Sonntag, 25. Oktober 2015

Das Schweigen der Strom-Bosse

Im vielstimmigen, zuweilen schrillen, Chor der Diskutanten um die Energiewende und den Atomausstieg vermisst man den Beitrag der Chefs der großen deutschen Stromkonzerne. Aufgrund ihrer Position und der ihnen zugänglichen Informationen könnten sie argumentative Leitplanken setzen - aber sie wollen offenbar nicht. Das erstaunt, denn immerhin geht es bei der Umsetzung der Energiewende um das Wohl und Wehe ihrer Firmen, von denen RWE und E.ON schon nah am Rande der Insolvenz stehen sollen.


Noch am ehesten versteht man das Schweigen von Frank Mastiaux, dem Vorstandsvorsitzenden der EnBW. Dieses Unternehmen ist (nach dem Rückkauf des Aktienpakets von EdF) praktisch zu 99 Prozent im öffentlichen Besitz. Und da Baden-Württemberg seit 2011 von einer grün-roten Koalition regiert wird, ist sein gestalterischer Spielraum relativ gering. Außerdem mag er das Schicksal seines Vorgängers Utz Claassen im Gedächtnis haben, der nach etlichen Kontroversen mit den Gesellschaftern seinen Job nicht ganz freiwillig aufgeben musste und seitdem nichts Äquivalentes mehr gefunden hat. Auch die Manager von Vattenfall lasse ich aus der Betrachtung, die auf ihre Chefs in Stockholm zu hören haben und sich offensichtlich aus Deutschland zurückziehen wollen.


Schmerzlich vermisst man allerdings den rhetorischen Input von Peter Terium und Johannes Teyssen, beides Vorstandsvorsitzende der größten deutschen Energieversorgungsunternehmen RWE und E.ON mit einem addierten Jahresgehalt von 11 Millionen Euro.  Sie lassen sich allenfalls gelegentlich in überregionalen Zeitungen zu Einzelthemen ihres Konzerns vernehmen; in den jährlichen Aktionärsversammlungen behaupten sie, voll hinter der Energiepolitik der Bundesregierung zu stehen. In der kritischen medialen Öffentlichkeit lassen sich Terium und Teyssen (abgekürzt T+T) vielfach unqualifiziert verdächtigen und beschimpfen, ohne eigene stichhaltige Argumente vernehmbar dagegen zu setzen. Einige Beispiele dafür möchte ich in den folgenden Abschnitten kurz anreißen.


Fehlerhaftes Konstrukt Energiewende

Die sogenannte Energiewende, von der Bundesregierung eingeläutet im März 2011 nach Fukushima und in Gesetze gegossen im Juni des gleichen Jahres ist mißkonstruiert. Die Abschaltung von acht großen Kernkraftwerke geschah spontan und ohne jegliche Absprache mit unseren EVU-Parntnern im europäischen Netzverbund. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit starker Ausrichtung auf die Nutzung von Wind und Sonne hat viele strukturelle Mängel.

T+T hätten die Bundesregierung öffentlichkeitswirksam darauf aufmerksam machen müssen...

-  dass die sofortige Abschaltung von acht Kernkraftwerken (sog. Moratorium) ohne technische Begründung dem Wortlaut des Atomgesetzes entgegen steht und daher gesetzeswidrig war...

-  dass das EEG ein reines Subventionsgesetz ohne jeden wettbewerbswirtschaftlichen Anreiz ist und deshalb nicht in das energiewirtschaftliche Konzept der Bundesrepublik passt...

-  dass derzeit jährlich 25 Milliarden an Umlagekosten von den Stromkunden aufgebracht werden muss mit steigender Tendenz...

-  dass das Festhalten an der Brennelementesteuer trotz Rücknahme der Laufzeitverlängerung vom Herbst 2010 illegitim war...

-  dass der "Flatterstrom" aus Wind und Sonne ohne saisonale Speicher zum erhöhten Einsatz der Kohlekraftwerke und zur Instabilität des Stromnetzes führen musste...

-  und, dass alles insgesamt die großen Stromkonzerne in die Nähe des Bankrotts bringen kann.

Dauerthema Entsorgung

Unter Entsorgung versteht man den Rückbau der Kernkraftwerke und die Verbringung der radioaktiven Abfälle in die Endläger. Von den Gegnern der Kernenergie - insbesondere im Ministerium Gabriel - wird immer wieder unterstellt, dass dies technisch nicht möglich sei, bzw. die finanziellen Mittel dafür nicht ausreichen würden. Beides ist beweisbar falsch. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn von den Manager der Stromkonzerne dies besser kommuniziert worden wäre.

T+T hätten die Bundesregierung öffentlichkeitswirksam darauf aufmerksam machen müssen...

-  dass die Verantwortung für die Entsorgung insoweit zweigeteilt ist, als die EVU für den Rückbau ihrer Kernkraftwerke zuständig sind und die Bundesregierung - qua Atomgesetz - für die Bereitstellung der Endläger...

-  dass für den Rückbau der Atomkraftwerke hinreichend technische Erfahrungen vorliegen...

-  dass aber die Bundesregierung (nach der voreiligen Aufgabe von Gorleben) noch kein alternatives Endlager vorzuweisen hat und...

-  dass die rückgestellten 37 Milliarden Euro für die komplette Entsorgung aus heutiger Sicht voll ausreichend sind.

Fazit

Die beiden Vorstandsvorsitzenden Terium und Teyssen von RWE und E.ON meiden ganz offenkundig die öffentlichkeitswirksame Diskussion ihrer Angelegenheiten mit ranghohen Politikern. Dadurch entsteht in der Öffentlichkeit ein unzutreffendes Bild über die Auswirkungen der Energiewende und des Atomausstiegs. Zu vielen negativen Unterstellungen der Politiker zu Energiefragen schweigen sie einfach. Sie sind zu lammfromm. Was dabei herauskommt ist:

das Schweigen der Lämmer.

Montag, 19. Oktober 2015

Marktstagnation bei Erneuerbaren Energien

Dem aufmerksamen Beobachter ist längst klar, dass es in Deutschland einen Strommarkt im Sinne von Angebot und Nachfrage bei den Erneuerbaren Energien (EE) nicht gibt. Stattdessen wird das "Marktgeschehen" ständig durch politische und planwirtschaftliche Eingriffe maßgeblich beeinflusst. Das letzte Mal geschah dies  durch die Novellierung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) im Juli 2014. Die EEG-Umlage hatte mit 6,24 Cent pro Kilowattstunde eine solch dramatische Höhe erreicht, dass sich der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel genötigt sah, die legislative Notbremse zu ziehen, indem er die Subventionen für die EE drastisch kürzte. Bei der Photovoltaik wurde der selbstproduzierte und selbstverwendete Eigenstrom mit einer Abgabe, der "Sonnensteuer" bzw. dem "Sonnensoli" belegt. Diese Sondersteuer betrug vom August 2014 an 30 Prozent, ab 2017 sollte sie auf 40 Prozent der regulären EEG-Umlage ansteigen.

Die Folgen zeigen sich jetzt, schon ein Jahr danach. Während 2010 bis 2012 jährlich noch je mehr als 7.000 Megawatt (MW) an Solarleistung installiert wurden, gingen die solaren Neuinvestitionen im Jahr 2014 auf bloße 1.900 MW zurück und sind weiter im Fallen. Dies ist ein zusätzlicher Beweis dafür, dass der Photovoltaikmarkt nur durch exzessive staatliche Subventionen zu Lasten der Stromkunden aufgebläht worden ist und nun in sich zusammenfällt. Die Photovoltaikanlagen auf den Dächern verschwinden damit künftig in die Bedeutungslosigkeit.  Kein Wunder, dass die Solarlobby nun lauthals danach schreit, die früheren opulenten staatlichen Fördersätze wieder einzurichten.

Biogas vor dem Aus?

Von der erwähnten Novellierung des EEG im vorigen Jahr sind nicht nur die 1,5 Millionen Photovoltaikanlagen betroffen, sondern auch die 8.000 Biogasanlagen, an denen zumeist Strom erzeugt wird. Mit einer installierten Leistung von 4.000 Megawatt produzieren alle 5.000 Betreiber jährlich knapp 28 Milliarden kWh Strom. Für die meisten Landwirte ist es ein Zuverdienst, für nicht wenige inzwischen auch die Haupteinnahmequelle. Nach der neuesten Fassung des EEG wurden ab sofort nur noch 95 Prozent des aus Biogas erzeugten Stroms zum Bestpreis von 18 Cent pro Kilowattstunde subventioniert; für die restlichen 5 Prozent wird der tagesaktuelle Kurs der Strombörsen - drei bis vier Eurocent - bezahlt. Diese Kappung erscheint moderat, bringt die Anlagenbetreiber allerdings auf die Palme, weil sie für die Zukunft weitere Reduktionen fürchten. Inzwischen haben einige Betreiber Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, deren Erfolg allerdings fraglich ist.

Das Ansehen der Biogasbauern ist beim Gesetzgeber in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken, u. zw. aus verschiedenen Gründen. Dazu zählt die sogenannte "Vermaisung" der Landschaft. Statt sich auf die Verwendung von Rest- und Abfallstoffen zu konzentrieren, haben die "Energiewirte" inzwischen fast eine Million Hektar Mais für ihre Anlagen angebaut - sehr zur Ärger der anwohnenden Bevölkerung. Mit "Energiemais" war eben wesentlich mehr Geld zu verdienen, als in der klassischen Landwirtschaft.

Hinzu kommt, dass erhebliche Mengen an nitrathaltigen Kunstdünger auf den Feldern ausgebracht wurden, was (insbesondere in Oberfranken) dazu führte, dass bereits tausende von Trinkwasserbrunnen geschlossen werden mussten. Der Regen schwemmt dort die Nitratfracht in das Grundwasser, sodass dieses locker als Flüssigdünger verwendet werden könnte.

Auch die verwendeten tierischen Exkremente, wie Gülle, bereiten Probleme. In den vergangenen fünf Jahren kam es deshalb zu mehr als 400 "Havarien", wobei Gülle in benachbarte Flüsse gelangte und dort den Fischbestand vernichtete. Offenbar sind viele Bauern mit dem sicheren Betrieb ihrer Anlage überfordert und wollen auch (aus Kostengründen) nicht in eine Abschottung ihrer Gäranlagen investieren.

Schließlich haben die Experten beim Bundeswirtschaftsministerium ausgerechnet, dass die Biogasanlagen überproportional zur EEG-Umlage beitragen, was dort gar nicht gern gesehen wird. Der Wind hat sich gedreht. Früher war Biogas als Grundlastenergie sehr wichtig und der schnelle Ausbau der Kapazitäten war erwünscht. Das ist nun nicht mehr der Fall. Während bei anderen Erzeugern die Stromgestehungskosten gefallen sind, sind sie beim Biogas nahezu konstant geblieben. Wenn es um die reine Stromerzeugung - ohne Nutzung der Wärme - geht, dann ist Biogas aus Sicht der Berliner Politiker schlichtweg zu teuer. Mit weiterer Reduktion der Subventionierung ist also zu rechnen.

Zum Schluss noch zwei Zahlen, die man sich merken sollte:
Im Jahr 2014 kostete die Produktion von Strom aus Erneuerbaren Energien, also vorzugsweise aus Wind und Sonne, 17 Cent pro Kilowattstunde; demgegenüber lagen die Erzeugungskosten aus Kernkraftwerken und fossilen Kraftwerken bei 4 Cent/kWh.
Man lasse sich nicht durch den niedrigen Börsenpreis irritieren; der Energiewende-Strom wurde durch uns Stromverbraucher schon per EEG-Umlage bezahlt - noch bevor er an der Börse gehandelt wird.

Sonntag, 11. Oktober 2015

Migration II: Wie schaffen es die Anderen?

Wenn die Bundeskanzlerin sich in eine Talkshow begibt, dann muss ein brenzliges Problem anstehen. Das letzte Mal ist sie diesen Schritt zu Günther Jauch gegangen, als die Euro-Krise zu erklären war. Nun hat sie Anne Will gewählt, um ihre Flüchtlingspolitik zu rechtfertigen. Ob es ihr gelungen ist, die dreieinhalb Millionen Zuschauer zu überzeugen, dafür gibt es keine gesicherten Umfrageergebnisse. Ihre beinahe suggestive Beteuerung "wir schaffen das" lässt viele Bürger weiterhin daran zweifeln. Merkel ist zwar die mächtigste Frau Europas - aber im Furor der Flüchtlingskrise erscheint sie ziemlich ohnmächtig.

Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, einmal die Flüchtlingspolitik einiger anderer Länder zu betrachten, die schon seit Jahrzehnten mit diesem Problem konfrontiert sind und die es - auf ihre Weise - gelöst haben. Ich nenne Australien, USA und Spanien, alles demokratisch regierte Länder, die durch Migration nicht in ein solches Chaos gestürzt wurden wie derzeit unser Land. Irgend etwas muss mit der Zuwanderung in Deutschland schiefgelaufen sein.

Australien:  "Stoppt die Boote"

Die australische Flüchtlingspolitik kann man unter der Devise Stoppt die Boote zusammenfassen. Alle Boote mit Flüchtlingen in Richtung Australien werden auf hoher See zum Umkehren gezwungen. Wer dennoch durchkommt, wird an Land abgefangen und in weit entfernte Lager in Neu-Guinea oder Kambodscha gebracht, mit deren Regierungen rechtzeitig Aufnahmeverträge ausgehandelt wurden. In den Lagern werden die Flüchtlinge registriert, was manchmal Jahre dauert. Erst nach Ende dieses Verfahrens und wenn die Migranten als politische Flüchtlinge anerkannt sind, dürfen sie australischen Boden betreten.

Zur Bekanntmachung dieser Maßnahmen werden die Medien eingesetzt. In den wichtigsten Tageszeitungen der Fluchtländer werden Anzeigen geschaltet, entsprechende Videospots erscheinen im Fernsehen und im Internet. Dort wird ausführlich die Prozedur der australischen Flüchtlingspolitik erklärt, insbesondere, dass die Flüchtlingsboote umkehren müssen beziehungsweise die Migranten in ausländische Lager verbracht werden. Der Premierminister Tony Abbott argumentiert, man wolle mit diesen drastischen Maßnahmen Leben retten. Es gehe darum, Bootsflüchtlinge, die sich nicht dem offiziellen Verfahren unterwerfen, als "Vordrängler" abzulehnen und die Schleuserei zu bekämpfen. Kein Wunder, dass die Flüchtlingsorganisationen Abbotts Politik aufs Heftigste kritisieren.

USA:  Mauern gegen Flüchtlinge

Die meisten Flüchtlinge, welche in die USA illegal einströmen, kommen aus lateinamerikanischen Ländern, insbesondere Honduras, Guatemala und Mexiko. Zumeist werden sie von den Grenzschützern abgefangen und in primitive, grenznahe Auffanglager gebracht. Dort müssen sie innerhalb von 72 Stunden einem Richter vorgeführt werden. Nur wer nachweisen kann, dass er verfolgt wird und in den USA einen Verwandten hat, der für ihn sorgt, darf bleiben. Alle anderen werden umgehend über die Grenze nach Süden zurückgeschickt.

Die Grenze zwischen Mexiko und den USA ist ca. 3.000 Kilometer lang und bietet manche Schlupflöcher zum illegalen Übertritt. In den vergangenen Jahren wurde ein 1.200 Kilometer langer Zaun errichtet, entlang dem 21.000 Grenzschützer patroullieren. Von der Luft aus kontrollieren Hubschrauber und Drohnen das Geschehen. Diese Maßnahmen zeitigten Erfolg: die Zahl der illegalen Flüchtlinge ist drastisch gesunken.
Im übrigen nimmt Amerika Kriegsflüchtlinge und politisch Verfolgte nur streng quotiert auf. Die Quoten werden alljährlich vom Kongress festgelegt. Für das Jahr 2015 sind insgesamt nur 70.000 Flüchtlinge zur Aufnahme genehmigt, darunter 1.500 Syrer. Sinti und Roma gelten als Wirtschaftsflüchtlinge, denen der Zutritt verwehrt ist. Wem der Flüchtlingsstatus zugesprochen wird, der erhält eine "Greencard" und soll fortan arbeiten und sich seinen Lebensunterhalt selbst verdienen.

Spanien:  Operation Seepferdchen

Noch vor einem Jahrzehnt brachten jedes Jahr 20 Meter lange Pirogen aus Holz mit Außenborder mehr als 30.000 Flüchtlinge zu den Kanarischen Inseln, also zum Staatsgebiet von Spanien. Diese Menschen kamen insbesondere von den afrikanischen Staaten Mauretanien, Senegal, Gambia und Guinea. Weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit entwickelte damals die Regierung in Madrid das sogenannte Projekt "Seahorse". Mit den genannten afrikanischen Ländern wurden Verträge ausgehandelt, welche die umgehende Rückführung dieser Flüchtlinge in ihre Heimatländer ermöglichte - u. zw. ungeachtet etwaiger Asylanträge. Im Gegenzug erhielten diese "Gastländer" finanzielle Hilfen aus dem Entwicklungsfonds, sogar zu Lasten der EU.

Die Mund-zu-Mund-Propaganda funktionierte in Westafrika rasend schnell. Die Migranten wussten nach kurzer Zeit, dass der Weg über den Atlantik praktisch versperrt ist und riskierten nur noch selten Überfahrten auf ihren altersschwachen Pirogen. Zudem erlauben Radarinformationen und Satellitenbeobachtungen eventuell doch in See gestochen Auswanderungswillige in Echtzeit zu orten und mit Marineschiffen an die afrikanischen Küste zurückzubringen. Einen Großteil der Aufwendungen für das Projekt Seahorse finanziert ebenfalls die Europäische Kommission.

Fazit

Jedes der drei Länder schützt rigide seine Staatsgrenzen. Flüchtlinge werden grenznah oder in weit entfernten Ländern registriert, mit denen entsprechende Verträge ausgehandelt wurden. Erst danach darf der akzeptierte Flüchtling in das Wunschland einwandern. Fast immer limitieren Quoten die Zahl der Migranten, welche weit unterhalb der gegenwärtigen Einwanderung nach Deutschland liegt. Das Thema Obergrenze wird im Ausland also ganz anders gesehen als bei uns.

Besonders stolz ist man in Australien darüber, dass dort seit 2013 kein Flüchtlingsboot mehr vor der Küste gekentert ist und dass es demzufolge keine Toten gegeben hat. Man verweist auf die Tragödien im Mittelmeer, wo im Jahr 2014 über 3.700 Flüchtlinge ertrunken sind, in diesem Jahr bereits 2.600.


Diese harsche Behandlung der Flüchtlinge in den drei Ländern liegt fernab von unserer "Willkommenskultur". Aber werden wir diese noch aufrecht erhalten können, wenn demnächst die Türkei zerbrechen sollte - und sich 50 Millionen Türken auf den Weg nach Deutschland machen?

Samstag, 3. Oktober 2015

Migration I: In der Kostenfalle

Unsere (Noch-)Bundeskanzlerin Angela Merkel ist groß im Anschieben teurer, aber unrentabler, politischer Projekte. So hat sie vor gut vier Jahren die sogenannte Energiewende eingeläutet, ein Vorhaben, welches Billionen von Euro kostet - eine Zahl mit 10 Ziffern. Im Sommer diesen Jahres legte sie die dritte Griechenlandhilfe auf Kiel, bei der Deutschland zwar nur mit einer neunstelligen Summe haftet, aber wer kennt nicht den Spruch:  Wer bürgt, der wird gewürgt. In den letzten Wochen verkündete sie die Flüchtlingshilfe, in deren Verlauf - allein im Jahr 2015 - Hunderttausende bis eine Million oder gar mehr Menschen in unser Land einströmen. Angelockt durch kernige Sprüche, wie: wir schaffen das oder: das Grundgesetz kennt bei Asylanten keine Obergrenze.

Vor einigen Tagen wurde in Berlin zwischen Bund und Ländern die Finanzierung der Flüchtlingshilfe (vorläufig!) ausverhandelt. Im Prinzip erstattet die Bundesregierung den Ländern (und Kommunen) nahezu alle Kosten. Leider konnte man in dem knappen Presse-Statement nicht nachlesen, wie hoch diese insgesamt sind. Im Rahmen dieses Blogs habe ich mich um eine grobe Abschätzung bemüht und diese erschreckend große Zahl mit einigen Ausgabepositionen im diesjährigen Bundeshaushalt verglichen.

Die wichtigsten Kostenarten

Bei der Abschätzung der Gesamtkosten spielen die detaillierten Kostenarten und Kostenstellen eine zentrale Rolle. Ich nenne sie summarisch Detailkosten; sie fallen beim Bund, bei den Länder und den Kommunen an. Ohne auf die Feinheiten der Kostenrechnung eingehen zu wollen, unterscheidet man Einzelkosten, die direkt zurechenbar sind, und Gemeinkosten, welche indirekt, sozusagen summarisch anfallen.

Die wichtigsten Detailkosten bei der umfassenden Betreuung der Flüchtlinge werden, wie folgt, gelistet:

1.  Verpflegung
2.  Kleidung
3.  Wohnung, Betreuung, Reinigung und Bewachung der Heime
4.  Taschengeld
5.  Registrierung (durch BAMF etc.)
6.  Kosten Dolmetscher, Linguisten etc.


7.  Arztkosten, evtl. Gesundheitskarte
8.  Kosten Psychologen für traumatisierte Asylanten, bes. Jugendliche
9.  Kosten für unbegleitete Kinder und Jugendliche
10. Transportkosten (Taxi, Busse, Bahn etc.)
11. Sprachunterricht
12. Kosten berufliche Ausbildung
13. Hartz 4-Kosten
14. Anwaltskosten bei Abschiebung etc.
15. Kosten für erforderliche zusätzliche Richter
16. Deutsche Mitwirkung bei Registrierung in Italien, Griechenland etc.
17. Kostenbeteiligung bei Zeltstädten in Jordanien, Libanon, Türkei, etc.
18. Kosten für neuerliche militärische Unterstützung, z. B. Kundus/Afghanistan, Frontex
19. Mehrzahlungen an UN-Flüchtlingshilfe (UNHCR)

Abgeschätzte Kosten pro Flüchtling

Die oben genannten Kostenarten fallen bei Bund, Ländern und Kommunen an.
Eine der zentralen Fragen ist:
Welche monatlichen (bzw. jährlichen) Kosten verursacht ein einzelner Asylant?
Darüber lässt sich natürlich trefflich streiten, wie es in den Medien auch geschieht. Meine Meinung, die ich im Rahmen eines kurzen Blogs nicht ausführlich begründen kann, ist folgende:

Für die Kostenarten 1 bis 6 verursacht ein Flüchtling pro Monat 1.000 Euro an Kosten, also jährlich 12.000 Euro.

Für die indirekten Kostenarten 7 bis 19 verursacht ein Flüchtling pro Monat weitere 1.000 Euro an Kosten, also jährlich ebenfalls 12.000 Euro
(Zu beachten ist, dass allein die Gesundheitskarte einen Wert von ca. 500 Euro darstellt)

Zusammengefasst kann man sagen:
Die Kosten eines Flüchtlings sind - wohl mindestens -  zu bewerten mit
monatlich 2.000 Euro,
jährlich 24.000 Euro.

Viele Migranten, hohe Gesamtkosten

Wie hoch die gesamten Kosten der gegenwärtigen Migration sind, hängt in erster Linie davon ab, wie viele Menschen nach Deutschland kommen und hier bleiben. Nach Medienberichten befinden sich derzeit ca. 700.000 Flüchtlinge im Land. Jeden Tag(!) kommen weitere 10.000 hinzu, das heißt in einem einzigen Monat 300.000 - entsprechend der Bevölkerungszahl von ganz Karlsruhe. Führt man diese Rechnung fort, so wären bis Sylvester 90*10.000=900.000 Asylanten zusätzlich im Land. Mit den schon anwesenden 700.000 wären dies 1,6 Millionen, was einer Großstadt wie Hamburg entspricht.

Angesichts der bevorstehenden kalten Jahreszeit ist jedoch anzunehmen, dass der Zuzug abebben wird. Außerdem werden einige Menschen in ihre Länder zurück geschickt, weil ihr Flüchtlingsstatus nicht anerkannt wird. Bisher wurden in 2015 allerdings nur 12.000 Flüchtlinge abgeschoben; weitere 140.000 besitzen einen sogenannten Duldungsstatus, weil sie angeblich krank oder nicht reisefähig sind.

Im Sinne einer Minimalabschätzung geht die Bundesregierung davon aus, dass am Jahresende eine Million Flüchtlinge im Land sein werden, die im Schnitt - denn zu Jahresbeginn waren es ja wesentlich weniger - sieben Monate in Deutschland verweilt haben. Daraus errechnen sich, unter Zugrundelegung der monatlichen Individualkosten von 2.000 Euro, folgende Gesamtkosten in 2015:
2.000*7*1.000.000=14.000.000.000=14 Milliarden Euro

Die Zu- und Abwanderung im nächsten Jahr 2016 kann nur grob abgeschätzt werden. Ich stelle folgendes Szenario zur Diskussion:

Am Bestand von einer Million Asylanten in Deutschland im Jahr 2016 wird sich nichts wesentlich ändern. Einige wenige werden Arbeit und Wohnung finden und die Abschiebung, insbesondere in die Balkanländer, wird wohl effektiver werden. Sie wird aber wahrscheinlich überkompensiert durch die Familiennachholung, denn jeder anerkannte Flüchtling hat das Recht, seine Familienangehörigen nach Deutschland zu bringen. Das sind, die vielen Kinder eingerechnet, häufig 5 bis 10 Personen pro Flüchtling.

Daraus ergeben sich für eine Million Flüchtlinge, welche über 12 Monate im Jahr 2016 in Deutschland gelebt haben, folgende Jahreskosten:
2.000*12*1.000.000=24.000.000.000=24 Milliarden Euro

Hinzu kommen die im Jahr 2016 neu zugewanderten Migranten. Ich unterstelle, dass es am nächsten Jahresende nochmals 1 Million sind, die - wie oben - im Schnitt sieben Monate in Deutschland verweilt haben. Daraus ergeben sich folgende Jahreskosten:
2.000*7*1.000.000=14.000.000.000= 14 Milliarden Euro

Beide Jahreskosten addieren sich auf zu folgenden Gesamtkosten im Jahr 2016:
24 Milliarden + 14 Milliarden = 38 Milliarden.

Vergleichszahlen im Bundeshaushalt

Die drei, oben genannten Zahlen - allesamt im Milliardenbereich - sind außerhalb der Vorstellungswelt eines Normalmenschen. Um sich ihnen etwas nähern zu können, vergleiche ich sie mit einigen Positionen im Bundeshaushaltsplan. Dort sind alle Ausgaben der Bundesministerien für das Jahr 2015 gelistet. Insgesamt umfasst dieses Budget 301,6 Milliarden Euro, und wird i. w. gespeist aus den Steuereinnahmen des Bundes im Jahr 2015.

Die Migrationskosten für das laufende Jahr 2015, mit (abgeschätzt) 14 Milliarden Euro, entsprechen ziemlich genau den diesjährigen Ausgaben des Bildungs- und Forschungsministeriums mit 15,2 Mrd. Euro. Wie heftig um dieses Budget gerungen wurde, zeigt, dass die Mehrausgaben für die sogenannte Exzellenzinitiative der Universitäten in Höhe von jährlich 1 Mrd. erst ab 2017 gestattet wurde und ab dann auch nur vier Jahre lang.

Die Kosten für die 1 Million Flüchtlinge im Jahr 2016 in Höhe von 24 Mrd. Euro sind sogar höher als der Etat des Verkehrsministeriums mit 23,2 Mrd. Wir erinnern uns, dass bei der Haushaltsdiskussion eine Aufstockung um 2 bis 3 Mrd. gefordert wurde, um die Schlaglöcher und Schäden auf den deutschen Straßen auszubessern. Diese Forderung wurde bekanntlich wegen der Mittelknappheit abgelehnt.

Die gesamten Kosten für 2016 in Höhe von 14+24=38 Mrd. Euro sind sogar höher als der Verteidigungshaushalt mit 32,9 Mrd. Euro. Dieser ist - nach dem Etat für Soziales - der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt und wird jedes Jahr von der Opposition als "viel zu hoch" unter Feuer genommen.

Nun könnte man annehmen, dass die genannten Migrationskosten, aufgrund der hohen Steuereinnahmen und der guten Wirtschaftslage, problemlos zu  finanzieren seien. Dies ist jedoch ein Denkfehler. Denn der Bund ist mit ca. 2.000 Mrd. verschuldet und stottert diese Last nur allmählich ab; in diesem Jahr, beispielsweise, mit 24,3 Mrd. Euro. Außerordentliche Kosten, wie die für die Migration, vergrößern also die Schuldenlast der Bundesrepublik zu Lasten der nachfolgenden Generationen.

Noble Aussichten

Es ist evident, dass der Zuzug der Flüchtlinge begrenzt werden muss, um nicht in eine riesige Kostenfalle zu geraten, falls sich die Wirtschaftslage in den nächsten Jahren wieder verschlechtern sollte. Auch die Akzeptanz der Bevölkerung bröckelt bereits, wie sich aus den abnehmenden Umfragewerten für die Kanzlerin zeigt. Verschiedene Gesetzesinitiativen zur Begrenzung des Zuzugs, der schnelleren Abschiebung und der Verlangsamung der Familiennachholung sind in der Vorbereitung. Man wird 2016 sehen, ob diese geplanten Maßnahmen wirksam sind.

Der internationalen Popularität für Angela Merkel tut dies keinen Abbruch. In den Medien wird sie bereits als ernsthafte Kandidatin für den nächsten Friedensnobelpreis genannt. Auch als Nachfolgerin für den Ende 2016 scheidenden UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ist sie im Gespräch.

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