Posts mit dem Label politik werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label politik werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Dienstag, 10. September 2019

Weltmacht USA: Lage, Lage, Lage

Von dem US-amerikanischen Hotel-König Conrad Hilton ist überliefert, dass er auf die Frage nach den drei wichtigsten Kriterien für den Wert einer Immobilie antwortete:
Lage, Lage, Lage.
Tatsächlich ist der Standort (=Lage) das prinzipiell Einzige, welches sich bei einer Immobilie nicht verändern lässt. In der Regel besitzt ein Hotel im Touristenstaat Florida, wegen der Besucherfrequenz, per se einen weitaus höheren Wert, als ein gleichartiges Hotel im abgelegenen, ländlichen Staat Alabama.

Den gleichen Maßstab kann man auch an ganze Ländereien anlegen. Die USA, welche als gewaltiger "Brocken" zwischen den beiden Weltmeeren Atlantik und Pazifik liegt, ist strategisch viel besser plaziert als beispielsweise Deutschland in seiner europäischen Mittellage. (Der Ausgang zweier Weltkriege mag als Beweis dienen). Aber bei dieser Bilanzierung sollte man nicht vergessen, dass den Amerikanern ihr jetziges Heimatland nicht vom Himmel geschenkt worden ist. Stattdessen wurde es im Laufe von fast vier Jahrhunderten den damals regierenden Weltmächten (Briten, Franzosen, Spanier) in harten Kämpfen abgerungen, zum Teil auch durch eine kluge Ankaufspolitik (siehe Alaska) preiswert erweitert oder durch kaltblütige Annektionen (Hawaii) ganz einfach in Besitz genommen. Der zielstrebige Aufbau des Landes USA ist einzigartig in der neueren Geschichte der Menschheit und soll - da damit ein Jubiläum verbunden ist - in geraffter Form und im Rahmen dieses Blogs gewürdigt werden.


Erste Besiedelung Amerikas und die "Mayflower"

Die ersten Europäer kamen zu Anfang des 17. Jahrhunderts an der Ostküste der heutigen USA an. Geplagt durch heimische Religionskriege und Hungersnöte, merkten die Siedler bald, dass sie in ein Schlaraffenland gekommen waren. Die Böden strotzten vor Fruchtbarkeit und überall gab es natürliche Häfen um Schifffahrt zu betreiben. Als besonderes historisches Highlight wird - aus heutiger Sicht - die Ankunft des Schiffes Mayflower auf Cape Cod am 21. November 1620 im Rahmen der amerikanischen Folklore gefeiert. Den Amerikanern steht also nächstes Jahr ein bedeutsames 400er-Jubiläum ins Haus. Die Passagiere der Mayflower (zwei verstarben während der Überfahrt aus England, ein Kind wurde geboren) waren die sogenannten "Pilgerväter" (=Pilgrim Fathers), eine streng religiöse Sekte, welche dem Calvinismus nahe stand.

Der Kapitän des Schiffes nannte sich Christopher Jones und auch viele Passagiere hörten auf typisch englische Namen, wie Smith, Miller, Ferguson etc. So konnte es nicht ausbleiben, dass zahlreiche traditionsbewusste heute lebende Amerikaner (insbesondere aus vornehmen Familien) ihre Abstammung auf einen Passagier der Mayflower zurückführen möchten. Doch diese genealogischen Bemühungen sind nicht schlüssig, denn die Mayflower müsste, angesichts der zahlreichen Namensbewerber die Größe eins mittleren modernen Kreuzfahrtschiffs gehabt haben. Stattdessen war sie nur ein mittelgroßes Segelboot, das gerade mal 102 Passagiere beherbergen konnte.


Der Unabhängigkeitskrieg und die Vertreibung der Briten

Die Besiedlung der amerikanischen Ostküste erstreckte sich über ein knappes halbes Jahrhundert hinweg und geschah unter der politischen Aufsicht des britischen Königsreichs. London strukturierte die 1.600 Kilometer lange Landfläche mit ca. 2,5 Millionen Menschen in 13 sogenannte Kronkolonien, wovon die letzte, Georgia im Süden, 1732 gegründet wurde. Allmählich jedoch wuchs unter den Siedlern der Wunsch nach Unabhängigkeit von Großbritannien, was die Briten aber nur dazu ermuterte, ihren amerikanischen Kronkolonien die Steuern und Zölle zu erhöhen. Die Forderung der Siedler nach angemessener Repräsentation im englischen Unterhaus ("no taxation without representation") überhörte London geflissentlich, denn es benötigte diese Einnahmen um seine Kriege gegen Frankreich zu finanzieren. So kam es im Dezember 1673 zu einem revolutionären Akt, der als die "Bostoner Tea Party" in die amerikanische Geschichte einging: als Indianer verkleidet enterten einige Siedler ein britisches Frachtschiff und kippten einige Tonnen Tee schlicht ins Meer.

London konnte diesen "Aufruhr" nicht zulassen und so kam es zum sogenannten "Unabhängigkeitskrieg" (1775 - 83). Die kampferprobten englischen Krieger waren anfangs in der Übermacht, aber die (heimliche) Unterstützung der Franzosen und das strategische Können des (ehemaligen) preußischen Offiziers Friedrich Wilhelm von Steuben führte 1681 zur Schlacht von Yorktown in Virginia, wo die Briten kapitulieren mussten. Im Frieden von Paris (1683) erkannte Großbritannien die Unabhängigkeit ihrer ehemaligen Kronkolonien an und räumte das Feld.


Der Louisiana-Deal und die Vertreibung der Franzosen

Jetzt waren die Franzosen die unmittelbaren Nachbarn der Vereinigten Staaten. Die Weltmacht Frankreich beherrschte ungefähr das Gebiet, welches heute der "Mittlere Westen" genannt wird. Insbesondere war es der westliche Mississippi bis hinunter nach New Orleans. Damit beherrschte Frankreich den amerikanischen Handel, der über den Golf von Mexiko in die Alte Welt ging, sowie das riesige Gebiet westlich des heutigen amerikanischen Kernlands. Der Präsident Thomas Jefferson schrieb 1802: "Auf diesem Erdball gibt es nur einen einzigen Punkt, dessen Besitzer unser  natürlicher und dauerhafter Feind ist. Das ist New Orleans". Üblicherweise wäre die "Lösung" ein Krieg zwischen Amerika und Frankreich gewesen. Aber die Geschichte meinte es anders. In Europa war Napoleon Bonaparte in arge Geldnot geraten, wegen seiner vielen Kriege gegen die Nachbarländer. Er sanktionierte den Verkauf der gesamten Kolonie Louisiana (viel größer als der heutige Bundesstaat Louisiana!) für den Preis von 15 Millionen Dollar. Nie mehr vorher noch nachher haben die Vereinigten Staaten so viel Land für so wenig Geld bekommen.



"Louisiana Purchase" 1803 (dunkelgrünes Gebiet)
Territorien bis 1810 (hellblau)
Gebietsansprüche (hellgrün)

Das Territorium Louisiana war ein Gebiet so groß wie die modernen Länder Spanien, Italien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland zusammen. Im Großraum des Mississippibeckens gibt es mehr schiffbare Flusskilometer als im Rest der Welt zusammen. Nirgendwo sonst gibt es so viele Flüsse, die nicht im Hochland entspringen und deren Wasser über so weite Entfernungen (bis zu 3.000 km!) ruhig bis zum Meer fließen. Somit sind diese Flüsse der natürliche Kanal für den ständig wachsenden Handel, führen im Süden zum großen Hafen New Orleans und ermöglichen allen Anliegern die Nutzung von Wasserwegen, was um ein Vielfaches billiger ist als der Transport auf Straßen. Und: die Franzosen waren de facto aus dem Land getrieben.


"Go west, young man" und die Vertreibung der Spanier

Nachdem 1814 die Briten abgezogen waren und die Franzosen Louisiana aufgegeben hatten, war die amerikanische Politik darauf ausgerichtet auch die Spanier - das letzte verbliebene Weltreich - zum Gehen zu bewegen. Im ersten Schritt kaufte man ihnen Florida ab, ein ziemlich großes Territorium. Dann erlaubten die Spanier den USA den teilweisen Zugang zum fernen Westen nördlich des 42. Breitengrads. Ein Problem war Mexiko. Hier ermunterte man die Neuankömmlinge sich in Texas niederzulassen, wodurch schließlich in der Texanischen Revolution 1835/36 die Mexikaner aus diesem Gebiet vertrieben wurden. Im nachfolgenden Krieg gegen Mexico 1846-48 überwältigte man den südlichen Nachbarn, der nun akzeptieren musste, dass sein Staatsgebiet am Südufer des Rio Grande endete.

Mit Kalifornien, New Mexico und der Region, die heute Arizona, Nevada, Utah und einen Teil von Colorado umfasst, handelt es sich in vieler Hinsicht um natürliche Grenzen. Im Süden fließt der Rio Grande durch eine Wüste, im Norden liegen große Seen und Felsengebirge, wo vor allem in der Ostküste des Kontinents wenige Menschen dicht an der Grenze leben. Und im Westen und Osten gibt es große Ozeane. Nichts mehr bedroht diese USA. Der Goldrausch 1848/49 (nachzulesen bei Jack London) war hilfreich, aber die Einwanderer zog es ohnehin in den Westen. "Go west, young man, go west" war der Schlachtruf. 1867 kaufte man dem klammen Russenzar Alaska für 7,2 Millionen Dollar ab. Zehn Jahre später nahm die transkontinentale Eisenbahn den Betrieb auf. Nun konnte man das ganze Land in einer Woche durchqueren. In weiteren Kriegen beziehungsweise Scharmützeln erlangte man den (zeitweiligen) Besitz der Inselgebiete Puerto Rico, Guam,Kuba und die Philippinen. Die Hawaii-Inseln wurden einfach annektiert und 1903 unterschrieben die USA einen Vertrag mit Exklusivrechten am Panamakanal. Die Vereinigten Staaten waren als Großmacht auf der Weltbühne angekommen.


Grönland - das Tüpferl aufs i

Immobiliengeschäfte, insbesondere wenn es um ganze Ländereien geht, sind heute viel schwieriger abzuwickeln, als noch vor fünfzig oder hundert Jahren. Das musste selbst der weltweit prominenteste Immo-Händler, der US-Präsident Donald Trump, erkennen. Er wollte den Dänen, am Rande des kürzlichen G7-Treffens in Biarritz die Felsen- und Eisinsel Grönland abschwatzen - und blitzte dabei ab. Die Dänenkönigin Margarete und ihre Ministerpräsidentin Mette Frederiksen lehnten bereits im Vorfeld glatt ab, sodass Donald, deutlich verschnupft, den Abstecher nach Kopenhagen erst gar nicht antrat. Dieses Eiland, nahe am Nordpol gelegen, wäre für die USA als "Blocker" gegen Russland von strategischer Bedeutung gewesen und außerdem vermutet man dort allerhand wertvolle Mineralien vom Erdöl bis zu Seltenen Erden.

Aber die Messe um Grönland ist noch lange nicht gelesen. Die 50.000 Ureinwohner, welche zum Teil die Politik mitbestimmen, könnten in 10 oder 20 oder 30 Jahren sehr wohl für die Angliederung an die mächtige USA stimmen - und das Mutterland Dänemark stünde mehr oder minder nur noch als Zaungast daneben. Dänemark dürfte sich allerdings wohl auf einen (einstelligen?) Milliardenbetrag freuen und könnte fortan die jährlich 600 Millionen Euro Hilfsgelder für die ferne Insel sparen. Einen Fuß haben die Amerikaner bereits in der Tür mit einer mächtigen Raketenstation, die seit Jahren auf Grönland platziert ist. Da kann in Zukunft noch manches hinzu kommen.
Wait and see!


Grönland und USA (nach Google Maps)
Fläche Grönland: ca. 2 Mio Quadratkilometer
Fläche USA: ca 10 Mio Quadratkilometer

Montag, 13. Mai 2019

Das Ende der Kaderschmiede ENA

Wer in Frankreich eine Karriere anstrebt, die ihm eine ranghohe Position in Politik, Verwaltung oder Wirtschaft (nahezu) garantiert, für den (oder: die) gibt es einen Ausbildungskanon. Idealerweise besucht man die Gymnasien Louis le Grand oder Henri IV in Paris, studiert anschließend Sciences Po oder an der Ecole Polytechnique und qualifiziert sich dann im Wettbewerb für die Aufnahme an der Verwaltungshochschule École National d´Administration, bekannt unter dem Akronym ENA. Zwar schaffen nur zwei Prozent der ENA-Absolventen eine politische Karriere, aber:
darunter ist die Hälfte der französischen Präsidenten der V. Republik.


Die ENA - ein Fahrstuhl nach oben

Die École National d´Administration (deutsch: Nationale Hochschule für Verwaltung) ist eine Grande École, die traditionell die Elite der französischen Verwaltungsbeamten ausbildet. Sie wurde am 9. Oktober 1945 von Charles de Gaulle ins Leben gerufen, um den Aufbau einer von der Vichy-Vergangenheit unbelasteten Verwaltung zu ermöglichen. Der Standort der Hochschule war zunächst Paris; 1992 wurde sie teilweise, 2005 in Gänze nach Straßburg in das ehemalige Kloster Sainte Marguerite verlegt. In einem strengen Auswahlverfahren werden jährlich ca. 100 bis 120 Kandidaten zum zweijährigen Studium an der ENA zugelassen, wovon allerdings nur 6 Prozent der Arbeiterklasse entstammen. Im Verlaufe des gut 70-jährigen Bestehens der Schule hat die ENA ca. 7.000 Absolventen hervorgebracht. Das Curriculum sieht unter anderem Vorlesungen in Recht und Wirtschaft vor, sowie die Vermittlung von Verwaltungs- und Verhandlungstechniken.


Prominente ENA-Absolventen

Die besten ENA-Absolventen werden anschließend Inspecteur des Finances bevor sie in Spitzenpositionen der Wirtschaft oder der öffentlichen Verwaltung wechseln. An der Spitze der großen französischen Wirtschaftsunternehmen stehen fast ausschließlich ENA-Absolventen. Das unterscheidet sie von deutschen Unternehmen, wo die Unterschiede zwischen dem Vorstandssprecher meist ähnlich gering sind, wie die zur nächsten oder übernächsten Führungsebene. Der wesentliche Auswahlprozess findet bei diesem "Fahrstuhl in die oberste Führungsetage" schon bei der oben genannten Zulassung statt. Wer einmal diesen Numerus Clausus geschafft hat und innerhalb seines Jahrgangs nicht allzu schlecht abschneidet, dessen berufliche Zukunft ist für die nächsten Jahrzehnte gesichert.

Unter den Enarchen, (ein Spottwort für die ENA-Absolventen im Anklang an die Monarchen früherer Zeiten)) ist "Netzwerken", also das gegenseitige Hochhieven in Führungspositionen, angesagt und wird auch mit Inbrunst betrieben. Ein gutes Beispiel dafür ist der aktuelle französische Staatspräsident Emmanuel Macron. Er war ENA-Absolvent des Jahrgangs 2004, nach der ENA-Klassifikation in der "Promotion Léopold Senghor". Nach seiner Ernennung hat er umgehend die beiden Enarchen Éduard Philippe und Bruno le Maire zum Premierminister bzw. zum Finanzminister befördert.  Weitere einflussreiche Enarchen im Umfeld von Macron sind der Gouverneur der Banque de France, die Direktorin des Radiosenders Radio France, der Präsident des Verfassungsrats und der Chef der Großbank Société Generale. In keinem anderen europäischen Land lässt sich die Führungselite in Politik, Wirtschaft und Verwaltung so einfach mit drei Buchstaben beschreiben.

Historisch interessant ist, dass fast zeitgleich mit der Gründung  der ENA in Paris, im Sommer 1946 die französische Militärregierung in ihren Besatzungsgebiet die Entscheidung zu Gründung einer "École Supérieure d ´Administration" in Speyer traf. Die Besatzungsmacht betrachteten dies als Teil eines "Umerziehungsprozesses", der vor allem gegen das Land "Preußen" gerichtet war. Ostelbische Beamte, besonders die Juristen, galten als Hauptstützen von Hitlers Nationalsozialismus. Die 1:1-Übernahme der ENA-Kriterien gestaltete sich jedoch schwierig bis unmöglich, sodass es erst am 11. Januar 1947 zur offiziellen Gründung die Hochschule kam - unter der (jetzigen) Bezeichnung "Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer". Auch im Lehrplan gingen die Speyerer ihren eigenen Weg. Sie wollten keine "kleine ENA" sein, sondern in der Tradition der deutschen Universitäten stehen. Typisch dafür waren Vorlesungen im öffentlichen Rechnungswesen, wo der spätere Rektor Klaus Lüder innovative Wege zu ihrer Reform auf kommunaler Ebene aufzeigte.


Die Abschaffung der "Enarchie"

Die ENA sollte ehedem den Filz und die Seilschaften in der Staatselite beenden. Denn zuvor entschied jedes Ministerium selbst, wen es einstellen wollte. Das führte dazu, dass Franzosen ohne "Beziehungen" fast chancenlos waren, einen hohen Verwaltungsposten zu besetzen. Mit dem - formal - allen zugänglichen Auswahlverfahren der ENA sollte eine Art demokratisch legitimierter "Staatsadel" herangebildet werden. Damit war man in den Wirtschaftswunderjahren nach dem Krieg ziemlich erfolgreich. Später jedoch degenerierte die ENA zur Brutstätte einer abgehobenen politischen Führungskaste. Ihre Vertreter mussten Schmähungen wie "Mandarine der Republik" hinnehmen.

Und das keineswegs zu Unrecht. Denn die Enarchen benahmen sich - insbesondere in der Provinz - oftmals wie kleine Könige, um nicht zu sagen wie "Sonnenkönige". So stand nicht selten schon beim offiziellen Besuch eines bloßen Staatssekretärs der Präfekt der Region in Uniform am Flughafen oder Bahnhof stramm zur Abholung des "hohen Gastes" bereit und begleitete diesen mit einer laut lärmenden Motorradkavalkade zur Provinzkapitale. Alle Straßenkreuzungen waren gesperrt und die "Normalsterblichen" mussten in ihren Autos warten.

Es war deshalb kein Wunder, dass man in den "Beschwerdebüchern", die Macron zur Vorbereitung seiner Rede an die Nation in allen Rathäusern auslegen ließ,  überall die Forderung "ENA abschaffen" lesen konnte. Insbesondere die "Gelbwesten" hatten sich auf dieses Thema kapriziert und der Präsident konnte nicht umhin, eine harte Entscheidung zu treffen. In dieser Zwangslage entschloss er sich, die Elitehochschule in Straßburg zu schließen - gegen den heftigen Widerstand fast aller Betroffenen.
Ob die Abschaffung der ENA die französische Verwaltung und Wirtschaft stärken oder schwächen wird, bleibt abzuwarten. Verändern wird sie sie auf jedem Fall. 

Sonntag, 14. April 2019

Die Neue Chinesische Seidenstraße - ein Trojanisches Pferd ?

Es ist noch keine vier Wochen her, da präsentierte sich die Stadt Rom in ungewohnter Weise aufgeräumt und proper wie seit Jahren nicht mehr. Keine Abfallberge waren in den Straßen zu sehen und um die weltberühmten Bauten floss der Verkehr ungehemmt und zügig, da er von den Behörden entsprechend ausgedünnt war. Der Grund:  Xi Jinping, der mächtige Präsident von China (samt seiner liebreizenden Gattin Peng Liyuan) hatten sich zum Staatsbesuch in der römischen Hauptstadt angesagt, um weitreichende Wirtschaftsverträge zu unterzeichnen, welche das EU-Mitglied Italien auch zum Mitglied der sogenannten Neuen Chinesischen Seidenstraße machen sollte.

"Elegantissima" war auch im römischen Quirinalspalast angesagt, dem Amtssitz des italienischen Präsidenten. Der Hausherr Matarella empfing die weitgereisten Gäste mit vollem protokollarischem Zeremoniell, einschließlich der Ehrengarde zu Pferd, die gewöhnlich nur zu Königsbesuchen und zuletzt 2010 aus Anlass des Besuchs des damaligen Papstes Benedikt XVI zum Einsatz kam. (Der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde diese Ehre nie zuteil). Beim abendlichen Empfang der mitgereisten 300 Wirtschaftsgrößen trat der Startenor Andrea Bocelli auf und unterhielt die Gäste mit Bravourarien wie Schuberts "Ave Maria" und Puccinis "Nessun Dorma". Unter ihnen befand sich der 27-jährige Milliardär Zhang Kangyang, seit drei Jahren Eigentümer des traditionsreichen italienischen Fußballclubs Inter Mailand.


Italien und China spalten die Europäische Union

Derzeit findet die sogenannte 16+1 - Wirtschaftskonferenz in Dubrovnik statt. Für das kleine Land Kroatien ist dies ein herausragendes Ereignis. Über 1.000 Unternehmer aus China und 16 weiteren mittel- und osteuropäischen Staaten sind unter der Führung des chinesischen Ministerpräsidenten Li Kepiang zusammengekommen, um vor allem Infrastrukturprojekte, wie Straßen, Brücken und Häfen, zu besprechen. In Kroatien geht es beispielsweise um die Peljesac-Brücke im Süden des Landes, ein Vorhaben, das insgesamt mehr als eine halbe Milliarde Euro kostet und zum Teil von den Chinesen finanziert werden soll. Aber nicht umsonst: diese Kredite müssen ( nicht wie zumeist aus Brüssel) haarklein zurückbezahlt werden.  Außerdem werden die Bauarbeiter zu Tausenden aus China eingeflogen und schaffen dadurch keine regionalen Arbeitsplätze. Beschäftigt werden fast nur chinesische Firmen mit eigenen Arbeitern. Die Schuldenfalle ist vorprogrammiert. Ohnehin verschuldete Staaten geraten so in noch größere Abhängigkeit. Die vorherige Erkundigung bei einigen asiatischen und afrikanischen Staaten wäre lohnend.
Fazit:  der 16+1 - Prozess ist ein Spalterformat nach dem Motto:  teile und herrsche.

Noch kritischer ist der Beitritt Italiens zur Seidenstraße zu bewerten. Hier handelt es sich erstmals um ein G7- Mitglied, also um ein (vormals!) wirtschaftsstarkes Land. Inzwischen haben teure Wahlgeschenke, wie Bürgergeld, Frührente und Einheitssteuersatz (ohne jegliche Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen) das Land Italien an den Rand der Pleite gebracht. Beim oben beschriebenen Besuch bot Italien den Chinesen nicht nur wirtschaftliche Gelegenheiten im eigenen Land, sondern sogar (indirekt) in ganz Europa. Nur mit italienischen Offerten für Investitionen und Exporte nach China wäre Peking sicherlich nicht zufrieden gewesen. Stattdessen will China in Italien eine logistische Plattform schaffen, um von dort aus günstig gelegene Häfen in ganz Europa mit chinesischen Produkten zu versorgen. Gemessen an diesem strategischen Interesse haben die Italiener allerdings sich selbst und damit auch Europa viel zu billig verkauft.
Aber:  die beiden maßgeblichen Parteichefs Di Maio (Fünfsterne) und Salvini (Lega) wünschen sich ohnehin ein anderes Europa. Nämlich: mit Freibrief für unbegrenzte Defizite und bedingungslose Schulden.


Konfuzius-Institute und Universitäten

Im Jahr 2004 begann die chinesische Regierung mit einer weltweiten Propaganda-Offensive. Sprache und Kultur sollten der Bevölkerung in anderen Ländern nahe gebracht werden. Für die Sprachkurse wurden vereinfachte Kurzzeichen kreiert; auf dem Lehrplan standen anfangs Literatur, Philosophie, Kalligraphie, Medizin und chinesische Küche. Organisiert wurde dies über die sogenannten Konfuzius-Institute, benannt nach dem auch im Westen bekannten Philosophen Konfuzius (551 - 479 v. Chr.). Interessant ist, dass der Namensgeber Konfuzius während des gesamten 20. Jahrhunderts von der damaligen chinesischen kommunistischen Partei als Vertreter des "feudalen Chinas" diskreditiert worden war. Aber offensichtlich fanden politisch passendere Persönlichkeiten, wie Mao Zedong, außerhalb Chinas keinen Anklang.

In Deutschland gibt es derzeit 19 Konfuzius-Institute. Sie sind fast ausschließlich bei Universitäten, wie der Freien Universität Berlin oder der Universität Bonn, angegliedert. Die jüngste Gründung erfolgte im Mai 2017 an der Technischen Hochschule Ingolstadt. Nicht im Einklang mit der akademischen Freiheit hierzulande ist die Tatsache, dass an den Konfuzius-Instituten Themen, wie Tibet, Uiguren, Taiwan etc. weitgehend ausgeblendet werden. Auch die Finanzierung der Institute ist alles andere als transparent. In den USA wird deshalb vermutet, dass sie über die kommunistische Partei in China erfolgt. Deshalb werden diese Institute dort als ein Versuch der Volksrepublik China angesehen, politisch "Soft Power" - Ziele weltweit zu verbreiten.


Ausländische Studierende nach Ländern (Top 20 von 117)

Bemerkenswert ist der große Zulauf chinesischer Studenten an deutschen Universitäten. Beispielhaft genannt sei die frühere Technische Hochschule Karlsruhe (TH), seit ca. zehn Jahren bekannt unter ihren offiziellen Namen "Karlsruher Institut für Technologie" (KIT). Am KIT, einer mit ca. 25.000 Studierenden allenfalls mittelgroßen Universität, waren im Jahr 2017 nicht weniger als 2065 Studenten der VR China eingeschrieben. Unter den Top 20 Studierenden befand sich kein einziger Student aus den USA oder Großbritannien. Dies erstaunt vor allen deswegen, weil die frühere TH bei ihrer Umgründung zum KIT eine Namensanleihe bei dem berühmten "Massachussetts Institute of Technology" machte - abgekürzt MIT.

Man möchte das Präsidium des KIT fragen, worauf dieser Andrang chinesischer Studenten beruht und ob der know how-Austausch noch einigermaßen balanciert ist.


Sonntag, 10. Februar 2019

BREXIT oder "Viel Lärm um nichts"

Wenn William Shakespeare nicht vor 500 Jahren gelebt hätte, sondern in der Jetztzeit, dann hätte er seine Dramen wohl ganz anders konstruiert. Zum Beispiel die Komödie "Much ado about nothing", uns Deutschen unter dem Titel "Viel Lärm um nichts" bekannt. Dieses Theaterstück hätte dann vermutlich nicht in Florenz am Hof eines Adeligen gespielt, sondern im britischen Unterhaus. Und im Mittelpunkt wäre dann nicht die Hochzeit von Claudio mit Hero gestanden samt all ihrer Verwirrungen, hervorgerufen durch den Intriganten Don Johns, dem illegitimen Bruder des Königs von Aragon.

Im Londoner "House of Commons" hätte Shakespeare all die Charaktere vorgefunden, welche zur maximalen Konfusion hätten beitragen können. So etwa den blondhaarigen und stets ungekämmten Zausel Boris Johnson, früher einmal Bürgermeister von London, der wochenlang vor dem Brexit-Referendum mit einem Doppeldeckerbus umher fuhr auf dem krass falsche Zahlen aufgemalt waren. Oder den glattgekämmten, aber einflussreichen Abgeordneten Rees-Mogg und den wurstigen ex-Premier David Cameron, der seine Briten durch einen schlampig formulierten Text zum Referendum in die politische Irre laufen ließ. Alles "Eton-Boys", also Absolventen des berühmt-berüchtigten Gymnasiums, für das die upper-class-Eltern bereit sind, schon mal 50.000 Euro pro Jahr an Schulgeld hinzublättern.


Theresa May versucht das Unterhaus zu überzeugen

Denn was soll man von einem Parlament, wie dem "Lower House" halten, das in Dutzenden von Abstimmungen nicht in der Lage war, eine Position zum Vertragswerk der Premierministerin zu beziehen. Und das, obwohl der Brexit-Vertrag mehr als zwei Jahre lang zwischen Brüssel und London ausgehandelt worden war. 660 Seiten, nebst tausend Seiten Anhang wurden dabei Wort für Wort durchdekliniert und danach von den 27 EU-Staaten abgesegnet. Und nun wurde, Ende Januar, dieses Opus von Unterhaus mit großer Mehrheit abgeschmettert. Der Gipfel dabei war, dass die Abgeordneten selbst nicht in der Lage waren auszuformulieren, was sie denn stattdessen wollten. Dies konnte auch der "Speaker des House of Commons" , der bräsige John Bercow nicht vermitteln, welcher ansonsten beträchtliches clowneskes Talent offenbarte.


Vier Optionen

Auf welchen Vertragstext sich London und Brüssel schließlich doch noch einigen könnten, ist derzeit schwer absehbar. Es gibt zu viele Klauseln, an denen der Text noch in Maßen variiert werden könnte. Im Überblick lassen sich diese potentiellen Veränderungen auf vier Optionen zusammenfassen. Als mögliche Szenarien sollen sie kurz beschrieben werden. 

Option 1: London nimmt den Vertrag doch noch an.

Denn es gibt noch 6 Wochen Zeit bis zum geplanten Austrittsdatum am 29. März 2019. Eigentlich genug Zeit, um renitente Unterhaus-Abgeordnete zur Vernunft kommen zu lassen. Vor allem, weil inzwischen der Druck der Wirtschaft erheblich geworden ist und stetig zunimmt.
Prognose: Dieser Deal ist möglich, aber derzeit nicht sehr wahrscheinlich. 

Option 2:  Der Vertrag wird nachverhandelt

Insbesondere über den sogenannten "Backstop" könnte man nochmals verhandeln. Diese Klausel sieht vor, dass Großbritannien so lange in der Zollunion und Nordirland so lange im Binnenmarkt verbleibt, bis sich London und Brüssel auf einen Freihandelsvertrag geeinigt haben. Die gemeinsame Sorge ist allerdings, dass in der ehemaligen Bürgerkriegsregion die Kämpfe wieder aufflammen könnten. 
Prognose: Einigung kompliziert und nicht sehr wahrscheinlich. 

Option 3: Der Brexit wird aufgeschoben.

Derzeit streben beide Partner keinen Aufschub an. Der Druck könnte jedoch so stark werden, dass dies bald die einzige Option sein könnte, welche einen harten Brexit und eine Chaos- Situation vermeiden lässt. 
Prognose: Ein Aufschub um wenige Wochen ist denkbar.

Option 4: Harter Brexit oder No Deal

Gelingt es Theresa May nicht, eine Mehrheit im Unterhaus zu erreichen, dann folgt automatisch der ungeregelte Austritt, also der harte Brexit. Die wirtschaftlichen Folgen wären vor allen für das Vereinigte Königreich verheerend.
Prognose: Dieser ungewollte GAU ist nicht unwahrscheinlich.

In dieser Situation sollten wir Kontinentaleuropäer stoische Ruhe bewahren und sagen:

"Laßt sie ziehen, diese Briten"

Sonntag, 11. November 2018

Ausgemerzt?

Friedrich Merz wird nicht begeistert gewesen sein, als am Dienstag vergangener Woche zahlreiche Staatsanwälte und Finanzbeamte in seiner feudalen Münchener Residenz Lenbachplatz 1 anrückten um eine Razzia durchzuführen. Für den Aufsichtsratschef des deutschen Ablegers der weltweit größten Fondsgesellschaft BlackRock war die Durchsuchung und Beschlagnahme vieler Akten und Computer sicherlich mehr als peinlich, obwohl die veranlassende Justizbehörde Köln gleichzeitig kund tat, dass gegen Merz selbst "kein Verdacht einer Straftat" vorläge. Stattdessen stünde die Aktion im Zusammenhang mit illegaler Finanztransaktionen der Jahre 2007 bis 2011, die Experten unter den Kürzeln Cum-Cum und Cum-Ex bekannt seien. Merz konnte zu seiner Entlastung immerhin vorbringen, dass er erst seit 2016 den Posten eines Aufsichtsratschef bei BlackRock inne habe.

Aber die Vorwürfe gegen seine Firma wiegen schwer: der Vermögenverwalter BlackRock soll viele Jahre lang dubiose Aktiengeschäfte betrieben haben, wodurch der deutsche Fiskus um Milliardenbeträge geschädigt wurde. Was dieser Durchsuchung ihre besondere Publizität verleiht, ist die Tatsache, dass Friedrich Merz, erst wenige Tage vorher seine Kandidatur als Nachfolger von Angela Merkel bekannt gegeben hat. Mithin muss er nun seine "Unschuld" nicht nur gegenüber der Justiz, sondern auch gegenüber den tausend Delegierten beweisen, welche ihm in vier Wochen zum CDU-Chef wählen sollen.



Betrügereien bei Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäften

Die Betrügereien im Wertpapierhandel entstehen dadurch, dass große Aktienpakete im Wert von über hundert Millionen Euro von Finanzinvestoren über Banken erworben werden und (an gewissen Stichtagen) oftmals über "Strohmänner" zwischen Deutschland und beispielsweise Panama verliehen und hin und her transferiert werden. Dabei verlieren die deutschen Finanzämter nicht selten den Überblick und erstatten die Körperschaftssteuer nicht nur einmal - was legitim ist - sondern zweimal, ja sogar oftmals - was zum Betrug im deutschen Steuersystem in Milliardenhöhe führte. Skrupellose Geschäftemacher schicken ihre Aktienpakete wie wild über den Globus, einmal mit Dividendenberechtigung ("cum"), einmal ohne ("ex), tricksen dabei die simplen Computer des Fiskus aus und machen fette Rendite auf Kosten der deutschen Steuergemeinschaft. Die wichtigsten Betrugsmaschen laufen unter den Bezeichnungen Cum-Cum und Cum-Ex, aber in der Zwischenzeit gibt es schon eine Vielfalt von Modellen dazwischen.

Bei den Cum-Cum-Geschäften wollen Ausländer den Abzug der Kapitalertragssteuer vermeiden und sich - gegenüber den Finanzbehörden - wie (deutsche) Inländer gerieren. Dazu wird die Aktie des Ausländers an einen Inländer (zumeist eine Bank) mit Dividendenanspruch (lateinisch: cum) verkauft. Der Inländer vereinnahmt die Dividende, holt sich die Kapitalertragssteuer vom Finanzamt ab und gibt die Aktie samt Dividende (abzüglich einer Provision) zurück an den Ausländer.

Bei den Cum-Ex-Geschäften wird eine Lücke im Abwicklungssystem der Deutschen Wertpapiersammelbank ausgenutzt, um eine einmal abgeführte Kapitalertragssteuer mehrfach erstattet zu bekommen. Die daran beteiligten Banken behaupten einfach, sie könnten nicht erkennen, wer bei solchen Vielfachtransaktionen dividendenberechtigt ist und somit Anspruch auf Rückerstattung der Kapitalertragssteuer habe. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob ein komplettes Aktienpaket gleichzeitig mehrere Eigentümer haben kann, was natürlich Unsinn ist.

Zu den Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäften gibt es viele juristische Gutachten hinsichtlich ihrer Legalität. Aber am Ende gilt jedoch der einfache gesunde Menschenverstand, nämlich, dass es nicht legal sein kann, sich eine Steuer, die man nur einmal gezahlt hat, vom Fiskus mehrfach zurückerstatten zu lassen.--- Zum Schluss noch ein Hinweis: die oben beschriebenen "Geschäfte" können nur von sehr, sehr reichen Finanzleuten getätigt werden. Der normale Privatmann, der unter Aufbietung all seiner finanziellen Ressourcen gelegentlich fünf Daimler-Aktien kauft, ist aus diesem elitären Kreis ausgeschlossen. Dieser kleine Mann bekommt vom zuständigen Finanzamt auch seinen 25-prozentigen Dividendenabschlag nicht zurückerstattet!


BlackRock und Friedrich Merz

Die Firma "BlackRock Incorporated" (deutsch: schwarzer Fels) ist die größte Vermögensgesellschaft der Welt. Sie verwaltet Aktien im Wert von 6.000 Milliarden Euro, darunter auch 5 Prozent aller DAX-Papiere. Mehr als jedes Konkurrenzunternehmen ist BlackRock in der Lage, große Mengen  Wertpapiere an Dritte, also Finanzinvestoren, auszuleihen. Im Prospekt ihrer Indexfirma Ishares ist deshalb auch folgendes nachzulesen: Der gesamte Bestand des Fonds an Wertpapieren kann auf unbestimmte Zeit als Wertpapier-Darlehen an Dritte übertragen werden. Im Gegenzug streicht Ishares Gebühren ein; vom Juli bis September 2018 waren das immerhin 160 Millionen Euro.

Was die Investoren mit den geliehenen Papieren tun, bleibt weitgehend im Dunkeln. Nicht selten werden sie für Geschäfte verwendet, die in der Öffentlichkeit als "Schmuddelkram" gelten. So nutzen die "Heuschrecken" Hedgefonds sie beispielsweise für Leerverkäufe, wo auf fallende Kurse gewettet wird. Sollte sich zeigen, dass mit den entliehenen Aktien im großen Stil auch Cum-Ex-Geschäfte gemacht wurden, dann könnte BlackRock/Ishares - und mit ihnen auch Friedrich Merz - in Erklärungsnot geraten, denn man könnte ihnen vorwerfen, dass sie ihren Geschäftspartnern nicht genau genug auf die Finger gesehen haben.

Fraglich ist aber, ob Merz als Aufsichtsratsvorsitzender des deutschen Ablegers von BlackRock überhaupt die "Macht" hat, an jahrelang eingelaufenen und lukrativen Geschäftsvorgängen etwas zu ändern. Denn der wirkliche Chef von BlackRock sitzt in New York und heißt Larry Fink. Er hat die Firma 1988 gegründet und gilt als beinharter "Kapitalist". Von ihm ist nicht bekannt, dass er übermäßig "moralische Maßstäbe" an sein Tun anlegt. Vielleicht hatte Merz in seinem täglichen Wirken in der Münchener Lenbachstraße 1 also gar nicht den operativen Spielraum, den man hinter dem imposanten Titel "Aufsichtsratsvorsitzender" vermuten könnte.

Egal, wie es wirklich ist: Friedrich Merz trägt bei BlackRock jedoch formal eine hohe Verantwortung und wird seine Tätigkeiten auf den kommenden acht Regionalkonferenzen erklären müssen, bevor er sich in vier Wochen als Merkel-Nachfolger zur Wahl stellt. Die wahlberechtigten Delegierten werden genau hinhören, denn eines darf keinesfalls passieren: dass sich einige Monate später herausstellt, dass Friedrich Merz tatsächlich in betrügerische Finanztransaktionen verwickelt war.

Es wäre der politische Super-Gau für die CDU.


Montag, 5. November 2018

Ausgemerkelt

Es geschehen noch Zeichen und Wunder!
Am Tag nach der (für die CDU) ziemlich vergeigten Hessen-Wahl, erklärte die Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass sie für die Wahl zur Parteivorsitzenden anfangs Dezember nicht mehr antreten werde. Also kein "Weiter so", wie praktisch allseits erwartet, stattdessen ein "Danke, das war´s". In Bezug auf die Kanzlerschaft tat sie kund, dass sie "bereit" sei, die Regierungsgeschäfte bis zum Jahr 2021 fortzuführen. Dass sie darum "kämpfen" würde, hat sie nicht gesagt. Ihre Rede klang wie der große Einstieg zum großen Ausstieg: die Ära Merkel kommt zum Ende. Aber es ist ein Rücktritt in Raten. Angela ist noch nicht weg, aber sie hat sich schon mal verabschiedet. Und ihr Wahlvolk staunt, denn (fast) nach Hermann Hesse gilt:
Jedem Ende wohnt ein Zauber inne!




Das Ende von Merkels Kanzlerschaft könnte schon am 26. Mai 2019 kommen, am Doppelwahltag mit der Europawahl und der Bürgerschaftswahl in Bremen. Oder, noch wahrscheinlicher, im zeitlichen Umfeld des 1. September 2019. Das ist der Doppelwahltag mit Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. Die Augen richten sich besonders auf Sachsen, wo die AfD die CDU als stärkste Partei überholen könnte. Und am 27. Oktober 2019 sind noch dazu die Landtagswahlen in Thüringen, ebenfalls ein Bundesland mit starker AfD.

Die prominenten Kandidaten, welche sich beim Delegierten-Parteitag im Dezember um das "Fell der Bärin" streiten werden, haben sich schon gezeigt. Es sind die lange schon vermuteten "Verdächtigen": Annegret Kramp-Karrenbauer (kurz: AKK); Jens Spahn und Friedrich Merz. Die Jüngeren unter uns werden sich kaum erinnern können, dass Merkel  dem Letztgenannten im Jahr 2002 das Amt des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU verweigerte, was Merz sichtlich übel nahm. Ein gutes Dutzend weiterer Kandidaten - deren Namen insbesondere ihnen selbst bekannt ist - werden wohl demnächst auftauchen.

Jeder dieser Kandidaten sollte dazu bereit und fähig sein, Frau Merkel gegebenenfalls in der Kanzlerschaft auch vorzeitig abzulösen. Dafür sollte er bzw. sie das geeignete thematische Profil besitzen - zum Beispiel bei der zukünftigen Handhabung der Energiewende. Dort werden große Entscheidungen fällig werden, sofern man bis zum Jahr 2022 tatsächlich alle restliche Kernkraftwerke abschalten möchte:
10 Gigawatt an konstanter Grundlast müssen in kurzer Zeit zu ersetzt werden.
Frage: Wodurch?

Sonntag, 7. Oktober 2018

Exzellenz - made in Germany

Oktober ist die Zeit der Ernte. Im Allgemeinen  - und auch bei den Nobelpreisen, die in diesem Monat verkündet werden. Entsprechend meiner Ausbildung interessieren mich vor allem jene im Fachgebiet Physik. Leider wurde ich dieses Jahr (wiederum) enttäuscht, denn kein Deutscher war unter den Nominierten. Ausgezeichnet wurden zwei Physiker und eine Physikerin:  Donna Strickland aus Kanada, sowie der US-Amerikaner Arthur Ashkin und der Franzose Gérard Mourou. Für ihre Arbeiten auf de Lasergebiet, wo Deutschland durchaus Chancen zuzubilligen waren.


Eine lange Zeit der "Dürre"

Deutschland galt (vor der NS-Zeit und dem 2. Weltkrieg) als das Spitzenland der physikalischen Forschung. Seither wurden wir meilenweit überholt von den USA und seit vollen 11 Jahren fiel kein einziger Physikpreis mehr an Wissenschaftler unseres Landes. Peter Grünberg vom Forschungszentrum Jülich war mit seiner Entdeckung des "Riesenmagnetowiderstandes" im Jahr 2007 der letzte Laureat. In dieser Zeitspanne von 2008 bis 2018, also in 11 Jahren, wurden 30 Physiknobelpreise vergeben,  wobei drei Preise pro Jahr nach den Statuten möglich sind. Sie gingen an:  USA (14 Mal), Großbritannien (5), Japan (5), Belgien (1), Frankreich (2), Kanada (2) und Russland (1). Kein Preis ging nach Deutschland; die physikalische Welt ist an uns vorbei gezogen.

Die heiss begehrte Nobelpreis-Medaille


Wie keine andere wissenschaftliche Dekoration genießen die Nobelpreise höchstes Ansehen und sind damit ein Marker für den wissenschaftlichen und kulturellen Status eines Landes. Dass auch zwischen 1933 bis 1953 kein einziger Physikpreis an deutsche Forscher vergeben wurde, hängt damit zusammen, dass von 1933 an die Quantenphysik und die Relativitätstheorie als "jüdische Physik" verdammt wurde. Stattdessen versuchte man die "deutsche Physik" zu etablieren, die weniger mathematisch war und mehr auf "Intuition" beruhte. Später stellte sich das als ziemlicher Humbug heraus und die Forschungsergebnisse der Deutschphysiker wurden vom Stockholmer Kommittee nicht als preiswürdig anerkannt.


Exzellenzinitiative, Cluster und Elite-Universitäten

Aber man kann Exzellenz - die einem durch nicht verliehene Nobelpreise entgeht - auch durch einen staatlich bzw. behördlichen Akt künstlich erzeugen. Das geschieht in Deutschland seit ca. 15 Jahren durch die sogenannte "Exzellenz-Initiative". Die etwa hundert deutschen Universitäten werden durch die Bundes- und Landesforschungsminister aufgefordert, bis zu einem gewissen Zeitpunkt Forschungsthemen (sog. "Cluster") vorzuschlagen und im Verlaufe von ca. fünf Jahren abzuarbeiten. Dafür erhalten die Unis im Falle des Zuschlags pro Jahr und Cluster ca. 6 Millionen zusätzliches Geld. Und, wenn sie besonders gut sind, den Titel "Elite-Universität" oben drauf. Insgesamt kommen etwa 50 Unis für Cluster infrage und ca. 10 für den Titel Elite-Uni.

Derzeit ist die dritte Exzellenzinitiative, beziehungsweise nach neuer Bezeichnung: Exzellenzstrategie, im Gange. Etwa 80 Cluster-Vorschläge wurden vor einem Jahr eingereicht, wovon die Gutachter ca. 60 zur weiteren Bearbeitung angenommen haben. Die endgültige Entscheidung ergeht im kommenden Sommer. Auch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist mit zwei Clustern dabei, die sie allerdings nicht allein, sondern in kooperativer Hilfe mit den Unis in Heidelberg und Ulm abarbeiten wollen. (Eigentlich sind es also nur vier "halbe" Cluster). Die baden-württembergischen Unis in Tübingen (3 Cluster), Konstanz (2), Stuttgart (2) und Freiburg haben ihre Etappensiege übrigens aus eigener Kraft geschafft.

Ob es dem KIT gelingen wird, den Elite-Titel (nach 2006) zum zweiten Mal zu holen, ist bei dieser Konkurrenz also höchst fraglich. Im übrigen ist dieser Titel wissenschaftlich nur von marginaler Bedeutung. (Im Ausland zählt er rein gar nichts). Der schöne Titel "Elite" wärmt vorzugsweise die Herzen der Uni-Präsidenten und der Stadtoberen. Für die Forscher ist das Ansehen ihrer eigenen Arbeitsgruppe der einzig wichtige Gradmesser.


Fazit

Der Exzellenz-Wettbewerb mit 71 Juroren  (darunter 32 Bundes- und Landesminister) und einer mehrjährigen Vorlaufzeit ist ein hochkomplexes, bürokratisches Verfahren, das so nur in Deutschland zur Anwendung kommt. In den USA ergibt sich die Exzellenz der Elite-Universitäten, wie Harvard, MIT, Stanford und Caltech etc. schlicht aus der Anzahl ihrer Nobelpreisträger. Das MIT - Namensgeber des KIT - hat deren stolze 80!

Betrachtet man das bescheidene Abschneiden des KIT mit vier halben Clustern, dann stellt sich die Frage, ob sich der ganze Aufwand bei seiner Gründung im Jahr 2006 gelohnt hat. Damals wurde (insbesondere durch den Geschäftsführer Popp) ein ungeheurer publizistischer Hype erzeugt bei der Fusionierung der traditionsreichen Forschungsunternehmen KfK und TH zu KIT. Nun stellt sich heraus, dass dieser Riesenbetrieb von 9.000 wissenschaftlich-technischen Mitarbeiter bei der Exzellenzinitiative sogar von der kleinen, aber feinen Uni Tübingen überrundet wird.

Wie hat doch schon Goethe gesagt:
"Getretener Quark wird breit, nicht stark".








Sonntag, 8. Juli 2018

Migration: Schlitzohrige Italiener

Deutschland befindet sich in der Krise!
 Nach Meinung der Medien sogar in einer Staatskrise - mindestens aber in einer Regierungskrise. Jedenfalls muss die Bundeskanzlerin Angela Merkel (nach Ansicht bayerischer Politiker) auf alle Fälle "weg", denn sie trägt angeblich die Verantwortung für diese schlimme Lage. Wieder einmal geht es um die Flüchtlinge. Nicht um jene Million, die im Herbst 2015 (zumeist unkontrolliert) über Deutschlands Grenzen strömten. Auch nicht um jene 200.000, welche später als "jährliche Obergrenze" akzeptiert wurden. Nein, diesmal sind es bis dato 20.000 Migranten, deren Einwanderung nach Deutschland - nach Meinung des Bundesinnenministers Horst Seehofer (und seines Hintermanns Markus Söder) - einfach "unerträglich" ist.

Diese Migranten, zumeist Afrikaner, werden seit einiger Zeit bereits in Italien als Asylanten registriert, ziehen aber nach Deutschland (via Österreich) weiter, um sich dort ein weiteres Mal registrieren zu lassen und zu bleiben. Seehofer will künftig die deutschen Grenzen schließen und die aus Italien ankommenden Flüchtlinge  in dieses Land zurückschicken. Kleines Problem: Italien will diese Menschen auf keinen Fall wieder aufnehmen. Merkel sieht darin ein europäisches Problem, welches in Brüssel gelöst werden muss. Seehofer möchte bilaterale Staatsverträge, beispielsweise zwischen Deutschland und Italien, um den Ansturm der Flüchtlinge zu bewältigen. Das ist der Kern des Dissens zwischen Innenminister und Kanzlerin. Es lohnt sich deshalb, die italienische Flüchtlingspolitik mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, wozu ich mich der Kenntnisse von ausgesprochenen Italienexperten (wie Tobias Piller) bediene.

Winke, winke

Ursächlich für die bis jetzt andauernde politische Debatte ist die Flüchtlingspolitik in Italien während der vergangenen Jahre. Mit - nur gelindem Sarkasmus - kann man die italienische Migrationspolitik seit 2015 wie folgt beschreiben:

1.  Alle Flüchtlinge ins Land lassen.
2.  Alle Flüchtlinge - ohne Registrierung! - nach Nordeuropa weiterschicken. 
3.  Italien in den Medien als flüchtlingsfreundlichstes Land preisen.

Die Nordeuropäer, insbesondere Deutschland und Österreich, sollten die Probleme lösen, mit denen Italien nicht zurecht kam. Sie sollten die ankommenden Asylsuchenden und Wirtschaftsmigranten übernehmen und Italien außerdem die Kosten der Rettung erstatten. Schleuserorganisationen, z. T. mafiöser Art, holten mit ihren brüchigen Schiffen die afrikanischen Flüchtlingen unmittelbar vor den Hoheitsgewässern von Libyen und Tunesien ab. Sie luden die Migranten aus den nicht seegängigen Schlauchbooten um auf ihre maroden Holzboote und brachten sie vor allem auf die Insel Lampedusa vor Sizilien.


                                                   Die geografische Situation

Dort, oder auf benachbarten Inseln, wurden diese geflüchteten Menschen von den italienischen Behörden übernommen, mit Essen und Kleidung versorgt und zu ansehnlichen Quartieren gebracht - alles unter TV-Beobachtung für das abendliche (europäische) Fernsehen. Aber nur für zwei Tage! Dann händigte man den Aufgenommenen ein Verpflegungspaket sowie ein Bahnticket zum Brenner aus und bedeutete ihnen gen Österreich und Deutschland weiter zu ziehen. Weil es dort ohnehin bessere finanzielle Unterstützung gäbe. Auf diese Weise waren die italienischen Aufnahmeläger nie überfüllt. So konnte die frühere Bürgermeisterin von Lampedusa, Giusi Nicolini, die Auffassung vertreten, "dass jeder Afrikaner nach Europa gelassen werden müsse, weil sowieso alle nach Nordeuropa wollen". In Italien blieben nur die wenigsten Asylanten.

Auf diese Weise entstand eine Sogwirkung, die ganze Branchen illegaler Schlepperbanden heranwachsen ließ. Jahrelang klagten frühere italienische Regierungen und Innenminister nicht über die große Zahl der Asylsuchenden in ihrem Land, sondern nur über die Kosten der Bergung der Schiffbrüchigen. Dabei halfen jedoch Partnerländer in Europa sowie freiwillige Organisationen. Das offizielle Italien machte im Fernsehen und in Brüssel eine "bella figura". 


Italien ignoriert Dublin

Schiffbruch erlitt Italien mit dieser Politik, als die "Prinzipien von Dublin" durchgesetzt wurden. Dieses völkerrechtliche Abkommen über die Zuwanderung von Migranten verlangt, dass der Staat, in den ein Asylbewerber nachweislich zuerst eingewandert ist, auch das Asylverfahren durchführen muss. Zugleich soll verhindert werden, dass der Zuwanderer mehr als ein Verfahren im Hoheitsgebiet der EU betreiben kann. Für den notwendigen Informationsaustausch dient das Computersystem EURODAC, welches ein europäisches System zum Vergleich der Fingerabdrücke der Bewerber darstellt.

Gemäß Dublin mussten die Ankömmlinge an gewissen "Hotspots" - wozu auch Lampedusa gehörte, registriert werden. Seit Sommer 2016, also seit zwei Jahren, hätte sich Italien viel intensiver um die ankommenden Migranten kümmern müssen. Aber die dortigen Behörden schafften das nicht. Man darf raten, ob es die bekannten Probleme in der italienischen Verwaltung und Justiz waren - oder reiner Vorsatz und damit die bewusste Ignorierung des unterschriebenen Vertrags von Dublin. Fakt ist, dass weiterhin die allermeisten Zuwanderer in Richtung Brenner geschickt wurden, manche registriert, viele nicht registriert. An Deutschlands Grenzen baten diese Menschen um Asyl und mussten ein zweites Mal registriert - und in Deutschland eingelassen werden.

Abschließend bleibt festzustellen, dass der hitzige Streit zwischen den beiden Unionsparteien CDU und CSU während der vergangenen zwei Wochen maßlos überzogen war. Denn die Rechtslage ist klar: Italien hätte aufgrund des Dublin-Abkommens die registrierten Flüchtlinge nicht nach Deutschland (und Österreich) weiterschicken dürfen. Da diese Verpflichtung von den italienischen Behörden weitgehend ignoriert wurde, hätte der deutsche Bundesinnenminister Horst Seehofer seinen dortigen Kollegen Mattei Salvini auffordern müssen, das zu unterlassen. Solche "Gespräche" mit dem Chef der Lega-Partei wären sicherlich nicht einfach gewesen. Seehofer hat offensichtlich darauf verzichtet und stattdessen einen 3-wöchigen Fundamentalstreit mit der Kanzlerin geführt, bei dem beide erhebliche politische Blessuren erlitten haben. Dabei wäre die Bundesregierung fast gestürzt worden. Ertrag und Flurschaden standen bei diesem wochenlangen Diskurs in einem krassen Missverhältnis. Armes Deutschland.

Fazit:   Viel Lärm um (fast) nichts!

Sonntag, 10. Juni 2018

Arrivederci Roma ?

Wenn der italienische Staatspräsident Sergio Matarella von seinen beiden Leibgardisten begleitet wird, dann weiß der Kundige, dass große politische Entscheidungen anstehen. Diese "Corazierri" mit silbern und golden glänzenden Helmen, mindestens 1,90 Meter groß, geben protokollarischen Zeremonien ihren hochoffiziellen Anstrich.


Corazzieri mit Leibstandarte

Letzte Woche war es wieder einmal so weit. Giuseppe Conte, ein 54-jähriger Süditaliener und Universitätsprofessor in Florenz, sollte sein Beglaubigungsschreiben als zukünftiger italienischer Premierminister beim Präsidenten abgeben. Der Jurist sitzt nicht im Parlament, gehört aber zum Kreis der Fünf-Sterne-Bewegung. Deren Chef, Luigi Di Maio und der Anführer der Lega-Partei, Matteo Salvini, hatten beide Premierminister werden wollen, konnten sich aber nicht einigen und verständigten sich deshalb auf den Politik-Neuling Conte.


Viele Wohltaten und viele Zumutungen

Dass eine stramm rechts-orientierte Partei, wie die Lega, mit der links-populistischen Bewegung Fünf-Sterne eine Regierung bildet, ist wohl nur in Italien möglich. Übertragen auf deutsche Verhältnisse wäre dies eine Koalition aus AfD und Linke. Schlechterdings undenkbar! In Italien aber funktioniert so ein Bündnis möglicherweise(?) - jedoch nur, weil jede der beiden Parteien ein Füllhorn aus finanziellen und sozialen Vergünstigungen über ihr Wahlvolk ausgießt, unabhängig davon, was sich an liquiden Mitteln noch im Staatssäckel befindet. Finanziert werden sollen diese Wohltaten vorzugsweise in Brüssel und Berlin, wo sie aber mehr als Zumutungen wahrgenommen werden. Nachfolgend eine Auswahl dessen, was die beiden italienischen Regierungsparteien ihren Wählern versprochen haben:

- Die Europäische Zentralbank (EZB)  soll Rom 250 Milliarden Euro schenken, indem sie auf die     Rückzahlung von italienischen Staatsanleihen (Schuldbriefen) verzichtet.

- Die öffentlichen Investitionen sollen nicht mehr auf das Haushaltsdefizit - derzeit 132 Prozent des Bruttosozialprodukts - angerechnet werden.

- Die Frührente soll wieder eingeführt werden; bei den Männern ab 41 Beitragsjahren, bei den Frauen ab 35 Jahren. Derzeit erhalten die Männer 73 Prozent des letzten Gehalts als Rente.

- Jedem arbeitslosen Erwachsenen soll ein Bürgergeld von 780 Euro für zwei Jahre versprochen werden; ein Arbeitsplatzangebot darf drei Mal ausgeschlagen werden.

- Die Steuern sollen auf 15 bis 25 Prozent abgesenkt werden

- Das Target-Konto, einer Art Dispokredit der Nationalbanken, derzeit schon mit 950 Milliarden im Minus, soll weiterhin belastet werden. Die Target-Bilanz ist ein Maß für das schnell abfließende italienische Privatkapital.

- Italien fordert die Einführung der sog. Euro-Bonds, wobei die Eurostaaten gemeinschaftlich für Roms Schulden haften würden.

- Das Einlagenrisiko der hoch verschuldeten italienischen Banken soll durch eine Bankenunion vermindert werden.

- Schließlich denkt man über die Einführung einer Art Parallelwährung nach, u. a. für Handwerkerrechnungen und Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt. Die absolute Kapitulation des Staates!


Die Antwort der Kanzlerin

Die Replik von Angela Merkel auf die römischen Zumutungen kam prompt. Nicht über eine Rede im Bundestag - wie von MdB Christian Lindner (FDP) gewünscht - sondern via Interview in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) am 3. Juni 2018. Hierin präsentierte die Kanzlerin ihre Vorstellungen zur Finanzierung von (sinnvollen) Projekten in der EU.

- Merkel schlägt einen Europäischen Währungsfonds EWF vor. Hierzu soll der bereits existierende ESM, gemeinhin als "Rettungsschirm" bezeichnete "Stabilisierungsfonds", benutzt werden. Er soll erstmals auch für kurzlaufende Hilfskredite zur Verfügung stehen, ähnlich wie auf globaler Ebene der Internationale Währungsfonds IWF. Die Vergabe solch kurzlaufender Kredite soll Regierungen helfen, welche unverschuldet in Schwierigkeiten gekommen sind.

- Weiterhin will Merkel einen "Investivhaushalt" für die Eurozone etablieren. Er soll sich im unteren zweistelligen Milliardenbereich bewegen und schrittweise eingeführt werden, um seine Auswirkungen besser beobachten zu können.

- Schließlich soll ein einheitliches "Europäisches Asylverfahren" an den Außengrenzen eingerichtet werden.

Ob Merkel mit diesen Vorschlägen den toskanischen Professor Giuseppe Conte zufrieden stellen kann, wird sich beim Europagipfel Ende Juni zeigen. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat sich bereits positiv geäußert, möchte aber trotzdem weiterhin eine Aufstockung der finanziellen Fleischtöpfe.


Die Zukunft ist offen

Niemand weiß derzeit, wie die beiden EU- und Euro-feindlichen italienischen Parteien in der praktischen täglichen Politik agieren werden. Die Lega hat den Austritt aus der Euro-Gemeinschaft aber seit langem auf ihre Fahnen geschrieben. Keiner kann ein souveränes Land wie Italien an diesem Schritt hindern. Juristisch fragwürdiger ist schon die Ankündigung, dass man die aufgelaufenen Kredite nicht zurückzahlen werde.

Nehmen wir für einen Augenblick an, dieser politische GAU träfe wirklich ein, dann entstünde bei den deutschen Staatsfinanzen ein Loch von ca. 1 Billion Euro, entsprechend 1.000 Milliarden. Die Hauptkomponenten sind die italienische Verschuldung bei der EZB, beim Europäischen Stabilisierungsfonds und bei der Target-Bilanz. Aus "fiktiven Papierschulden" wären plötzlich reale - aber nicht einbringbare - echte Schulden geworden.. Grob abgeschätzt in der Höhe der Kosten für die deutsche Wiedervereinigung.

Will man dieses Finanzdefizit stopfen, so könnte man sich als deutscher Finanzminister folgende Maßnahmen vorstellen, welche allesamt die Bundesbürger nicht erfreuen würden:

- eine mehrjährige Erhöhung der Steuern um 3 bis 5 %,
- und/oder:  Reduktion der Gehälter und Renten im öff. Dienst um ca. 10 %,
- und/oder: eine Besteuerung der Festgeldkonten auf 30 bis 40 %,
- und/oder: die Verfügung einer 30- prozentigen Zwangshypothek
   auf Immobilienbesitz.

Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt, aber:

Die Zukunft ist offen.

Sonntag, 18. März 2018

"Wer Trump zum Freund hat...

...braucht keinen Feind mehr".
Das gilt sicherlich für unsere neu ernannte Bundeskanzlerin Angela Merkel, der Donald beim ersten Medientreff (vor einem Jahr im Weißen Haus) den sonst üblichen Handschlag verweigerte. Außerdem warf ihr damals der Präsident vor, dass Angela ihre NATO-Rechnungen nicht ausreichend bezahle. Was in dieser öffentlich geführten Anschuldigung unterging war, dass man  - nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion - die russische Bedrohung durchaus geringer einschätzen konnte und, dass Deutschland die Aufbauinvestitionen in der früheren DDR (immerhin 2 Billionen Euro) allein stemmen musste.

Inzwischen hat Strongman Donald ein neues Fass aufgemacht. Er möchte Handelskriege führen, denn diese, so twittert er, "seien leicht zu gewinnen". Nämlich durch die Dekretierung von Zöllen, besser gesagt von: Strafzöllen. Zunächst sollen durch die Verteuerung der Stahl- und Aluminiumimporte die angeblich bedrohten Arbeitsplätze in Trumps Mainland geschützt werden. Das sind nach seiner Rechnung 140.000 Jobs im sog. Rustbelt. Dass damit gleichzeitig an 6,5 Millionen Arbeitsplätzen die Autos, Waschmaschinen und sonstige Dinge des täglichen Gebrauchs teurer produziert werden, geht in der aktuellen Diskussion unter. Die EU-Kommission in Brüssel will "Revanche" üben, indem sie erhöhte Zölle auf die Harley-Davidson-Motorräder aus Wisconsin und den bekannten Whiskey aus Kentucky legt. Na, ja.


Die deutschen Luxuskarossen

Besonderen Ärger verursachen bei Trump die in den USA überall umher fahrenden "deutschen Luxuskarossen" von Daimler-Benz, Audi, BMW und besonders Porsche. In der sogenannten Uruguay-Runde der Welthandelsorganisation WTO war 1994 einvernehmlich beschlossen worden, dass die USA 2,5 Prozent Zoll auf importierte Autos verlangen dürfen, die EU hingegen 10 Prozent auf solche, die von den USA kommen. Inzwischen sieht man sehr selten amerikanische Cadillacs auf deutschen Straßen und man könnte problemlos - ohne medialen Radau - die Zollsätze einfach angleichen.

Für den deutschen Exportüberschuss in die USA sind zu einem Viertel die dort beliebten deutschen Autos verantwortlich. Knapp 500.000 Fahrzeuge exportieren deutsche Hersteller pro Jahr nach Amerika - weit mehr, nämlich rund 800.000 Fahrzeuge stellen sie an US-Standorten für den dortigen Markt oder für Drittländer her. So hat BMW in Spartanburg ca. 10.000 Jobs geschaffen, eine weitere Großinvestition von mehr als 600 Millionen Dollar ist in der Planung. BMW-Chef Harald Krüger selbst war es, der den US-Präsidenten vor einigen Monaten darauf hingewiesen hat. Damals lobte Trump, Krüger mache "einen unglaublichen Job"! Aber was sind solche Aussagen wert, wenn er einige Monate später schon zur nächsten Attacke ansetzt?


China trumpft auf: die "Neue Seidenstraße"

Die Entfremdung zwischen den Vereinigten Staaten und Europa bzw. Deutschland kommt zur Unzeit. Unter dem Stichwort Neue Seidenstraße baut China in gigantischem Umfang seine Infrastruktur aus. Dieses Transport- und Logistiknetz soll sich in Kürze bis nach Europa erstrecken unter dem Slogan: ein Gürtel, eine Straße. Die chinesische Strategie strebt ein dichtes Geflecht eurasischer Verkehrs- und Handelsverbindungen bis nach Westeuropa an und bietet dafür ein Investitionsvolumen von 900 Milliarden US-Dollar auf. Zugleich drängt es die teilnehmenden Länder mit dem Mammutprojekt in die Schuldenfalle. China, dessen erste Handelsdelegation bereits 150 Jahre vor Christus nach Europa aufgebrochen war, wird über die neue Seidenstraße in wenigen Jahren die USA als größte Wirtschaftsmacht der Erde ablösen.



Das Logistiksystem "Neue Seidenstraße"

In Hamburg, auf einem Areal von 42 Hektar, wollen die Chinesen  einen vollautomatischen Computerterminal bauen, was in der Hansestadt für blanke Unruhe sorgt. Man blickt nach Griechenland, wo eine chinesische Gesellschaft den Hafen von Piräus bereits zum alleinigen Management übernommen hat. Und nach Ungarn, wo Victor Orban eine Zwei-Milliarden-Euro Eisenbahnstrecke "geschenkt" bekommen soll. Zwischenzeitlich hat sich ein chinesischer Staatskonzern sogar in das deutsche Stromnetz "50Hertz" eingekauft und Daimler-Benz wird durch das Angebot eines Großinvestors aus Peking bedrängt.

Mit seinem ambitionierten Projekt der Neuen Seidenstraße hat China längst einen Keil in die EU getrieben, insbesondere, weil Trumps erratisches Agieren hier eine politische Lücke lässt.  Wilde Blüten treibt derweil der Opportunismus unter den europäischen Managern. Wenn Daimler-Chef Dieter Zetsche sich wegen eines harmlosen Dalai-Lama-Zitats vor Peking in den Staub wirft und Siemens-Chef Joe Kaeser im chinesischen Staatsfernsehen euphorisch der Seidenstraße huldigt, dann erinnert das an den Kotau von Staatsbeamten vor dem allmächtigen China-Kaiser. Und wenn Peking das europäische Land Norwegen total vom wirtschaftlichen Zugang ausschließt, weil es dem Systemkritiker Liu Xiaobo den Friedensnobelpreis verliehen hat, dann entspricht das nicht unserem westlichen Wertekatalog.

All die genannten internationalen Probleme sollten BK Angela Merkel veranlassen, POTUS(=President of the United States) Trump baldmöglichst einen Besuch abzustatten - auch wenn dieser nicht vergnügungssteuerpflichtig sein sollte. Und nicht im 177-seitigen Koalitionsvertrag aufgelistet ist.

Samstag, 27. Januar 2018

"Erst das Land, dann die Partei"

Dieser altruistisch anmutende Spruch stammt von dem SPD-Politiker Willy Brandt. Als der ex-Kanzler 1992 von einem Journalisten gefragt wurde, ob er die ausladende Finanzierung der deutschen Wiedervereinigung durch Kanzler Helmut Kohl unterstützen würde, bejahte der Oppositionspolitiker dies und platzierte damit die parteitaktische Erwägungen hinter die damaligen Erfordernisse des Landes.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel verlängerte diese Sentenz, als er 1996 von einem Pressevertreter (ironisch) danach gefragt wurde, weshalb er bei der abermaligen Ernennung zum Landeschef durchgefallen sei, indem er trocken antwortete: "Erst kommt das Land, dann kommt die Partei und ganz zum Schluss erst die Person". Teufel gewann übrigens die zweite Auflage der MP-Wahl noch am gleichen Tag ganz locker und war bis zum Juni 2001 ein sehr erfolgreicher Ministerpräsident.


"Die Welt wartet nicht auf uns"

Mit Fassungslosigkeit blicken die deutschen Bürger derzeit nach Berlin, wo die Spitzenpolitiker von fünf Parteien seit mehr als vier Monaten darum ringen, eine Regierung zu bilden. Merkels Aufruf "Beeilt euch, die Welt wartet nicht auf uns" verhallte fast ungehört. Wenn es ab jetzt besser laufen sollte, dann kann man (vermutlich) ab Ostern 2018 mit einer neuen Regierung rechnen - vielleicht aber auch nicht, sodass es dann wohl Neuwahlen im Herbst diesen Jahres geben muss.

Viele Hoffnungen ruhten auf dem 4er-Bündnis "Jamaika". Aber nach fünf Wochen sogenannter "Sondierungen" beschloss der Jungspund Christian Lindner (FDP) - zur Überraschung aller -  auszusteigen. Seine Begründung hat nur wenige überzeugt, was auch am Absacken des FDP-Wahlergebnisses von 10,7 Prozent auf 8 % abzulesen ist.
Da waren Lindners berühmte Vorgänger Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher aus ganz anderem Holz geschnitzt. Mit bloßen 5,8 Prozent an Wählerstimmen bei der Bundestagswahl 1969 taten sie sich mit der SPD (42,7 %) zusammen und bildeten (vorbei an den Wahlgewinnern CDU/CSU mit 46,1 %) die erste sozialliberale Regierung, welche mit ihrer "Ostpolitik" historische Verdienste einheimste.

Nun sind auch die Sondierungen zwischen SPD und CDU/CSU zu Ende gegangen. Den Sozialdemokraten reichte das Ja des 45-köpfigen Bundesvorstands zum Verhandlungsergebnis noch nicht, ebenso wie die folgende Zustimmung der Bundestagsfraktion mit ihren 153 Mitgliedern. Weil in dieser Partei seit langem jeder jedem misstraut, bedurfte es eines 650-köpfigen Sonderparteitags, um das Sondierungsergebnis abzusegnen. Dies gelang am vergangenen Sonntag mit dem mageren Resultat von 56 Prozent Ja-Stimmen. Nun beginnen die mehrwöchigen Koalitionsverhandlungen mit unsicherem Ausgang. Ein Ja-Ergebnis muss von der Mehrheit der 450.000 SPD-Mitglieder bestätigt werden. (Ebenso, übrigens, wie vorher bei Jamaika: dort wären 64.000 FDP-Mitglieder aufgerufen worden, über 80 Millionen Deutsche zu entscheiden.)

Mit den Koalitionsverhandlungen entscheidet sich auch das Schicksal des gegenwärtigen SPD-Vorsitzenden Martin Schulz. Erst am 19. März 2017 gewählt - aber mit sensationellen 100 Prozent!!! - könnte er binnen Jahresfrist schon wieder hart bei Null aufschlagen. Schulz wäre nicht der einzige Kurzfrist-Parteichef der SPD. Nach Willy Brandt hat die SPD bis jetzt bereits 11 Vorsitzende verbraucht: Vogel, Engholm, Rau, Scharping, Lafontaine, Schröder, Müntefering, Beck, Steinmeier, Müntefering, Gabriel. Martin Schulz würde das Dutzend voll machen.
Bei der CDU war man vergleichsweise sparsam. Im gleichen Zeitraum gab es nur drei Vorsitzende: Kohl, Schäuble, Merkel. Und von diesen ist Merkel noch im Amt!


Die Kosten der Bundestagsabgeordneten

Man darf sich fragen, weshalb unsere Politiker partout keine Regierung bilden wollen. Werden sie von uns Wahlvolk etwa zu schlecht entlohnt?  Nun, ich habe mich aus seriösen Quellen kundig gemacht und komme für den überwiegenden Teil der Bundestagsabgeordneten ("Hinterbänkler") zu folgenden

A. Monatlichen Bezügen:

9.542 Euro:  Entlohnung bzw. "Diät"; sie steigt jeweils automatisch zur Mitte des Jahres.

4.318 Euro:  Steuerfreie Kostenpauschale für Büroausstattung im Wahlkreis; steigt ebenfalls automatisch.

1.000 Euro:  Büroausstattung im Bundestag für Computer, Smartphone, Schreibmaterial etc; darf alles privat genutzt werden.

20.870 Euro:  für Gehaltszahlungen an Personal (Sekretärin, Referent etc)


B. Nebenleistungen an Bundestagsabgeordnete:

Büroausstattung:  Neben der Kostenpauschale haben alle Abgeordnete Anspruch auf ein eingerichtetes Büro im Reichstag in der Größe von 54 Quadratmetern für sich und ihre Mitarbeiter samt Möbelausstattung und Kommunikationsmitteln.

Reisekosten:  Bahncard 1. Klasse, auch für persönliche Urlaubsfahrten verwendbar; dazu Inlandsflüge 1. Klasse.

Übergangsgeld:  Nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag gibt es bis zu 18 Monate Übergangsgeld.

Altersversorgung:  Abgeordnete zahlen keine Beiträge zu ihrer Altersversorgung; monatlich werden 5 bis 6.000 Euro in einen Fonds einbezahlt. Bereits nach einem halben "Arbeitsleben" erhält ein MdB den maximalen Pensionsanspruch von 67,5 Prozent der Diät, derzeit ca. 6.441 Euro pro Monat.


C. Verdeckte Nebenleistungen:

Funktionszulagen: für Vorsitzende der Fraktionen und Ausschüsse

Zuschuss an Fraktionen (sogenanntes "Kopfgeld" in fünfstelliger Höhe)

Dienstwagenflotte des Bundestags: Steht jedem MdB zur Verfügung.


Im Fazit bleibt festzustellen, dass man als Bundestagsabgeordneter zwar nicht zum Millionär wird,
aber von den Steuerzahlern doch ganz ordentlich entlohnt wird. Zu "Regierungsstreik", wie derzeit  beobachtbar, besteht also keine Veranlassung.


Das aufgeblähte Parlament

Regulär besteht der Bundestag aus 598 Abgeordneten. Davon werden 299 in den Wahlkreisen direkt gewählt, weitere 299 kommen über die Parteilisten der Länder hinzu. Dem gegenwärtigen Bundestag gehören jedoch 709 Abgeordnete an, also 111 mehr als es sein sollten. Schuld daran sind die sogenannten "Überhangsmandate" . Sie entstehen, wenn eine Partei bei der Wahl mehr Direktmandate über die Erststimmen erhält, als ihr Sitze im Bundestag gemäß der Anzahl der Zweitstimmen zustehen. Klingt kompliziert und wird auch nicht dadurch einfacher, dass es noch dazu die sogenannten "Ausgleichsmandate" gibt. Die 111 Überhangsmandate teilen sich alle sieben im Bundestag vertretenen Parteien nach folgendem Schlüssel:  CDU 36, SPD 22, FDP 15, AfD 11, Grüne 10, Linke 10 und CSU 7. Der Bund der Steuerzahler schätzt die Mehrkosten, welche in dieser Wahlperiode allein durch diese Zusatzpöstchen entstehen auf satte 300 Millionen Euro.


Das überfüllte Parlament


Das Bundesverfassungsgericht hat diese Aufblähung des Parlaments mehrfach gerügt und Reduktion verlangt. Ohne Erfolg! Alle Abgeordnete sind sich offensichtlich darin einig, es bei dem "XXL-Bundestag" zu belassen. Die Bürger werden nicht gefragt und haben keinen Einfluss. Das letzte Mal hat der scheidende Parlamentspräsident Norbert Lammert im Frühjahr 2017 - also noch vor der Wahl - auf reduzierende Maßnahmen gedrungen, kam aber mit seinen Vorschlägen nicht durch. Dabei wäre eine Änderung schon durch die Verringerung der Wahlkreise (z. B. auf 400) zu erreichen. Wahlrechtsexperten sagen voraus, dass der Bundestag (falls das Wahlrecht beibehalten wird) im Wahljahr 2021 auf mehr als 800 Abgeordnete anschwellen wird. In diesem Fall wird der zusätzliche Platz im Abgeordnetensaal nicht mehr allein durch Schreiner zu bewerkstelligen sein - sondern man wird Maurer benötigen!


Verlängerung der Legislaturperiode

Kurz vor der letzten Bundestagswahl haben sich die Fraktionsspitzen aller Bundesparteien für eine Verlängerung der Wahlperiode von vier auf fünf Jahre ausgesprochen. Inzwischen stimmten auch die Neuparteien AfD und FDP in diesen Chor ein. Die Führungen der SPD und CDU begründeten eine solche Reform wie folgt: "Die Verlängerung würde der Komplexität vieler Gesetze gerecht und sinnvolle Nachsteuerungen wären noch vor der nächsten Wahl möglich. Hinzu käme, dass nach einer Bundeswahl mehr Zeit für Koalitionsverhandlungen verbliebe und diese nicht zu Lasten der Regierungszeit ginge". Gleichzeitig wurde vorgeschlagen, die Regierungszeit der Kanzler - wie in den USA - auf  (maximal) zwei Legislaturperioden zu begrenzen.

Sicherlich würde die Verlängerung der Legislaturperiode mehr Kontinuität bei der Parlamentsarbeit bringen. Aber man sollte sie nicht zu früh (und nicht unkonditioniert) zulassen. Sie wird nämlich von den gleichen Politikern gefordert, welche seit Jahren die überfällige personelle Deckelung des Bundestags verhindern und keine Anstalten machen, die unsäglichen Überhangmandate abzuschaffen. Das Parlament muss kleiner werden - erst dann sollte man über längere Legislaturperioden nachdenken. Wünschenswert wäre auch die Schaffung der Möglichkeit durch gezielte Abgabe der Zweitstimme die Parteilisten durcheinander wirbeln zu können, welche häufig in geheimen Hinterzimmern aufgestellt wurden.


Anderswo läuft´s anders

Beim deutschen Parlamentswesen läuft vieles schief. Wenden wir, zum Vergleich, den Blick nach draußen - zum Beispiel in die USA.

Das dortige Repräsentantenhaus, vergleichbar mit unserem Bundestag, umfasst (konstant!) 435 Abgeordnete. Überhangs- oder Ausgleichsmandate gibt es dort nicht. Aber diese Abgeordneten tragen die politische Verantwortung für ein Land, welches - mit 350 Millionen(!) - fast vier Mal so viele Einwohner hat wie die Bundesrepublik Deutschland.
Und die Bezüge dieser Politiker?
Sind mit (umgerechnet) 11.000 Euro nahezu gleich groß wie bei uns.

Freitag, 29. September 2017

Nordirland: der gordische Knoten beim BREXIT

Der größte Inselstaat Europas ist eine Union aus den Landesteilen England, Wales, Schottland und Nordirland. Die Isle of Man und die Kanalinseln sind unmittelbar der Krone unterstellt und daher kein Bestandteil des "Vereinigten Königreichs" (VK) Mit rund 65 Millionen Einwohner ist das VK der drittbevölkerungsreichste Staat der Europäischen Union.




Schlimme Vergangenheit

Nord-Irland entstand als Folge des irischen Unabhängigkeitskriegs um 1920. Er wurde von der Irisch-Republikanischen-Armee (IRA) mit einer Art Guerilla-Kampf gegen die britische Regierung in London geführt. Der Friedensvertrag im Jahr 1921 erlaubte Nordirland schließlich aus dem Freistaat Irland - also der "grünen Insel" - auszusteigen, was auch umgehend geschah. Der nördliche Teil dieser Insel schloss sich dem "Vereinigten Königreich Großbritannien" an. Im Vergleich zur südlich gelegenen "Republik Irland" ist Nordirland dichter bevölkert und stärker industrialisiert. Etwa je zur Hälfte sind die 1,8 Millionen Nordiren protestantisch bzw. katholisch. Fast alle größeren Städte, einschließlich der Hauptstadt Belfast, sind protestantische Hochburgen.

Ab 1969 kam es in Nordirland zu bewaffneten Kämpfen zwischen den protestantischen und den katholischen Volksgruppen. Er kostete rund 3.500 Menschenleben, wovon die Hälfte unbeteiligte Zivilisten waren. Die wieder auferstandene "Armee" IRA und ihr politischer Arm "Sinn Feín" töteten britische Soldaten und verschüchterten die Bevölkerung durch Autobomben. Der Konflikt dauerte fast zwanzig Jahre, bis die Parteien schließlich 1998, im Rahmen des "Karfreitags-Abkommens", die Beendigung der Gewalttaten erreichen konnten.

Während der bürgerkriegsähnlichen Kämpfe wurden in ganz Nordirland - aber besonders in der Hauptstadt Belfast - zahlreiche Mauern zur Abgrenzung der protestantischen und katholischen Bevölkerung gebaut. Die Ähnlichkeit zur "Berliner Mauer" war unverkennbar, jedoch wurden diese Bauwerke als "Peace Lines", also "Friedenslinien" bezeichnet. Die Wände waren aus Wellblech, Stahl oder Mauerwerk, acht oder mehr Meter hoch und zuweilen mehrere Kilometer lang. Damit wurden genau abgegrenzte Wohngebiete der beiden Konfessionen definiert. Allein in Belfast gibt es heute noch mehr als 50 solcher Mauern mit einer Gesamtlänge von ca. 20 Kilometer. In gewissen Abständen sind Tore zum Durchlass angebracht, die abends fest verschlossen und erst am Morgen  wieder geöffnet werden. 


Hoffnungsfrohe Gegenwart

Ein wichtiger Schritt zur Befriedung von Nordirland war - aus heutiger Sicht - der Beitritt von Großbritannien (zusammen mit Irland und Dänemark) zur "Europäischen Gemeinschaft "(EG) im Jahr 1973. Sie wurde vom damaligen Premierminister (PM) Edward Heath (1970-74) gegen heftige Widerstände in seiner eigenen Partei und gegen ein Veto aus Frankreich erreicht.  Unter PM Margret Thather (1979-90) erlebte Großbritannien einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung durch die Reduktion der Staatsschulden und der Arbeitslosigkeit - was auch Nordirland zugute kam. Weitere Schritte in die positive Richtung waren der Ausbau der "Europäischen Union" (EU) auf 28 Staaten, die Einführung der Euro-Währung und der sog. vier Grundfreiheiten (freier Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen innerhalb einer Zollunion).

Die Menschen beidseitig der 500 km langen Grenzlinie zwischen Irland und Nordirland getrauten sich in der Folge wieder auf die Straßen und fingen an, Handel zu treiben. In den nun 20 Jahren relativen Friedens ist die irische Insel für fast alle zu einem florierenden ökonomischen Gesamtgebilde geworden. Mehr als ein Drittel der nordirischen Milch wird im Süden verarbeitet, rund 400.000 irische Schafe werden jährlich im Norden geschlachtet. Selbst die in Dublin ansässige Guinness-Brauerei lässt ihr Bier in Belfast abfüllen. 30.000 Pendler überqueren täglich ohne Pass die Grenze, darunter viele EU-Bürger, vor allem aus Osteuropa.


Düstere Zukunft

Verlässt Großbritannien 2019 die Union, wie vom Brexit gefordert, so verläuft die nordirische Landesgrenze zur EU mitten durch die irische Insel. Eine 500 km lange Grenze mit 300 Brücken und Straßenübergängen - viele davon erst in den vergangenen Jahren mit EU-Mitteln errichtet. "Investing in your future" steht auf den angenieteten Schildern. Scheidet das Vereinigte Königreich aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion aus, so werden Waren und Güter nicht mehr ohne Weiteres die Grenze passieren dürfen. Menschen erst recht nicht. Erst allmählich dämmert der britischen Regierung in London, welch gewaltige Aufgabe sie von ihrem Volk mit dem Referendum gestellt bekommen hat.

Irgend eine Art von Grenzkontrolle ist unvermeidlich, wenn man den Transport der berühmt-berüchtigten amerikanischen Chlorhühnchen über den Umweg von Nordirland nach Irland/Europa vermeiden möchte. Die Rede ist von einer "E-Border", einer elektronisch überwachten Grenze. Klingt verführerisch, funktioniert aber nicht. Würde man Zöllner und Polizisten zu beiden Seiten der Grenze postieren, so hätte man bald wieder die alte Grenze aus den Vor-Karfreitags-Tage  und der immer noch fragile Waffenstillstand wäre zerstört. Denn der Weg zur Gewalt ist immer noch kurz!

Drei Mal schon saßen die beiden Chefunterhändler in Brüssel zusammen, um über die Konditionen des Brexit zu beraten. Man diskutierte über drei Themen: die künftigen Rechte der EU-Bürger auf der britischen Insel, die Höhe der Austrittsrechnung und das Nordirland-Irland-Problem. Aber zu keiner dieser Fragen konnten Michel Barnier und David Davis Fortschritte vermelden. Die Ängste der Menschen auf der irischen Insel sind groß. Sie befürchten, dass der Brexit, den die Nordiren mit 55 Prozent abgelehnt haben, den mühsamen Friedensprozess der Vergangenheit pulverisieren könnte.

Als vor einigen Wochen die britische Premierministerin Theresa May mit einigem Pomp ankündigte, dass sie in der florentinischen Basilika Santa Maria Novella eine Grundsatzrede zum Brexit halten werde, war die Weltöffentlichkeit in Spannung. Kam da eine weibliche Version des griechischen Alexander des Großen, der einst den "Gordischen Knoten" mit einem Schwertstreich auflöste? Mitnichten!
Die Premierministerin verkündete nichts Neues, schon gar keine Lösung des Nordirlandproblems.
Es scheint unlösbar zu sein - zumindest für die gegenwärtigen Politiker in Downing Street. 







Samstag, 24. Juni 2017

Brexit à la Carte?

Theresa May, die britische Premierministerin (PM), hatte von ihrem Vorgänger David Cameron eine passable Mehrheit von 17 Abgeordnetenstimmen im Londoner Unterhaus übernommen. Aber Theresa wollte mehr und sie deutete die politische Stimmung im Vereinigten Königreich (UK) so, dass für sie eine Mehrheit von 50 bis 100 Parlamentssitzen durchaus möglich sein müsste. Deshalb veranstaltete sie am 8. Juni eine sog. "snap election", eine vorgezogene Wahl, welche die britische Verfassung dem PM ohne besondere Angabe des Grundes (also anders als in Deutschland) jederzeit gestattet. Dabei erlitt Theresa eine klassische Bauchlandung. Sie verlor nicht nur ihre bisherige Unterhausmehrheit, sondern auch noch einige Stimmen dazu, so dass es zu einem sog "hung parliament" kam - einem Parlament ohne klare Mehrheitsverhältnisse für jede der darin vertretenen Parteien.

PM May war gezwungen sich einen Koalitionspartner zu suchen, was im Mehrheitssystem des UK (ebenfalls anders als in Deutschland) relativ selten vorkommt. Ihr Blick fiel auf die nordirische Kleinpartei "Democratic Union Party" (DUP), mit deren parlamentarischer Unterstützung sie die Mehrheit im Unterhaus numerisch gerade noch bewerkstelligen konnte. Aber die DUP ist eine sehr inhomogene Gruppierung, die bei den anstehenden Brexit-Abstimmungen vermutlich schwer zu handhaben sein wird. Dass die DUP strikt gegen Abtreibung und Homosexualität ist, mag gerade noch angehen, da diese Themen beim Brexit eher eine untergeordnete Rolle spielen. Aber, dass die DUP beim Handel mit Irland und der Europäischen Union (EU) am liebsten alles beim alten belassen möchte, ist schon ein beträchtliches Hindernis. Hinzu kommt, dass - anders als England - die DUP nichts gegen ausländische Zuwanderung hat, weil es in Nordirland an Arbeitskräften mangelt. Man wird sehen, ob diese volatile Partei die Premierministerin wirklich unterstützen kann.

Die Verhandlungsziele

Inzwischen haben die (Rest-) Europäer und die Briten ihre Chefunterhändler benannt. Für die EU ist es der 66-jährige Franzose Michel Barnier, oftmaliger Minister in französischen Kabinetten. Für das Vereinigte Königreich tritt der 69-jährige David Davis an, zur Zeit Minister für den Brexit im Kabinett May. Davis gab sich bis vor Kurzem noch sehr kämpferisch. Er will mit drei großen Forderungen in die Brexitverhandlungen gehen. Diese sind der weiterhin mögliche Zugang zum Binnenmarkt der EU, die nationale Kontrolle der Einwanderung und die Unabhängigkeit von der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs. Insgesamt strebt er einen "harten Brexit" an - whatever that is.

Sein Counterpart Barnier ist da etwas vorsichtiger. Für ihn (und die 27 verbleibenden EU-Staaten) stellt sich nicht in erster Linie die Frage nach einem harten oder weichen Brexit. Er will zuerst drei konkrete Probleme angehen: das künftige Grenzregime zwischen Nordirland und der zur EU gehörigen Republik Irland, die Rechte der 3,2 Millionen EU-Bürger, welche derzeit in Großbritannien leben und die bilanzielle "Austrittsrechnung" für die Briten, welche auf 50 bis 100 Milliarden Euro geschätzt wird. Da das Vereinigte Königreich künftig als Beitragszahler für die EU ausfällt, ist diese Einmalzahlung für den Kontinent sehr bedeutsam.

Einig ist man sich darüber, dass die Verhandlungen in eindreiviertel Jahren, also bis zum Frühjahr 2019 abgeschlossen sein sollen. "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne", heißt es in einem Gedicht von Hermann Hesse. Dies ist bei den Brexitverhandlungen eher nicht der Fall. Im Gegenteil: auf beiden Seiten herrscht beträchtliche Unsicherheit bis hin zur schieren Angst über einen vorzeitigen Kollaps der Gespräche.


Die EU geht auseinander

Modelle der Zusammenarbeit

Die 28 Staaten der EU arbeiten bereits seit vielen Jahren mit Ländern außerhalb der Union auf verschiedenen Gebieten zusammen. Großbritannien (GB) könnte den Verhandlungsprozess verkürzen, wenn es auf eines dieser Modelle zurückgreifen würde. Vor "Rosinenpickerei", also einseitiger Vorteilsnahme, hat die deutsche Kanzlerin allerdings bereits vor Monaten gewarnt.

1. Das Modell Norwegen:
Akzeptiert Großbritannien dieses Modell, so würde es sich, zusammen mit Island und Lichtenstein, im "Europäischen Wirtschaftsraum" (EWR) wiederfinden. Die Handelsregeln blieben weitgehend die gleichen - allerdings unter Ausschluss der Landwirtschaft, was die britischen Bauern am Wegfall der Agrarsubventionen spüren würden. GB hätte jedoch alle EU-Regeln zu akzeptieren, ohne diese in Zukunft beeinflussen zu können. Das Land müsste auch erhebliche Geldbeträge nach Brüssel überweisen und die EU-Gerichtsbarkeit als übergeordnet anerkennen. Hinzu käme die volle Freizügigkeit der Migration für Zu- und Abwanderung. Insbesondere letzteres wäre für die britischen Euroskeptiker sicherlich eine harte Nuss.

2. Das Modell Schweiz:
Dieses Modell kann man als eine Art "EWR minus" charakterisieren. Das Alpenland hat nur zu einigen Sektoren des EU-Binnenmarkts freien Zugang. Wie Norwegen muss es dafür zahlreiche EU-Regeln einhalten und erhebliche Geldsummen nach Brüssel überweisen. Der für London so wichtige Sektor der Bankdienstleistungen ist in diesem Modell nicht enthalten. Dafür wird von der Schweiz die volle Freizügigkeit der Menschen erwartet. Auch dieses Modell wird die Briten vermutlich nicht begeistern.

3. Das Modell Ukraine:
Die Zusammenarbeit der EU mit der Ukraine wurde im Januar 2016 beschlossen und könnte eine Basis für die Kooperation mit den Briten sein. Insbesondere deswegen, weil es die Bedingung zur freien personellen Migration nicht enthält. Es müsste allerdings auf verschiedenen Sektoren, zum Beispiel den Finanzdienstleistungen, "aufgebohrt" werden. Auch dafür müsste GB erhebliche Beiträge nach Brüssel überweisen.

4. Das Modell WTO:
Wenn sich die Parteien auf kein anderes Modell einigen können, dann könnte der zukünftige Handel nur noch nach den Regeln der Welthandelsorganisation WTO ablaufen. Der Zugang der Briten zum EU-Binnenmarkt wäre dann ähnlich beschränkt wie zum Beispiel der eines Landes wie Neuseeland. Vor allem für die englische Finanzbranche wäre dieses Modell eine Katastrophe.

5. Das Modell "No Deal":
Würde man sich auf gar keine Zusammenarbeit einigen können, dann gäbe es auch keinen "Deal". Das wäre der "GAU" für die Menschen außerhalb ihrer Heimatländer sowie für alle Wirtschaftsunternehmen auf der Insel. Bei entsprechendem Verantwortungsbewusstsein der beiden verhandelnden Seiten dürfte diese Situation nicht eintreten.

6. Das Modell "Abermaliges Referendum":
Nicht unwahrscheinlich ist, dass es abermals zu einem Referendum kommt, wenn die britischen Politiker (und die Bevölkerung) erkennen, dass der Brexit ein Eigentor war. In diesem Fall prognosziere ich eine satte 70:30 - Mehrheit für den Verbleib in der EU.


Englische Finessen

Geradezu anrührend ist - für Beobachter vom Kontinent aus - wie man in England an jahrhundertealten Gebräuchen geradezu eisern festhält, auch wenn man dadurch in extreme Zeitnot gerät. Ein Beispiel dafür ist die kürzliche Rede der Königin zur Beginn der jährlichen Sitzungen des Unterhauses, genannt "Queens Speech". Dabei liest die Königin eine Rede vom Blatt ab, welche ihr die Premierministerin vorher aufgeschrieben hat. Diese Woche kam Mrs. May aber in extreme Zeitnot, weil die 10-köpfige irische Minipartei DUP dem Text partout nicht zustimmen wollte. Dadurch verzögerte sich auch die Herstellung des Redemanuskripts, denn dieses musste traditionsgemäß von einem Kalligraphen auf Ziegenhaut geschrieben werden. Da der Trocknungsprozess dafür aber zwei volle Tage in Anspruch nimmt, konnte die Queen ihre Rede erst am vergangenen Mittwoch ablesen.

Mit manchen Passagen des Redetextes wird die Queen nicht einverstanden gewesen sein, so zum Beispiel beim beabsichtigten Austritt ihrer Briten aus der Europäischen Gemeinschaft. Da Her Majesty aber kein Komma ändern darf, hat sie ihre königliche Meinung wohl dadurch bekundet, dass sie sich für diesen Anlass in die blaue Farbe der Europafahne gekleidet hat. Diese symbolische Deklaration ist gerade noch statthaft und wird sicherlich keinem der 650 Abgeordneten des Unterhauses entgangen sein wird.


Ihre Majestät beim Vortrag der "Queens Speech" (am 21. Juni 2017)

Impressum

Angaben gemäß § 5 TMG:

Dr. Willy Marth
Im Eichbäumle 19
76139 Karlsruhe

Telefon: +49 (0) 721 683234

E-Mail: willy.marth -at- t-online.de