Montag, 28. Januar 2008

Sind wir allein im Universum?

Seit einigen Jahren haben die Astronomen die Jagd auf Planeten eröffnet. Fast jede Woche finden sie einen neuen Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems. Leider waren sie bis jetzt meist gasförmig, sodass keine menschliche Wesen dort wohnen könnten. Bis jetzt hat man erst gut 200 Planeten gefunden, aber nach Meinung der Astrophysiker könnten es viele Milliarden sein. Denn, warum sollte nicht jede "Sonne" - also leuchtender, wärmespendender Stern - einen oder mehrere Planeten besitzen? In der Milchstrasse allein gibt es hunderte von Milliarden Sonnen und solche Sternhaufen, sprich Galaxien, gibt es ebenfalls viele Milliarden in unserem Universum. Ohne viel nachzudenken würde man vermuten, dass es im Kosmos sehr viele Planeten wie unsere Erde geben müsste und, dass viele, vielleicht Millionen oder sogar Milliarden von menschenähnlichen Wesen bewohnt sein könnten.

Doch gemach! Diese grossen Zahlen werden schnell wieder klein, wenn man die vielen Anforderungen auflistet, die ein Planet erfüllen muss, um Menschen beherbergen zu können. Denn Sonne ist nicht gleich Sonne. Befindet sie sich in der Nähe eine Schwarzen Lochs, dann ist wegen dessen Sogwirkung eine längere Existenz nicht möglich. Auch die Nähe eines Jet-Sterns, der in wenigen Sekunden soviel Energie abstrahlt wie unsere Sonne während ihrer milliardenlangen Lebenszeit, wäre tödlich. Unsere Sonne befindet sich weit ausserhalb des Zentrums unserer Milchstrasse. Und das ist gut so. Denn in dieser kuscheligen Ecke sind seit ewig langer Zeit keine Katastrophen passiert, welche unsere Erde hätten gefährden können. Das ist wichtig, weil menschliche Wesen, wie wir aus der Paläontologie und seit Darwin wissen, etwa 3 Milliarden Jahre brauchen, um sich von den Aminosäuren zum homo sapiens zu entwickeln.

Die Sonne eines von Menschen bewohnten Planeten muss also einige Milliarden Jahre leuchten. Und das tun bei weitem nicht alle. Sonnen mit grosser Masse brennen relativ schnell ab, schon in wenigen Millionen Jahre. Und leichte Sonnen leuchten zwar viele Milliarden lang, aber nur mit geringer Energie. Auf ihren Planeten ist es verteufelt kalt. Nur wenige Sonnensterne kommen also infrage; davon sind die meisten auch noch Doppel- oder Dreifachsonnen, bei denen die Planetenbahnen in vertrackten Bahnen und viel zu schnell umlaufen.

Neben der Sonne muss aber auch der Planet eine Menge Konditionen erfüllen, wenn er ein Habitat für biologische Wesen darstellen soll. Er darf zum Beispiel kein Gasball aus Wasserstoff oder Helium sein, denn menschliche Wesen brauchen festen Boden unter den Füssen. Und er muss genügend schwere Elemente wie Kohlenstoff, Eisen, Blei etc. besitzen. Das heisst astrophysikalich, dass er einige Super-Nova-Explosionen durchlaufen haben muss, bei denen diese schweren Isotope (wie in einem irdischen Kernreaktor) durch Neutroneneinfang gebildet wurden. Bis die schwache Gravitationkraft daraus einen Masseball geformt hat, auf dem das Leben beginnen kann, dauert es locker einige Milliarden Jahre. Und, ganz wichtig, auf dem Planeten muss sich Wasser bilden; es wird als Lösungsmittel unbedingt gebraucht.

Unser Planet muss sich auch in der richtigen Entfernung zu seiner Sonne bewegen. Es darf auf ihm weder zu heiss noch zu kalt sein, damit das Wasser nicht verdampft bzw. das Leben in Gang kommt. Und er muss sich mit einer genau bestimmten Geschwindigkeit drehen. In unserem Sonnensystem ist es auf der Venus zu heiss (450°C), weil sie sich zu langsam dreht und auf dem Mars zu kalt (70° minus), weil er wegen seiner geringen Grösse die Lufthülle nicht halten konnte. Der Mars ist gewissermassen atmosphären-inkontinent.

Hilfreich ist in vielen Fällen die Existenz eines Monds. Ohne ihn würde sich die Erde, statt in 24 Stunden, schon in 9 Stunden um die eigene Achse drehen. Die Folge wären Stürme von 3-400 Stundenkilometern. Für Menschen von 1,80 m Grösse keine habitable Zone; die Evolution würde diese Wesen auf wenige Zentimetern Höhe schrumpfen lassen. Der Mond wurde bekanntlich zur Anfangszeit der Erde durch einen Asteroideneinschlag herauskatapultiert. Ein glücklicher Umstand in der Erdgeschichte.

Apropos Asteroiden: der Weltraum ist bekanntlich voller Brocken; Millionen davon gibt es allein in unserem kleinen Sonnensystem. Wenn sich also auf einem Planeten Leben entwickeln soll, dann braucht er einige Jahrmilliarden "seine Ruhe". Am besten erledigt diese Aufgabe ein grosser Begleitplanet in der Nähe, der, wie ein Riesenstaubsauger den umgebenden Raum sauber hält, indem er die Asteroiden durch seine enorme Gravitationskraft aufsaugt. Bei der Erde ist dies der Jupiter. Simulationsrechnungen haben ergeben, dass ohne diesen Schutzplaneten die Erde alle 100.000 Jahre von einem Asteroiden von mehr als 10 km Durchmesser getroffen würde. Höheres Leben, insbesondere die Menschen, hätten so nie entstehen können.

Hier will ich meine Aufzählung der einschränkenden Bedingungen für menschliches Leben im Universum beenden. Es gäbe noch eine ganze Reihe und vermutlich eine weitere grosse Anzahl, die gar noch nicht bekannt sind. Als Fazit kann man sagen, dass die Astronomen, Physiker und Biologen heute in dieser Frage viel skeptischer sind als noch vor fünfzig Jahren. Es mag durchaus weiteres menschenähnliches Leben in unserem grossen Universum geben, aber die Zahl bewohnter Planeten wird heute weit geringer eingeschätzt als früher. Ob es fünf weitere gibt oder 100.000 - nobody knows.

Aber einen gibt es ganz sicher!

Donnerstag, 24. Januar 2008

Schaun mer mal.

Würde jemand auf offener Strasse eine Umfrage veranstalten und die Passanten nach dem besten - noch lebenden - deutschen Fussballer befragen, so könnte man das Ergebnis leicht erraten: Franz Beckenbauer, der Kaiser Franz, wäre wohl nicht zu schlagen. Aber was käme heraus, wenn man nach dem besten, gleichfalls noch lebenden deutschen Maler, also bildenden Künstler, fragen würde? Nun, sicherlich ein ziemliches Gedruckse. Viele würden gar nicht antworten können, einige vielleicht zwischen Dürer, Beuys und Baselitz umher irren. Dabei ist die richtige Antwort so einfach: es ist Richter, genauer gesagt Gerhard Richter.

Sie kennen Richter nicht? Das ist ein beträchtliches Manko. Denn Richter ist - nach Meinung der Experten - nicht nur Deutschlands bester Maler, sondern wahrscheinlich der zur Zeit beste auf der ganzen Welt. Wow! Wie kann man solche Anmassungen belegen? Nun, im wesentlichen durch zwei Fakten: Richters Bilder erzielen auf dem Kunstmarkt die höchsten Preise, meistens jenseits einer Million Euro. Neulich übertraf ein Gemälde Richters bei einer Sotheby-Versteigerung in London sogar ein Werk von Raffael - wobei man zugeben muss, dass es nicht Raffaels bestes Stück war. Aber immerhin. Der zweite Masstab sind seine Ausstellungen, insbesondere die Einzelausstellungen. Richter wird eben überall hin eingeladen. Zur Biennale nach Venedig, zur Documenta nach Kassel, zur Moma nach New York, und, und, und.

Derzeit sind Richters Bilder in Baden-Baden zu sehen. Im Museum Frieder Burda, das allein schon immer mal wieder einen Besuch wert ist mit seinen wunderbaren Ansichten, Durchblicken und Ausblicken auf den angrenzenden Park. 57 Werke sind dort versammelt, also etwa 5 % von Richters Gesamtwerk, aber den meisten Epochen entstammend. Und Epochen, oder nennen wir sie Stilrichtungen, gibt es bei Richter jede Menge. So viele, dass man zuerst mal ganz verzweifelt nach der eigentlichen Handschrift des Meisters sucht. Der Laie wird sie kaum entdecken. Gegenständliche Malereien stehen neben abstrakten Farbexplosionen. Fotomalereien und Farbtafeln wechseln sich ab mit beschaulichen Landschaften, Farbschlieren und Schattenbildern. Bei etlichen stellen sich déjà-vu-Erlebnisse ein: verdammt, das hast du doch schon mal bei dem oder jenem Maler gesehen! Richter stört das nicht. Als alle Welt sich dem Abstrakten hin gab, malte er seelenruhig gegenständlich. Zum Beispiel das Schloss Neuschwanstein samt Waldlandschaft. Später, als das Gegenständliche wieder Einzug hielt, wandte er sich der abstrakten Malerei zu. Und kopierte unbefangen manchen seiner Kollegen. Aber: seine Bilder waren immer besser als die Vorlagen. Er setzte gewissermassen noch eins drauf. Richter lehnte es ab, sich auf einen Stil allein festzulegen und damit den Galeristen eine Handschrift zur Wiedererkennung anzubieten. Nein, er ist ein Chamäleon, vielleicht sogar, im Sinne Musils, ein Mann ohne Eigenschaften.

Verlässt man Burdas Museum wieder und betritt die Lichtenthaler Allee, dann bedauert man, dass die angrenzende Kunsthalle sich offensichtlich in einem Dämmerschlaf befindet. Dabei hätte es eine gute Gelegenheit gegeben, auch hier eine "Richter-Ausstellung" zu arrangieren. Denn neben Gerhard Richter gibt es noch einen Ludwig Richter, allerdings schon mehr als hundert Jahre tot. Beide Richters entstammen der Dresdner Schule. Ludwig Richter, ein Zeitgenosse von Caspar David Friedrich, malte auch heute noch sehenswerte Landschaftsbilder, welche man korrespondierend in der Kunsthalle hätte präsentieren können. (Übrigens nicht meine Idee, sondern die meiner Frau Brigitte.)

Donnerstag, 17. Januar 2008

Allerlei Probleme bei der Kernfusion.

Glaubt man den Brüsseler Hochglanzbroschüren, dann ist bei dem weltweit organisierten Projekt zur Kernfusion alles im Lot. Die liebe Sonne wird nachgeahmt, indem man auf Erden zwei Wasserstoffisotope sich vereinigen lässt, wodurch das hiesige Energieproblem auf Äonen hin beseitigt ist. Und - mit Blick auf die schreckliche Kerntechnik - es gibt keinen GAU a lá Tschernobyl und die Entsorgung ist sowieso gesichert.

Aber so einfach ist die Sache natürlich nicht. Jeder seriöse Fusionsforscher, und das sind die meisten, gibt zu, das es in dieser Technologie noch jede Menge Probleme zu lösen gibt. Unter ihnen sind etwa ein Dutzend sogenannter k.o.-Punkte, deren Lösung unabdingbar ist, weil sonst die Strommaschine nicht funktionieren kann. Die Stabilität des Plasmas ist an vorderster Stelle zu nennen, aber auch die Beherrschung der Tritiumtechnologie und die Verfügbarkeit von Werkstoffen, die hohe Strahlendosen aushalten.

Jawohl, richtig gehört, Strahlung gibt es bei der Fusion auch. Sogar Strahlung satt. Manche Schlitzohren verschweigen dies gelegentlich. In dem öffentlich zugänglichen Sachstandsbericht des Forschungszentrums Karlsruhe zur Kernfusion (TAB Nr. 75) steht zu lesen, dass ein Fusionsreaktor mindestens ebensoviel Radioaktivität beinhaltet wie ein Spaltreaktor, möglicherweise sogar um den Faktor 10(!) mehr. Nun ist natürlich Strahlung nicht gleich Strahlung. Es kommt auf die Halbwertszeit an, die biologische Wirksamkeit und anderes mehr.

Und wenn man über die Abwesenheit des Feststoffs Plutonium jubelt, so sollte man nicht das radioaktive Gas Tritium unterschätzen. Das ist auch ein Teufelszeug.

Und noch etwas kann man in dem erwähnten Bericht lesen: während der Betriebszeit eines zukünftigen Fusionsreaktors, das sind etwa 30 Jahre, muss man den Reaktor voraussichtlich 10 mal öffnen und insgesamt 25.000 Tonnen hochradioaktiver Komponenten - im Eiltempo - entnehmen und dafür Ersatz einbringen. Dabei handelt es sich im wesentlichen um Brutkomponenten und Divertoren, welche das Tritium erbrüten und schädliches Abgas fortleiten. Und diese Gewaltaktion soll in 3 bis 6 Monaten beendet sein, da sonst ja die Verfügbarkeit der Anlage leiden würde. Vergleicht man diesen Komponentenaustausch mit dem Abriss eines Kernkraftwerks, so ist letzterer ein Klacks. Und trotzdem dauert der Rückbau eines typischen Spaltreaktors mindestens 5 bis 10 Jahre - wobei nur 2-3.000 Tonnen an Material zu entfernen sind und man ihn vorher noch einige Jahre abklingen lässt.

Natürlich kann man beim Fusionsreaktor diese Intervention nur fernbedient mit eigens (in Japan und England) entwickelten Robotern angehen. Aber diese hat man ja nur an sehr schwach radioaktiven Materialien testen können. In der Realität werden die Blanket- und Divertormoduln nicht nur extrem radioaktiv sein, sondern sie werden auch klemmen oder sogar verschweißt sein, weil die vielen schnellen Neutronen die Diffusion der Materialatome drastisch erhöhen und die Masshaltigkeit der Komponenten verändern. Wir haben dies beim Schnellen Brüter gelernt, aber dort waren die Bestrahlungswerte, gemessen in dpa, noch viel geringer. Der Umbau einer Roboteranlage, auch das haben wir beim Abriss der Spaltreaktoren leidend erfahren, ist nicht in Zeiträumen von Monaten, sondern mit ein oder mehreren Jahren anzusetzen. Wenn das bei den zukünftigen Fusionsreaktoren geschieht, wo bleibt dann aber ihre Verfügbarkeit? Dieser oftmalige Umbau des Herzstücks der Fusionsstromanlage wird zukünftige Betreiber nicht erfreuen. Vielleicht ist das der Grund, weshalb sich die EVU weder personell noch finanziell an der Fusionstechnologie beteiligen.

Der Bau einer Bestrahlungsanlage ("IFMICH") ist geplant und sicherlich notwendig. Das Verhalten der Materialien unter 14 MeV-Neutronen und hohen Dosen kann nicht mehr aus den früher gewonnenen Brüterdaten extrapoliert werden. Wie man hört, soll sie entweder in Japan oder im Forschungszentrum errichtet werden. Dem FZK wäre diese Aufgabe zu gönnen; die vielen dort ansässigen Ingenieure und Materialforscher könnten diese Arbeit sicherlich - technisch - lösen. Aber wäre sie in unserem Lande auch genehmigungstechnisch zu bewältigen? Die jüngsten negativen Erfahrungen mit der Verglasungsanlage an der WAK lassen Zweifel aufkommen. IFMICH würde von der Genehmigungbehörde sicherlich als eine kerntechnische Anlage im Sinne des Atomgesetzes betrachtet und entsprechend rigide behandelt werden.

Die dauernden technischen und terminlichen Umplanungen der Kernfusion, meist von Brüssel verlangt, haben dem Projekt nicht gut getan. In den 90er Jahren wurde ITER von 7 Milliarden Euro auf bare 3,5 Milliarden "abgespeckt", mit der Folge, dass wichtige Komponententests, wie die der Brutblankets weitgehend aussen vor bleiben. Nun sind die Kosten dieser Magerversion trotzdem schon wieder auf 5 Mrd. geklettert und bald werden es wohl wieder die ursprünglichen 7 Mrd. sein.

Eine Schnapsidee besonderer Art ist der sogenannte "Fast Track". Um das Jahr 2025 will man gegebenenfalls die beiden nachfolgenden Grosskraftwerke DEMO und PROTO weitgehend parallel errichten und nicht hintereinander, wie früher geplant. Damit vermeidet man die "50 Jahre in der Zukunft", mit denen die "Fusionäre" bislang immer gefrozzelt werden. Aber was heisst das? 2025 werden erst wenige Betriebserfahrungen aus ITER und nahezu nichts aus IFMICH angefallen sein. Mit so einer rudimentären Datenbasis will man 2 Grosskraftwerke bauen, von denen jedes mindestens 15 Milliarden Euro kosten wird? Bei einer solchen Terminplanung muss Panik eine Rolle gespielt haben. Panik vor der befürchteten gewaltsamen Beendigung des Fusionsprojekts durch die Politik, weil man nicht rechtzeitig liefern konnte.

Die Bruchkanten des Gesamtprojekts zeichnen sich jetzt bereits ab. Das derzeitige Teilprojekt ITER - mit einem Diplomaten(!), keinem Techniker, an der Spitze - hat nicht das notwendige Tempo, sondern dümpelt eher dahin. Viele, zuviele Partner und zuviele Standorte machen eine effiziente Projektkoordination fast unmöglich. Die Chinesen (und die Inder) sind als letzte Partner dem ITER schnell noch beigetreten. Wie man hört "sammeln" sie eifrig die Notizen der anderen Partner mit dem über die Jahre angesammelten know-how. In China haben sie inzwischen eine eigene Tokomak-Anlage errichtet. (Transrapid-Schanghai lässt grüssen!)

Wenn ITER nicht ein grandioser Erfolg wird - und das ist fast unmöglich, weil die Anlage zu klein ist und viele der zentralen Probleme nicht lösen kann - dann wird es ein schnelles Ende des internationalen Fusionsprojekts geben. China und Indien werden aussteigen und in ihren Ländern weitermachen; man hat inzwischen ja genug gelernt und gesehen. Die USA werden sich wieder auf ihre ohnehin mehr geliebte Trägheitsfusion mit militärischer Anwendung zurückziehen und die Russen machen ebenfalls allein weiter. Bleiben die Europäer, zerstritten wie immer - und ohne Geld. Denn 30 Milliarden Euro für den Bau von DEMO und PROTO werden weder die EVU noch die Regierungen spendieren.

Dienstag, 8. Januar 2008

Füttern verboten!

Wer kennt ihn nicht, den ehedem allgewaltigen und wohlgerundeten Generaldirektor der Energiewerke Baden-Württemberg, Herrn Professor Dr. Utz Claassen. Seit einigen Monaten ist er freiwillig zum Frührentner geworden, weil der Aufsichtsrat nicht rechtzeitig seinen Vertrag verlängert hat. Sein (unheimlich starker) Abgang hat Utz zu einer jährlichen Dauerrente von 400.000 Euro verholfen - bis zum 63. Lebensjahr. Was sind wir doch für Schlaffis dagegen, mich eingeschlossen!

Im Jahr 2003 erschien Utz Claassen in Karlsruhe und wurde, angeblich auf Empfehlung des damals noch dahinregierenden BuKa Schröder, Vorstandsvorsitzender unseres regionalen Stromversorgers EnBW. Und sofort stellte er fest, dass das gute alte Badenwerk samt Zusatzgesellschaften ein Sanierungsfall war. Potzblitz! Das hatte bislang niemand in Karlsruhe und Umgebung erkannt. Wie es sich für einen gelernten Sanierer und Controller gehört, entliess er zuerst fast die Hälfte des Personals aus dem Konzern, erhöhte die Strompreise und - siehe da - der Gewinn blähte fortan die Kassen der Firma. Zur Freude der Aktionäre, wovon fast die Hälfte Franzosen sind. Diese liessen sich denn auch nicht lumpen, sondern ernannten Utz noch zusätzlich zum französischen Direktor und der Aufsichtsrat gewährte ihm das sagenhafte Gehalt von viereinhalb Millionen Euro pro Jahr. Sein Vorgänger Gerhard Goll hatte den Job noch für schlappe 1 Mio Euro gemacht.

Aber wir sollten VV Claassen nicht zu sehr beneiden, denn er hat zwei schwere Jahre hinter sich gebracht und möglicherweise stehen weitere bevor. Er wurde nämlich jüngst vor den Kadi, sprich: die 3. Grosse Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe unter dem Vorsitzenden Richter Hans Fischer zitiert. Und das auf Betreiben der Staatsanwaltschaft, deren Gerichtsvertreterin auf den schönen Namen Yasemin Tüz hört. Aber schildern wir die Dinge der Reihe nach.

Es begann in der hektischen Vorweihnachtszeit im Dezember 2005. Herr Claassen hatte 700 Bekannte selektiert, die er mit eigenhändig unterschriebenen Weihnachtskarten erfreuen wollte. (Ich, obschon jahrelang Stromkunde seiner Tochterfirma Yello, war nicht darunter.) Und da die Menschen geschenkegierig, aber eben nicht ranggleich sind,waren, in feiner Abstufung allerlei Geschenke vorbereitet. Schöne Bildbände, Kisten guter badischer und württemberger Weine - und, das Spitzenpräsent: Tickets für Logenplätze der mitte 2006 in Deutschland stattfindenden Fussballweltmeisterschaft. Ministerpräsident Oettinger erhielt solche Eintrittskarten, er schickte sie aber gleich wieder dankend zurück; vielleicht hatte er schon anderweitig welche erhalten, oder er roch den Braten.

Wer dankend annahm und sich ehrlich darüber freute, war Matthias Machnig aus Berlin. Sollten die Leser dieses Blogs noch nichts von ihm gehört haben, so ist das keine grosse Wissenslücke.

Machnig gehört der grauen Masse von circa hundert Staatssekretären an, die vorgeben, in Berlin zu unser aller Nutzen für die Bundesregierung zu werkeln. Als langjähriges SPD-Mitglied ist er im Umweltministerium gelandet, wo er unter Minister Gabriel seinen Dienst versieht. Aber nun kommts: Machnig ist kein politischer Staatssekretär, sondern ein beamteter und unterliegt damit den einschränkenden Beamtengesetzen. Als solcher hätte er allenfalls den berühmten Kugelschreiber oder einen Billigkalender annehmen dürfen - keinesfalls jedoch Tickets im Wert von etwa 2.500 Euro! Deswegen geriet er in die Fänge der Karlsruher Staatsanwaltschaft. Machnig, ein kluger Junge, sah seinen Fehler rasch ein und zahlte eine Art Geldstrafe von ebenfalls 2.500 Euro, womit er seinen schönen Job rettete.

Aber Yasemin und ihre Crew bohrte weiter. Sie fanden heraus, dass der Oberbeamte Machnig in Berlin einen Aufgabenbereich hatte, der ihn zu einem sehr wichtigen Mann für Utz Claassen machte. Machnig war nämlich zuständig für die Sicherheit und Genehmigung der deutschen Kernkraftwerke sowie für den Preis, welchen die Betreiber von Kohlekraftwerken bezahlen müssen, um die Luft verschmutzen zu dürfen. Emissionshandel nennt man dies im Ministerium Gabriel; die Bezeichnung Ablasshandel wäre dafür wohl besser angebracht. Und wenn man sich noch erinnert, dass auch die Kernkraftwerke der EnBW in Phillipsburg und Neckarwestheim nicht immer störungsfrei laufen, so kann sich jeder seinen Teil denken.

Jedenfalls setzte die Staatsanwaltschaft durch, dass Utz Claassen im November 2007 über zwei Wochen der Prozess gemacht wurde. Sie warf dem ex-EnBW-Chef "Vorteilsgewährung" gegenüber dem Beamten Machnig vor, was nach Paragraf 333 des Strafgesetzbuchs mit einer Geldstrafe oder sogar einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren bestraft werden kann. Vorteilsgewährung ist nach dem deutschen Strafrecht eine Vorstufe der Bestechung. Strafbar ist es schon, wenn jemand einem Beamten Geschenke macht; dieser muss gar keine Gegenleistung dafür erbringen. Der Gesetzgeber will damit die sogenannte "Klima - oder Landschaftspflege" verhindern, also das"Anfüttern"von beamteten Entscheidungsträgern mit der wahrscheinlichen Folge, dass es später doch noch zu illegalen Gegenleistungen kommt.

Utz Claassen rückte beim Prozess mit drei deutschlandweit bekannten, professoralen und adeligen, Strafverteidigern an, die durch weitere hochrangige Gutachterkollegen unterstützt wurden. (Würde mich wundern, wenn sie nicht allesamt irgendwo auf meiner Stromrechnung auftauchten.) Und die Juristen waren ihr Geld wert. Sie paukten den Rentner Claassen heraus.

Das Urteil war: Freispruch! Nicht aus Mangel an Beweisen, sondern einfach: Freispruch. Und Claassen setzte sogar noch eins drauf. Strotzend vor Selbstbewusstsein stand er auf der ersten Stufe vor dem Landgericht und kommentierte den zahlreichen Medienvertretern den Prozessausgang mit folgenden Worten: "Meine Damen und Herren, das ist ein Freispruch allererster Klasse." Überflieger Claassen, Abiturnote 0,7 (allerdings in Niedersachsen, nicht in Bayern) gibt sich eben nicht mit halben Sachen zufrieden.

Ich habe den Prozess von der Zuschauerbank verfolgt und mitgehört, soweit dies möglich war. (Es ist eine unglaubliche Missachtung des Souveräns und Steuerzahlers, dass in dem akustisch total misslungenen Schwurgerichtssaal die installierten Mikrofone und Lautsprecher ausgeschaltet waren und das Gericht nur im Flüsterton vernehmbar war.) Besonders gespannt war ich darauf, wie Claassen und seine Anwälte die Versendung der WM-Tickets an Machnig begründen würden. Das geschah folgendermassen: Claassen schilderte über 30 oder 40 Minuten hinweg die Prozedur, wie er in seinem Büro die 700 Weihnachtskarten unterschrieb. Für die wenigen Empfänger der WM-Tickets wurde ein gelber Klebezettel eingeklebt, um sie im angrenzenden Vorstandssekretariat mit den wirklichen Tickets auszutauschen. Und dann passierte das Desaster: auf dem Weg von Claassen zum angrenzenden Sekretariat fielen einige Unterschriftsmappen versehentlich herunter, versehentlich löste sich einer der gelben Klebezettel und klebte sich, justament und ebenfalls versehentlich, in die Weihnachtskarte des Beamten Machnig ein. Die Post wurde anschliessend nicht mehr auf ihre richtige Zuordnung hin kontrolliert, was vermutlich typisch für Vorstandssekretariate ist. Claassens frühere persönliche Referentin befand sich in Mutterschutz und konnte dazu nicht vernommen werden. Für einen Statistiker wäre es reizvoll, die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Vorfalls bzw. Störfalls zu errechnen.

Der Vorsitzende Fischer stellte bei der mündlichen Urteilsbegründung folgenden Leitsatz heraus: "In der Einladung eines Sponsors an hochrangige Amtsträger zu öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen ist grundsätzlich keine strafbare Handlung zu sehen."

Mit Verlaub und im Sinne einer jedem Staatsbürger zustehenden Urteilsschelte, da bin ich anderer Meinung , Herr Fischer. Sponsoring ist ein neues Finanzierungsinstrument, bei dem die Grenzlinie zwischen Legalität, Vorteilsgewährung und dreister Bestechung noch lange nicht gezogen ist und deshalb sollte das Sponsoring meiner Meinung nach endlich juristisch durchleuchtet werden.

Ich finde es deshalb gut, dass die Staatsanwältin Yasemin Tüz und ihre Anwaltsbehörde den Mut hatten, gegen dieses Urteil Revision beim Bundesgerichtshof einzulegen.

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