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Sonntag, 30. Juli 2017

Volkskrankheit Entzündungen: Antibiotika ein Thema für den G20-Gipfel

Manchmal findet man etwas, wonach man gar nicht gesucht hat. So erging es dem schottischen Biochemiker Alexander Fleming, der das Wunderheilmittel Penicillin entdeckte. Er hatte in einigen Petrischalen (flachen Glasschalen) Bakterienkulturen angezüchtet und - bevor er in den Urlaub ging - vergessen, diese Gefäße zu entsorgen. Nach seiner Rückkehr hatte sich ein blaugrüner Schimmel auf den Schalen angesiedelt. An sich nichts Ungewöhnliches, aber der Forscher Fleming erkannte, dass es rings um den Schimmel keine Bakterien mehr gab. Offensichtlich hatten die Schimmelpilze die Bakterien abgetötet. Das Antibiotikum Penicillin war entdeckt!




Der Entdecker des Penicillins, Alexander Fleming, 1952 in seinem Labor (AP)


Es dauerte noch bis zum Beginn des 2. Weltkriegs, bis die Amerikaner die ersten Fabriken zur großtechnischen Produktion des Penicillins errichteten. Die Todesrate in den Sanitätszentren der Alliierten sank von diesem Zeitpunkt an weit unter jene der deutschen verwundeten Soldaten. 1945 durfte Alexander Fleming den Nobelpreis für Medizin entgegennehmen. Ein Jahr später landeten die ersten US-Flugzeuge mit (gespendetem) Penicillin in Berlin-Tempelhof für das Krankenhaus Charité. Am 11. März 1955 starb Fleming an den Folgen eines Herzinfarkts.

Entzündungen und Antibiotika

Entzündungen sind im menschlichen Leben gang und gäbe. Fast jeder Gewebeteil kann sich entzünden, weswegen wir von Lungenentzündung, Blutvergiftung oder Blinddarmreizung sprechen. Entzündungen können auch Krankheiten wie Typhus, Cholera, Tuberkulose oder Keuchhusten hervorrufen. Ausgelöst werden Entzündungen von Bakterien oder Viren. Viele Bakterien leben im menschlichen Körper (Beispiel E.coli) und werden von einem gut funktionierenden Immunsystem in Schach gehalten, beispielsweise im Darm. Wenn bakterielle Erreger eine Krankheit hervorrufen, dann sprechen die Ärzte von einer "Infektion". Bei ihnen ist die Anwendung von "Antibiotika" , früher als Penicillin bezeichnet, auf alle Fälle geboten. Bei Viren sind die Antibiotika wirkungslos.

Seit einiger Zeit hat sich eine "schleichende Katastrophe" entwickelt, wie der deutsche Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe dies bezeichnet. Die Antibiotika helfen nicht mehr im früher gewohnten Umfang, ja sie sind zuweilen ganz wirkungslos. Schon eine Harnwegsinfektion oder eine entzündete Wunde kann in solchen Fällen zum Tod führen. Jeden Tag sterben, weltweit gerechnet, 2.000 Menschen an Entzündungen, weil die Antibiotika ihre frühere Heilwirkung verloren haben. Die Bakterien sind gegen diese Medikamente "resistent" geworden, zum Teil, weil sie sich in andere Stämme umgewandelt haben. Das schlägt sich dramatisch in den Kosten der Heilbehandlung nieder: wo früher ein Patient für wenige hundert Euro und kurzer Liegezeit im Krankenhaus geheilt werden konnte, da fallen heute Kosten von zuweilen hunderttausend Euro an und der Kranke muss Monate im Hospital verbringen.

Ursächlich für das Resistenzproblem ist die Tatsache, dass in der Vergangenheit Antibiotika zu vorschnell verschrieben und in zu großem Umfang eingesetzt wurden. Das geschah nicht nur in der Humanmedizin, sondern auch im Agrarbereich, insbesondere der Tierproduktion. Bei Schweinen und Hühnern waren Beigaben von Antibiotika praktisch ein Bestandteil des Futters. So bildeten sich in großer Zahl resistente Mutationen heraus, die sozusagen über das Schnitzel zu den Menschen gelangten. Hinzu kommt, dass in Indien, dem Land das die meisten Antibiotika produziert, große Mengen dieses Medikaments bei der Erzeugung in die Umwelt gelangen und dort resistente Bakterien generieren.

Die Antibiotika- Initiative der G20

Dass Medikamente im Laufe der Zeit ihre ursprüngliche Wirksamkeit verlieren, ist in der Medizin nichts Neues. Die Pharmaindustrie beobachtet dieses Phänomen recht genau und reagiert darauf (zeitgerecht) mit der Entwicklung neuer Medikamente für die gleiche Krankheit. Man kann sich also fragen, warum dies augenscheinlich in dem so wichtigen Bereich der Antibiotika nicht der Fall ist.

Dafür gibt es einen speziellen Grund:  weil die Antibiotika sehr schnell wirken, werden sie nur kurze Zeit, etwa eine Woche, bei einem Patienten appliziert. Demgegenüber benötigt ein chronisch kranker Patient sein Herzmedikament in der Regel zehn Jahr oder länger, je nach Lebenszeit. Ähnlich ist die Situation im Diabetes-Bereich. Nun sind aber die Zeitdauer für die Entwicklung eines neuen Meikaments und die damit verbundenen Kosten nahezu gleich: ein neues Medikament wird in der Regel innerhalb von zehn Jahren entwickelt sowie für den Markt zugelassen und kostet jeweils ca. 1 Milliarde Euro an Forschungsgeldern. Somit ist es - aus kommerzieller Sicht - verständlich, wenn sich die Pharmafirmen auf solche Medikamente konzentrieren, bei denen der Absatz und damit die Refinanzierung ihrer Forschungsaufwendungen gesichert ist. Das ist leider im Antibiotika-Bereich (wegen der hervorragenden Wirkung des Medikaments) nicht der Fall.

In dieser vertrackten Lage kommt die Gruppe G20 ins Spiel, jener Zusammenschluss der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Beim kürzlichen Jahrestreffen in Hamburg standen - auf Veranlassung von Bundeskanzlerin Merkel - erstmals Gesundheitsthemen auf der Agenda, darunter die Problematik der Antibiotikaresistenzen. Die Mitglieder der G20 einigte sich auf eine sogenannte "Anschubfinanzierung" für die (zumeist) kleinen Firmen, welche sich mit der Erforschung resistenzfreier Arzneien auf dem Infektgebiet befassen. Die interstaatliche Finanzierung soll aber nicht über klassische Subventionen geschehen, sondern nur jenem Unternehmen zukommen, welches als Erstes mit einem brauchbaren Medikament auf den Markt kommt. Also: einmalige Erstattung nur im Erfolgsfall! Für die G20-Gruppe bedeutet dies eine Bereitstellung von 100 Millionen Euro über 10 Jahre. Sicherlich kein zu hoher Betrag, wenn man dafür jährlich (!) die Leben von 700.000 Menschen retten kann, deren  Entzündungen sonst tötlich verlaufen würden.

Es ist jammerschade, dass diese wichtige Initiative von Merkel und Gröhe beim G20-Gipfel in den Medien nicht die ihr gebührende Aufmerksamnkeit gefunden hat. Sie wurde überdeckt von den höherpolitischen Themen, wie Klimawandel, Freihandel, Terror u.a.m. Besonders aber durch ein Übermaß an Berichterstattung zu den Krawallen in Hamburg.

Dieser Blog soll dem ein bisschen entgegenwirken.



Sonntag, 20. Dezember 2015

Hospiz: Sterben in Würde

Die Umfragen beweisen es: in ihrer vitalen Lebensphase bereisen die Menschen den halben Globus - aber sterben möchten sie zuhause. Abgesehen von der bäuerlichen Landbevölkerung, ist dies heute nur noch wenigen vergönnt. Die meisten Menschen sterben in Krankenhäusern, Pflegestationen und Altenheimen. Häufig in den Operationssälen oder Intensivstationen, mit Kabeln und Schläuchen angeschlossen an blinkende Apparate. Die kurative Medizin bemüht sich dort um sie oft bis zum Lebensende. Häufig erleiden sie  einen einsamen Tod.

Aber seit einigen Jahren ändert sich das. Mehr und mehr öffnen sich die Krankenhäuser - beispielsweise die Städtische Klinik Karlsruhe oder das Vincentiuskrankenhaus - den Bedürfnissen der Schwerkranken, denen keine ärztliche Hilfe mehr Heilung verschaffen kann, die - in der Fachsprache - "austherapiert" sind. Dies geschieht durch den Aufbau von Krankenstationen, bei denen die Patienten, welche auf dem Sterbeweg sind, palliative Schmerztherapie, Pflege und Sterbebegleitung durch stationäre oder ambulante Hospizmitarbeiter erfahren. Neben diesen stationären Palliativstationen gibt es auch die "Spezialisierte ambulante Palliativversorgung" (SAPV) oder die "Brückenschwestern".

Andernorts entstehen stationäre Hospize, die in der Art von kleinen Pflegeheimen mit wenigen Zimmern die Schwerstkranken von den Krankenhäusern oder aus überlasteten Familien aufnehmen und sie bis zum Tode begleiten. In der Region Karlsruhe befinden sich solche stationären Hospize in Ettlingen oder bei Baden-Baden. Die organisatorischen Träger sind in der Regel die Caritas oder die Diakonie. Finanziert werden diese Hospize durch die Krankenkassen und durch Spenden. Jeder Versicherte hat bei Vorliegen einer entsprechenden Diagnose einen Anspruch auf Hospizleistungen.

Die Sterbebegleiter und ihre Ausbildung

Die Sterbebegleitung wird fast ausschließlich durch Ehrenamtliche  geleistet. In Baden-Württemberg gibt es rd. 6.000, in der Region Karlsruhe rd. 70 Menschen, die sich für ambulante oder stationäre Hospizdienste zur Verfügung stellen. Zu zwei Dritteln sind es Frauen jeglichen Alters, aber auch das Interesse der männlichen Bevölkerung ist im Steigen. In Karlsruhe gibt es sogar einen (emeritierten) 71-jährigen Physikprofessor und einen 30-jährigen Doktoranden der Elektrotechnik, welche sich zur Begleitung sterbender Menschen zur Verfügung gestellt haben. Im einen Fall war es das Bedürfnis im Ruhestand  noch einmal "etwas ganz anderes" für die Gesellschaft zu tun, im anderen Fall wurde ein emotionaler Ausgleich zur rationalen beruflichen Tätigkeit gesucht.

Jeder, der Neigung für diese "Arbeit" hat, kann sich ohne Scheu für den Hospizdienst bewerben. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter werden auf ihre künftige Tätigkeit sehr sorgfältig vorbereitet. Dies geschieht mit Wochenendseminaren und Vorträgen sowie mit einem Praktikum z. B. in einem stationären Hospiz oder in einer Palliativstation. Einmal im Monat treffen sich diese Mitarbeiter zu einer Art Gruppentherapie, der Supervision. Dort kann jeder von seinen Problemen aus der Begleitung oder von privaten Sorgen erzählen. Stirbt der Patient dann geht in der Regel der Hospizmitarbeiter mit zur Beerdigung und trifft sich (im Sinne einer Nachsorge) noch einige Male mit den Angehörigen.

Vom Leben zum Tod

Etwa ein bis zwei Mal pro Woche besucht der ausgebildete Ehrenamtliche von der Hospizorganisation einen Schwerkranken oder Sterbenden manchmal über Wochen oder Monate. Die "Zuordnung" leitet dabei eine hauptamtliche Hospizmitarbeiterin nach ihrem Erstbesuch mit viel Fingerspitzengefühl für beide Seiten ein. Der erste Besuch der oder des Ehrenamtlichen mag mit einer gewissen Nervosität verbunden sein, die sich aber in der Regel bald legt. Das wichtigste für den Sterbebegleiter ist, dass er ZEIT mitbringt. Zeit, Zeit und nochmals Zeit! Das unterscheidet ihn von den Ärzten und dem Pflegepersonal, welche zumeist in einen engen, getakteten Terminplan für viele Patienten da sein müssen.

Wie man den Kontakt zum Schwerkranken findet, darüber gibt es kein Patentrezept. Manchmal genügt es schon, wenn der Hopizmitarbeiter neben dem Bett des Patienten sitzt und ihm das Gefühl vermittelt, dass er nicht allein ist und, dass er nicht nach zwei Minuten wieder verlassen wird.  Aus dieser ursprünglichen Idee der "Sitzwache" ist, ausgehend von England, die Hospizbewegung in den achziger Jahren in Deutschland entstanden. Die Gespräche im Sterbezimmer sind weder poetisch noch intellektuell. Für den Sterbebegleiter heißt es: aufnehmen, was da ist, darauf eingehen, damit arbeiten. Der Patient macht die Regeln, gibt die "Tagesordnung" vor. Es ist die Aufgabe des/der Ehrenamtlichen das zu begleiten, was er "vorfindet".

So ergeben sich die Gespräche meist von selbst und ranken häufig um banale Dinge. Oft erzählt der Kranke von Vorfällen in seinem Leben, die er nicht bewältigt hat und die er in den letzten Stunden noch sortieren und loswerden möchte. Allerdings: Sterbende brauchen ein stabiles Gegengewicht. Wer psychisch mit sich selbst nicht im Einklang ist, kann ihnen nicht frei und unbefangen begegnen. Am Lebensende spüren die Menschen Ängste und Befürchtungen des anderen recht schnell. Aber, wenn es gut läuft, profitieren von der Sterbebegleitung beide Seiten.

Sterben ist ein Prozess, der sich oft über Tage und Wochen hin zieht. Der Mensch stirbt nicht auf einen Schlag, sondern die Organe stellen meist nach und nach die Arbeit ein, häufig zuallererst das Gehirn. Danach bricht die Koordination des Körpers zusammen. Der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf hat es einmal beschrieben als "die Mitteilung des Universums an das Individuum, dass es nicht mehr gebraucht wird". Herrndorf war knapp fünfzig, als ihn ein besonders heimtückischer Hirntumor überfiel. Dreieinhalb Jahre hat er mit diesem Krebs überlebt und unsentimental darüber geschrieben:

"Ein großer Spaß, dieses Sterben. Nur das Warten nervt".

Sonntag, 17. Februar 2013

Ramschtitel Dr. med

Es ist bekannt, dass die Universität Düsseldorf den angeblichen Verfehlungen von Frau Schavan mit geradezu jacobinischer Strenge nachgegangen ist und diese mit der Maximalstrafe - Entzug des Doktortitels - sanktioniert hat. Nach etwaigen Fehlern im eigenen Universitätsbereich, worauf die grossen Wissenschaftsorganisationen mehrfach hingewiesen hatten, haben Fakultät und Verwaltung nicht gesucht. Wie schwer die Hochschulen sich damit tun, eigenes Fehlverhalten aufzuarbeiten und entsprechend zu bestrafen, zeigt sich an einem besonders grotesken Beispiel bei der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.


Die Würzburger Doktorfabrik

Es handelt sich um den Fall des Professors Dr. Dr. Dr. h.c. Gundolf Keil. Er wirkte von 1973 bis 2003 als Ordinarius für die Geschichte der Medizin an der medizinischen Fakultät der Würzburger Universität. Seine Spezialität waren mittelalterliche Schriften über Heilpflanzen und Kräuter, wofür er unter anderem das Bundesverdienstkreuz erhielt und Mitglied im päpstlichen Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem wurde. Als er 2003 mit grossem Pomp verabschiedet wurde, hatte er 250 Dissertationen, fast alle auf dem Gebiet der Medizinhistorie und Kräuterkunde betreut.


Universität Würzburg (Hauptgebäude)

Seinem Nachfolger, Professor Michael Stolberg, kamen die letzten 25 Doktorarbeiten sehr merkwürdig vor. Sie hatten weitgehend den gleichen Wortlaut und entsprachen in der Diktion dem Schreibstil von Doktorvater Gundolf Keil. Auf die Urheberschaft des erzkatholischen Professors Keil deuteten auch die seltsamen Datumsangaben in den Dissertationen hin. So hiess es dort "Würzburg, am Tag des Heiligen Abtes Romanus 2002" oder "Würzburg, am Tag vor Lichtmess 2003". Die Doktoranden waren vielfach Ärzte und Zahnärzte aus Norddeutschland, die gar nicht in Würzburg studiert hatten und schon lange im Berufsleben standen.

Nach und nach wurde bekannt, dass ein sogenannter Promotionsberater im Spiel war. Er besorgte Professor Keil diese Doktoranden, welche wohl mit dem Titel Dr. med. ihre Visitenkarte verschönern wollten. Darüberhinaus wurde bekannt, dass dabei Geld geflossen ist. Sowohl der Promotionsberater M. als auch die Doktoranden "spendeten" Beträge zwischen 8.000 und 15.000 Mark an die "Würzburger medizinhistorische Gesellschaft", die allein von Keil verwaltet wurde.

Weil die aushäusigen Doktoranden wenig Zeit hatten, verfertigte Keil mindestens vier Doktorarbeiten praktisch allein. Diese beschäftigten sich thematisch mit einem mittelalterlichen Arzneihandbuch und sind im Aufbau und Text nahezu identisch. Vom Umfang her umfassten sie 30 bis 40 Seiten. Zieht man die ellenlangen Einleitungen, das Quellenverzeichnis und die Danksagung ab, so verblieben für den eigentlichen Text kaum mehr als zehn Seiten. Zumeist war auch dies nur belangloses Geplapper.

Zugute kam Keil eine Promotionsordnung der Fakultät, die eine Richtzahl von maximal 40 Seiten für eine Arbeit zum Dr. med. vorgab. Darin hiess es sogar, dass "der Betreuer der Dissertation Mitarbeiter dieser Arbeit" sein kann.  So war es nicht verwunderlich, dass im Institut für Medizingeschichte Aufzeichnungen des Doktorvaters Keil gefunden wurden, die zum Grossteil mit den eingereichten Dissertationen identisch waren. Da war sogar der Universitätspräsident Alfred Forchel schockiert, als er feststellte: "Ich bin Physiker, da sind Doktorarbeiten hochkarätige Werke".


Halbherzige Sanktionen

Angestossen durch Keils Nachfolger Stolberg, nahm sich im Herbst 2006 die "Ständige Kommission zur Untersuchung wisenschaftlichen Fehlverhaltens" dieser Doktorarbeiten und der dabei geflossenen Spenden an. Ein knappes Jahr später übergab sie der Würzburger Staatsanwaltschaft ihren Untersuchungsbericht. Diese interessierte sich kaum für Form oder Inhalt der Dissertationen, belegte Keil aber mit einen Strafbefehl über 14.400 Euro, weil er nachweislich Geld vom Promotionsvermittler M. angenommen habe. Keil bezahlte ohne Widerspruch. Ein Disziplinarverfahrengegen den Beamten Keil wurde von der Universitätsverwaltung nicht eingeleitet. Die Doktores wurden nicht beschuldigt.

Die begehrte Bedeckung

So wäre die Situation wohl heute noch, wenn nicht im März 2011 eine anonyme Gruppe für Unruhe gesorgt hätte. Sie nannte sich "Freunde des Instituts für die Geschichte der Medizin" und versandte ein 40-seitiges Dossier zu den beschriebenen Vorfällen an Zeitungsredaktionen und Justizbehörden. Darin beschuldigten sie die alma mater, eine regelrechte "universitäre Doktorfabrik" zu betreiben. Die Würzburger Hochschule sah sich nun gezwungen, das Verfahren gegen Keil wieder zu eröffnen.

Mittlerweile war ein weiterer Verdacht aufgekommen. So soll Keil nicht nur Doktorarbeiten, sondern auch Habilitationsarbeiten verkauft haben. Letztere zum höheren Preis von 33.000 Mark. Ja selbst gegen den Lehrstuhlnachfolger Michael Stolberg gibt es nun belastendes Material: gemäss einem von Keil angefertigten "Eigenbeleg" soll Stolberg 16.000 Euro an Keil gezahlt haben, für das "Betreiben meiner Nachfolge". Stolberg selbst bezeichnet diese Anschuldigung als "perfide Fälschung und Verleumdung". Bezichtigungen und Korruptionsverdacht allenthalben.

Nach fast zwei Jahren ist die Universität mit der Aufarbeitung dieses Sumpfes nicht sehr viel weiter gekommen. Ganze zwei Doktortitel wurden bis November 2012 "wegen Plagiats" entzogen, wobei man sich im Fahrwasser der öffentlichkeitswirksamen Fälle Schavan bis Guttenberg bewegte. Die restlichen 248 Fälle - Verjährung ist ja nicht eingetreten - harren noch der Aufarbeitung. Derzeit werden 20 Arbeiten zum Dr. med. genauer überprüft; nach Angaben des Präsidenten Forchel wird das mindestens noch ein Jahr in Anspruch nehmen.

Inzwischen nimmt der numehr 78-jährige Gundolf Keil  sein Recht als Emeritus wahr:
er hält an der Universität Würzburg weiterhin Seminarvorlesungen über Heilpflanzen.



Nachschrift:  Als gebürtigen Franken tut es mir weh, dass die altehrwürdige fränkische Universität Würzburg in diesem Blog so schlecht weg kommt. Deswegen möchte ich hinzufügen, dass die Julius-Maximilians-Universität seit ihrer Gründung immerhin acht Nobelpreisträger hervorgebracht hat, nämlich: Wilhelm Conrad Röntgen, Physik, 1901 -  Emil Fischer, Chemie, 1902 - Eduard Buchner, Chemie, 1907 - Wilhelm Wien, Physik, 1922 - Hans Spemann, Medizin, 1935 - Klaus von Klitzing, Physik, 1985 - Hartmut Michel, Chemie, 1988 - Harald zu Hausen, Medizin, 2008.

Der Medizinhistoriker Gundolf Keil ist also eher ein Ausreisser.

Mittwoch, 26. März 2008

Osterrätsel ( Die Auflösung )

Die Feiertage sind vorüber. Viele mails habe ich bekommen mit Vorschlägen zur Auflösung meines Osterrätsels. Leider war kein einziger "richtiger" darunter. Niemand kam auf das Phänomen, das mir vorschwebte: die Narkose.

Jawohl, die Narkose - auch Anästhesie genannt - halte ich für die grösste, wichtigste und vorallem nützlichste Entdeckung bzw. Erfindung der Menschheitsgeschichte. Durch Zuführung von Medikamenten wird (kontrolliert) ein Zustand der Bewusstlosigkeit herbeigeführt, in welchem die Empfindung des Schmerzes ausgeschaltet ist und die Muskeln entspannt werden. Vollnarkose und örtliche Betäubung seien der Einfachheit halber der gleichen Kategorie zugeordnet.

Die herausragende Bedeutung der Narkose beruht auf dem Umstand, dass erst sie die moderne Chirurgie möglich gemacht hat. Ohne Anästhesie gäbe es keine zahnärztliche Wurzelbehandlung, keine Blinddarm-, Gallen- oder Magenoperation und auch keine Unfallchirurgie. Ganz einfach deswegen, weil die mit dem notwendigen ärztlichen Eingriff verbundenen Schmerzen von einem modernen Menschen nicht auszuhalten wären.

Früher mag das auf Teilgebieten der ärztlichen Versorgung anders gewesen sein. Den Verwundeten auf den napoleonischen Schlachtfeldern wurden kurzerhand lädierte Beine oder Arme mit der Eisensäge abgetrennt. Französische Ärzte waren für ihre "Geschicklichkeit" berühmt und berüchtigt; sie schafften diese "Operationen" in 20 Sekunden. Der arme Soldat wurde von vier kräftigen Helfern festgehalten und durfte der Schmerzen halber auf ein Stück Holz beissen. Offiziere, gewissermassen die Privatpatienten der damaligen Zeit, bekamen vorher eine Flasche Schnaps eingeflösst.

Im statistischen Mittel kommt jeder Mensch während seines Lebens etwa 5 bis 10 mal in die Lage auf eine Operation angewiesen zu sein. In solchen Situationen wird er sicherlich weder die Relativitätstheorie noch das Automobil für wichtiger halten. Es ist die Anästhesie, welche den heilenden chirurgischen Eingriff erst möglich macht und damit die Lebensqualität und die Lebensdauer - verglichen mit früher - signifikant erhöht.

Die Anästhesie ist eine junge Wissenschaft, etwa 160 Jahre alt. Der Amerikaner Horace Wells, ein Zahnarzt, entdeckte 1845 durch Zufall, dass Lachgas (Stickoxydul) die Schmerzempfindung seiner Patienten stark verminderte und verschaffte sich damit grossen Zulauf. Kurze Zeit danach hatte sein Schüler William Morton ähnliche Erfolge bei der Anwendung von Äther. Bald prozessierten beide vor den höchsten US-Gerichten um die Patentrechte, wurden dabei aber nicht glücklich. Wells tötete sich selbst durch einen Messerstich in die Beinarterie und Morton starb, zermürbt durch die vielen, meist von ihm angezettelten Gerichtsprozesse bereits mit 48 Jahren im Zustand geistiger Auflösung.

Aber die Idee der Schmerzunterdrückung durch Medikamente hatte bereits ihren Siegeszug um den Globus angetreten. In Europa war es vor allem die britische Königin Victoria, welche die Narkose beflügelte. Auf Anregung ihres Prinzgemahls Albert entband 1853 die damals schon 34-jährige ihren vierten Sohn Leopold unter einer Chloroformmaske. Die Nachricht, dass die Geburt schmerzfrei und ohne Komplikationen verlaufen sei, ging wie ein Lauffeuer durch Grossbritannien. Chloroformgeburten "á la reine" wurden bei den Damen der Gesellschaft grosse Mode. In rascher Folge stellten die aufkommenden chemischen Manufakturen weitere schmerzstillende Medikamente bereit und die Ärzte minimierten das Dosierungsrisiko.

Das Jahrhundert der Chirurgie war angebrochen.

Mittwoch, 19. März 2008

Osterrätsel (Die Aufgabe)

Ostern ist - anders als Weihnachten mit seinem Einkaufsstress - ein beschauliches Fest. Über Gründonnerstag und Karfreitag wird man gemächlich auf die beiden Feiertage hin geführt und hat dann viel Ruhe und Zeit zum Ausspannen. Da kommt ein Rätsel gerade recht, mit dem man seine Neuronen beschäftigen kann. Ein Osterrätsel, gewissermassen.

Nun, ich präsentiere Ihnen eins und kleide es in die Frage: "Was ist die grösste Entdeckung beziehungsweise Erfindung in der Geschichte der Menschheit?" (Entdeckung und Erfindung nehme ich mal synonym, obwohl sie natürlich leicht unterschiedlich zu definieren sind.)

"Absurd, diese Frage", werden Sie sagen. Denn die Menschen haben in ihrer Geschichte so viele grossartige Erfindungen/Entdeckungen gemacht. Den Urknall, das Auto, das Flugzeug, das Feuer, die Pille und so weiter und so fort. Wie soll man da wichten?

Ich gebe Ihnen eine kleine Hilfe. Die Entdeckung/Erfindung, welche mir vorschwebt, ist vorallem nützlich, ja ungemein nützlich. Jeder Mensch nimmt sie ein- oder mehrmals in seinem Leben in Anspruch und möchte in dieser Situation keinesfalls darauf verzichten. So, das soll nun aber reichen. Die Auflösung kommt mitte nächster Woche an gleicher Stelle.

Frohes Raten - und frohe Ostern!

Impressum

Angaben gemäß § 5 TMG:

Dr. Willy Marth
Im Eichbäumle 19
76139 Karlsruhe

Telefon: +49 (0) 721 683234

E-Mail: willy.marth -at- t-online.de