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Mittwoch, 10. Januar 2018

BITCOIN? - Was ist das eigentlich?

Wer frühzeitig auf die virtuelle Währung BITCOIN gesetzt hat, konnte ohne Mühe Millionär werden. Inzwischen herrscht weltweit Goldgräberstimmung. Der Bitcoin ist zum Spekulationsobjekt geworden. Neue virtuelle Währungen entstehen, welche diesen Erfolg kopieren wollen. Hinter den mit Computern generierten Kryptowährungen steht eine Technologie namens BLOCKCHAIN. Experten glauben, dass die Blockchain viel mehr kann. Mit ihr kann man offensichtlich nicht nur Finanzprodukte kreieren, sondern auch die Banken, Finanzinstitute und Versicherungen samt der öffentlichen Verwaltung umfassend verschlanken und umorganisieren - bis hin zu deren (eventueller) Abschaffung.


Der ominöse Mr. Satoshi Nakamato

Bitcoin ist gewissermaßen die "Mutter" aller Kryptowährungen, das heißt von Geld, welches - in verschlüsselter Weise -  mit Computern erzeugt wird. Die Idee wurde vor zehn Jahren in einem wissenschaftlichen Journal (siehe Faksimile-Abbildung) von jemandem unter dem japanisch anmutenden Namen Satoshi Nakamoto vorgestellt. Damals, im Jahr 2008, befand sich die Welt wegen der globalen Finanzkrise in Aufruhr und den klassischen "FIAT-Währungen" (also Dollar, Euro, Yen etc.) wurde nur noch wenig Vertrauen entgegengebracht. Inzwischen stellte sich heraus, dass es den Autor namens Satoshi Nakamoto so nicht gibt. Er hat offensichtlich unter einem Pseudonym publiziert; seine wahre Identität ist, trotz großer Anstrengungen, bis heute nicht aufgedeckt.

Über den Bitcoin gibt es Veröffentlichungen und Bücher in großer Zahl, die allerdings zumeist in der englischen Sprache verfasst sind. Demzufolge haben sich fast für alle Fachbegriffe die englischen Bezeichnungen durchgesetzt. In diesem Blog sind dies - neben bitcoin - die Begriffe peer to peer, wallet, miner, blockchain und ledger, wofür ich an den jeweiligen Stellen (inoffizielle) deutsche Übersetzungen benutze.



Der Anfang von Satoshi Nakamotos Veröffentlichung


Zielsetzung und Grundlagen der Bitcoin-Technologie

Der Erfinder des Bitcoin - nennen wir ihn weiter Nakamoto - wollte mit seinem künstlichen Geld erreichen, dass Weltfinanzkrisen künftig nicht mehr möglich sein sollten. Den nationalen Notenbanken sollte ihr Monopol zur "Geldschöpfung" entrissen werden und die Regierungen sollten nicht mehr in die Lage versetzt werden (bei selbstverschuldeten Krisen) die Banken auf Kosten der Steuerzahler, also des "kleinen Mannes", zu retten.

Dafür begründete Nakamoto eine neue Währungseinheit, den Bitcoin. Er ist nicht, wie der Name vermuten lässt, eine anfassbare Münze ("coin"), sondern der Bitcoin existiert nur "kryptisch", also in verschlüsselter Form, auf unserem Computern. Nakamoto definierte ihn als: 
digitale Geldeinheit in einem weltweiten dezentralen Zahlungssystem.
Das Regelwerk für dieses Währungssystem, also der Computer-Code, liegt offen und für jeden Nutzer einsehbar als "open source" vor. Jeder, der einen PC oder ein Smartphone besitzt, kann sich kundig machen und sich an der Bitcoin-Technologie beteiligen. Dass dies nicht so ganz einfach ist, sei nur am Rande erwähnt.

Damit der Bitcoin nicht (wie die allermeisten FIAT- und Papiergeldwährungen) durch Inflation seinen Wert verliert, oder von den Noten- und Geschäftsbanken "missbraucht" wird, hat N. in sein virtuelles System einige Sperren eingebaut. So dürfen bis zum Jahr 2041 maximal 21 Millionen Bitcoins ausgegeben werden, wobei heute - angesichts des Zulaufs dieser Währung - allerdings bereits 16 Millionen im Umlauf sind. Des weiteren sollte der Bitcoin jedem Computerbesitzer für Zahlungen und Überweisungen zur Verfügung stehen. Aber: nicht durch Einspeisung der jeweiligen Summe in das globale (und undurchsichtige) Bankensystem sondern als Überweisung von Person zu Person, englisch: peer to peer, bzw. p2p.


Die Wallets

Will man an Bitcoin-Finanzgeschäften teilnehmen - etwa zum Zwecke von Geldüberweisungen oder um Anlagespekulationen zu tätigen - dann benötigt man ein Konto, welches im virtuellen Raum als "wallet" bezeichnet wird. Dieses Wallet ist eine Art Geldbörse und wird nur auf dem eigenen PC oder Smartphone gespeichert. Das hat u. a. den Vorteil, dass kein Externer (also auch keine Bank!) darauf zugreifen kann. Auch andere Einschränkungen, wie die Limitierung der Überweisungshöhe, welche bei einem Girokonto durchaus üblich ist, kennt das Wallet nicht. Jeder Teilnehmer im Bitcoingeschäft ist sozusagen Herr seines eigenen Geldbeutels und kann problemlos Bitcoins in beliebiger Anzahl in die entferntesten Gegenden von Afrika oder Australien senden - sofern der Empfänger einen internetfähigen Computer mit Wallet besitzt.

Die Eröffnung eines Wallets geschieht in der Regel online nach bekannten Regularien. Das Konto wird nicht unter dem Klarnamen geführt, sondern ist extrem gut verschlüsselt, jedenfalls besser als die einst in der Schweiz und Lichtenstein üblichen Nummernkonten.  Früher konnte diese Geldbörse auch mit Bitcoins gefüllt werden, die man am eigenen Computer erzeugte. Das ist nun nicht mehr möglich, da diese Aufgabe jetzt von den Großrechenanlagen "übernommen" wurde, deren Stromaufnahme nicht selten die Leistung von Atomkraftwerken übertrifft. Deshalb wird der durchschnittliche Kleinanleger heute gezwungen, sich an einer (zumeist) asiatischen Börse mit Bitcoins einzudecken. Nicht selten entstehen dabei allerlei Wechselkurs- und Transaktionskosten, welche die Rentabilität erheblich schmälern können.


Zentrale Begriffe:   Block, Blockchain, Miner, Ledger

Kommen wir nun zur technischen Umsetzung beim Bitcoin.
Dazu muss man wissen, dass weltweit zu jeder Sekunde viele Bitcoin-Überweisungen (auch "Transaktionen" genannt), zwischen den im Netzwerk beteiligten Personen getätigt werden. Diese Transaktionen werden in sogenannten "blocks"  (deutsch: Blöcke) zu einer "blockchain" (Blockkette) zusammengefasst. Bevor sie zur Zahlung angewiesen werden, müssen sie jedoch zuerst auf ihre Gültigkeit und Fehlerfreiheit überprüft werden. Diese Aufgabe zur Validierung der Blöcke obliegt dem sogenannten "miner" (Schürfer) wofür diese (Plural!) - im Wettbewerb - eine Entlohnung in Bitcoins erhalten.  Der Begriff Miner ist vom Goldbergbau hergeleitet, wo die (Gold-) Schürfer für ihre mühevolle Tätigkeit ebenfalls (oftmals in Gold-Nuggets) bezahlt werden.

An der Validierung der Blocks arbeiten immer viele Miner gleichzeitig - aber nur einem einzigen gelingt diese Aufgabe. Dafür müssen die Miner den Block "knacken", d. h. entschlüsseln. Dies ist nach dem Algorithmus des Bitcoin-Begründers Nakamoto eine sehr aufwendige Angelegenheit, wofür aber nur der erste, dem dies gelingt, entlohnt wird. Dafür erhält er aus dem oben genannten 21-Millionen-Bitcoin-Depot für seine Leistung eine gewisse Anzahl von Bitcoins auf seinem Wallet gut geschrieben. Alle anderen gehen leer aus! Vor zehn Jahren, zur Entstehungszeit der Bitcointechnologie, konnte sich noch jeder Besitzer eines Microsoft-PC  mit Erfolg am Miningprozess beteiligen und sein Wallet mit Bitcoins füllen. Heute haben nur noch die gigantischen Serverzentren in China und anderswo eine wirkliche Chance.

Alle Zahlungen, die jemals im Bitcoinsystem getätigt wurden, sind im sogenannten "ledger" gespeichert, was in etwa mit "Zahlungs- oder Kassenbuch" zu übersetzen ist. Dieses besteht aus drei Kolonnen: der Gesamtheit der Absender und Empfänger der Transaktionen sowie der Höhe der Bitcoinüberweisungen. Das Ledger ist von allen Beteiligten weltweit einzusehbar, allerdings sind die Wallets der Sender und Empfänger verschlüsselt, also nicht mit Klarnamen identifizierbar. Durch kunstvolle Verschlüsselung der Zahlungsblöcke können die Bitcoinzahlungen stets und auf Dauer nachgewiesen werden. Diese ist einer der Gründe, warum  man beim Bitcoin von einer "Kryptowährung" spricht.


Inhärente Probleme des Bitcoin

Volatilität:  Die Kursschwankungen des Bitcoin sind beträchtlich und laden zur Spekulation ein. Wer in den sechs Wochen um Weihnachten 2017 einen Betrag von 100.000 US-Dollar in Bitcoin angelegt hat, der konnte in wenigen Wochen sein Portefeuille auf 200.000 $ vergrößern - um in weiteren wenigen Wochen wieder auf 100.000 $ zurückzufallen.
Bitcoin ist die ideale Geldform für Spekulanten und Zocker. Menschen, die ihr Geld langfristig anlegen wollen, sollten dies keinesfalls in Bitcoin tun.

Verlustrisiko:  Im Vergleich zu Aktien und sonstigen Anlageformen hat der Bitcoin ein wesentlich erhöhtes Verlustrisiko: der Wert eines Bitcoin-Wallet kann (theoretisch) bis auf Null absinken. Bei der Anlage in Aktien verbleibt (selbst bei Insolvenz des Unternehmens) immer noch ein Restwert der Firma; bei einem Festgeldkonto garantieren die Banken über die gesetzliche Einlagensicherung, einen Restwert von mindestens 100.000 Euro, die es beim Bitcoin nicht gibt.

Cyperkriminalität:  Der Verzicht auf jegliche staatliche Überwachung und Regulierung des Bitcoin lädt zur Cyperkriminalität im Internet ein. Illegaler Waffenkauf, Drogenhandel, Geldwäsche bis hin zum Terror können noch risikoloser abgewickelt werden, als dies bisher bereits im sogenannten "Dark Net" der Fall ist.
Hinzu kommen Sicherheitslücken bei Computern und Chips, wovon derzeit die amerikanischen Unternehmen Apple und Intel betroffen sind. Durch sie kann (zumindest zeitweise) das ganze Bitcoin-Netzwerk zusammenbrechen.

Kleinrechner versus Großrechner:  Die ursprüngliche Idee des Bitcoin-Begründers Satoshi Nakamoto ist weitgehend abhanden gekommen. Wegen des hohen Rechenaufwands (Operationen pro Sekunde) ist die Erzeugung von Bitcoins am "heimischen PC" nur noch eine Mär. Die Blocks können nur noch von Großrechner innerhalb von Minuten entschlüsselt werden, welche sich derzeit an so unzugänglichen Standorten wie der Inneren Mongolei und den Schweizer Alpenhöhlen befinden. Ca. 20 Prozent der bislang erzeugten Bitcoins im Wert von 4o Milliarden Dollar befinden sich angeblich im Besitze von wenigen (unbekannten) Personen. Sie werden clever auf den Markt gebracht, um - antizyklisch -  die Spekulation anzuheizen.
Und die technische Aufrüstung der Großrechner geht weiter. Inzwischen arbeiten renommierte IT-Firmen wie Apple und Google am sogenannten Quantencomputer. Er würde, vermöge seiner gigantischen Rechenkraft, jedes private Wallet in Kürze leeren - und auf die Besitzer der Großrechner umleiten.

Keine globale Finanzkrise durch Bitcoin:  Die immer wieder geäußerte Vermutung, dass durch die Verbreitung des Bitcoin eine neue Weltwirtschaftskrise (ähnlich wie 2008) ausgelöst werden könnte, ist, zumindest jetzt und in naher Zukunft unberechtigt. Der Börsenwert des Bitcoin schwankt - je nach Kurs - zwischen 200 und 400 Milliarden Dollar. Er liegt damit "nur" beim halben Jahresumsatz der weltweit größten Firma Apple. Aber selbst beim plötzlichen Totaluntergang dieses renommierten Unternehmens wäre man noch meilenweit von einer globalen Finanzkrise wie im Jahr 2008 entfernt.

Ist das Ende des Bitcoin nahe?  Eher nicht! Für einen Abgesang des Bitcoin ist es noch zu früh. Dieser Hype wird noch eine geraume Zeit andauern. Denn: Die Idee des Begründers Satoshi Nakamoto war schlichtweg genial. Ohne Einflussnahme der nationalen Notenbanken, der Geschäftsbanken und der Regierungen gestattet das Bitcoin-System große Mengen an Geld zu geringen Kosten von A nach B zu transferieren. Platt gesprochen: ein Gauner in Kasachstan kann einem anderen Gauner in Simbabwe - für krumme Zwecke - riesige Geldbeträge zukommen lassen. Und zwar ohne, dass die jeweiligen Regierungen - und die Finanzämter! -  dies verhindern könnten. Vorausgesetzt: beide besitzen ein Smartphone, wovon man heute aber ausgehen kann.
Und die Kursschwankungen? Sind die nicht abschreckend? Ganz im Gegenteil! Jeder Kursverfall animiert neue Spekulanten zum Kauf von Bitcoin, weil diese der Meinung sind, sie würden es besser machen als die "armen looser", indem sie rechtzeitig von der Kurswelle abspringen. (Was ihnen natürlich nur höchst selten gelingt). Deshalb: keine Sorge, der Bitcoin wird uns noch eine ganze Weile erhalten bleiben - zusammen mit vielen anderen virtuellen Währungen.


Konkurrierende Digitalwährungen

Die ganze Welt redet über Bitcoin. Klar, denn ein Plus von 1.318 Prozent Wertzunahme - allein im Jahr 2017 - lässt Anlagen im deutschen DAX mit 13 % Jahresgewinn recht mickrig erscheinen. Trotzdem, Bitcoin war im Jahresschnitt nicht die erfolgreichste Digitalwährung. Das war Ripple mit sagenhaften 36.018 %, vor  anderen, wie Dash, Ethereum, Litecoin etc. Derzeit gibt es (fast) 1.400 Kryptowährungen!

Anders als Bitcoin basiert Ripple nicht auf der Blockchain und wird nicht "gemint", also nicht durch Computer erzeugt. Ripple versucht das bestehende Geldsystem auf die Online-Währung zu übertragen. Die Verbindlichkeiten werden in einem öffentlichen Register aufgezeichnet, welches auf allen Computern des Ripple-Netzwerkes gespeichert ist. Erst wenn zwei Leute sich ausreichend vertrauen, kann Geld überwiesen werden. Vertrauen sich zwei Personen nicht genügend, so versucht das Netzwerk eine "Vertrauenskette" zu bilden. Beispiel: Person 1 vertraut Person 2 nicht ausreichend, will ihr aber Geld überweisen. Vertrauen beide Personen aber einer Person 3, dann wird die Transaktion über diese Person 3 abgewickelt. Auf diese Weise sickern die Zahlungen (englisch "to ripple") durch das Netzwerk hindurch. Die interne Währung XRP gilt dabei als Brückenwährung und somit als interne Verechnungseinheit.

Getragen wird die Kryptowährung Ripple von mehreren Investoren, darunter Google.
Als Berater wirkt der ehemalige CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg.











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Montag, 20. März 2017

Freihandel, Protektionismus und "Trumpismus"

Frau Merkel, die deutsche Bundeskanzlerin, befand sich am Montag vergangener Woche bereits in ihrem Auto zum Berliner Flughafen Tegel, als sie ein Eilanruf des US- Präsidenten erreichte. Donald Trump bat um Verschiebung des für den nächsten Tag anberaumten Gesprächstermins im Weißen Haus, weil die amerikanischen Meteorologen einen Schneesturm (Blizzard) vorher gesagt hatten, der die Landung von Flugzeugen an der Ostküste unmöglich machte. So blätterten die beiden Super-alpha-Tiere eigenhändig in ihren Terminkalendern und verschoben das Gespräch auf den Freitag in der gleichen Woche. Sicherlich zum Missfallen von Joachim Gauck, der am gleichen Tag vor Schloss Bellevue mit einem Zapfenstreich - im Beisein der Kanzlerin - verabschiedet werden sollte.

Für Merkel war das Treffen im Washington keine vergnügungssteuerpflichtige Angelegenheit. Donald war während des üblichen Fototermins erkennbar so grantig, dass er Angela sogar den  Handschlag verweigerte. (Später korrigierte sein Pressesprecher Sean Spicer diesen Fauxpas dahingehend, dass der Präsident die Bitte der Fotografen überhört habe. Na ja).


Gute Freunde im Gespräch

Praktisch zeitgleich mit dem Treffen in Washington fand in Baden-Baden eine Konferenz der G20-Finanzminister statt. Das Ergebnis war hüben wie drüben das Gleiche:
Die Amerikaner weigerten sich, ein klares Bekenntnis zum Freihandel und gegen den Protektionismus abzugeben. In Zukunft gelte für die USA die Trump-Doktrin: America First!
In der Kurstadt konnten sich die G20-Teilnehmer noch nicht einmal auf ein Abschlussprotokoll einigen. Der Welthandel steht damit vor einem Riesenproblem.

Der Freihandel - nicht nur positiv

Die Begriffe Freihandel und Protektionismus spielen eine große Rolle in der Volkswirtschaft und werden deshalb an den Universitäten intensiv gelehrt. Als Freihandel bezeichnet man den internationalen Handel, der nicht durch Hemmnisse, wie Zölle oder Importkontingente eingeschränkt ist. Die Reedervereinigung Hanse war ab dem 12. Jahrhundert der erste bedeutende Wirtschaftsbund Europas, bei dem die Grundlagen für einen freien Warenaustausch gelegt wurden. Im Jahr 1353 schlossen England und Portugal wechselseitige Verträge zur Handelsfreiheit für ihre Kaufleute ab. Der Deutsche Zollverein bewirkte in der Bismarck-Ära die Abschaffung der Zölle für viele industrielle Produkte im Deutschen Bund. Die sogenannte Globalisierung zielte nach dem 2. Weltkrieg auf die vollständige Liberalisierung des Welthandels und wurde in den (nur zum Teil realisierten) Abkommen NAFTA und TTIP weiter gedacht.

Die wirtschaftswissenschaftliche Begründung des Freihandels geschah i.w. durch Adam Smith und David Riccardo. Sie forderten, dass sich jedes Land auf die Produktion solcher Güter konzentrieren solle, die es relativ günstiger als ihre Nachbarn herstellen könne. Die Begriffe der absoluten und relativen Kostenvorteile geht auf diese frühen Nationalökonomen zurück. Die in der Nachkriegszeit gegründeten Welthandelsorganisationen WTO (früher GATT) haben in acht Verhandlungsrunden den heute erreichten Abbau der Zölle bewirkt.

Aber in einer Welt mit ca. 165 Ländern garantiert das System des Freihandels keine Stabilität. Die wirtschaftlich und politisch stärksten Ländern würden die Macht an sich reißen. Deshalb ist es notwendig Sperren einzubauen, sodass die Unterschiede Arm/ Reich nicht zementiert und perpetuiert werden. Im folgenden Abschnitt werden dafür Beispiele genannt.


Der Protektionismus - nicht immer schlecht

Will ein Staat (oder eine Freihandelszone, wie EU) seinen eigenen Binnenmarkt schützen, so kann er zu verschiedenen protektionistischen Maßnahmen greifen:

- er kann Zölle auf importierte Güter erheben, die wie eine Art Steuer wirken;
- er kann die Importmenge bestimmter Güter durch Kontingente begrenzen;
- er kann das Überleben bestimmter Branchen durch Gewähren von Subventionen sichern;
- er kann den Export durch Exportsubventionen steigern;
- er kann die sog. Konformitätsanforderungen verschärfen (Z.B. DIN, "deutsches Bier" etc.)

Anfällig für Protektion sind die Rüstungskonzerne, wo Sicherheitsinteressen zum Tragen kommen. Auch die Nahrungsmittelhilfen für die Bauern sind ein bekanntes Beispiel. Schließlich sind aufstrebende Unternehmen zu nennen, deren Produkte über eine gewisse Entwicklungszeit protegiert werden sollen. Protektionismus in Maßen, keine rigide Abschottung, kann also durchaus eine Weile Sinn machen.


Trump - gegen die Festung Europa

Der amerikanische Präsident, ein erfahrener Geschäftsmann, liebt die "Deals" mit kleineren und schwächeren Partnern. Der britische Brexit kam ihm dabei sehr gelegen; kein Wunder, dass er die  Premierministerin Theresa May schon bald nach seiner Ernennung zu Gesprächen ins Weiße Haus eingeladen hat. Zur Europäischen Union hat der Präsident ein distanziertes Verhältnis. Mit 500 Millionen Konsumenten, einer beachtlichen Wirtschaftskraft und sogar einer eigenen Währung ist diese Freihandelszone für ihn kein Partner mehr, sondern eher ein gleichrangiger Konkurrent. Deshalb animiert Trump - mehr oder weniger unverhohlen -  auch andere EU-Länder zum Austritt und bietet ihnen eigenständige Handelspartnerschaften an.

Deutschland, aufgrund seiner Einwohnerzahl und seiner wirtschaftlichen Potenz, ist ihm da ein besonderer Dorn im Auge. Und Angela Merkel, als derzeit wichtigste europäische Figur, versucht er klein zu reden - insbesondere wegen der nicht wegzudiskutierenden deutschen Handelsüberschüsse. Er droht mit Importzöllen, welche vor allem die deutschen Autohersteller belasten könnten. Dabei unterschlägt der amerikanische Präsident allerdings, dass deutsche Firmen in den USA eine Million Arbeitsplätze sichern und dort 250 Milliarden Euro investiert haben. Und deutsche Produkte in den USA häufig nachgefragt werden, weil sie einfach "besser" sind.

Aber Trump sitzt an einem langen Hebel. Die USA sind ein Riesenmarkt, auf dem jede Exportnation ihre Erzeugnisse verkaufen möchte. Was sollte den Präsidenten hindern, "unliebsame" deutsche Produkte, wie die vielbesagten BMWs, mit einer speziellen Mehrwertsteuer zu belegen? Mit den daraus generierten Einkünften könnte er sogar noch einen Teil seines beachtlichen Haushaltsdefizits vermindern. Hinzu kommt der immer wieder angemahnte sicherheitspolitische Lastenausgleich, sprich: die Erhöhung der NATO-Zahlungen.

Egal, wie lange Trump noch im Amt sein wird: die Welt wird sich verändern.
Und wahrscheinlich nicht zu Gunsten der Europäer und der Deutschen.





  

Dienstag, 11. Oktober 2016

David und Goliath

Den freien Austausch von Waren und Dienstleistungen - kurz gesagt: den Freihandel zwischen verschiedenen Ländern - gibt es erst seit knapp hundert Jahren. Der Wegfall der Zölle an den Landesgrenzen und die Vereinheitlichung der Produktstandards wird im allgemeinen positiv gesehen. Aber diese "Globalisierung" birgt auch unübersehbar ihre Risiken. Sind die Geschäftspartner unterschiedlich groß, dann kann der Mächtigere dem Unterlegenen sehr leicht seine Bedingungen diktieren und ihn, unter fadenscheinigem Vorwand, sogar zum Kadi zwingen. Dies geschieht derzeit zwischen US-amerikanischen und deutschen bzw. europäischen Firmen und ist deshalb so bedeutungsvoll, weil eine weitere Ausbaustufe des Freihandels - das sogenannte TTIP-Abkommen - unmittelbar vor der Ratifizierung steht.


Schwache deutsche Unternehmen

Wie riskant das unternehmerische Agieren auf dem internationalen Parkett sein kann, wird am Beispiel von drei deutschen Unternehmen beschrieben, nämlich den Firmen Volkswagen, Deutsche Bank und der ehemaligen Baufirma Bilfinger. Ein viertes Unternehmen, Vattenfall, ist in Schweden beheimatet und nutzt die US-amerikanische Gerichtsbarkeit, um die Bundesrepublik Deutschland auf eine Milliardensumme zu verklagen.

Das Unternehmen Volkswagen AG hat jahrelang Dieselautos so manipuliert, dass sie nur auf dem Prüfstand die Abgasgrenzwerte einhalten, auf der Straße aber erheblich mehr Schadstoffe ausstoßen. Der Betrug flog im September 2015 in den USA auf und Volkswagen gestand die Manipulation ein. Weltweit sind 11 Millionen Fahrzeuge betroffen, die meisten davon in Europa. Seit Bekanntwerden dieses Fehlverhaltens ist der Börsenwert von VW um zehn Prozent abgesunken. Die Behörden in den USA verlangten von VW die exorbitante Summe von 13 Milliarden Euro als Wiedergutmachung, insbesondere wegen zu erwartender Umweltschäden.  Die US-Großkanzlei Jones Day durchleuchtet derzeit das Unternehmen minutiös und befragt zahlreiche VW-Mitarbeiter. Die Verdächtigungen reichen bereits bis zu Audi und Porsche, ja, sogar Bosch wurde seit kurzem in das Verfahren einbezogen. Vieles spricht dafür, dass man von US-Seite die Gelegenheit nutzen möchte, die gesamte deutsche Autoindustrie über massive Schadensersatzforderungen klein zu halten.
Uncle Sam: "I shall get you"




In einer noch schlimmeren Situation befindet sich die Deutsche Bank, einstmals die Bank Nr. 1 in Deutschland und eine der größten Banken weltweit. Sie hat seit der "Blütezeit" unter Josef Ackermann 90 Prozent ihres Aktienwertes verloren und ist praktisch ein Übernahmekandidat für ausländische Institute - sofern diese überhaupt wollen. Ein Großteil ihres Vermögens wurde durch hochriskante Investmentgeschäfte verloren, zumeist an der Wall Street und in London. In letzter Zeit wird die Deutsche Bank von den US-Behörden beschuldigt, illegale Hypothekengeschäfte ausgeführt zu haben, wodurch es angeblich vor knapp zehn Jahren zur Weltfinanzkrise gekommen ist. Darüber hinaus wird ihr die Mitwirkung an Geldwäschegeschäften vorgeworfen. Dafür hat die US-Justiz eine Strafe von 14 Milliarden Dollar in Aussicht gestellt. Wie und ob die Bank diese horrende Summe aufbringen kann, ist derzeit in der Diskussion. Es ginge wohl nicht ohne den Verkauf des "Tafelsilbers", worunter die Postbank und die DWS Fondsgesellschaft verstanden wird. Auch eine Insolvenz wird nicht zur Gänze ausgeschlossen, was die gesamte deutsche Wirtschaft hart treffen könnte. "Die deutsche Industrie als Exportweltmeister braucht die Deutsche Bank, die uns bei unseren Geschäften in die Welt hinaus begleitet", sagte kürzlich der BASF-Aufsichtsratsvorsitzende Jürgen Hambrecht.

 Die frühere Baufirma Bilfinger, welche einst ganze Stadtviertel in der katarischen Hauptstadt Doha errichtet hat, kam schon unter dem einstigen Vorstandvorsitzenden Roland Koch ins Visier der US-Behörden. Im afrikanischen Ölland Nigeria soll dieses Unternehmen beim Bau von Pipe-Lines nigerianische Regierungsvertreter bestochen haben. Seither hat Bilfinger Abgesandte des FBI und Anwälte von verschiedenen US-Kanzleien in seinen Büros - zum Stundensatz von bis zu tausend Dollar. Zur bereits gezahlten Strafe von 32 Millionen Dollar sollen weitere 50 Millionen kommen. Noch zusätzliche zwei Jahre wollen die US-Kontrolleure in den Dokumenten der Mannheimer Zentrale herumwühlen. Tom Blades, der nunmehrige Bilfinger-Chef tat kürzlich den bezeichnenden Ausspruch: "Das ist wie Hygiene in einem Krankenhaus; man kann das Thema nie zu den Akten legen".

Ein besonderer Coup ist dem schwedischen Energieversorger Vattenfall gelungen, der eine Zeitlang in Deutschland die beiden Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel betrieben hat. Als die Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2011 - im Nachgang zu Fukushima - die vorzeitige Stilllegung dieser Atomkraftwerke anordnete, reichte Vattenfall eine Schadensersatzklage bei einem Schiedsgericht in Washington, USA, ein. Die Anspruchsgrundlage für die Kläger ist die sogenannte "Energie-Charta", welche einstmals von der Bundesrepublik unterzeichnet wurde und welche "stets eine faire und gerechte Behandlung von Investoren" vorsieht. Die Klage erfolgte vor einem US-Gericht, weil Vattenfall dort wesentlich höhere Entschädigungszahlungen erwartet.


Starke amerikanische Unternehmen

Fehlverhalten bei großen Unternehmen gibt es auf beiden Seiten des Atlantischen Ozeans. Nachstehend werden einige US-Konzerne herausgegriffen, gegen die Sanktionen der EU-Kommission unternommen oder in Erwägung gezogen wurden.

Apple, dem größten Wirtschaftsunternehmen der Welt wird von der EU vorgeworfen, dass es seine Gewinne in den europäischen Staaten von Anbeginn nach Irland transferiert hat, dort aber keine Steuern bezahlt. Inzwischen soll, einschließlich Zinsen, eine Steuerschuld von 20 Milliarden EURO aufgelaufen sein. Das vergleichsweise arme Irland verzichtet gezwungenermaßen auf die Eintreibung dieser Schuld, weil nur unter dieser Bedingung Apple weiterhin seine Geschäfte von diesem Inselstaat aus betreiben will. Apple weigert sich, trotz EU-Androhungen, in Europa Steuern zu bezahlen und hat stattdessen seine Betriebsgewinne in die USA verlagert, um dort - steuerfreie - Wertpapiere zu kaufen. Der Ausgang dieses Streits ist offen, insbesondere wegen der ängstlichen Haltung des Sitzlandes Irland. Inzwischen nutzen auch Google und Facebook das Steuerschlupfloch Dublin.

Dem Unternehmen Google werfen die EU-Kartellwächter unfairen Wettbewerb in seinem Kerngeschäft mit den Suchmaschinen vor. Im Umfeld dieser Internet-Suche macht Google einen Jahresumsatz vom 75 Milliarden Euro in Europa, wobei die Werbeanzeigen das meiste Geld einbringen. Die EU-Kommission bemängelt, dass konkurrierende Suchmaschinen, wie Bing und Yahoo, keinen adäquaten Platz in der Werbung haben. Stattdessen ist Google mit 95 Prozent Verbreitung nahezu Monopolist. Dies stößt, ebenso wie die Vorinstallierung des Web-Browsers Google Chrome auf allen möglichen Internetgeräten, auf heftige Kritik bei der EU-Kommission. Bei dem anhängigen Wettbewerbsverfahren droht Google eine Strafe von zehn Prozent des Jahresumsatz. Der mächtige Konzern Google ist bislang aber keineswegs eingeknickt, obwohl das Sanktionierungsverfahren sich bereits einige Jahre hinzieht.

Den allergrössten Schaden hat die US-Investment-Bank Goldman Sachs  der EU zugefügt, indem es Griechenland einen gigantischen Betrug zu Lasten der Euroländer ermöglichte. Vor der Jahrtausendwende befand sich Griechenland in der misslichen Lage, ein zu hohes Haushaltsdefizit für den Eintritt in die Eurozone zu besitzen. Daher beauftragte die griechische Regierung die US-Bank Goldman Sachs, dieses Problem zu "lösen" um den Maastricht-Kriterien zu genügen. Gesagt, getan: Goldman Sachs bot den Griechen eine verdeckte Finanzierung in Form eines hochspekulativen Derivategeschäfts an. Im Jahr 2001 wurde Griechenland, unter der Regierung Schröder/Fischer in die Eurozone aufgenommen, nachdem auch der deutsche Finanzminister Eichel diesen Deal nicht durchschaut hatte. Seitdem musste Griechenland - aus dem Steuersäckel - mit insgesamt 240 Milliarden Euro gestützt werden. Goldman Sachs wurde bislang von der EU-Kommission juristisch nicht belangt.


Schlussbetrachtung

Vergleicht man die Geschäftsverbindungen zwischen USA und Europa (bzw. Deutschland), so wird offenbar, dass die Europäer - und noch mehr die Deutschen - nahezu in allen Facetten die schwächeren  Partner sind. Nachstehend werden einige Parameter aufgezählt, bei denen dieses Missverhältnis besonders deutlich wird:

1.  Die amerikanischen Unternehmen sind wesentlich größer und können im Bedarfsfall mehr Macht ausüben (Siehe Irland). Insbesondere die US-Internetfirmen, wie Apple und Google, besitzen den riesigen Marktwert von über 500 Milliarden Euro, während die größten deutschen Konzerne um den Faktor 5 bis 10 darunter liegen.

2.  Der Verbrauchermarkt ist in den USA (mit ca. 350 Mio Einwohnern) und Europa (mit ca. 500 Mio) in etwa gleich groß. Allerdings wird Großbritannien (50 Mio) nach seinem Brexit Probleme haben, als internationaler Marktplatz Ernst genommen zu werden.

3.  Die Gerichte und Schiedsgerichte sind in den USA wesentlich rigider als in Europa. VW wird dort als "Umweltsünder" mit 13 Milliarden pönalisiert; demgegenüber gelingt es Europa nicht, die Stadt New York wegen andauernder Versenkung von Plastikmüll in den Atlantischen Ozean vor Gericht zu zwingen.

4.  Die USA dürfen auf die Bankdaten der Europäer seit 2009 im Rahmen des sogenannten Swift-Abkommens ungehindert zugreifen und decken dabei so manches Schmiergeldgeschäft konkurrierender Firmen in Europa auf. Umgekehrt wird der EU keine Kontrolle der zuweilen dubiosen Finanzströme in den USA zugebilligt.

All diese Diskrepanzen werden hoffentlich bei der Endverhandlung des neuen Freihandelsabkommens TTIP noch zur Sprache kommen. Falls nicht - dann hat George Orwell mit seiner Sentenz in "Farm der Tiere" (1945) recht:

Alle Tiere sind gleich,
aber manche sind gleicher.




 







Samstag, 24. September 2016

Die Ölschwemme - wie lange noch?

Vor gut zwei Jahren passierte es: an den Rohstoffbörsen fiel der Preis für ein 159-Liter-Faß (barrrel), fast über Nacht, von 125 US-Dollar auf 50, zeitweise sogar auf nur 27 Dollar. In der Folge wurden an den Tankstellen Benzin und Diesel um fast ein Drittel billiger. Benzin der Sorte E10, welches man früher noch für 1,70 Euro pumpen musste, fiel zeitweise auf unter 1,20 Euro. Ich kann mich noch lebhaft daran erinnern, dass die Tankstellen damals von den Autofahrern regelrecht belagert wurden, denn jeder glaubte, dass die "Billigzeit" schon morgen wieder beendet sein könnte.





Die Entwicklung des globalen Ölpreises seit der Energiewende 2011

Diese Permanent-Angst ist jetzt großenteils vorbei. Ohne Probleme kann man seit dem Jahr 2014 Benzin zu einem moderaten Preis von 1,20 bis 1,30 Euro pro Liter kaufen. Umgekehrt gibt es jetzt sogar Zeitgenossen, welche glauben, dies ginge in alle Ewigkeit so weiter. Dabei hatten die klugen Ressourcenwissenschaftler des "Club of  Rome" schon im Jahr 1972 vorhergesagt, dass - vor allem Erdöl - in Zukunft dramatisch teurer werden würde. Von 200 bis 300 $ pro Barrel war die Rede und  bereits ein Jahr später schienen diese Schwarzseher recht zu bekommen. Im Zuge der sogenannten ersten Ölkrise im Oktober 1973 gab es zeitweise überhaupt kein Öl mehr zu kaufen und die Menschen in Europa genossen das Privileg, auf der Autobahn spazieren gehen zu dürfen. Zur klammheimlichen Freude der damals aufkommenden Partei der Grünen!


Die gegenwärtige Versorgung mit Erdöl

Erdöl ist zur Zeit der wichtigste Energieträger der Weltwirtschaft. Sein Anteil am globalen Energieverbrauch lag im Jahr 2011 bei 33 Prozent. Es folgten Kohle (mit 30 %) und Erdgas (24 %); weit abgeschlagen waren Wasserkraft (7 %) und Kernenergie (6 %). Innerhalb der Branchen hat der Verkehr mit 55 Prozent den weitaus höchsten Ölverbrauch, gefolgt von der Petrochemie (25 %) und der Stromversorgung sowie der Heizung (20 %).  Rund 80 Millionen Fass Mineralöl verbraucht die Erdbevölkerung - an jedem Tag! Mit 2,5 Prozent ist daran die Bundesrepublik Deutschland beteiligt.

Erdöl (bzw. Rohöl) ist keine seltene Ressource, sondern wird in mehr als drei Dutzend Ländern gefunden. Am häufigsten in Saudi-Arabien, wo jeden Tag um die 12 Millionen Barrel (b) gefördert werden. Es folgen Russland mit 11,5 Mio b und die USA mit 11 Mio b. Die nächste Liga bilden Länder wie der Iran (6 Mio b), China (4,1), Irak (3,4), Venezuela (3,9), Kanada (3,7) und Katar (1,9). In Großbritannien (0,9) und Norwegen (1,9) fällt die Förderung seit Jahren ab. Die wichtigste Rohölsorte Europas kommt aus dem Nordseefeld "Brent" zwischen Schottland und Norwegen. Es ist "süßes" Öl mit niedrigem Schwefelgehalt, welches zudem viele niedrigsiedende Bestandteile enthält.

Im Idealfall wird der Preis des Erdöls über Angebot und Nachfrage ermittelt. Aber das Angebot reduzierte sich in den vergangenen Jahrzehnten recht häufig aufgrund politischer Interventionen, wodurch es zu drastischen Preissprüngen kam. Rückblickend war das der Fall im Jahr 1973 wegen des besagten OPEC-Boykotts, 1979 wegen der Revolution im Iran, 1990 wegen des irakischen Überfalls auf Kuweit, 2001 wegen des Terrorangriffs auf New York und 2008 wegen der weltweiten Finanzkrise. Dass 2014 der Ölpreis drastisch - und dauerhaft - um zeitweise 70 % gefallen ist, stellt eine große Ausnahme dar und bedarf der Erklärung.

Aus heutiger Sicht gibt es dafür nur einen Grund: bewusste Überproduktion. Den Anfang machten die US-Amerikaner mit ihrem "Fracking". Bei dieser Technologie wird ein Gemisch aus Chemikalien und Wasser in Schiefergestein gepresst, wodurch sich auf relativ einfache und billige Art große Mengen an Erdöl (oder Erdgas) an die Oberfläche holen lassen. Mit dieser Technik steigerten sie während der vergangenen fünf Jahre ihre Tagesproduktion auf über 10 Millionen Barrel, was die USA unabhängig von weiteren Einfuhren machte. Dies veranlasste den Konkurrenten Saudi-Arabien seine Ölproduktion ebenfalls zu erhöhen, gefolgt von Russland, welches um seine Einnahmen fürchtete. Als weiterer Player kam der Iran hinzu, als dieses Land den sogenannten Atomkompromiss unterschrieben hatte und dadurch wieder satisfaktionsfähig als Öllieferland war. Im Frühjahr 2016 versuchten die früheren Opec-Staaten in Katar eine Deckelung der Förderung zu erreichen, was aber misslang. Dazu beigetragen haben auch politisch-religiöse Animositäten, weil Saudi-Arabien die Islamfraktion der Sunniten und der Iran jene der Schiiten unterstützt.

In den Industriestaaten wirken die günstigen Energiepreise wie ein Konjunkturprogramm. So schmerzhaft der Verfall des Ölpreises für die Förderländer sein mag, so gut ist er für den Rest der Welt. Wie eben bei einem Nullsummenspiel! Die etwa 500 Milliarden Dollar, die jetzt weniger für Öl ausgegeben werden verschwinden ja nicht, sondern fließen in den Konsum der Verbraucher oder werden anderweitig investiert.


Der Ölmarkt in der Zukunft

Die Zukunft des Erdöls als Wirtschaftsgut hängt ab von der Größe der Vorkommen, der Nachfrage und dem Preis. Lange Zeit richtete sich der Blick nur auf die Vorkommen. Nach der viele Jahrzehnte gültigen "Peak Oil"-Theorie richtete sich die Ausbeutung eines Ölfeldes nach der bekannten statistischen Glockenkurve: erst steigt die  Förderung an, erreicht dann ein Plateau, worauf sie schließlich auf Null zurück fällt. Die Ölquelle wurde als eine Art Bassin gedeutet, das zwangsläufig irgendwann leer sein musste. Aber die Wirklichkeit ist viel komplexer. Richtiger ist schon das Bild von einem porösen Schwamm, den man immer wieder auspressen kann - und das umso öfter, je besser die Fördertechnologie entwickelt ist. Außerdem: steigt der Ölpreis durch irgend einen Umstand, so lohnt es sich auch an entlegenen und kostenträchtigen Plätzen (wie der Tiefsee)  nach Öl zu suchen. Wodurch sich das Ölangebot gleich wieder erhöht. Die niedrigsten Förderkosten hat man im Nahen Osten mit ca. 25 $ pro Fass; es folgen Offshore geringer Wassertiefe (40 $), Tiefsee (53 $), Russland (55 $), Schieferöl in USA (62 $) und Ölsande (85 $).

Die Peak Oil Theorie wurde in den letzten Jahren von der "Peak Demand"-Theorie abgelöst. Sie rückt die Nachfrage in den Vordergrund und fragt, ob es nicht eher einen Höhepunkt der Nachfrage für Öl gibt -ab welchen der Verbrauch dieses Rohstoffs kontinuierlich zurück geht. Und tatsächlich deutet vieles in diese Richtung, wenn man historische Betrachtungen anstellt und in die nahe Zukunft extrapoliert. So war die globale Energieversorgung noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von der Kohle dominiert, das Erdöl spielte so gut wie keine Rolle. Aber schon ab dem Jahr 1950 war das Öl mit einen Fünftel im globalen Energiemix vertreten, wobei die Kohle immer noch 45 % ausmachte. Anfang der 1970er Jahre war das Bild bereits umgekehrt: Nahezu die Hälfte der weltweiten Energieversorgung beruhte auf Öl - aber der Newcomer Erdgas besaß schon einen Anteil von 18 %. Mit der Dominanz von Kohle war es vorbei, obwohl sie immer noch 30 % im weltweiten Energiemix ausmacht.

Inzwischen ist es das Öl, welches um seine Vorherrschaft bangen muss. Zwar ist es mit einem Anteil von einem Drittel immer noch der globale Energieträger Nr.1, aber das konkurrierende Erdgas ist ihm mit fast einem Viertel schon ganz nahe gerückt. Die Kohle stagniert. Zugleich erlebt die Welt seit 10 bis 15 Jahren den Aufstieg der Erneuerbaren Energien. Sie haben unter allen Energieträgern die stärksten Zuwachsraten. In den kommenden zwanzig Jahren werden sich also die relativen Gewichte der einzelnen Energieträger weiter verschieben. Der Ölmulti British Petrol (BP), der ganz nahe am Markt ist, schätzt, dass der Ölanteil bis 2035 weltweit auf 26 % zurück geht. Das Erdgas dürfte in 20 Jahren im gleichen Umfang wie Kohle und Öl zur weltweiten Energieversorgung beitragen.  Zusammen werden diese fossilen Energien dann immer noch rund 80 %  der globalen Energienachfrage abdecken. Die restlichen 20 % kommen von den CO2-freien Erneuerbaren Energien (7 %) und der Wasserkraft (13 %).

Logischerweise ist die zukünftige Ölnachfrage regional unterschiedlich. Die BP schätzt in ihrem Energy Outlook, dass bis 2035 in den 35 westlichen Industriestaaten der OECD der Bedarf an Erdöl um 18 % sinken wird, in Deutschland - aufgrund der CO2-Pönalisierung - sogar noch stärker. Der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) geht dort von einer Abnahme des Benzinverbrauchs um annähernd 40 % aus, bei Heizöl um ein Drittel. Diese Verbrauchsabnahmen werden aber global zum Teil überkompensiert durch das Wachstum ausserhalb der OECD und in den Schwellenländern. So schätzt man, dass die Autos von derzeit 1,2 Milliarden Einheiten bis 2050 auf 2,4 Milliarden zunehmen werden.
Trotzdem: wenn keine abrupten politischen Umstände eintreten, wird der Weltölpreis sich noch lange zwischen 50 und 100 $ pro Fass bewegen.

All dies hat bereits vor Jahren der charismatische saudische Ölminister Yamani vorausgedacht, als er in einen Bonmot verkündete:
Die Steinzeit ist nicht zu Ende gegangen weil es keine Steine mehr gab - und das Ölzeitalter wird nicht wegen Mangel an Öl enden.

Sonntag, 24. Juli 2016

Die Sparkassen in der Krise

Einst gehörten die Sparkassen zum Ortsbild, wie die Kirche und das Wirtshaus. Mittlerweile verschwindet diese Trias - aus verschiedenen Gründen. Die Sparkassen wurden vor rd. 200 Jahren gegründet, als Bank der "kleinen Leute", welche bis dato für Kredite den Wucherern und "Finanzjuden" ausgeliefert waren.

Das Geschäftsmodell der Sparkassen war einfach und hat sich über Jahrhunderte hinweg kaum verändert: das Geld der Kunden wurde via Sparbuch eigesammelt, zu ca. 3 Prozent verzinst und über Kredite weiter gegeben - aber zu ca. 6 Prozent. Von der Spanne um 3 Prozentpunkte konnten die Beteiligten gut leben. Seit der EZB-Chef Mario Draghi jedoch die Nullzinsphase ausgerufen hat, funktioniert dieses Schema nicht mehr, denn die Differenz aus den beiden genannten Positionen, also der Rohgewinn, wird immer kleiner. In Zukunft, wenn die meisten Anleihen mit hohen Kupons auslaufen, wird der Überschuss an Zinseinnahmen und Zinsausgaben weiterhin drastisch sinken. Die Sparkassen stehen vor dem Umbruch; bei ihnen selbst ist Sparen angesagt, insbesondere beim Kostenblock Immobilien und Personal.

Immer weniger Filialen

Die Sparkassen schließen zunehmend ihre bombastischen Hauptsitze und Filialen. Zum Beispiel wie die beiden Sparkassen Karlsruhe und Ettlingen, die jahrelang scharf konkurrierten. Nun haben sie, vor zwei Jahren, zur einzigen Sparkasse Karlsruhe-Ettlingen fusioniert. Das Gleiche geschieht überall in der Republik: aus 500 Sparkassen wurden in zehn Jahren derzeit 410 und der Konzentrationsprozess geht weiter. Auch die Filialen und Geschäftsstellen haben sich auf 14.500 reduziert, die Beschäftigten von 284.000 auf  234.000.

Die Sparkassenfiliale im Fußgängernähe könnte schon bald eine Rarität sein. Für ältere Kunden ohne Auto bieten manche Sparkassen bereits Bustickets zur nächsten Filiale an. In Bayern wird alten Menschen zuweilen sogar das Geld ins Haus gebracht. Die jüngeren Kunden nutzen ohnehin das Internet und setzen manchmal nur ein Mal im Jahr ihren Fuß in eine Geldfiliale. Hinzu kommen die Geldautomaten, die immer öfters in Supermärkten anzutreffen sind. In Bayern sollen in diesem Jahr von 2200 Geschäftsstellen 220 schließen.

Arme Bundeskanzlerin

Weitaus weniger rigoros sind die Sparkassenmanager beim Stutzen ihrer eigenen Gehälter und Boni. Nach einer FAZ-Auswertung zahlen 60 Prozent der Sparkassen ihren Chefs ein höheres Gehalt als es der Bundeskanzlerin zusteht. Angela Merkel erhält ein Jahresgehalt von 282.000 Euro, inklusive ihrer Bezüge als Abgeordnete. Von diesem Bruttogehalt geht knapp die Hälfte als Steuern ab. (Die beiden vorzeitig zurückgetretenen Bundespräsidenten Horst Köhler und Christian Wulff erhalten monatlich 20.000 Euro - netto! - bis an ihr Lebensende). Bundesweiter Spitzenreiter ist die Hamburger Sparkasse, die ihren Topmanagern im Jahr 2014 je 853.000 Euro auszahlte. Es folgt die Kreissparkasse Köln-Bonn mit 704.280 Euro und die Berliner Sparkasse (651.833 Euro). Selbst die relativ kleine Sparkasse Saarpfalz entlöhnte ihre Manager mit 305.000 Euro. In Bayern verdienen die Sparkassenbosse übrigens am wenigsten!

Auch bei den Bonuszahlungen sind die Verwaltungsräte der Sparkassen nicht zimperlich. Ungeachtet einer Empfehlung ihres Verbandes, dass diese Boni 15 Prozent des Festgehalts nicht überschreiten sollen, genehmigten die mit Kommunalbeamte besetzten Aufsichtsorgane in Leverkusen 26 Prozent. Den Vogel schoss die Sparkasse Märkisches Sauerland Menden ab, die ihrem Vorstandvorsitzenden  sogar einen Bonus von 23 Prozent zubilligte - obwohl seine Kasse im fraglichen Jahr kaum Gewinn gemacht hatte. (Womit die "braven" Sparkassen aber noch meilenweit entfernt sind von den Perversionen der einstmals renommierten Deutschen Bank;  dieses - nunmehr vor der Pleite stehende Institut -  hat einem ihrer Geldhändler in London einen Bonus von, sage und schreibe, 80 Millionen Euro ausgezahlt).

Die Sonderstellung der Sparkassen

Sparkassen sind besondere Institutionen, weil sie Anstalten des öffentlichen Rechts sind. Sie erhalten in der Regel von ihren Kommunen, den Trägern, kein Eigenkapital. Sie können daher auch nicht verkauft werden, wie vor etwa zehn Jahren Stralsunds Bürgermeister leidvoll erfahren musste. Diese Sonderstellung verleitet viele Sparkassenvorstände dazu, ziemlich selbstherrlich zu agieren und sich als Sponsor und Mäzen feiern zu lassen. Etwa durch Geldspenden an den Sportverein A, das Museum B oder für das Konzert C. Dadurch wird - wie durch überhöhte Vorstandsgehälter - der zu versteuernde Jahresreingewinn maximal klein gehalten. Für die zumeist klammen Kommunen fällt in der Regel viel zu wenig ab. Im Jahr 2015 machten die 410 deutschen Sparkassen zwar 2 Milliarden Euro Gewinn, zahlten aber nur 250 Millionen Euro, also ein Achtel, an ihre Träger aus. Den Vogel schoss in dieser Beziehung die Stadtsparkasse Düsseldorf ab. Von den 104 Millionen Jahresgewinn wollte sie 101 Millionen in die Rücklagen (ver-) stecken. Es kam zum Prozess mit der Stadt und die Sparkasse musste (bloße) 25 Millionen für ein Museum rausrücken.

Bedenkt man, wie vor allem ältere Menschen, die schon im Ruhestand sind, bei der Kreditvergabe durch Sparkassen im Hinblick auf die EU-Richtlinie Basel III geradezu schikaniert werden, so ist dieses Geschäftsgebahren unverständlich, ja geradezu verwerflich.

Schlussendlich: ein Sieg der Sparkassen

Seit mehreren Jahren streiten sich die deutschen Sparkassen mit der spanischen Bank Santander, wer mit der Farbe "rot" Werbung machen darf. Farben dürfen seit 1995 beim Patentamt als "Marken" eingetragen werden. Bekannte Beispiele sind Magenta (Telekom) und Blau (Nivea). Am 21. Juli 2016 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Santander mit der Farbe rot nicht mehr werben darf - auch nicht mit einem leicht anderen roten Ton. Grund: die meisten Menschen in Deutschland verbinden die Farbe rot mit dem Logo der Sparkassen. Die Bank Santander muss sich - zumindest für Deutschland - eine neue Farbe suchen.


Wie man die Sparkassen-Werbung kennt

Sonntag, 22. Februar 2015

Öl im Überfluß?

Mengen und Sorten

Rund 80 Millionen Fass Öl verbraucht die Erdbevölkerung - an jedem Tag!
Mit 2,5 Prozent ist daran die Bundesrepublik Deutschland beteiligt.

Erdöl ist keine seltene Ressource, sondern wird in mehr als drei Dutzend Ländern gefunden. Am häufigsten in Saudi-Arabien, wo jeden Tag um die 11,5 Millionen Barrel (zu je 159 Litern) gefördert werden. Es folgen Russland mit 11,3 Mio b und die USA mit 11,1 Mio b. Die nächste Liga bilden Länder wie der Iran (6 Mio b), China (4,1), Irak (3,4), Venezuela (3,9), Kanada (3,7), Katar (1,9) etc. In Großbritannien (0,9) und Norwegen (1,9) fällt die Förderung seit Jahren ab. Die wichtigste Rohölsorte Europas kommt aus dem Nordseefeld "Brent" zwischen Schottland und Norwegen. Es ist ein "süßes" Öl mit niedrigem Schwefelgehalt, das zudem viele niedrigsiedende Bestandteile besitzt.

Der Rohstoff Erdöl wird in den Raffinerien durch Destillation in Fraktionen mit definierten Siedebereichen überführt. Dabei entstehen höherwertige Produkte, wie Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin. Für die chemische Industrie fällt u.a. Flüssiggas und Naphtha an. Die weitaus meisten Raffinerien befinden sich in den USA, wo täglich 18 Millionen Barrel Erdöl verarbeitet werden. Aus wirtschaftlichen Gründen platziert man die Raffinerien in die Nähe großer Verbrauchszentren. Über große Distanzen wird das Rohöl per Schiff oder Pipelines angeliefert, während die Endprodukte, wie Benzin, nur über kürzere Strecken transportiert werden.

Die Mineralölraffinerie Oberrhein (MiRO) in Karlsruhe ist heute der größte Benzinerzeuger Deutschlands und eine der modernsten Anlagen in Europa. Sie verarbeitet etwa 15 Millionen Tonnen  Rohöl pro Jahr und wird über zwei Pipelines von Marseille und Triest nach Karlsruhe versorgt. Vom Jahr 2000 bis heute wurde in diesen Industriekomplex mehr als eine Milliarde Euro investiert.

Preisbildung und Preispoker

Erdöl ist der wichtigste Energieträger der Weltwirtschaft. Sein Anteil am globalen Energieverbrauch lag im Jahr 2011 bei 33,1 Prozent. Es folgten Kohle (30,3 %), und Erdgas (23,7 %); weit abgeschlagen waren Wasserkraft (6,4 %) und Kernenergie (4,9 %). Im Idealfall wird der Preis über Angebot und Nachfrage ermittelt. Aber das Angebot reduzierte sich in den vergangenen Jahrzehnten recht häufig aufgrund politischer Interventionen, wodurch es zu drastischen Preissprüngen kam. Rückblickend war das der Fall im Jahr 1973 wegen des arabischen Ölboykotts, 1979 wegen der Revolution im Iran, 1990 wegen des irakischen Überfalls auf Kuweit, 2001 wegen des Terrorangriffs auf New York und 2008 wegen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise.


Mit ausschlaggebend für diese Preissprünge nach oben war auch das Ölpreiskartell OPEC, das seit dem Jahr 1965 in Wien dirigiert wird. In der Opec sind - unter der weitgehenden Lenkung durch Saudi-Arabien - etwa ein Dutzend arabischer, afrikanischer und südamerikanischer Staaten zusammengeschlossen, die ca. 40 Prozent der weltweiten Ölförderung kontrollieren. Das Ziel der Opec ist es, die Erdölförderquoten so weit festzulegen, dass der Ölmarkt stabilisiert wird und sichere Gewinne garantiert. Dieses Geschäftsmodell erbrachte jahrelang erkleckliche Profite - bis zum 28. November 2014. Damals kündigte der Ministerrat der Opec bei seiner Sitzung in Wien überraschend an, dass er (trotz fallender Preise) das Ölangebot nicht verknappen werde. Die unmittelbare Folge war der ungebremste Absturz der Ölpreise auf unter 50 US-Dollar für ein Barrel Erdöl der Sorte Brent.

Was war geschehen? Nun, die USA sind, durch die Nutzung des Fracking-Verfahrens, innerhalb weniger Jahre zum größten Ölproduzenten der Welt aufgestiegen. Bei dieser Technologie wird ein Gemisch aus Chemikalien und Wasser in Schiefergestein gepresst, wodurch sich auf relativ einfache und billige Weise große Mengen an Erdöl (und Erdgas) an die Oberfläche holen lassen. Das Angebot des fossilen Öl und Gas hat sich also drastisch erhöht. Da gleichzeitig die Weltwirtschaft immer noch schwächelt, reduziert sich auch die Ölnachfrage, was den Preis nach unten treibt. Die Opec konnte mit ihren Mitteln der Angebotsverknappung nicht mehr ausreichend gegenhalten. Im Gegenteil: die traditionellen Ölländer steigerten sogar ihr Fördervolumen, nur um keine Marktanteile zu verlieren und um ihre Haushalte einigermaßen finanzieren zu können. Inzwischen werden sogar große Tanker gechartert, mit Öl beladen und auf Reede gelegt - in Erwartung besserer Zeiten.

Wie lange diese Ölschwemme noch andauern wird, ist schwer zu sagen. Die Experten halten niedrige Ölpreise noch bis ins Jahr 2016 für wahrscheinlich, möglicherweise werden sie noch länger andauern, denn auch die Iraner und Iraker könnten ihr Ölangebot noch beträchtlich erhöhen. Mehrjährige Niedrigpreise wären dann keine Phantasie mehr. Hinzu kommen die Wirtschaftssanktionen gegen Russland im Gefolge der Krise in der Ukraine, welche in der Tendenz die russischen Ölpreise tief halten. Gesamtwirtschaftlich gesehen ist der Absturz der Ölpreise gleichbedeutend mit einem riesigen globalen Konjunkturprogramm und für viele hochwillkommen.


"Peak-Oil" und andere Theorien.

Wie lange reicht das Öl noch? Eine einfache Frage, auf die bislang niemand eine schlüssige Antwort geben konnte. Der US-Geologe Marion King Hubbert hat es schon in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts probiert. Nach seinen Vorstellungen entsprach die Ausbeutung eines Ölfeldes stets einer Glockenkurve: erst steigt die Förderung an, erreicht dann ein Plateau, worauf sie allmählich wieder auf Null abfällt. Die Peak-Oil-Theorie war geboren. Aber die Wirklichkeit ist weitaus komplizierter. Steigt der Ölpreis durch irgend einen Umstand, so lohnt sich der Aufwand auch in entlegenen Gebieten (der Arktis oder der Tiefsee) nach diesem Rohstoff zu suchen - und schon erhöht sich wiederum das Ölangebot! Die Ausbeute hängt von der Höhe der Investition ab und die Investition orientiert sich an den Gewinnchancen.


Die Ausbeutung eines Ölfeldes mit mehreren Quellen


Nahezu unausrottbar ist die Vorstellung, eine Ölquelle sei wie ein Bassin, das zwangsläufig irgendwann leer sein muss. Richtiger ist das Bild von einem Schwamm, den man immer wieder auspressen kann - und das umso mehr, je besser die Technologie entwickelt ist. Und diese schreitet in Riesenschritten fort: Supercomputer schaffen heute mehr als 2 Billiarden Rechenoperationen in der Sekunde. Sie zeichnen so ein präzises Bild des Untergrunds und spüren selbst versteckte Ölvorkommen auf. Eine Analyse, für die Geologen vor einem Jahrzehnt vier Jahre gebraucht hätten, erledigt der Computer heute in einem Tag.

Neuerdings bekommt die "abiotische Theorie" der Ölentstehung im Erdmantel immer mehr Zulauf. Sie besagt, dass Öl nicht durch biochemische Umwandlungsprozesse pflanzlicher Reste entsteht, sondern auf nicht-biologischem Weg durch hohen Druck aus anorganischem Gestein. Aus diesem Ansatz lässt sich ableiten, dass Öl nicht zwingend endlich ist, sondern ständig neu entsteht. Demnach füllen sich die geleerten Ölfelder immer wieder auf und das Öl geht der Menschheit nicht verloren. Die Erschöpfung eines Ölfeldes wäre nach dieser Theorie ein ebenso unbedeutendes Faktum wie es die Erschöpfung des Fischtrans im vorigen Jahrhundert war.

Ölschwemme und Energiewende

Die gegenwärtige Ölschwemme konterkariert die (deutschen) Bemühungen um eine Energiewende. Elektroautos verlieren an Attraktivität, denn der Strompreis sinkt nicht im gleichen Maße wie der von Diesel oder Benzin. Elektroautos waren bereits in der Hochpreisphase des Öls unwirtschaftlich, sodass die Automobilindustrie laut nach Subventionen gerufen hat.

Alarmiert sind auch die Klimaforscher. Günstige fossile Brennstoffe könnten - ihrer Meinung nach - zwar die Weltwirtschaft beflügeln, würden aber die Emission der Treibhausgase verstärken. Der Weltklimarat (IPCC) hat deshalb gefordert, dass alle Fabriken, Transportmittel und Kraftwerke bis zum Jahr 2050 nur noch insgesamt 1000 Milliarden Tonnen an CO2 ausstoßen dürfen, um den globalen Temperaturausstieg unter 2 Grad Celsius zu halten. Um den Verbrauch auf die angestrebte Höchstmenge zu begrenzen, wäre es notwendig 35 % der (heutigen) Ölreserven , 52 % des Erdgases und volle 88 % der Kohle im Boden zu belassen. Dazu wird es wohl kaum kommen, denn der Ruf des IPCC ist beträchtlich angekratzt, weil er die nunmehr 18 Jahre andauernde Pause in der globalen Erwärmung nicht mit seinen Computerprogrammen erklären kann.

Erdöl wird - insbesondere im Verkehrssektor - wohl noch lange verfügbar sein und auch genutzt werden. Es ist anzunehmen, dass auch unsere Kinder noch Autos mit Benzin- und Dieselmotoren fahren werden.

Vielleicht sogar unsere Enkel.

Mittwoch, 27. November 2013

Karrierebeschleuniger MBA?

Es gibt Menschen, die möchten sich mit ihrem, von den Eltern tradierten Namen, nicht zufrieden geben. Betrachten wir den Zeitgenossen Franz Meier, an dessen Namen eigentlich nichts auszusetzen ist. Trotzdem nimmt er ein 5- bis 8-jähriges Studium der Volkswirtschaft auf sich, um unter Dr. Franz Meier, bzw. noch ausführlicher unter Dr. rer. pol. Franz Meier firmieren zu dürfen. Aber damit nicht genug: neulich überreichte er mir mit erkennbarem Stolz seine neue Visitenkarte, auf der zu lesen stand: Dr. rer. pol. Franz Meier, MBA. Donnerwetter, jetzt ist der Franz, welcher im Gymnasium kaum auffiel, vorne und hinten mit akademischen Titeln eingemauert.


Teures Zusatzstudium

Es ist keine Bildungslücke, wenn man den Titel "MBA" noch nicht so richtig verorten kann. Bis vor kurzem war er in Deutschland weitgehend unbekannt - ganz im Gegensatz zu den USA, wo er bereits seit mehr als hundert Jahren verliehen wird, allerdings meist anstatt des Doktortitels. MBA heisst in Langschrift Master of Business Administration und ist eine Art Diplom in den Wirtschaftswissenschaften. Der MBA-Lehrplan umfasst alle relevanten Managementfunktionen, wie Mikro- und Makroökonomie, Finanzwirtschaft, Rechnungswesen, Marketing, Produktion, Logistik und Personalwesen. Da fragt man sich doch, was das MBA-Programm von einem gewöhnlichen Betriebs- oder Volkswirtschaftsstudium unterscheidet, das die gleichen Kerndisziplinen hat? Nun, das MBA ist ein Zusatzstudium, bei dem die Studenten auf Internationalität eingeschworen werden, Netzwerke aufbauen sollen und mit Fallstudien arbeiten.


Es geht voran

Das Studium dauert in Deutschland meist nur ein Jahr, in den USA sind zwei Jahre zu veranschlagen. Zuvor muss der MBA-Bewerber mindestens zwei bis drei Jahre in seinem Beruf gearbeitet haben. Ein strikter Auswahlprozess geht dem Studium voraus. Und es ist nicht billig. Eine MBA-Ausbildung an einer deutschen Top-Business School kostet mittlerweile mehrere 10.000 Euro. So muss man für den Mannheim Executive MBA beispielsweise knapp 50.000 Euro berappen, für den WHU Executive MBA (an der Otto Beisheim  School of Management) sogar 75.000 Euro. An amerikanischen Business Schools, z. B. in Harvard, kann es noch teurer werden.


Durchhaltevermögen gefragt

Mit dem MBA können sich auch Geisteswissenschaftler, Juristen oder Ingenieure betriebswirtschaftliche Expertise aneignen. Mehrere hundert Studienangebote wetteifern in Deutschland und es ist nicht leicht, sich auf diesem Markt zurecht zu finden. Es gibt Präsenzprogramme in Vollzeit und in Teilzeit, sogar Fernstudienlehrgänge in Online werden angeboten. Oftmals wird neben dem Beruf studiert, die dadurch entstehende Doppelbelastung ist nicht trivial. Von allen Schulen werden hervorragende Englischkenntnisse verlangt. Im Ranking der britischen Zeitung Financial Times liegen die angloamerikanischen und asiatischen Schulen vorn. Nur wenige deutsche findet man unter den ersten 50, so beispielsweise die Mannheim Business School.

Warum tun sich die Studenten dieses teure und zeitaufwendige Zusatzstudium an? Nun, die Schulen ködern sie alle mit den gleichen Versprechen: Karrierebeschleuniger, Türöffner, Aufstiegsgarantie, Gehaltszuwachs, Laufbahnsprung etc. etc.

Vielleicht auch nur ein Mythos.

Sonntag, 27. Oktober 2013

Wirtschaftnobelpreise - anything goes

Mit den Nobelpreisen ist es so eine Sache. Der Eine wartet sein ganzes Leben (vergeblich) darauf, dem Anderen fällt er quasi in den Schoss. Der US-Präsident Barack Obama erhielt schon bei Amtsantritt im Jahr 2009 den Friedensnobelpreis; noch heute rätselt man, wofür er ihn eigentlich bekam. Demgegenüber wartet der amerikanische Schriftsteller Philip Roth seit Jahren sehnlichst auf den Preis für Literatur, den er für seine Romane Good bye, Columbus sowie Jedermann etc. etc. längst verdient hätte. Hoffen wir, dass er diese Auszeichnung noch erlebt; er ist immerhin bereits 80 Jahre alt. Selbst bei den Naturwissenschaftlern wundert man sich zuweilen über die Selektion des Stockholmer Komitees. So wurde der Physiker Albert Einstein nie für die Entdeckung der beiden universellen Relativitätstheorien ausgezeichnet, dafür aber für den vergleichsweise minoren Photoeffekt.

Seit 1969 werden Nobelpreise auch in dem Fach Wirtschaftswissenschaften verliehen. Nicht durch die Nobelstiftung ( Alfred Nobel hasste angeblich die Wirtschaftsleute) sondern durch die Schwedische Reichsbank - aber nach den gleichen Kriterien wie die übrigen Preise. Inzwischen gibt es 74 Preisträger in den Wirtschaftswissenschaften, davon sind 53 US-Amerikaner, fast ausschliesslich Professoren der Volkswirtschaft. Nur ein einziges Mal wurde ein Deutscher ausgezeichnet: der Professor - nomen est omen - Reinhard Selten erhielt den Preis 1994 zusammen mit zwei Engländern für seine "grundlegende Analyse des Gleichgewichts in nichtkooperativer Spieltheorie".


Der deutsche Nobelpreisträger 1994 Reinhard Selten, Universität Bonn

Universität Chicago contra Universität Yale

In diesem Jahr wurde der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften wiederum zwischen drei US-Amerikanern gesplittet. Eigentlich nichts Besonderes - und doch eine Sensation. Zwei Ökonomen, Eugene Fama und Robert Shiller, erhielten den Preis, obwohl ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse diametral entgegengesetzt sind. Der Dritte, Lars Peter Hansen, lief sozusagen ausser Konkurrenz; er wurde für seine statistische Methodik ausgezeichnet.

Fama von der Universität Chicago und Shiller von der Yale Universität in New Haven, Connecticut, beackern seit Jahrzehnten das gleiche Gebiet - nämlich die Finanzmärkte - und kommen dabei zu total unterschiedlichen Ergebnissen. Man häte verstanden, wenn die Schwedische Reichsbank einen von den beiden ausgezeichnet hätte; dass sie beide für preiswürdig hielt - noch dazu im gleichen Jahr - bedarf der Erläuterung.

Eugene Fama untersuchte seit 1960 in langen Zeitreihen die Aktienkurse der New Yorker Börse. Er wollte wissen, wie schnell der Kurs einer Aktie reagiert, wenn beispielsweise eine höhere Dividende angekündigt wird. Er kam zu der Erkenntnis, dass alle (verfügbaren) Informationen umgehend in die Kurse einfliessen, also "eingepreist" werden. Fama erfand dafür die "Theorie der effizienten Finanztmärkte", wonach die Aktienkurse rational alle Informationen widerspiegeln. Die Investoren erkennen, nach Fama, wenn er Kurs zu hoch ist und betreiben Arbitrage, d. h. sie verkaufen und nehmen die Gewinne mit. Folglich können sich auf den Aktienmärkten (wie auf anderen Finanzmärkten) keine "Blasen", also Übertreibungen ausbilden. Nach Professor Fama kann niemand besser sein als der Markt, was seitdem auch die Verkäufer von Indexfonds behaupten.


Der US-Preisträger 2013 Eugene Fama, Universität Chicago

Robert Shiller (dessen Frau übrigens Psychologin ist), traute dem Markt diese "Weisheit" nicht zu. Er griff auf die Erkenntnisse der Massenpsychologie und der Verhaltensökonomie zuück, wo Angst und Gier der Anleger eine grosse Rolle spielen. Seiner Meinung nach können sich sehr wohl Blasen auf den Märkten ausbilden, falls Investoren dem Herdentrieb folgen. Beim Platzen dieser Blasen kann es zu chaotischen Zuständen, sprich Finanzmarktkrisen, kommen. Shiller sagte aufgrund seiner Theorie u. a. das Platzen der Internetblase im Jahr 2001 und den preislichen Niedergang am amerikanischen Häusermarkt im Jahr 2007 voraus. Die Marktpreise werden nach Shillers Auffassung nicht nur von harten Informationen sondern auch von den Emotionen der Anleger bestimmt. Und wenn sich die Preise von den ökonomischen Fundamentaldaten abkoppeln, dann können durchaus Blasen - also Übertreibungen - entstehen. Zur Korrektur von Ungleichheiten, z. B. bei der Einkommensschere, empfiehlt Shiller die (automatische!) Progression der Steuersätze für Reiche. Eingriffe des Staates hält er für berechtigt und notwendig, so wie der britische Nationalökonom John Maynard Keynes dies bereits vor 80 Jahren für die Güterwirtschaft gefordert hat.


Der US-Preisträger 2013 Robert Shiller, Universität Yale

Gravierende politische Konsequenzen

Der Theorienstreit der beiden Ökonomen Fama und Shiller hatte enorme wirtschaftspolitische Konsequenzen während der vergangenen zwei Jahrzehnte. In den 1990er Jahren orientierte sich die amerikanische Wirtschaftspolitik vor allem an den Thesen von Fama, wonach der Markt immer effizient ist und zum Gleichgewicht tendiert. Etwaige Eingriffe des Staates wurden demgegenüber als bürokratisch, ineffizient und als nicht notwendig erachtet. Vor diesem theoretischen Hintergrund kam es in den 1990er Jahren zu der verhängnisvollen Deregulierung der Finanzmärkte unter Clinton und Bush sowie dem Chef der US-Notenbank (Fed) Alan Greenspan. Die Finanzmärkte wurden sich selbst überlassen und die Investmentbanken entwickelte sich zu "Zockerbuden", die später mit viel Staatsgeld gerettet werden mussten. Die Wissenschaftler hatten die sich anbahnende Finanzkrise in ihren Rechenmodellen einfach nicht erkannt und konnte deshalb die Politiker auch nicht davor warnen. Staat und Markt agierten, als wären sie zwei getrennte Sphären.

Greenspan, einst als "Magier der Märkte" bezeichnet, der die Fed 19 Jahre geleitet hat, gibt inzwischen offen zu, dass auch er die chaotischen Marktkrisen nicht vorausgesehen hat. In seinem Buch "The Map and the Territory" schreibt er wörtlich: "Es geht um die Triebe (animal spirits), die Menschen dazu bewegen, sich irrational dem Überschwang oder der Panik hinzugeben. Dieses Verhalten kann durchaus gemessen werden und ist ein wichtiger Teil der ökonomischen Vorhersage". Diese Aussage von Greenpan ist bemerkenswert; lange Zeit war er der Ansicht, dass die Menschen sich im Grunde rational verhalten und die Märkte sich deshalb selbst regulieren. Nun spricht er sich dafür aus, die Banken per Auflage zu zwingen, mehr Eigenkapital und Liquidität vorzuhalten um finanzielle Schieflage zu vermeiden. Ausserdem empfiehlt er die Schrumpfung grosser Banken, damit von ihnen keine Gefahr für die Stabilität des Finanzmarkts ausgeht.


Fazit

Shiller scheint der Sieger in diesem ökonomischen Wettstreits zu sein. Warum hat das Stockholmer Komitee dann aber auch einen (gleichhohen) Preis an den unterlegenen Fama verteilt? Nun, immerhin hat der Marktfan Fama in früheren Jahrzehnten einige Standards bzw. Benchmarks gesetzt, an denen sich sein Kontrahent Shiller erst einmal "abarbeiten" musste, um zu seiner Psychotheorie und Psychoökonomik zu gelangen. Miteinander vereinbar sind die beiden Finanzmarkttheorien nicht. Deshalb bemühte die britische Wirtschaftszeitung "Financial Times" auch einen interessanten Vergleich:

Die Entscheidung des Nobelkomitees ist so, als ob man Ptolemäus und Kopernikus zusammen den Preis gegeben habe - von denen der Eine die Erde für den Mittelpunkt des Universums hielt und der Andere die Sonne.



Sonntag, 14. Oktober 2012

Neue Formen der "Heimarbeit"

Oberflächlich betrachtet, werden unsere Wirtschaftsgüter immer komplexer, sodass sie für den Einzelnen kaum mehr durchschaubar sind. Ihre Herstellung geschieht über viele Unterlieferanten an allen Stellen der Erde, insbesondere in lohnniedrigen asiatischen Ländern. Seit einiger Zeit deutet sich in dieser Hinsicht jedoch eine Rückbewegung an: die Globalisierung der Produktfertigung weicht einer Regionalisierung und die Computerwelt wird "demokratischer". Die Stichworte für diese Entwicklung sind Open Source Software und 3D-Drucker. Sie sollen nachstehend kurz beschrieben werden.

Open Source Software

Open Source bzw. quelloffen nennt man eine Computer-Software, welche zwar unter einer Lizenz steht, deren Quelltext aber öffentlich zugänglich ist. Die Open-Source-Software (OSS) darf frei  kopiert, verändert und weiterverbreitet werden. Die erste OSS stellte die Browserfirma Netscape ins Netz, als sie gegen die Dominanz von Microsoft nicht mehr ankam. Daraus entwickelte sich später das Mozilla-Projekt. Auch das Betriebssystem Linux ist eine freie Software, an deren Vervollkommnung tausende von privaten Programmierer mitgeholfen haben. Zu nennen wäre noch Wikipedia, dem es gelungen ist, das Lexikon Brockhaus aus dem Markt zu schlagen. (Allerdings sollte man hier besser von Open Content sprechen.)
Logo der Open Source Initiative

Die Entwicklung und Verwendung von OSS wird sowohl von Firmen als auch von Privatpersonen betrieben. So werden die Entwicklungskosten geteilt und jeder kann von der Arbeit der anderen profitieren. Für eine Firma kann es finanziell lohnend sein , sich an einem Open-Source-Projekt zu beteiligen, anstatt eine Eigenentwicklung - etwa im indischen Bangalore - zu starten oder fertige Software einzukaufen. Ein Vorteil der OSS besteht auch darin, dass man nicht von einer bestimmten Herstellerfirma (wie Microsoft oder Google) abhängig ist. Will der Nutzer das Computerprogramm erweitern, oder gar einen Fehler beheben, so steht es ihm frei, diese Änderung vorzunehmen. Die Software darf von einer beliebigen Anzahl von Benutzern für einen beliebigen Zweck eingesetzt werden. Trotzdem ergeben sich bei der Verwendung sogenannter freier Software auch Risiken für Herstellerfirmen. Diese müssen für ihr Produkt, zum Beispiel ein Motorrad, natürlich weiterhin haften und gewährleisten, egal woher sie die (möglicherweise fehlerhafte) Software bezogen haben.



3D-Drucker

Auch Computer-Aided-Design (CAD)-Programme, welche vor einigen Jahren noch viel Geld kosteten, gibt es mittlerweile schon gratis im Internet. Darauf beruht die neuartige Herstellungstechnik des dreidimensionalen Druckens von Bauteilen. Man benötigt für einen Maschinenteil, nicht mehr wie früher, ein teures Arsenal an Bohr-, Fräs- und Schleifmaschinen, sondern nur noch einen 3D-Drucker etwa von der Grösse eines Kleiderschranks. In dessen Inneren schmilzt ein Laserstrahl das Metallpulver an zuvor genau festgelegten Stellen an. Schicht um Schicht entsteht die gewünschte dreidimensionale Struktur entsprechend dem eingegebenen Rechenprogramm. Dabei finden im Laserbereich physikalische und chemische Schmelz- und Härtungsprozesse statt, wobei zumeist Kunststoffe, Harze und Metalle in pulverförmiger Form zur Anwendung kommen.

Der Drucker fertigt - zu geringen Kosten - Einzelstücke, die sonst im Rahmen einer Massenfertigung nur unter riesigem Aufwand herstellbar wären. Die Anwendungsmöglichkeiten für die 3D-Drucktechnik sind nahezu unbegrenzt. Zahnärzte und Dentallabore müssen ihre Aufträge für Kronen und Brücken nicht mehr (aus Kostengründen) nach Polen oder gar nach China schicken, sondern können diese im lohnintensiven Deutschland praktisch über Nacht herstellen. Kein asiatischer Zahntechniker kann mit einer modernen Druckmaschine kostenmässig mehr mithalten.

Besonders interessiert an der 3D-Technik ist die Luftfahrtindustrie, zum Beispiel EADS-Airbus. Dort gibt es eine Vielzahl von Beschlägen, welche zwei Bauteile in einer Tragfläche zusammen halten. Bislang hat EADS diese Beschläge aus einem einzigen Block Titan gefräst, wobei 90 Prozent Verschnitt anfiel. Nun liess der Chefentwickler Claudio Dalle Donne solche Beschläge mit einem 3D-Drucker fertigen - bei Verschnitt null! Hinzu kommt, dass ein Beschlag aus herkömmlicher Fertigung massiv und symmetrisch ist, während er aus einem 3D-Drucker hohl und asymmetrisch herauskommt. Damit ist er genau so fest, aber viel leichter. Da in einem Flugzeug tausende an  Beschlägen stecken, kann die neue Technik das Gewicht eines Flugzeugs deutlich reduzieren und damit auch den Verbrauch an teuerem Kerosin.

Die Auswirkungen der 3D-Drucktechnik haben das Potential die Globalisierung zurück zu drängen. Viele Unternehmen haben bislang ihre Produktion ins Ausland verlagert. Diese Zulieferer verliessen sich wiederum auf weitere Zulieferer in anderen Ländern. Der Nachteil ist evident: reisst die Lieferkette auch nur an einer einzigen Stelle, dann kann vorübergehend die gesamte Produktion still stehen. Nach dem Erdbeben in Japan vergangenen Jahres musste der Autobauer General Motors eine ganze Fabrik in den USA schliessen, weil ein Bauteil eines japanischen Zulieferers fehlte: im Wert von gerade mal zwei Dollar! Bei Verfügbarkeit von 3D-Druckern wäre das nicht passiert. Es ist gut möglich, dass westliche Firmen in Zukunft ihre Lieferketten verkürzen werden und Zulieferer in der Nähe suchen. 3D-Drucker in Deutschland könnten ferne Giessereien in China ersetzen.

Die "Heimarbeit" ist wieder in!

Samstag, 1. September 2012

Meine unmassgebliche Meinung zur Euro-Schulden-Krise

Über den Euro, die Gemeinschaftwährung von 17 europäischen Staaten, wird seit Jahren heftig diskutiert. Die einen möchten sie abschaffen, die anderen beibehalten. Manche denken über einen "Nord-Euro" nach und wollen damit die Südstaaten ausschliessen. Im Folgenden möchte ich die wichtigsten Probleme unserer Gemeinschaftswährung darlegen.


1.  Der Euro, keine unvernünftige Idee

Vor 20 Jahren wurden im holländischen Maastricht die gesetzlichen Grundlagen für eine zukünftige Währungsunion im Rahmen der Europäischen Union (EU) gelegt. Bundeskanzler Helmut Kohl und sein Finanzminister Theo Waigel waren bei den Verhandlungen die ranghöchsten deutschen Vertreter. Bestimmend war dabei die Überzeugung, dass ein so grosser Wirtschaftsraum wie die EU auch eine eigene Währung haben müsse, um im globalen Handel keine Nachteile durch Kleinmärkte verschiedener Währungen zu erleiden. Dass die Deutschen im Nachgang der Wiedervereinigung von den Franzosen gezwungen wurden ihre starke D-Mark aufzugeben, wird immer wieder als Vermutung geäussert, ist wohl eher ein Märchen. Die Stärke der DM beruhte auf der Stärke der deutschen Wirtschaft und sonst nichts. Dies gilt bis heute - auch unter der Eurowährung.

Da schon damals die Mittelmeeranrainer als "unsichere Kantonisten" galten, wurden zwei Klauseln im Vertrag verankert: jeder Staat sollte für seine eigenen Schulden aufkommen müssen ("no bail out") und es sollten keine Finanzausgleiche zwischen den Mitgliedsstaaten stattfinden ("no transfer"). Beide Bedingungen wurden in der Folge verletzt, wie wir weiter unten sehen werden. Im Jahr 2002, also zehn Jahre später, wurde in 17 Staaten der Euro als Geldwährung eingeführt. Griechenland schaffte es durch Betrug in die Währungsunion zu kommen. Die europäische Kommission in Brüssel ist dafür zu rügen, dass dort nicht besser aufgepasst wurde, aber auch die damalige rot-grüne deutsche Regierung (mit Finanzminister Hans Eichel) war in fahrlässiger Weise sorglos.





2.  Der Weg ins Schuldenloch und zum Vertrauensverlust

In den Jahren nach 2002 waren die Zinsen sehr niedrig - international und auch in der EU. Die Regierungen verschiedener Länder in der Euro-Währungsunion nutzten dies, indem sie sich über Staatsanleihen extrem verschuldeten und dabei auch die grossen nationalen Banken involvierten. Zu nennen sind insbesondere die sogenannten "PIIGS"-Länder, nämlich Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien. Genutzt wurden diese "Staatseinkünfte", um riesige Bauprogramme aufzulegen (Spanien), oder geradewegs zur betrügerischen Bestechung der eigenen Wähler (Griechenland).

Seit etwa drei Jahren wurden die Käufer dieser Staatsanleihen (deutsche Rentenversicherungen, amerikanische Pensionsfonds etc.) zunehmend skeptischer bezüglich der Rückzahlfähigkeit der Schuldnerländer, insbes., weil auch deren Bewertungen durch die internationalen Ratingagenturen immer schlechter wurden. Es war bald erkennbar, das einige Länder praktisch zahlungsunfähig waren und im privaten Bereich eigentlich Insolvenz hätten anmelden müssen. Die Staaten sassen im selbst bereiteten Schuldenloch. Sie hatten - und das war besonders wichtig - das Vertrauen ihrer Investoren verloren. Ihre Staatsanleihen wurden entweder überhaupt nicht mehr gekauft oder nur noch zu hohen Risikoaufschlägen. Der Zinssatz für mehrjährigen "Schuldscheine" dieser Art war bei 8 Prozent angelangt.

Trotzdem: die relative Verschuldung dieser Länder - bezogen auf die Einwohnerzahl - wird zumeist stark überschätzt. Nehmen wir Deutschland als Beispiel, das, besonders unter der Regierung Schröder, auch einen grossen "Schluck aus der Pulle" nahm. Inzwischen sind wir in der Staatsverschuldung bei 2.000 Milliarden Euro angelangt. Diese Zahl klingt ungeheuerlich, wird aber schnell relativiert, wenn man sie auf die 80 Millionen deutsche Einwohner bezieht. Wie leicht durch Division zu errechnen ist, beträgt die (fiktive) Verschuldung jedes Deutschen - vom Säugling bis zur Grossmutter, vom Hartzempfänger bis zum Milliardär - überschaubare 25.000 Euro. Ähnlich ist dieses Verhältnis in den meisten anderen Schuldnerstaaten. In den USA liegt die Verschuldung sogar bei satten 50.000 Dollar und in Japan ist sie ähnlich hoch.

Diesen 25.000 Euro Staatsverschuldung pro deutschem Bürger steht aber - und das ist wichtig - ein enormes staatliches und privates Vermögen gegenüber. Man könnte diese Verschuldung durch drastische Massnahmen sofort auf Null bringen - anders als in den Inflationsjahren 1923 und 1948, als praktisch alle Vermögenswerte in Deutschland vernichtet waren.





3.  Selbstfinanzierung der Euro-Länder wäre möglich

Eigentlich sollte es die Angelegenheit der Schuldnerländer sein, für die Gesundung ihrer Staatsfinanzen selbst zu sorgen. So ist es in den Verträgen von Maastricht angelegt. Das könnte auf verschiedene Weisen geschehen. In erster Linie über allgemeine Steuererhöhungen, z. B. auf Vermögen und Erbe, was im souveränen Recht jeden Staates liegt. (In Spanien wird gerade die Mehrwertssteuer von 18 auf 21 Prozent angehoben). Man kann aber auch die Wohlhabenden gesondert herausgreifen, indem man sie mit einer "Reichensteuer" belegt. Voraussetzung ist, dass sie ihren Wohnsitz noch im Schuldnerland haben und nicht (wie die meisten griechischen Oligarchen) bereits nach London ausgewichen sind. Im Gespräch sind auch "Zwangsanleihen" für die Reichen, welche den Charme haben, dass sie rückgezahlt werden. In Spanien und Italien sind die Privatvermögen vier Mal so hoch wie die Staatsschulden; warum also der Ruf nach deutschem Geld?

Ein interessanter Vorschlag zur Senkung der Zinslast finanzschwacher Eurostaaten kommt aus Finnland. Dort wurden die sogenannten "Pfandanleihen" ins Spiel gebracht. Spanien und vergleichbare Länder sollen ihre Anleihen mit Beteiligungen an staatlichen Unternehmen koppeln, was die Sicherheit erhöhen und die Zinsen erniedrigen würde. Im Falle der Insolvenz würde der Investor zum Eigentümer des jeweiligen Pfandes.



4.  Die derzeitige Rettungsarchitektur der Währungsunion

Erstaunlicherweise hat man sich schon bald nach Eintreten der Euroschuldenkrise in Brüssel auf die sogenannten Eurobonds verständigt. Der Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker, ehemals luxemburgischer Ministerpräsident, war einer ihrer heftigsten Verfechter. Eurobonds sind Zinspapiere, die von allen Eurostaaten begeben werden und für die alle gemeinsam haften. Sie würden das Prinzip von Risiko und Haftung in eklatanter Weise aushebeln. Bundeskanzlerin Merkel hat sie zur Bewältigung der anstehenden Krise abgelehnt und allenfalls als spätere Möglichkeit erwogen, wenn wieder Stabilität eingekehrt ist.

Die Mittel der Wahl zur Rettung der Währungsunion sind derzeit der Fiskalpakt und der Rettungsschirm ESM. Der Europäische Fiskalpakt soll die verstärkte Zusammenarbeit der EU-Staaten auf dem Gebiet der Finanzpolitik erreichen. Insbesondere sollen die Staatsschulden zurückgeführt werden (Schuldenbremse!) durch verstärkte Überwachung  und Genehmigung neuer Kredite durch die Brüsseler Kommission. Die Verpflichtungen müssen in den jeweiligen nationalen Verfassungen ihren Eingang finden.

Der Europäische Stabilitätsmechanismus, kurz ESM,  wird auch Euro-Rettungsschirm genannt. Er ist eine Finanzinstitution in Luxemburg, die mit einem Kapital von 700 Milliarden Euros ausgestattet ist. Der ESM soll Notkredite und Bürgschaften an zahlungsunfähige Mitglieder gewähren, allerdings unter rigiden Bedingungen . (Deswegen windet sich derzeit Spanien noch, sich unter diesen Rettungsschirm - bzw. seinen Vorläufer EFES -  zu begeben). Der ESM ist eine Art Bank und soll von einem Deutschen geleitet werden. Gegen den ESM wurde beim Bundesverfassungsgericht Klage erhoben. Das Urteil soll am 12. September 2012 verkündet werden. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass die Richter dieses 700-Seiten Vertragswerk in toto kippen werden. Wahrscheinlich sind allerdings einige zusätzliche Auflagen. Der ESM wurde inzwischen von allen Staaten der Währungsunion ratifiziert, ausser Estland, Italien und Deutschland. Das deutsche Risiko beim ESM liegt bei unter 200 Milliarden Euro; ich betrachte das Geschrei darüber für überzogen.

Dann gibt es noch diejenigen, welche die Integration der EU zu einem einzigen Staatenbund wollen. Dieser Megastaat wird noch lange nicht kommen. Ausserdem: wäre ein Bundeskanzler oder ein Präsident in Brüssel für alle eigentlich wünschenswert? Die Geschichte der einzelnen europäischen Länder, ihre verschiedenen Sprachen und Mentalitäten lassen sich nicht so schnell in einen Gesamtstaat vereinigen - sicherlich nicht in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts.



5.  Die Europäische Zentralbank als Retter in der Not

Die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt ist für die Geldwertstabilität innerhalb der Eurozone verantwortlich, allerdings - im Nebenzweck - auch für die Vermeidung konjunktureller Verwerfungen, wie einer Rezession. Sie kam in letzter Zeit in die Kritik, weil sie finanzklammen Staaten gelegentlich aus der Patsche half, indem sie ihre Anleihen (zu einem moderaten) Zinssatz aufkaufte und dafür Euros aushändigte. Im Ganzen sollen es 211 Milliarden Euro sein. Das war bei ihrer Gründung nicht vorgesehen, weswegen die deutschen Direktoriumsmitglieder Axel Weber und Jürgen Stark aus Protest schon dieses Gremium verliessen. Derzeit streitet sich der Bundesbankchef Jens Weidmann mit dem italienischen EZB-Chef Mario Draghi. Vielleicht wir auch Weidmann bald das Weite suchen. Es ist ein Konstruktionsfehler für die EZB, dass Malta das gleiche Stimmgewicht besitzt wie Deutschland mit seinen 27 Prozent des Risikos.

Betrachtet man das Ganze mit weniger Aufregung, so muss man sagen: Draghi (und sein Vorgänger Trichet) haben das Notwendige in einer schwierigen Situation getan. Wenn man den schlimmsten Schuldnerländer solidarisch, also mit Hilfe der Währungsunion helfen wollte, so blieb nur die Soforthilfe der EZB übrig. Weder der ESM noch der Fiskalpakt wirken in einen Notsituation spontan, sondern ihre Medikamente helfen nur mittel- und längerfristig. Nur die unabhängige EZB kann in kürzester Frist Hilfestellung geben, notfalls innerhalb eines Tages. Allerdings haben auch die Kritiker dieser Notfallmassnahmen nicht ganz unrecht: die EZB muss mit ihrer Kompetenz zur Geldschöpfung vorsichtig und sparsam umgehen, weil sie praktisch keine Bedingungen daran knüpfen kann. Aber die Inflationsgefahr ist in der nicht ausgelasteten europäischen Wirtschaft zur Zeit noch kein allzu grosses Risiko.



6.  Der Ausblick: eher optimistisch

Was die Lösung der Euroschuldenkrise anlangt, bin ich eher optimistisch. Die geschilderten Massnahmen beginnen zu greifen. In allen Ländern (ausgenommen vorläufig noch Italien) beginnen die Lohnstückkosten zu sinken, was ein wichtiger Gradmesser für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes ist. Entsprechend ziehen die Exporte an. Alle Schuldnerländer konnten in den vergangenen zwei Jahren ihre Ausfuhren steigern. Auch Italien bemüht sich. Der Premierminister Mario Monti will im nächsten Jahr seinen Haushalt ausgleichen, womit er auf einem ähnlichen Niveau wie Deutschland läge. Portugal hat sein Minus in den öffentlichen Kassen seit 2009 halbiert und auch Spanien kommt voran. Merklich besser geht es Irland; es kann sich schon wieder Geld auf den internationalen Märkten leihen. Früher oder später werden sich die guten Nachrichten durchsetzen und das Vertrauen der Investoren wird zurückkehren.

Ein Sonderfall ist Griechenland. Dieses Land ist extrem verschuldet und es wird noch lange dauern, bis es sich wieder auf dem Pfad der Tugend befindet. Sofern die kontrollierende Troika im Oktober nichts Allzuschlimmes entdeckt hat, sollte man auch dieses Land in der Eurozone belassen. Die (psychologischen) Vorteile wiegen schwerer als die monetären und ein paar weitere Jahre Zeitaufschub.

Wir gehen spannenden Zeiten entgegen. Vielleicht könnten auch die einmal Sorgen bekommen, die zuviel Gold und Immobilien gehortet haben.

Sonntag, 23. Oktober 2011

Öl und Gas - (fast) in Überfluss

Dass immer wieder weniger Öl und Gas in der Erdrinde gefunden wird, gehört zum Allgemeinwissen. Die "ADAC-Motorwelt" vom Oktober 2011 titelt beispielsweise "Das Ende ist in Sicht" und "Die Länder pumpen immer weniger Rohöl aus der Erde". Doch diese Feststellung ist grundfalsch. Sie mag noch vor fünf Jahren gegolten haben, aber heute haben sich die Ressourcen an Öl und Gas beträchtlich erhöht. Der Grund dafür sind neue Explorationstechniken - und die hohen Verbraucherpreise, welche teuere Investitionen ermöglichen. Unternehmen wir eine Grand Tour um den Globus zur Bestätigung meiner Behauptungen.

Israel

Auf eine energetische Bonanza gestossen sind die Israelis. Vor der Küste von Haifa wurden im Mittelmeer die beiden riesigen Gasfelder "Tamar" und "Leviathan" entdeckt. Zusammen mit drei bereits seit längerem bekannten Feldern werden sie die israelische Stromproduktion, die bisher auf importierter Kohle basierte, von ausländischen Lieferanten unabhängig machen. Auch die (aus politischen Gründen) seit langem unterbrochenen Gaslieferungen aus Ägypten sind nun kein sonderliches Problem mehr. Im Gegenteil, man denkt sogar an den Gasexport nach Jordanien, womit die riesigen Kosten für die Exploration in der Tiefsee - man spricht von einer Million Dollar pro Tag - wieder hereingeholt werden könnten.


Gasfelder vor der Küste von Israel

Europa

Auch in Europa wurden neue Öl- und Gasfelder entdeckt. Die Norweger berichten von einem grossen Fund in der Nordsee, wie er seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr vorgekommen sein soll. Die staatliche Ölgesellschaft Statoil schätzt die Kapazität des Feldes auf 1,2 Milliarden Fass (bzw. barrels zu 159 Litern).

Die Briten haben in der Nähe des Seebades Blackpool ein grosses Erdgasreservoir aufgespürt, das den Bedarf des Königreichs für sechs Jahrzehnte decken könnte. Der Fund entspricht damit 40 Prozent der Erdgasreserven von Norwegen, dem grössten europäischen Erdgasförderer. Es handelt sich dabei um sogenanntes "unkonventionelles Erdgas" bzw. "Schiefergas", zu dessen Förderung, wie unten beschrieben, ein Cocktail aus Wasser, Sand und Chemikalien in die Tiefe gepumpt werden muss.

Beträchtliche Schiefergasvorkommen gibt es auch in Deutschland, Frankreich und Polen. In Niedersachsen nimmt Exxon-Mobil Probebohrungen vor, kritisch begleitet von den Umweltschutzverbänden. In Frankreich, das 59 Kernkraftwerke betreibt, will man sich diese Konkurrenz vom Leibe halten und hat Bohrungen sogar verboten. In Polen hingegen ist die Exploration im Gange.


Die weltweiten Rohölreserven

Schliesslich wird in Kürze Libyen seine Ölförderung wieder aufnehmen, nachdem der Bürgerkrieg beendet ist. Dieses Land sitzt auf 3,2 Prozent der globalen Ölreserven und hat in seinen besten Zeiten zwei Prozent zur weltweiten Versorgung beigetragen. Heftig diskutiert wird derzeit noch wem überhaupt das libysche Öl gehört: der Zentralregierung oder den regionalen Stämmen.

Nord- und Südamerika

In den USA gibt es grosse Vorräte an Schieferöl in den Staaten Texas und North Dakota. Sie werden derzeit auf 2,1 Milliarden Fass geschätzt - es könnte aber auch die fünffache Menge sein! Noch bis vor kurzem schien diese Ressource nicht nutzbar zu sein, aber seit man die Methode des "Fracking" entwickelt hat, kann man auch das Schieferöl an die Oberfläche bringen. (Die Gasreserven im Schiefergestein werden schon seit einigen Jahren im grossen Stil ausgebeutet; die USA sind dadurch von Gasimporten weitgehend unabhängig geworden).


Schematische Darstellung der Fracking-Methode

Beim Fracking wird ein Loch in den Fels gebohrt, das im höffigen Schiefergestein waagrecht verläuft (1). Kleine Sprengladungen werden zur Explosion gebracht, welche Risse im Schiefergestein erzeugen (2). Eine Mischung von Wasser, Sand und Chemikalien wird unter hohem Druck in die Risse gepresst, wodurch das darin befindliche Gas freigesetzt wird (3). Schliesslich wird das Gas nach oben gepresst bzw. gesaugt und kann an der Oberfläche gesammelt werden (4).
In Australien ist diese Methode technisch verfeinert worden und der Verkauf von "Naturgas" ist dort bereits ein Milliardengeschäft. Bedeutende Rohölexporteure - zumeist in die USA - sind die Nachbarstaaten Kanada und Mexiko. In Kolumbien steigt die Produktion steil an und wird demnächst die von Libyen (Vorkriegszustand) übertreffen. Venezuelas Ölreserven übertreffen sogar jene von Saudi-Arabien, auch wenn die Förderkosten dort noch höher sind.

Brasilien vermutet riesige Mengen an Öl und Gas vor seiner Küste. Die nationale Ölfirma Petrobras investiert sage und schreibe 200 Milliarden Dollar um gegen Ende dieses Jahrzehnts 5,5 Million Fass pro Tag zu fördern. Sogar U-Boote sind in der Entwicklung, um den fossilen Reichtum des Landes strategisch abzusichern.

Mein Fazit

Es besteht überhaupt keine Veranlassung, sich aus Furcht vor dem baldigen Versiegen der Öl- und Gasquellen in eine unfertige Technologie wie die der Elektroautos zu begeben. In der Erdrinde befinden sich noch ungeheure Mengen an Öl und Gas, die man in der Zukunft mit neuen Techniken an die Oberfläche holen kann. Ein weiteres Reservoir sind die alten Quellen, welche bei weitem nicht ausgeschöpft sind und die man ebenfalls mit fortschrittlichen Explorationsmethoden wieder zum Sprudeln bringen kann.
Meine Prognose:
Rohöl und Gas wird unserer Generation nicht ausgehen, vermutlich auch nicht der unserer Kinder.
Und wahrscheinlich werden sogar unsere Enkel noch mit dem Benzinauto durch die Gegend fahren.

Impressum

Angaben gemäß § 5 TMG:

Dr. Willy Marth
Im Eichbäumle 19
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