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Sonntag, 7. Februar 2010

Oettinger can speak English

Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Hermann Oettinger, - als "Landesvater" (wie Edwin Teufel) wurde er bei seinen Untertanen nie geführt - hat das gleiche Schicksal ereilt, wie derzeit viele Mitfünfziger: er muss seinen geliebten Job aufgeben. Aber im Gegensatz zum gewöhnlichen Volk wird er nicht in den Vorruhestand abgeschoben oder gar in die Arbeitslosigkeit mit nachfolgendem Hartz 4 entlassen, sondern er wird demnächst bei der Europäischen Union (EU) in Brüssel als hochrangiger Kommissar einchecken. Dort wird er mit 20.000 Euro pro Monat noch besser entlohnt werden als jetzt schon. Und seine bereits erreichte Politikerpension von 5.000 Euro/M darf er natürlich auch mitnehmen. Wir, das einfache Staatsvolk, brauchen uns also um Günther keine sonderlichen Sorgen zu machen.
Auch die neue Aufgabe als Energiekommissar wird den Juristen und ehemaligen Steuerberater nicht übermässig fordern, denn in der EU ist die Energie seit eh und je eine Angelegenheit der Mitgliedsstaaten, worin die Kommission wenig zu sagen hat. Die Franzosen werden weiterhin ihr 59 Kernkraftwerke betreiben und weitere dazu bauen, die Österreicher werden sich weiterhin ökologisch gebärden (und insgeheim Atomstrom importieren) und wir Deutsche werden - wie seit zehn Jahren beschlossen - unsere 17 Kernkraftwerke stillegen. Oder auch nicht.

Trotzdem, etwas Bammel hat unser Günther doch - und das nicht ohne Grund. Die EU ist bekanntermassen eine Vielvölkerorganisation mit nicht weniger als 23 offiziellen Sprachen. Freilich kann sebst der Herr Präsident Barroso nicht verlangen, dass alle seine Beamten polyglott sind, aber in den Hauptsprachen Deutsch, Französisch und vorallem Englisch sollten sie schon parlieren können. Da hapert es bei Oettinger ganz offenkundig. Seine Stakkato-Sprechweise mit schwäbischer Einfärbung ist selbst im Landesteil Baden kaum verständlich. Über seine Französischkenntnisse ist nichts bekannt, aber Englisch - das behauptet er - kennt er seit seiner Gymnasialzeit in Ditzingen und Korntal. Diese liegt allerdings schon fast vierzig Jahre zurück.

Die allseitigen Zweifel an seinen Sprachkenntnissen wollte der noch-Ministerpräsident offensichtlich bei einer kürzlichen Konferenz der Columbia University in Berlin vom Tisch wischen, indem er (zurÜberraschung aller) eine Rede auf Englisch hielt. Sie geriet zur linguistischen Katastrophe. Denn Oetttinger nuschelte bis zur Unverständlichkeit und es gelang ihm nicht, Worte wie "capable", oder "liberalization", ja sogar "energy", richtig zu prononcieren. Wörter mit mehr als drei Silben, wie "stabilization" oder "infrastructure" überforderten ihn ganz offensichtlich. Zum Abschluss verblüffte er noch mit der Sentenz: "In my homeland Baden-Württemberg we are all sitting in one boat", was beim Auditorium auf ziemliches Gedränge schliessen liess.

Inzwischen tauchte diese Rede im Internetportal "YouTube" auf, und entwickelte sich dort zum Publikumsrenner. Die Kommentare reichen von "Oettinger is stammling English" bis zu "worse than Westerwave", wobei auf einen Politikerkollegen verwiesen wird, der im Englischen ähnlich sprachgewaltig ist.


Video über Oettingers Rede

Dennoch, aus sprachlichen Gründer wird Oettinger in Brüssel nicht scheitern. Dafür sorgen schon die 1.750 Übersetzer und die über tausend Dolmetscher, welche dort in je einer Generaldirektion (!) geführt werden. Die Dolmetscher siedeln sich im Ranking gerne oberhalb der Übersetzer an, ja sie betrachten ihre Tätigkeit als "das zweitälteste Gewerbe der Welt". Zur Begründung können sie auf Historiker verweisen, die berichtet haben, dass Alexander der Grosse, Julius Caesar und Napoleon bei ihren Feldzügen stets von Dolmetschern begleitet waren. Auch in der deutschen Wehrmacht gab es während des 2. Weltkriegs umfangreiche Dolmetscherkompanien. Dem grossen Publikum wurde das Dolmetschen insbesondere durche die Wochenschauen über die Nürnberger Prozesse bekannt.

Es gibt mehrere Arten der sprachlichen Übertragung; die wichtigste ist sicherlich das Simultandolmetschen. Dort wird der Ausgangstext des Redners (fast) gleichzeitig - simultan - durch Dolmetscher in mehrere andere Sprachen übersetzt. Nachsehen im Wörterbuch ist dabei unmöglich; der Dolmetscher muss seinen"Wörtersack" stets mit sich tragen und gut vorbereitet sein. Während meiner aktiven Berufszeit habe ich viele Konferenzen bei der EU in Brüssel miterlebt und dabei festgestellt, dass dies nicht allen Dolmetschern gleich gut gelingt. Insbesondere bei Aufzählungen (wie technischen Stücklisten) kam der eine oder andere gelegentlich schon ins Schleudern. Um nicht aufzufallen bedienen sie sich verschiedener Tricks: sie versuchen die unbekannte Vokabel, so gut es in der Eile geht, zu umschreiben - oder sie lassen diese einfach weg. "In doubt, leave out" ist ein bekannter Kalauer der Simultandolmetscher und das Publikum merkt es in den seltensten Fällen.

Problematisch bei der Übertragung vom Deutschen ins Englische ist der Umstand, das die deutsche Sprache das Verb an den Schluss stellt. Beginnt ein Deutscher seine Rede mit ich habe und fährt dann mit einem langen Zwischenteil fort, so kann er diesen Satz mit zugelassen oder auch nicht zugelassen beenden. Der Dolmetscher muss warten bis das Verb endlich gesprochen wird und rattert dann in erhöhtem Tempo den Satz herunter. Wenn man also seinem Dolmetscher gewogen ist, dann sollte man sinnwichtige Verben möglichst frühzeitig bringen, indem man beispielsweise formuliert: ich habe zugelassen, dass...

Simultandolmetscher sitzen fast immer in schallisolierten Kabinen, die längs der Wände des Konferenzraums aufgereiht sind. Sie hören den Redner über Kopfhörer und sprechen in ein Mikrofon, dessen Signal wiederum zu den Kopfhörern der Konferenzteilnehmer geleitet wird. Üblicherweise wechseln sie sich nach einer halben oder ganzen Stunde ab, denn ihre Arbeit erfordert eine hohe Konzentration und auch die stimmliche Belastung ist nicht zu unterschätzen. Von dem TV-Moderator Roger Willemsen stammt der Spruch: "Dolmetscher sind Höhlenmenschen", womit er nicht unrecht hat, verbringen diese doch die meiste Zeit im Dunkel ihrer Kabuffs.

Dolmetscherkabinen

Wenn Kommissar Oettinger eine hochrangige Delegation aus Japan zu betreuen hat, dann wird er wohl die Dienste eines Konsekutivdolmetschers in Anspruch nehmen. Bei Anlässen dieser Art werden üblicherweise zu Beginn sehr formelle (und wenig informative) Eingangsreden gehalten. Der - meist betagte - japanische Daddy liest seine Rede ab und nach 5 oder auch 10 Minuten legt er eine Pause ein, während der der Dolmetscher konsekutiv (abschnittsweise) übersetzt. Diese Dolmetscher sind wahre Gedächtniskünstler; zur Unterstützung bedienen sie sich einer persönlichen Kurzschrift (kein Steno!) für die Hauptgedanken der Rede.

Schliesslich gibt es noch den Flüsterdolmetscher; dabei handelt es sich um eine Spielart des Simultandolmetschers - aber ohne Einsatz von Technik. Geht Oettinger mit seinem Gast zum Essen, so wird er sich womöglich eines Dolmetschers bedienen, der auf einem Stühlchen hinter ihm und seinen Gast platziert ist und der den üblichen small talk zwischen beiden mit leiser Stimme übersetzt. Ins Ohr flüstern ist sehr anstrengend, obwohl man sich das kaum vorstellen kann; deshalb ist diese Spielart des Übersetzens bei Dolmetschern auch gar nicht beliebt.


Flüsterdolmetschen bei Tisch

Zusammenfassend kann man also feststellen, dass in Brüssel für alle translatorische Probleme bestens gesorgt ist. Im Falle Oettinger könnte jedoch noch ein kleines landsmannschaftliches Problem auftauchen, da der echte Schwabe bekanntlich alles kann - ausser Hochdeutsch. Aber auch dafür hat die Bürokratie der EU etwas erfunden, nämlich das Relais-System: Oettingers Stakkato-Schwäbisch wird einfach ins Hochdeutsche übertragen und von dort aus (deshalb Relais!) weiter in andere europäische Hochsprachen.

Fazit: Günther Oettinger kann kommen.

Sonntag, 9. März 2008

Geschlechtergerechte Sprache

Vermutlich war der gestrige "Weltfrauentag" wiederum ein Riesenerfolg - wie alle Gedenktage dieser Art, die von der Weltorganisation UN ausgerufen werden. Jedenfalls bot er für unsere Politiker und sonstige Öffentlichkeitsarbeiter mal wieder einen willkommenen Anlass in ihren Reden auf die "geschlechtergerechte Sprache" zu achten. Jedes Geschlecht - Mann und Frau - sollen gleichberechtigt in Sprache und Schrift adressiert werden.

Das tat auch ein Gewerkschaftler im 1. Programm des Bayerischen Rundfunk, der mir zufällig zu Gehör kam. Er schimpfte auf die Bundesregierung wegen ihrer Weigerung zur Erhöhung der Angestelltentarife und fügte die Drohung an: "...wenn die Regierung sich weiterhin so stur stellt, dann hat sie die Rechnung ohne den Wirt - und die Wirtin - gemacht." Bravo! Ein Musterbeispiel zur geschlechtergerechten Formulierung am Weltfrauentag.

Die Mahnungen der beamteten Gleichstellungsbeauftragten und Gleichstellungsbeauftragtinnen
in den Ministerien wirken bereits. Einige Verlage schreiben ihren Autoren schon vor, dass ihr Manuskript geschlechtergerecht formuliert sein muss. Der Paartherapeut Jürg Willi verstieg sich zu dem Satz: "Wenn man/frau mit seiner/ihrer Partner/in zusammen leben will, so wird er/sie zu ihr/ihm in ihre/seine oder sie/er in seine/ihre Wohnung ziehen."
Womit er demonstrieren wollte, dass sich dieses linguistische Problem im Deutschen nicht befriedigend lösen lässt. (Übrigens: die Weltsprache Englisch kennt solche gender mainstreaming activities nicht; student ist Student, egal ob männlich oder weiblich.)

Clever sind die Juristen. Sie fügen ihren Gesetzen und Verordnungen am Schluss das simple postscriptum an: "Soweit die männliche Sprachform verwendet ist, gilt obiges auch für die weibliche." Und sind damit aus dem Schneider.

Viel Arbeit steht unseren Feministen und Feministinnen - politically correct ist auch FeministInnen - noch bei der sprachlichen Bereinigung der Literatur bevor. Da hat sich in der Vergangenheit mancher Geistesheroe üble Schnitzer erlaubt. Zum Beispiel Friedrich Schiller, welcher in seiner Ode an die Freiheit laxerweise dichtete : "alle Menschen werden Brüder" - womit er die weibliche Bevölkerung bei dieser wundersamen Transmutation glattweg augeschlossen hat. Und der Gipfel: sein Geniekollege Ludwig van Beethoven nahm diesen geschlechterrechtlich total verunglückten Satz auch noch in seine 9. Symphonie auf!

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