassungsbereich der Frontkamera halten und zwei Mal im Uhrzeigersinn kreisen lassen - fertig! Danach reicht es, das X in die Hand zu nehmen und auf das Display zu schauen. Wird das Gesicht erkannt, so öffnet sich das Schloss-Symbol im oberen Drittel des Sperrbildschirms und man kann mit dem Daumen von unten nach oben wischen, um zum Homescreen zu gelangen. Im Erfassungsbereich werden mehr als 30.000 Punkte gescannt und daraus ein dreidimensionales Abbild des Gesichts erstellt. Das System soll sehr sicher sein, denn es wurde von Apple mit professionellen Maskenbildnern getestet.


Die erstaunliche Firma "Apple"

Die Firma Apple, welche derzeit das iPhone X verkauft, ist ein verhältnismäßiges junges Unternehmen. Es wurde am 1. April 1976, also vor erst 42 Jahren, als kalifornische "Garagenfirma" gegründet. Das Gründer-Trio bestand aus dem Visionär Steve Jobs, dem Kreativ-Bastler Steve Wozniak und Ronald Wayne,welcher zwischen den beiden immer wieder vermitteln musste. Die Firmenanteile waren im Verhältnis 45:45:10 Prozent aufgeteilt. Wayne verkaufte schon bald seinen 10 %-Anteil für 2.300 Dollar, was er wohl bis heute bereut haben wird. Die in den Regenbogenfarben gestreifte angebissene Apfelsilhouette kam 1977 hinzu - angeblich als Jobs mal wieder eine seiner Obstdiäten praktizierte. Außerdem hatte dieser Firmenname den Vorteil, dass Apple im Telefonbuch nun vor seinem damaligen Konkurrenten "Atari" gelistet war.

Die nächsten dreißig Jahre beschäftigte sich Apple vorwiegend mit der Entwicklung von (Personal-) Computern, Betriebssystemen und Anwendersoftware - häufig in Konkurrenz zum Unternehmen Microsoft. Im Jahr 2007 stellte Steve Jobs in San Franzisco das erste iPhone vor; mit dem Tablet-Computer iPad erweiterte Apple drei Jahre später seine IOS-Produktlinie. Seitdem dominieren die Apple-Geräte den rapide wachsenden Markt für Smartphones und Tablets. Im Jahr 2011 trat Jobs aus gesundheitlichen Gründen zurück  und Tim Cook wurde sein Nachfolger als CEO. 2016 waren eine Milliarde iPhones verkauft.

Inzwischen ist Apple - mit Abstand - zum größten Industrieunternehmen der Welt aufgestiegen. Sein Börsenwert (Anzahl der Aktien mal Kurswert) liegt bei 800 Milliarden Dollar; damit übertrifft er jenen von Daimler-Benz um mehr als das Zehnfache!  Die Sparte iPhone trägt zum Umsatz ca. 60 bis 70 Prozent bei. Sollte er einmal signifikant sinken - etwa weil ein zukünftiges iPhone nicht den Geschmack der Kunden trifft - dann würde dies den Jahresgewinn (derzeit bei knapp 100 Milliarden Dollar) wohl drücken, aber die Aktionäre von Apple noch nicht arm machen.

Samstag, 17. Februar 2018

Warum ist das Eis so rutschig?

Bei der gegenwärtigen Winterolympiade mag sich mancher die Frage stellen, warum Schlittschuhe und Schier so gut gleiten. Und die Antwort scheint naheliegend: So wie Öl die Reibung des Autogetriebes verringert, so fördert eine dünne Wasserschicht auf der Eisoberfläche das Gleiten der Schier und der Schlittschuhe. Diese Antwort ist im Prinzip richtig, führt aber schon zur nächsten Frage:

Woher kommt diese Wasserschicht, welche das Gleiten ermöglicht?


Druckschmelzen

Eine Antwort auf diese Frage wird heute noch in manchen gymnasialen Physiklehrbüchern angeboten - ist aber falsch. Dort behauptet man zuweilen: Weil sich das Gewicht des Eisläufers nur durch die sehr schmalen Kufen auf das Eis überträgt, ist der Druck auf das Eis so hoch, dass es lokal aufschmilzt. Damit entsteht ein dünner Wasserfilm, auf dem die Kufen (bzw. Schier oder Schlitten) dann leicht zu gleiten vermögen. Diese Druckaufschmelzung ist auch bei Gletschern bekannt, welche durch ihr eigenes Gewicht eine Schmiere geschmolzenen Wassers auf dem darunter liegenden Felsgestein erzeugen, auf der sie dann ins Tal gleiten.

Was bei Gletschern funktioniert, muss aber auf das Eislaufen noch lange nicht zutreffen. An der Universität lernt man bei den Anfängervorlesungen in Physik, dass man bei diesem Problem die Gleichung von Clausius-Chapeyron anwenden sollte. Sie stellt den Zusammenhang zwischen dem Druck auf das Eis und der Verminderung des Schmelzpunktes her. Demnach erzeugt ein Eisläufer mit 75 Kilogramm Gewicht und dessen Schlittschuh-Kufen eine Auflagefläche von 6 Quadratzentimeter haben, auf dem Eis einen Druck von 12 bar. Dieser würde, gemäß Clausius-Chapeyron, den Schmelzpunkt des berührten Eises aber nur um knapp ein Zehntel Grad verringern. Das ist zur Herstellung einer Wasserschicht jedoch viel zu wenig, denn schon bei Eistemperaturen von wenigen Grad unter Null wäre Eislaufen dann nicht mehr möglich. (Selbst ein Pferd auf Kufen käme nicht ins Gleiten). Im Übrigen stünde man bei der Druckschmelzung schon bei Stillstehen nach kurzer Zeit in einer Wasserpfütze, was erfahrungsgemäß nicht der Fall ist.


Schmelzen durch Reibung

Heute weiß man, dass die Reibungswärme den wesentlichen Beitrag zur Bildung der Wasserschicht liefert. Die Schlittschuh- bzw. Rodelkufen erzeugen auf dem Eis Reibungswärme, bringen die Oberfläche des Eises zum Schmelzen und generieren dadurch einen dünnen Wasserfilm. In Experimenten konnte tatsächlich nachgewiesen werden, dass die Reibung an der Schnittstelle Kufe/Eis das überfahrene Eis zum Schmelzen bringt. Ein typischer Eisläufer verflüssigt mit der Reibungswärme bis zu 12 Kubikmillimeter Eis entlang seiner Kufe und erzeugt dadurch einen Wasserfilm von 0,04 Millimeter Dicke. Vermutlich ist dieser Film nach kurzer Zeit sogar noch dünner, weil das Schmelzwasser, wegen des Gewichts des Schlittschuhläufers, seitlich herausgedrückt wird und damit nicht zum Gleitprozess beiträgt.


Kunst auf Kufen

Oberflächenschmelzen

Druck und Reibung können jedoch nicht die einzige Erklärung für das rutschige Eis sein. Es muss noch einen dritten Beitrag geben. Das merkt man, wenn man sich beim ersten Betreten der Eisfläche auf den Hosenboden setzt:  die schmierende Schicht auf dem Eis scheint unabhängig von Gewicht, Temperatur und Bewegung zu sein. Denn das Eis ist - auch ohne äußere Einwirkungen, wie Kufen und Schier - von einem dünnen, flüssigen Film überzogen. Den darf man sich nicht wie eine Pfütze vorstellen, sondern es handelt sich um eine Wasserschicht, die nur wenige Moleküllagen dick ist.

Zur Erklärung sei folgendes gesagt: während die Wassermoleküle im Eisinneren regelmäßig angeordnet und gegeneinander fixiert sind, verlieren sie an der Oberfläche (also an der "Luft") ihren Zusammenhalt. Sie befinden sich zwar auf dem darunter liegenden Eiskristallgitter - sind aber beweglich. Dieser Wasserfilm ist also eine Phase mit ungeordneten, leicht verschiebbaren Molekülen. Er verleiht dem Eis seine Rutschigkeit. Mit komplizierten Apparaturen (Röntgendiffraktometer, Synchrotronstrahlenquellen etc.) haben die Physiker erst in den letzten Jahren diese Schicht erforscht. Sie ist nur wenige Nanometer (nm) dick, wobei 1 nm einem millionstel Millimeter entspricht. Ab minus 38 Grad verliert diese Oberflächenschicht allerdings ihre Beweglichkeit und hemmt damit das Schlittschuhlaufen.

Glücklicherweise ist es in Pyeonchang nur minus 20 Grad kalt.
Deshalb gilt die Prognose: Schi und Rodel gut!

Freitag, 9. Februar 2018

General Electric wird von Siemens überholt

Die beiden Konzerne General Electric (GE) und Siemens zählen zu den ältesten und renommiertesten Unternehmen im Industriebereich. Sie sind seit 126 Jahren (GE) bzw. 171 Jahren im Geschäft und an ihrem Anfang standen berühmte Erfinder. Im Falle von Siemens war es der Namensgeber Werner Siemens, bei GE Thomas Alva Edison, unter anderem der Erfinder der Glühbirne.

Inzwischen sind aus den anfänglichen Elektrofirmen Energieunternehmen geworden und nach der Diversifikation in Gebiete wie Medizin, Transport und Versicherungen bezeichnet man diese Unternehmen als Mischkonzerne bzw. Konglomerate. Im weltweiten Konkurrenzkampf hatte häufig GE die Nase vorn, jedoch in den letzten Jahren gelang es Siemens den ewigen Rivalen - gemessen am Jahresgewinn - zu überrunden. Die Firmengeschichte der vergangenen vier Jahrzehnte (insbesondere bei GE) ist Gegenstand dieses Blogs.


Aufstieg und Abstieg bei GE

Die beiden Unternehmen GE und Siemens waren von Anbeginn heftige Konkurrenten auf dem Weltmarkt. Dessen ungeachtet verfolgten sie zumeist verschiedene Strategien, was auch mit den Persönlichkeiten an der Spitze zusammen hing. Bei GE waren dies in dem betrachteten Zeitbereich Jack Welch, Jeff Immelt und John Flannery.

Jack Welch,  ein Chemiker, war von 1981 bis 2001 als Chief Executive Officer (CEO) bei GE am Ruder und agierte dort als gnadenloser Antreiber und "Super-Kapitalist". Damit stand er im Einklang mit dem damaligen Präsidenten Ronald Reagan, einem strammen Verfechter des Laissez-faire-Kapitalismus. In seiner Ägide ergänzte Welch die traditionellen Geschäftsbereiche Kraftwerke, Turbinen, Transport und Medizin um das Feld Finanzierung. Letzteres war im Positiven wie im Negativen schicksalhaft für die Firma, doch darüber später. Während der 20-jährigen Amtszeit von Welch stieg der Jahresumsatz von 27 Milliarden Dollar auf 130 Milliarden und der Börsenwert des Unternehmens von 13 auf 400 Milliarden. Gleichzeitig verringerte er den Personalstand des Konzerns von 400.000 auf 300.000 Beschäftigte. Die Maximierung des "Shareholder-Value", also des Nutzens für die Aktionäre, war seine vorrangige Unternehmensstrategie. Daraus resultierte der Spitzname von Welch als "Neutronen-Jack" - in Anspielung auf die Neutronenbombe, welche die Menschen auslöscht, aber Gebäude und Maschinen unversehrt lässt.


                                                             Jack Welch (1981 - 2001)

Eine von Welchs Geschäftsprinzipien war: fix it, sell it or close it. Wenn ein schwächelnder Geschäftsbereich innerhalb von zwei Jahren keine ausreichenden Gewinne machte, dann wurde er entweder verkauft oder geschlossen - und die Beschäftigten entlassen. Seine Mitarbeiter teilte er in drei Kategorien ein: die ersten 20 Prozent, die "Stars", erhielten Boni; die mittlere Schicht von 70 Prozent wurde "gefordert und gefördert"; die restlichen zehn Prozent, die Schlechten ("Lemons") wurden gnadenlos gefeuert. Im Jahr 1999 wählte das US-Wirtschaftsmagazin "Fortune" Jack Welch zum "Manager des Jahrhunderts". Nur sieben Jahre später, als sich auch in Amerika der Zeitgeist verändert hatte, titelte das gleiche Magazin: "Sorry Jack, wir haben uns getäuscht, dein Führungsstil hat ausgedient". Der Manager konnte dies ertragen, denn bei seinem Abgang nach 20 Jahren statteten ihn seine dankbaren Aktionäre mit einem Rentenpaket von 400 Millionen Dollar aus!

Jeff Immelt, ein studierter Mathematiker, dirigierte GE von 2001 bis 2017. Mit der von Welch gegründeten Unternehmenstochter "GE Capital" war ihm ein riskantes Erbe hinterlassen worden. Zuerst ging alles gut, denn in den ersten Jahren trug diese Tochter satte 60 Prozent zum Gesamtwachstum bei. GE besaß gewissermaßen eine firmeneigene Bank und konnten seinen Kunden für gekaufte Kernkraftwerke, Turbinen oder Waschmaschinen gleich eine passende - und für GE höchst rentable - Finanzierung anbieten. Bald kamen weitere Finanzdienstleistungen hinzu, wie Autokredite, Kreditkartenverkauf und Hypotheken, ja, sogar Pflegeversicherungen. Das Geld floss so reichlich, dass sich der CEO Immelt nun auch einige private Extravergünstigungen leisten konnte. So flog er nicht nur im eigenen Firmenjet zu diversen Veranstaltungen, sondern ließ nicht selten ein - leeres - Ersatzflugzeug hinterher fliegen. Bei der Wallstreet kam dieser Exzess allerdings weniger gut an.

Die globale Finanzkrise 2008 traf den Konzern mit voller Wucht. GE hatte sich sein Geld für die Kundenkredite unter anderem bei der nun bankrotten Bank Lehman Bros über kurzfristige Schuldverschreibungen geliehen und war somit plötzlich illiquide. Jeff musste die Regierung in Washington dringend um Hilfe bitten und diese tat es nur unter teuren Auflagen. GE war fortan gezwungen, seine "cash-cow" GE Capital bis zur Unkenntlichkeit zu schrumpfen. "Tough luck" hatte Immelt auch mit dem Erwerb der französischen Gasturbinenfabrik Alstom, denn er schnappte sie Siemens zu einem viel zu hohen Preis weg. Und als 2014 auch noch der Ölpreis von 120 Dollar pro Barrel auf mickrige 30 Dollar absank, wurde auch der Firmenbereich "Öl und Gas" notleidend. Plötzlich fehlten 31 Milliarden Dollar in der firmeneigenen Pensionskasse und die Schieflage von GE wurde für jeden erkennbar. Die Aktionäre hatten nun genug von diesen CEO ohne Fortune und schickten ihn 2017 in den Ruhestand. Nicht ohne ihm 82 Millionen Dollar an Pensionsansprüchen und ein weiteres Aktienpaket von 39 Millionen Dollar in die Hand zu drücken. (Verglichen mit seinem Vorgänger Jack Welch war Jeff trotzdem als armer Rentner stigmatisiert).


John Flannery, ehemals für die Medizintechnik bei GE tätig und erfahren in Finanzdingen, wurde am 1. August 2017 als neuer CEO berufen und soll seine Firma nun aus dem tiefen Loch heraushelfen. Denn Eile tut not, die 6 Milliarden Dollar Verlust haben Aktienkurs und  Börsenwert um fast 50 Prozent in die Tiefe rauschen lassen. Die vielen Rentner der GE, welche ihren Ruhestand, wie in den USA üblich, insbesondere durch Aktienerträge finanzieren, stehen unter Schock. Einige Entscheidungen (mit Symbolwert) hat Flannery bereits getroffen: die Firmenjets und  Dienstlimousinen wurden abgeschafft. Von erheblich höherer Bedeutung ist jedoch die Restrukturierung des Unternehmens. Die General Electric der Zukunft soll schlanker werden, dafür müssen eine Reihe von Tochterfirmen verkauft werden, um Geld in die Kasse zu spülen. Beibehalten möchte Flannery auf alle Fälle die Flugzeugtriebwerke, die Medizintechnik und die Gasturbinen. Alles andere steht zum Verkauf.
Der Ikone General Electric droht der Zerfall! 


Siemens auf holpriger Überholspur

Die Entwicklung bei Siemens - ebenfalls seit den 1980er Jahren betrachtet - verlief weniger glamourös als beim Konkurrenten General Electric. Siemens war damals klarer Zweiter hinter seinem amerikanischen Rivalen, auch was die Entlohnung des Spitzenpersonals anlangt. Veröffentlichte Zahlen sind zwar selten, aber man schätzt, dass bis zum Jahr 2000 die Siemens-Chefs ein Jahresgehalt von 2 bis maximal 5 Millionen DM bezogen und mit einer Million (oder darunter) in den Ruhestand verabschiedet wurden. Geradezu "pea-nuts" im Vergleich zu den Super-Honoraren der GE-Kollegen Jack Welch und Jeff Immelt.

Karlheinz Kaske, Vorstandsvorsitzender von 1981 bis 1992, war Physiker und promovierte an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Der Konzernumsatz bei Siemens war 1986 auf 50 Milliarden DM angewachsen und durch den Ankauf verschiedener Elektronikfirmen (wie Nixdorf) mutierte das Unternehmen allmählich vom Elektro- zum Elektronikkonzern. Unter der Ägide Kaske lieferte Siemens/KWU seine grössten Kernkraftwerke (KKW) aus, nämlich Neckarwestheim, Emsland und Isar 2, welche allesamt eine Leistung von 1.3000 bis 1.450 Megawatt besaßen. Insgesamt baute Siemens in 6 Ländern mehr als 30 Kernkraftwerke, die alle eine ausgezeichnete Sicherheitsbilanz hatten. GE war mit weltweit 90 KKW zwar zahlenmäßig erfolgreicher, hat aber die berühmt-berüchtigten Atommeiler von Fukushima in seinem Portefeuille. (Wobei man vermerken muss, dass für die zu niedrigen Tsunami-Wälle in erster Linie der japanische Bauherr verantwortlich war.)


Heinrich von Pierer agierte als Siemens-Chef von 1992 bis 2005. Er war Jurist sowie Volkswirt und entstammte einer österreichischen Adelsfamilie; sein Langname lautet demgemäß:
Heinrich Karl Friedrich Eduard Pierer von Esch.
Pierer strukturierte das operative Geschäft bei Siemens in die fünf Hauptbereiche: Energie, Verkehr, Medizin, Beleuchtung sowie Automatisierung und Regelung. Bei den Halbleitern wurde die Infineon AG verselbstständigt; von den Dänen 2004 eine Windkraftfirma als Knowledgebasis übernommen.

                                                Heinrich von Pierer (1992 - 2005), 
                                                       Klaus Kleinfeld (2005 - 2007), li.

Leider war die ansonsten durchaus erfolgreiche Ära Pierer von einigen unerfreulichen Schmiergeldaffären überschattet. Im Jahr 1996 machte der Stadtstaat Singapur öffentlich, dass Siemens für die nächsten fünf Jahre keine öffentlichen Aufträge mehr erhalten würde. Als Grund wurden Bestechungen in Millionenhöhe angegeben. Wesentlich schwerwiegender war der unten b
eschriebene sogenannte "Schmiergeldskandal", welcher 2005 bekannt wurde, als v. Pierer (altersbedingt) den Vorstandsvorsitz abgeben musste und sogleich - als Vorsitzender - in den Aufsichtsrat wechselte.


Klaus Kleinfeld leitete Siemens von 2005 bis 2007. Er entstammte einer Arbeiterfamilie und war studierter Diplomkaufmann. Er musste die volle Härte der polizeilichen und juristischen Aufarbeitung des Schmiergeldskandals erdulden. Denn am 15. November 2006 stürmten 200 Staatsanwälte, Polizeibeamte und Steuerfahnder in 30 Gebäude der Siemens AG und durchwühlten dort die Geschäftsunterlagen. Angeblich fanden sie verschlüsselte Beweise für die Handhabung geheimer Schmiergeldzahlungen an Geschäftskunden. So lautete die handschriftliche Randnotiz "Legen Sie das in Datei APP ab", dass Schmiergelder in Höhe von 2,55 Prozent des Lieferpreises genehmigt seien (A=2, P=5). Den zehn Buchstaben des Schlüsselworts MAKEPROFIT war der Ziffernfolge 123456789 zugeordnet. Das Landgericht München verurteilte Siemens zu einer Strafzahlung von 201 Millionen Euro, was die Firma umgehend akzeptierte.

Ex-Chef v. Pierer, in dessen Ägide die Bestechungen stattgefunden hatten, wusste angeblich von nix, ihm war nichts nachzuweisen. Trotzdem akzeptierte er eine Bußgeldzahlung von 5 Millionen Euro, galt damit aber nicht als vorbestraft. Später schrieb er ein Buch über diese stürmische Zeit unter dem bezeichnenden Titel "Gipfel-Stürme" (bei Econ). Schlimmer erging es einigen seiner Vorstandskollegen, die zeitweise im Gefängnis landeten und hohe Geldstrafen zu leisten hatten. So sollte der ehemalige Finanzvorstand Hans-Joachim Neubürger 15 Millionen Euro Strafe zahlen. Nach einer Aufsichtsratssitzung stürzte er sich in München-Harlaching von einer 30 Meter hohen Eisenbahnbrücke in den Tod.

Klaus Kleinfeld gefiel sein Job bei Siemens immer weniger. Er verkaufte - voreilig - die Handysparte "Siemens Mobil" an das taiwanische Unternehmen BenQ, welches ein Jahr später bankrott machte. Damit vernichtete er nicht nur tausende von Arbeitsplätzen in Deutschland, sondern gab auch ein strategisches Pfund aus der Hand. Nach gut zwei Jahren als Vorstandsvorsitzender von Siemens warf Kleinfeld das Handtuch und wanderte in die USA aus. Dort war er die nächsten zehn Jahre nicht ohne Erfolg als Chef des Aluminiumkonzerns Alcoa tätig.


Peter Löscher, (2007 - 2013) war der nächste Vorstandsvorsitzende bei Siemens und der erste, welcher nicht aus dem Unternehmen kam. Aufsichtsratschef Gerhard Cromme wollte jemanden, der garantiert nicht durch die Korruptionsvorgänge belastet war und der Österreich Löscher, welcher bislang fast nur im Pharmafirmen gearbeitet hatte, schien der Richtige zu sein. Er sollte (auch mit Hilfe der sündhaft teuren US-Anwälte) den Schmiergeldskandal aufarbeiten und ein wirksames Überwachungssystem einrichten. Dies gelang in den folgenden Jahren, wenn auch unter hohen Kosten. Es stellte sich heraus, dass unter den Vorgänger-Chefs v. Pierer/Kleinfeld ca. 1,5 Milliarden Euro an Bestechungsgelder geflossen waren; die daraus erwachsenen Kosten und Strafzahlungen, u. a.  an die Wall-Street-Börsenaufsicht, beliefen sich auf fast 3 Milliarden. Mit Hilfe des früheren Finanzministers Theo Waigel gelang es, ein modernes "Compliance"-System einzurichten, welches bis heute wirksam ist.

Löschers Ägide war durch zwei externe Ereignisse charakterisiert: die Finanzkrise 2008 sowie die Energiewende 2011. Bei der Finanzkrise konnte Siemens noch recht gut gegensteuern, da man -im Gegensatz zum Konkurrenten GE - kaum Kundenfinanzierung im Angebot hatte. Die Energiewende traf Siemens jedoch frontal, weil in der Kraftwerksbranche der Absatz der großen gewinnbringenden Turbogeneratoren dramatisch zurück ging. Löscher wollte dagegen halten, indem er das Thema "grüne Infrastruktur" aufnahm. Aber die Umsätze fielen weiter und als er 2013 innerhalb von drei Monaten zwei Gewinnwarnungen herausgeben musste, beschloss der Aufsichtsrat die sofortige Ablösung des glücklosen CEO. Da Löschers Vertrag noch bis 2017 lief, konnte der Österreicher eine (für damalige Verhältnisse) riesige Abfindung von 30 Millionen Euro heraushandeln, worunter 13 Millionen in Aktien bestand.


Joe Kaeser, (ab 2013),  ist geborener Niederbayer, wohnt in der Oberpfalz (Regen) und ist Betriebswirtschaftsabsolvent der Fachhochschule Regensburg. Seit 1980 bei Siemens, verbrachte er einige Jahre in ranghoher Position in den USA, war danach unter Löscher Finanzvorstand und hat dort sicherlich einiges abgenickt.

Als Vorstandsvorsitzender für den Siemenskonzern standen bei Kaeser stets Umsatz und Gewinn im Vordergrund. Diese beiden bilanzielle Hauptgrößen stiegen unter Kaeser sprunghaft an:
der Umsatz von 75 Milliarden Euro (2015) auf 80 Mrd. (2016) bis 83 Mrd. (2017) und
der Gewinn von 6 Milliarden Euro (2015) auf 7,4 Mrd. (2016) bis 8,1 Mrd. (2017).

Durch diesen Gewinn von 8,1 Milliarden Euro im Jahr 2017 hat Siemens seinen Dauerrivalen General Electric klar überholt, nachdem GE im gleichen Jahr  einen Verlust von 6 Milliarden Dollar eingefahren hat.

Quod erat demonstrandum!---Siehe Überschrift.

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