Samstag, 28. September 2013

Die Klimaforscher sind ratlos

Dieses Wochenende war es wieder so weit: der Weltklimarat IPCC legte seinen Bericht auf den Tisch und versuchte damit die Menschheit aufzurütteln. Das letzte Mal ist ihm das im Jahr 2007 gelungen. Doch diesmal ist vieles anders. Seit 15 Jahren hat die Erderwärmung nicht mehr zugenommen - obwohl die Menschen mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen haben als je zuvor. Dieser Stillstand der Temperaturen bringt die Klimaforscher (und die Klimapolitologen) in arge Erklärungsnöte. Wie bereits durchgesickert ist, kann der neue IPCC-Bericht dafür keine Gründe angeben: Die Klimaforscher sind ratlos!


Die natürlichen Einflüsse

Die Einflüsse auf das Klima - und damit auf die Temperatur an der Erdoberfläche - sind vielfältiger Natur. Die Wärme, welche sich (noch) nicht in einer Temperatursteigerung niederschlägt, könnte sich nach Ansicht der Fachleute in den Tiefen der Ozeane verbergen. Aber deren Modellierung ist schwierig, da man mathematisch die Turbulenzen des Wassers nicht in den Griff bekommt. Die Klimaexperten simulieren die Ozeane daher wie eine Art Senf, der lediglich hin und her wackelt, was natürlich grosse Auswirkungen auf die Rechengenauigkeit und die Ergebnisse hat.

Ein anderer Einflussfaktor ist die Vegetation, also der Bewuchs mit Pflanzen. Wenn man die Wechselwirkung der Fauna in die Klimamodelle einbaut, dann bekommt man automatisch mehr Freiheitsgrade, was nun wieder die Rechenunsicherheit erhöht. Durch mathematische Zufälligkeiten können sich dadurch Ausreisser nach oben oder unten ergeben.

Ein weiteres grosses Problem sind die Wolken. Ihr Einfluss auf die Erdtemperatur ist sehr komplex, weil sie sowohl kühlen als auch wärmen können. Schon bei zwei Prozent mehr Wolken ist der Einfluss auf die globale Mitteltemperatur erheblich.

Auch der Einfluss der industriellen Schwebstoffe, der Aerosole, muss bedacht werden. Sie ändern sich sowohl in der Quantität als auch in der Qualität ständig, weil sie u. a. vom Aufbau der Industrie (Asien!) abhängig sind. Selbst zum heutigen Zeitpunkt kann man beispielsweise noch nicht sagen, wie sich der Zusammenbruch der osteuropäischen Industrie nach 1989 auf die Temperaturen in der Ostsee ausgewirkt haben.

Schliesslich ist noch die Sonne zu erwähnen. Über ihren Einfluss auf die Erdtemperaturen wird trefflich spekuliert. Der SPD-Politiker und RWE-Aufsichtsrat Fritz Vahrenholt hat darüber ein dickes Buch geschrieben ("Die kalte Sonne) und wirft darin dem IPCC nichts weniger als Panikmache vor.


Die menschlichen Einflüsse

Zuweilen drängt sich der Eindruck auf, als seien die Klimaforscher zur Geisel ihres Anfangserfolgs geworden. Alle sechs Jahre legen sie neue Kompendien von über tausend Seiten auf den Tisch der Öffentlichkeit. Darin sind zehntausende von Veröffentlichungen eingearbeitet, mit denen sich tausende von Experten befasst haben. Gelesen werden von den Medienvertretern eigentlich nur die 20 bis 30 Seiten Zusammenfassung, das Executive Summary. Diese wird vorher von den 195 Regierungsvertretern peinlichst genau durchgefilzt und anschliessend "freigegeben".

Und damit fängt die Malaise schon an. Wer von diesen Leuten ist eigentlich kompetent und neutral? Welche Fremdeinflüsse gibt es während dieser Redaktionssitzungen auf den wissenschaftlichen Gehalt des Urtextes? Nicht einmal eine Mitschrift dieser Verhandlungen in Stockholm soll es geben. So gibt der Grüne Politiker  Ott ganz unumwunden zu: "Die Klimapolitik benötigt das Element der Furcht, sonst würde sich kein Politiker mehr dieses Themas annehmen". Damit verwundert es auch nicht, dass sich mancher Forscher bei seiner Arbeit im IPCC fühlt "wie ein Sandwich zwischen Wissenschaft und Politik". Und dann gibt es noch die Alarmisten und Gurus, die jeden Sommer in Deutschland - sei er heiss, kalt oder nass - als direkten Beweis für die Richtigkeit des jeweiligen IPCC-Berichts hinausposaunen. Der Indien-stämmige Mojib Latif sei dafür als Beispiel genannt.


Quo vadis, IPCC?

Nicht wenige glauben, dass es der Klimaforschung ähnlich ergehen könnte wie vor einigen Jahren der Waldforschung. Auch hier wurden wilde Horrorszenarien aufgestellt, einschneidende Forderungen abgeleitet und am Ende war (fast) gar nichts. Der Klimarat sollte sich ernsthaft überlegen, ob es weiterhin notwendig ist, alle sechs Jahre einen tausendseitigen Wälzer auf den Tisch zu legen, der im wesentlichen nur eine marginale Fortschreibung früherer Berichte ist. So beinhaltet der gegenwärtige Bericht als Novität nur die Vermutung, dass das Wasser an den Küsten in Zukunft zwischen 29 und 82 Zentimeter höher sein könnte. Aber erst am Ende dieses Jahrhunderts! Und welche Konsequenz zieht die Generalsekretärin der UN-Klimakonvention, Frau Christiana Figueres, aus dem neuen Bericht? Sie tönt: Der Klimawandel schreitet derzeit schneller und stärker voran als erwartet.

Das klingt alles nicht nach seriöser Wissenschaft. Schliesslich hat man noch immer im Gedächtnis, dass der engere Zirkel des IPCC seit der Veröffentlichung vieler interner Emails und Skandale im Verdacht steht, Alarmismus zu betreiben und beschwichtigende Wissenschaftler mundtot zu machen. Deshalb sollte man ernsthaft an eine Umstrukturierung des IPCC denken. Personelle Verkrustungen sollten aufgebrochen werden, vielleicht sollte man auch die enge Bindung an die UN lösen und die seit Jahrzehnten aufgebaute Monsterbürokratie zerschlagen.

Schliesslich sollte man einsehen, dass es nicht möglich ist, ein so superkomplexes System wie Erde-Atmosphäre-Sonne mathematisch abzubilden oder zu simulieren. Stattdessen sollte man sich kleinere regionale Systeme und ihre - experimentelle - Exploration vornehmen, wie das schon beispielhaft in Jülich und Geesthacht geschieht.







Donnerstag, 26. September 2013

Feiglinge

Bei der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag hat die CDU/CSU einen grossen Erfolg eingefahren. Mit über vierzig Prozent der Wählerstimmen ist sie wieder zur Volkspartei aufgestiegen. Eine kurze Zeit durfte sie sogar an der absoluten Mehrheit schnuppern, aber zum Schluss fehlten ihr fünf Abgeordnetenmandate. Damit fängt die Malaise an: die Union braucht einen Koalitionspartner!


Angst vor der Koalition

Sieht man von den Linken ab, die wegen ihrer Verteidigungs- und Aussenpolitik nicht koalitionsfähig sind, so kommen für eine Regierungskoalition nur die Grünen oder die Sozialdemokraten infrage. Beide sträuben sich wie die Katze im Sack, das wurde schon am Wahlabend erkennbar, besonders aber am Montag bei Plassbergs TV-Sendung "Hart aber fair". Karl Lauterbach von der SPD und Bärbel Höhn von den Grünen wischten das "Ansinnen", mit der Union in einer Koalition zu wirken, brüsk vom Tisch. Allen Ernstes empfahlen sie stattdessen dem CDU-Vertreter Peter Altmaier eine Minderheitsregierung, die vor den Parlamentsabstimmungen sich jeweils bei der Opposition um wechselnde Mehrheiten bemühen möge.

Schlimmer geht's nimmer. Während man bei den Grünen noch etwas Verständnis für ihr Zögern aufbringen kann, weil praktisch ihre ganze Parteispitze wegen Rücktritts verloren ging, gilt dies nicht für die Sozialdemokraten. "Opposition ist Mist", dieses Bonmot ihres früheren Vorsitzenden Franz Müntefering ist noch in aller Ohr, aber jetzt lösen die Lockrufe der Bundeskanzlerin zum Eintritt in die Regierung bei der SPD panische Fluchtbewegungen aus. Lauterbach und seine Kollegen im ehemaligen Kompetenzteam erinnern an die vier Jahre Grosse Koalition von 2005 bis 2009 unter Merkel. Angeblich hätten sie damals im Maschinenraum der Politik geschuftet, während die Union sich auf dem Oberdeck sonnte. Und noch eine Metapher aus dem Tierreich kommt immer wieder: die Bundeskanzlerin Merkel sei vergleichbar mit der Schwarzen Witwe, einer Spinnenart, die all ihr Partner aussauge und umbringe. Nein, das zeugt nicht von Selbstbewusstsein und Verantwortungsgefühl, sondern allenfalls von pathologischen Minderwertigkeitskomplexen.


Die Prioritäten

Umfragen zufolge wollen zwei Drittel der Deutschen eine Grosse Koalition, die Sozialdemokraten sollten deshalb nicht zu lange zögern. Auch die Europäer wollen nicht mehr ewig zusehen, bis sich die Deutschen endlich sortiert haben. Die grossen Parteien müssen schliesslich zu Potte kommen und Deutschland sollte die ihm zugewachsene wirtschaftliche Führungsrolle annehmen und die aufgestauten Probleme lösen helfen. Die Bundeskanzlerin hat es bei dem TV-Duell mit Peer Steinbrück vor einem Monat auf den Punkt gebracht:

"Zuerst kommen die Interessen des Landes,
dann die Interessen der Partei
und zum Schluss die Interessen des Einzelnen".

Freitag, 20. September 2013

KIT - Keine Vertragsverlängerung für Dr. Fritz

Noch ist es nicht offiziell verkündet, aber längst pfeifen es die Spatzen vom Dach: der Vizepräsident des Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Dr. Peter Fritz, erhält keine Vertragsverlängerung sondern wird zum 1. Oktober 2013 seinen Posten verlassen. Der Aufsichtsrat des KIT hat in seiner letzten Sitzung im Juli d. J. beschlossen, das Ressort "Forschung und Innovation" vorläufig nicht zu besetzen, nachdem es vorher monatelang ausgeschrieben war und  Fritz sich um diesen Präsidialbereich bewarb, den er seit Jahren inne hatte.



Dr. Peter Fritz

Im ehemaligen Kernforschungszentrum (jetzt: KIT Campus Nord) wird heftig darüber spekuliert, was Fritz seinen Job als Vizepräsident des KIT gekostet haben mag. Sicherlich passte er als ausgewiesener Kerntechniker, langjähriger Vorsitzender der Kerntechnischen Gesellschaft und Vizepräsident des Deutschen Atomforums nicht mehr in das personelle Portfolio der rot-grünen Landesregierung. Hinzu kommt, dass es Fritz nicht gelang, sich im KIT-Uni-Bereich zu profilieren, sondern, dass ihm dort eher der Ruf eines Kerntechnikers der alten Schule anhaftete.

Mehr als eine Ungeschicklichkeit war es, dass Dr. Fritz im letzten Jahr (auf Anregung der IHK) im KIT eine 200-Seiten-Studie anfertigen liess, worin der Energieausstieg sehr negativ bewertet wurde. Als der grüne Landesminister Franz Untersteller davon erfuhr, war er stocksauer und verstieg sich zu dem Satz: Das Orakel von Delphi ist im Vergleich zu diesem Papier eine hochseriöse Veranstaltung.
Für das KIT war die Verstimmung des Ministers durchaus ernst zu nehmen, ist Untersteller doch für die Genehmigungen zuständig und (mittelbar) auch für die Finanzierung dieser Grossorganisation.

Ein weiterer Grund für die Entlassung von Fritz mag darin zu sehen sein, dass die KIT-Aufsichtsräte ihre Enttäuschung über den Verlust des Elite-Titels im Sommer letzten Jahres noch nicht verwunden haben. Nachdem der clevere damalige KIT-Chef Horst Hippler vor der Bestrafung noch rechtzeitig den Absprung zur Hochschulrektorenkonferenz schaffte, wurde nun Fritz als Leiter für Forschung und Innovation (mit Umbach) sanktioniert, weil er an dem Desaster wohl nicht ganz schuldlos sein konnte.

Peter Fritz ist 61 Jahre alt, sechs weitere Jahre bei KIT hätten ihn zum offiziellen Rentenalter gebracht, das einstmals von Franz Müntefering mit 67 dekretiert wurde. Ob wir Dr. Fritz nochmals in einer vergleichbaren Linienfunktion (etwa bei AREVA) sehen werden? Wer weiss es.

Sicherlich wird er nicht der Sozialhilfe zur Last fallen.

Donnerstag, 19. September 2013

Die WAK in rauer See

In der Geschäftsführung der WAK GmbH müssen Experten des Segelsports sitzen. Denn nicht anders ist es zu erklären, dass sie für die Schieflage ihres Unternehmens Metaphern aus dem nautischen Bereich heranziehen. "Das Schiff der WAK ist in raue See geraten", heissst es da in der Betriebszeitschrift. Und: "Die Windrichtung können wir nicht bestimmen, aber die Segel richtig stellen". Erstaunlich, wie schnell diese vormals badische Firma, nach der Übernahme durch die pommersche EWN, den Slang des Greifswalder Bodden angenommen hat.


Knappe Kassen zwingen zur Notbremsung

Der Grund, weshalb "das träge Schiff WAK" sich "in schwerem Wetter" befindet, ist schnell gesagt: die Geschäftsleitung hat beim Rückbau der WAK mehr Aufgaben auf die Hörner genommen, als sie finanzieren konnte. Ihre eigene mittelfristige Finanzplanung hat sie um satte 10 Prozent überschritten - in der schlitzohrigen Erwartung - dass ihnen die Geldgeber bei Bund und Land diesen Zuschlag schon konzedieren würden. Das haben die zuständigen Politiker und Beamte aber nicht getan, sondern sie haben verlangt, dass die WAK GmbH, bitteschön, ihre eigene frühere Finanzplanung einhalten möge.

Nun knirscht es allenthalben und die Geschäftsführung musste die Reissleine ziehen. In diesen Tagen werden die Rückbauarbeiten im Prozessgebäude, dem grössten Trakt der WAK, komplett eingestellt. Die Verträge mit Fremdfirmen, wie Studsvik, wurden bereits gekündigt, wobei es auch trainierte Arbeiter trifft, die bereits seit 30 Jahren in der WAK tätig sind. In Schnitt haben im Prozessgebäude seit 2007 mehr als 50 Personen gearbeitet, die für den Abriss der Betonstrukturen und die Beseitigung der eingedrungenen Aktivität beschäftigt waren. Das eigene Personal der WAK soll sich in Zukunft temporär stärker in diese Abrissarbeiten einschalten, aber das Interesse für einen Wechsel von den gegenwärtigen Bürojobs zu Arbeiten im Vollschutzanzug hält sich in Grenzen.

Der Bestand an über 500 Mann Eigenpersonal, die i. w. administrative, planerische und infrastrukturelle Arbeiten erledigen, wird von manchem Geldgeber zuweilen als etwas "üppig" angesehen. Hinzu kommt, dass im vergangenen Jahr sogar noch eine weitere Hauptabteilung für Technische Dienste und Services installiert wurde, die sich ihrerseits auf vier Abteilungsleiter abstützen kann, wovon zwei promovierte Vollakademiker sind. Auch bei der Hauptabteilung Dekontaminationsbetriebe (HDB) wurde die Anzahl der Stäbe kürzlich von zwei auf drei erhöht. Als Gipfel mag man ansehen, dass derzeit ein neues Verwaltungsgebäude für 5,13 Millionen Euro errichtet wird, das über drei Geschosse Platz für 100 Mitarbeiter bieten wir. Das bisherige Verwaltungsgebäude im WAK-Bereich (auch keine Hartz-IV-Unterkunft) soll erhalten bleiben. Für Investitionen dieser Art kursiert in der WAK der griffige Slogan: "Rückbau ist Neubau




                                           
                                           Neues Verwaltungsgebäude der WAK (im Bau)



Zwischenläger händeringend gesucht

Ein schwieriges, gleichwohl drängendes Problem ist die Zwischenlagerung der abgebauten und konditionierten radioaktiven Materialien. Seit einiger Zeit ist bekannt, dass die derzeitigen Läger dafür nicht ausreichen. Das Zwischenlager für schwachradioaktive Abfälle (LAW) ist bereits zu 80 Prozent, das für mittelradioaktive Abfälle (MAW) nahezu vollständig belegt. Da der Einlagerungsbeginn im Endlager Konrad sich mehrmals verzögert hat, sind keine Auslagerungen aus Karlsruhe nach Niedersachsen möglich. Der Rückbau der WAK und der Reaktoren MZFR und KNK macht aber nur Sinn, wenn das Demontagegut konditioniert und sicher zwischengelagert werden kann. Ist diese Voraussetzung in den nächsten drei Jahren nicht gegeben, so müssen die Rückbauprojekte gedrosselt oder gar ganz eingestellt werden.

Es ist geplant, die Lagerkapazität für den LAW um ein Viertel und für den MAW auf das Doppelte zu erweitern. In beiden Fällen ist noch kein atomrechtlicher Genehmigungsantrag gestellt. Die Zeit wird also knapp, wenn in drei Jahren diese beiden Läger stehen sollen. Die Umlandgemeinden, insbesondere Linkenheim-Hochstetten, reagieren recht negativ auf diese Pläne. Der dortige Bürgermeister Günther Johs, ein strammer Atomgegner, hat bereits eine juristische Normenkontrollklage angekündigt. Verärgert ist er über die weiteren sich abzeichnenden Verzögerungen beim Abriss der WAK bis zur Grünen Wiese, will er doch auf diesem Baugrund ein "Konferenz- und Tagungshotel" hochziehen. Nicht wenige halten das für eine "Verhinderungsplanung", was den temperamentvollen Schultes aber nicht anficht.


An die Gewehre

Wer hat sich nicht schon über gurrende und kackende Tauben in seinem Umfeld geärgert? So erging es wohl auch einem Gabelstaplerfahrer bei der HDB, der darüber nachdachte, wie er die Tauben "vergrämen" konnte, die laufend seine Container im Dekontaminationsbereich verschmutzten. Die üblichen Mittel wie Händeklatschen halfen nicht bzw. nur temporär und so kam er auf eine unglückselige Idee: er entnahm seinem heimischen Arsenal zwei Luftdruckgewehre und eine Luftdruckpistole samt Munition und schmuggelte sie in den HDB-Bereich. Noch bevor er sich - in Anlehnung an den österreichischen Comedian Qualtinger - an die Ausrottung dieser niedlichen aber nervigen Tiere machen konnte, wurde seine Waffen entdeckt und kurze Zeit darauf auch der Eigentümer.

Die Kriminalpolizei machte einen ziemlichen Bohai, die Medien schrieben darüber -
und der Gabelstaplerfahrer ward fortan nicht mehr bei der HDB gesehen.

Sonntag, 15. September 2013

Die kleinen Tricks der grossen Winzer

Der "Goldene Oktober" nähert sich wieder und damit die Zeit der Weinlese. Heutzutage bearbeitet eine badische Winzerfamilie im Schnitt eine Fläche von 10 bis 30 Ar, wobei ein Ar 100 Quadratmeter darstellt. Mittelgrosse Winzerbetriebe, wie Franz Keller in Oberbergen, kommen auf 30 bis 50 Hektar; ein Hektar entspricht einer Fläche von 100 Ar bzw. 10.000 Quadratmeter. Von ähnlicher Grössenordnung sind die Durbacher Weinfirmen Männle und Laible und die Weingüter des Markgrafen von Baden, welche sich um den Staufenberg angesiedelt haben. Die allergrössten Player sind allerdings die Genossenschaften.


Winzergenossenschaften - Fluch und Segen

Als sich 1926 die Winzergenossenschaft Bickensol gründete, war das ein Segen für diese arme Region. Alle Winzer des Ortes schlossen sich zusammen und bauten gemeinsam einen Keller, der 6.000 Hektoliter fasste. Bald folgte die Winzergenossenschaft Ihringen, deren Keller schon für 10.000 Hektoliter ausreichte. Für die kleinen Familienbetriebe waren die Genossenschaften zunächst ein Fortschritt. Durch die gemeinsame Weinerzeugung und Vermarktung ergaben sich neue Absatzchancen und damit mehr soziale Sicherheit. Die Maschinen konnten gemeinsam genutzt werden, Missernten gefährdeten nicht sofort die Existenz der Weinbauern.

Aber bald zeigten sich auch die Schattenseiten der gemeinsamen Bewirtschaftung: der Wein wurde zum Serienprodukt. Denn der Genossenschaftsgedanke zwingt zur Einhaltung gemeinsamer Lesezeiten - auch wenn für die unterschiedlichen Lagen unterschiedliche Lesezeiten angemessen  wären. Auch der getrennte Ausbau ist nicht mehr möglich, denn er würde eine Vielzahl verschiedener Fässer und Abfüllungen erfordern. Mit der Einführung der grossen Stahltanks verschwanden auch die früher geschätzten Einzellagen zugunsten von Grosslagen, wie Vulkan- oder Attilafelsen. Die Winzer wurden zu blossen Traubenlieferanten, wegen der alljährlichen Auszahlung des "Traubengeldes" nagt allerdings keiner mehr am Hungertuch. Mittlerweile werden 70 Prozent der badischen Weine genossenschaftlich hergestellt sowie vermarktet und zumeist in Supermärkten verkauft. Der Flächenertrag ist innerhalb eines Jahrhunderts von 25 Liter auf 90 Liter pro Ar gestiegen.

International betrachtet ist das Weinland Baden trotzdem nur ein Zwerg. Die gesamte badische Rebfläche liegt bei 16.000 Hektar, wovon rd. 4.000 Hektar auf den Kaiserstuhl entfallen. Demgegenüber wird in Australien das Zehnfache, nämlich 160.000 Hektar Rebfläche, bewirtschaftet. Und der amerikanische Grosswinzer "Gallo", der sich gerne als Familienbetrieb bezeichnet, bewirtschaftet allein in Kalifornien 5.000 Hektar.


Die Verholzung des Weins

Seit gut einem Jahrzehnts wird in Baden mit dem sog. Barrique-Ausbau experimentiert. Die Idee wurde aus dem französischen Bordeauxgebiet übernommen und ist dort nicht neu. Durch die Lagerung in 225-Liter-Fässern werden dem Wein Aromen mitgegeben, die ihn (im Glücksfall) mehr Fülle und Körper verleihen. Im Unglücksfall - und der ist recht häufig - übertönt ein penetranter Holzton die Weinaromen.

Anfangs kam der Holzgeschmack bei den hiesigen Kunden gut an und die Preise, insbesondere für den Spätburgunder Rotwein, schossen in die Höhe. Leider gibt es in den Zeiten der Stahlcontainer viel zu wenig Eichenfässer und die cleveren Grosswinzer behalfen sich dadurch, dass sie Eichenholzchips herstellten und diese (nach dem Teebeutelprinzip) in ihre Stahlfässer hängten. Der "Schreinerwein" war geboren. Die Kosten waren praktisch null, aber dieser Pseudo-Barrique-Wein konnte um ein Mehrfacher teurer verkauft werden. Mittlerweile klingt die Barrique-Welle merklich ab, denn auch die unbedarftesten Weintrinker merken langsam, dass man mit ein paar Holzspänen nicht die Tiefe und die Struktur eines Bordeauxweins erreichen kann.


Die Entwässerung des Most

Mit dem Mostgewicht, gemessen in Oechsle, wird das spezifische Gewicht des Traubensafts und damit auch sein Zuckergehalt bestimmt. Praktisch alle Weine im Qualitätsbereich werden durch Zugabe von Zucker vor der Gärung "angereichert", womit später auch der Alkoholgehalt ansteigt. Den spezifischen Zuckergehalt kann man aber auch dadurch erhöhen, indem man umgekehrt dem Traubenmost einen Teil seines Wassers entzieht. Bei diesem (in Deutschland zugelassenen) Verfahren der Vakuumverdampfung handelt es sich also um eine kellertechnische Rückverdichtung, wodurch die Oechslegrade des Mosts - und damit auch der Alkoholgehalt des Weins - künstlich "verbessert" werden. Diese Mostkonzentration muss übrigens auf den Flaschenetiketten nicht vermerkt werden.

Ein weiterer Schritt in Richtung "Designer-Weine" bringt eine Maschine mit dem Namen "Spinning Cone Columne", deren Anwendung in Brüssel von der Weinwirtschaft beantragt wurde und mit deren Erlaubnis zu rechnen ist. Bei dieser Verfahrenstechnik, einer Art Gegenstrom-Dampfmaschine,  werden die einzelnen Komponenten des Weins quasi fraktioniert, um sie danach wieder neu zusammensetzen zu können. Angeblich dient diese Methode der Aromatisierung und dem Alkoholmanagement. In Übersee, also Australien, Südafrika und Chile wird das Verfahren schon seit Jahren genutzt.

Den Gipfel haben vor Jahren die österreichischen "Winzer" abgeschossen, indem sie Kunstwein aus allerhand chemischen Substanzen, wie Glycerin brauten und jahrelang unter dem Qualitätslabel Spätlese auch in Deutschland vertrieben. Damals entstand der Witz von dem Winzer, der auf dem Sterbebett seinem Nachkommen ein Geheimnis ins Ohr murmelte:

"Mein Sohn, man kann Wein auch aus Traubensaft machen."

Sonntag, 8. September 2013

"Strictly Kosher"

Rechtzeitig zum jüdischen Neujahrsfest (am 5./6. September) konnte man in einem Karlsruher Supermarkt koschere Lebensmittel kaufen. Im "Scheck-In" werden eine ganze Reihe von Nahrungsmittel angeboten, die den Stempel des Rabbiners der Jüdischen Kultusgemeinde tragen und deshalb den strengen jüdischen Speisegesetzen entsprechen, also "koscher" sind.  Die ca. tausend jüdische Mitbürger in Karlsruhe und Umgebung müssen zukünftig zum Einkaufen also nicht mehr nach Strassburg oder Frankfurt fahren.

Interessant ist, dass diese Produkte nicht auf einer speziellen Aktionsfläche präsentiert werden, sondern in den normalen Regalen zu finden sind; koschere Kekse befinden sich also unter den sonstigen Keksen. Angeboten werden u. a. Schokoladekuchen, Wein, Milch und Oliven, aber auch Gummibärchen, die mit zertifizierter Gelatine hergestellt sind. Im Tiefkühlbereich gibt es abgepacktes Fleisch und Wurst, wobei letzterer - siehe unten - garantiert kein Pferdefleisch zugesetzt ist.


Erlebnisse in Florida

Aus bekannten Gründen sind die jüdischen Speisegesetze dem deutschen Normalbürger auch heute noch nicht recht geläufig. Total unbekannt waren sie mir selbst, als ich vor gut 50 Jahren in den USA zu einem Post-Doc-Aufenthalt weilte. Im Winter 1962 besuchte mich ein deutscher Bekannter in Washington D. C. und wir beschlossen, eine Urlaubswoche im sonnigen Florida zu verbringen. Telefonisch buchte ich ein Hotel in Miami Beach, bei dem wir nach abendlichem Flug spät ankamen und sofort ins Bett fielen.

Am nächsten Morgen hatten wir tüchtig Hunger und suchten eilig den Frühstücksraum auf. Als ich beim Tischkellner "ham and eggs" bestellte, blickte ich in seine erstarrten Augen und etwas verdattert machte er mir klar, dass ham (also Schinken) nicht verfügbar sei, wohl aber Steak. Also revidierte ich meine Order zu "steaklet and milk-coffee", was den Kellner noch mehr aufstöhnen liess. "We are strictly kosher", erklärte er mir und verwies auf ein entsprechendes Schild am Eingang des Restaurants. Ich hatte es in der Eile leider übersehen, sonst wäre mir klar gewesen, dass ich mich in einem der vielen jüdischen Hotels in Miami befand, die zur Wintersaison vorzugsweise von jüdischen Touristen aus New York gebucht werden. Mein Bekannter hatte die Warnung "Strictly Kosher" übrigens gelesen, war aber aufgrund seiner defizitären Englischkenntnisse der Ansicht, dass es sich dabei um den Namen des Restaurantsbesitzers handele!

Nun, trotz dieses fundamentalen Missverständnisses gleich zu Beginn, verlief unser Urlaub durchaus zufriedenstellend. Die etwa hundert Hotelgäste - allesamt Juden - betrachteten uns zwei Deutsche ungefähr wie Eskimos in der Sahara und da wir hinreichend jung waren (beide in den Zwanzigern) konnte uns auch keine Mitschuld an den unsäglichen Taten der Nazis angelastet werden.


Viele sonderbare Vorschriften

Wieder zurück in Washington kam ich öfters in Kontakt mit jüdischen Wissenschaftlern und lernte allmählich deren rigide Speisegesetze kennen, die ihren Ursprung in den fünf Büchern Mose haben. Nicht alle Juden halten sich an diese Vorschriften, den sog. Kaschrut, aber die Orthodoxen sehr wohl. Zusammengefasst unterscheiden sie zwischen erlaubten und unerlaubten Tieren, verbieten den Blutgenuss und teilen die Lebensmittel auf in die drei Kategorien "fleischig", "milchig" und "neutral".

Nach dem dritten Buch Mose sind koschere (und damit essbare) Tiere solche, die zweigespaltene Hufe haben und Wiederkäuer sind, also Rinder, Schafe, Ziegen Damwild etc. Schweinefleisch - und damit auch der genannte ham - ist nicht koscher, da Schweine zwar gespaltene Hufe haben, aber nicht Wiederkäuer sind. Auch Pferde sind nicht koscher - obwohl sie Wiederkäuer sind - denn sie besitzen keine gespaltenen Hufe. Geflügel ist in der Regel koscher, ebenso wie die Fische. Ausgenommen ist hier der Aal, weil er (angeblich) keine Schuppen aufweist. Wegen des strengen Blutverbots werden die Tiere geschächtet, damit das Blut möglichst vollständig ausfliesst. Als weitere Regel gilt, dass fleischige Speisen nicht gleichzeitig mit milchigen Speisen verzehrt werden dürfen, weswegen auch meine Bestellung von Steak und Milchkaffee nicht ausgeführt werden konnte.

Was im Prinzip noch einfach klingt, bereitet im täglichen Umgang erhebliche Probleme. Für einen orthodoxen Juden muss alles koscher sein - sogar die Möbelpolitur. Den Rabbinern obliegt es, diese Produkte zu beurteilen und zu zertifizieren. Gegen gutes Geld, selbstredend. Gläubige Juden in einen christlichen Haushalt einzuladen ist praktisch nicht möglich, da sie sogar koschere Lebensmittel auf einem "Normalteller" nicht essen dürfen. (Kein Wunder, dass koschere Sternelokale im Guide Michelin kaum auftauchen). In einer koscheren Küche gibt es darüberhinaus getrenntes Geschirr und Töpfe für fleischige und milchige Speisen. In der Spülmaschine müssen sie in verschiedenen Einsatzkörben gewaschen werden (mit einem Leergang dazwischen), damit sich nichts vermischt. Zu trennen sind ebenfalls die Handtücher und die gesamte Küchenwäsche.

Gemäss einer weiteren Essvorschrift dürfen sich Fleisch und Milchprodukte nicht im Magen mischen. Zwischen fleischig und milchig - in dieser Reihenfolge - müssen in der Regel sechs Stunden liegen. Aber diese Vorschrift wird unterschiedlich gehandhabt: deutsche Juden haben sich auf drei Stunden geeinigt, holländische sogar auf nur 72 Minuten! Massgeblich ist die Meinung des jeweiligen Rabbiners.

Ganz rigide sind die Gesetze zum Pessach-Fest, das alljährlich an den Auszug aus Ägypten erinnert. Während dieses sieben Tage dauernden Festes ist es nicht erlaubt "Gesäuertes" zu geniessen. Kein Krümel an Getreide darf im Haus sein, egal in welch verwandelter Form. Reiche Juden leisten sich deshalb eigens eine Pessach-Küche, die für den Rest des Jahres nicht benutzt wird, ja sogar abgeschlossen ist. Dabei werden sogar die Türritzen verklebt, damit ja nichts Unerlaubtes hineindringt.

Im täglichen Leben befolgen keinesfalls alle Juden diese alten Speisevorschriften. Die sogenannten säkularen Juden essen das Gleiche wie jeder Europäer oder Amerikaner. Das gilt insbesondere für die Jugend. Während meines USA-Aufenthalts hatte ich einen jüdischen Bekannten, der aus einer orthodoxen Familie stammte. Jedes Mal, wenn er mich aufsuchte, inspizierte er meinen Kühlschrank und verzehrte mit besonderem Genuss die dort lagernden Schinken-Sandwiches. Einmal waren sie gerade ausgegangen und er stellte enttäuscht fest:

"No ham to-day, Bill?"











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