Freitag, 30. April 2010

Eine Wortmeldung

(Bei der Hauptversammlung der Energiewerke Baden-Württemberg, am 29. April 2010 in der Stadthalle Karlsruhe; Hans Peter Villis ist Vorstandsvorsitzender der EnBW)

Sehr geehrter Herr Villis,
meine Damen und Herren.

Ich werde die mir zugewiesene Redezeit garantiert nicht überschreiten,
denn ich habe nur einen Vorschlag zu machen;
eigentlich ist es nur eine kleine Bitte
die ich aussprechen möchte.

Aber bevor ich das tue,
gestatten Sie mir eine allgemeine Bemerkung:
ich habe schon viele Aktionärsversammlungen in diesem Saal erlebt;
die heutige Hauptversammlung hebt sich sehr vorteilhaft von früheren,
insbesondere jenen unter der Leitung des ehemaligen Chefs Utz Claassen ab.

Heute wurden wirklich seriöse Informationen geboten;
die Emotionen und das Show-Gehabe früherer Jahre blieb aus.
Das ist sicherlich vorallem Ihnen zu verdanken,
sehr geehrter Herr Villis. Weiter so!

Nun komme ich zu meiner Bitte.
Sie lässt sich in einem einzigen Satz zusammenfassen:

"Tragen Sie, lieber Herr Villis, doch dazu bei,
unseren armen KSC finanziell zu retten."

Dem Karlsruher Sport Club geht es schlecht bis miserabel,
jeder in diesem Raum weiss das.
Er wurde in dieser Saison zu oft besiegt
und "vae victis" hiess es schon bei den alten Römern.

Aber bei Vorstellung der Bilanzzahlen
- fast zwei Milliarden Gewinn -
ist doch zu vermuten,
dass es der mächtigen EnBW
(mit Hauptsitz in der Stadt Karlsruhe)
möglich sein sollte,
ein Promotionsthema zu finden
- vielleicht im Bereich der Trikotwerbung -
das dem KSC nützt
und uns Aktionären nicht schadet.

Vielen Dank bereits im Voraus,
sehr geehrter Herr Villis,
und wenn Sie bei diesem Thema Beratung brauchen,
so wenden Sie sich doch vertrauensvoll an den Aufsichtsratschef des früheren Badenwerks,
Herrn Mayer-Vorfelder, alias Mayer-Vorstopper.
Er sitzt unweit von Ihnen im Publikum.

Sonntag, 18. April 2010

Dr. Traubes gesammeltes Schweigen.

Die Atomkraft hat in Deutschland viele Gegner, aber kaum einer ist so bekannt wie der Maschinenbauer Dr. Klaus Traube. Vom Ende der siebziger Jahre bis weit in die neunziger hinein, war er in den Medien nahezu omnipräsent. Wie ein wiederauferstandener moderner Savonarola geisselte er die "Technokraten" der Atomindustrie und der Kernforschungszentren. In seinem 1977 geschriebenen Buch "Müssen wir abschalten?" untermauerte er seine Thesen u. a. damit, dass er auf seine ca. eineinhalb Jahrzehnte währende Tätigkeit beim Bau von Kernkraftwerken verwies. Indes, seine Selbstauskünfte zu diesem Kapitel seines beruflichen Lebens sind seltsam blass und wenig detailliert. Sie muten eher an wie Dr. Murkes gesammeltes Schweigen. Es ist die Absicht dieses Blogs, die Leistungen des Herrn Dr. Traube als Kernkraftingenieur und -manager etwas stärker in den Einzelheiten zu beleuchten.



Chefplaner Klaus Traube weist den Weg aus der Kernenergie
(Ca. 50jährig - aus Buch:"Müssen wir umschalten")

Beginnen wir mit dem Heissdampfreaktor (HDR) in Kahl, einem Kernkraftwerk das zwischen 1965 und 71 von der Firma AEG-Telefunken gebaut wurde. Dr. Traube war bei diesem Unternehmen damals "Leiter des Fachgebiets Leistungsreaktoren" und damit sehr ranghoch angesiedelt. Der HDR war im wesentlichen ein Siedewasserreaktor, aber im Unterschied zu diesem sollte der Dampf ein zweites Mal durch den Reaktorkern geschickt werden. Durch diese Überhitzung erhoffte man sich einen höheren Wirkungsgrad und damit geringere Stromkosten. Aber die Inbetriebnahme des HDR im Frühjahr 1971 geriet zum Fiasko. Die Betriebsmannschaft detektierte radioaktives Spaltgas im Reaktorraum und mit Entsetzen stellte man fest, dass alle Heissdampfbrennelemente falsch ausgelegt waren: die Wandstärke der Spaltgasrohre war zu gering bemessen und hielt deshalb dem Betriebsdruck des Reaktors nicht stand. Für die Auslegung aber waren Dr. Traube und seine Mannschaft verantwortlich. Nach dieser Havarie verzichtete der Betreiber des HDR auf die Neuplanung des Reaktorkerns und legte die Anlage still. 200 Millionen Mark (einschliesslich vorlaufender Versuche) waren à fond perdu abzuschreiben. Einige Komponenten des HDR wurden in der Folge für ein - nichtnukleares - Versuchsprogramm genutzt und die Reaktorhülle nach ihrer Entkernung 1998 effektvoll in die Luft gesprengt.



Der Heissdampfreaktor HDR wird (nach Entkernung) gesprengt

Nach dem HDR-Desaster verliess Traube die AEG - manche sprachen von "Abschiebung" - und wechselte zum Siemenskonzern, wobei er eine Vakanz in der Tochterfirma Interatom nutzte. Dort wurde er federführender Geschäftsführer für den Schnellen Brutreaktor SNR 300, der in Kalkar gebaut werden sollte. In dieser Funktion war er "Chefplaner" des Brüters , wie auch in seinem o. g. Buch vermerkt ist. Doch hier erlebte Traube ein wahres Cannae. In den ersten drei Jahren der Bauzeit akkumulierte das von ihm geführte Projekt nicht weniger als 20 Monate Terminverzug und sage und schreibe 750 Millionen Mehrkosten. Wesentliche Komponenten, wie der Notkühlkreislauf, die Dampferzeuger, die Zwischenwärmetauscher und der Reaktortankträger wurden von der Genehmigungsbehörde als unsicher abgelehnt und waren neu zu planen. Aus dieser Zeit - der Phase des Planungschefs Traube - resultierten viele spätere Probleme des Kalkarbrüters, die schliesslich 1991 zu seinem Ende führten.

Die Schwierigkeiten mit dem SNR 300 hinderten Traube aber nicht - praktisch parallel - einen vier Mal so grossen Brüter, den SNR 2 voran zu treiben, dessen Reaktorkern über 5.000 (!) Kilogramm Plutonium beinhalten sollte. Etwa 100 Millionen Mark wurden bis 1976 in dieses Projekt gesteckt. Ebenfalls vergeblich, denn spätere Grossbrüter, wie der European Fast Breeeder (EFR) griffen Traubes Konzept nicht auf.

Die Aufstellung von Traubes Projektleichen wäre unvollständig, würde man nicht noch die beiden Siedewasserreaktoren KRB Gundremmingen und KWL Lingen erwähnen. Wegen vieler Störfälle, inbes. bei KWL, kamen sie nie richtig in Schwung, sodass die Eigentümer schon nach 10 Jahren endgültig abschalteten. Traube war bei beiden Kernkraftwerken in einer Art Gruppenleiter- bzw. Abteilungsleiterposition (z. T. von USA aus) tätig.

Betrachtet man nur die erstgenannten Projekte HDR, SNR 300 und SNR 2, so hatte Traube drei Kernkraftwerke, die unter seiner Ägide standen, mehr oder minder an die Wand gefahren und unrentierliche Kosten von mehr als einer Milliarde Mark verursacht. Ich kenne keinen zweiten deutschen Ingenieur auf dem Kernkraftwerksgebiet, dem das auch nur annähernd "gelungen" ist. In seinem Buch Müssen wir umschalten beschreibt er diese tristen Erfahrungen summarisch folgendermassen: "Ich meine, cum grano salis, entziehen sich grosstechnische Entwicklungen rationaler Steuerung; die Grosstechnik entwickelt sich zumeist anarchisch, unvorhersehbar und irrational.".

Aber das ist beweisbar falsch. Die Nachfolger Traubes , welche bei der Kraftwerk Union die 18 deutschen Kraftwerke (beginnend mit Biblis A) bauten, haben eine perfekte Arbeit geleistet; denn seit mehr als 20 Jahren sind diese Anlagen - was die Stromproduktion anlangt - in der Spitze der Weltliga, die immerhin 435 Kernkraftwerke umfasst.

Es ist bekannt, dass Traube mitte 1976 wegen Verwicklungen in die RAF-Terrorismusszene von seinem Arbeitgeber Siemens entlassen worden ist. Seinen Lebensabend verbringt der nunmehr 82-Jährige in einem alten Haus in Oberursel bei Frankfurt. Gelegentlich gibt er Interviews, so im November 2004 der Frankfurter Rundschau. Dabei geriert er sich behäbig bis bräsig, fast in der Manier eines Buddha. So behauptet er jetzt, schon 1972 Zweifel an der Industriegesellschaft gehabt zu haben. Dann erstaunt allerdings - um ein Bild zu gebrauchen - dass Traube trotzdem noch bis 1976 seine Ingenieursbataillone in die Schlacht geführt hat. Allerdings war er ein Feldherr ohne Fortüne!



Traube blickt zurück
(Ca. 76jährig - Photo: FR Nov. 2004)

In der RAF-Affäre fühlt sich Traube "grundlos angegriffen". Nun, vielleicht hätte er besser keinen Umgang mit Terroristen vom Schlage eines Hans-Joachim Klein pflegen sollen. Als Chefmanager des high-Tech-Brüters SNR 300 Kalkar hatte er intime Anlagenkenntnisse und (administrativen) Zugriff auf die Plutoniumbestände. Spaltmaterial in den Händen von Terroristen war damals (wie heute) ein Albtraum. Dass Traube die Risiken seines Doppellebens auch jetzt noch nicht erkennen will, attestiert ihm ein reichliches Mass an Chuzpe.

Es steht nicht zu erwarten, dass Klaus Traube diesen Blog am eigenen Computer wird lesen können, denn in dem schon mehrfach zitierten Buch reitet er auch geharnischte Attacken gegen die Computertechnik:

"Nichts ist vordringlicher als die Mikroelektronik aufzuhalten; ihre schleichenden sozialen Auswirkungen sind weit gefährlicher als die der Atomkraftwerke."

Sonntag, 4. April 2010

Finanzprobleme bei FAIR

Fast 40 Jahre lang existierte in Darmstadt ein kleines, aber feines, Forschungszentrum, betrieben von der "Gesellschaft für Schwerionenforschung" (GSI). Zentriert um den Linearbeschleuniger UNILAC widmete man sich dort mit 900 Mitarbeitern praktisch nur einer einzigen Aufgabe: der Synthese superschwerer Atomkerne mittels Fusion. Im benachbarten, vier Mal grösseren Kernforschungszentrum Karlsruhe, hatte man sich umgekehrt der Spaltung schwerer Atome, wie Uran und Plutonium, verschrieben - und erntete dafür statt Lob manche mediale Hiebe.

Theoretische Physiker, wie Gamov, Bohr und v. Weizsäcker hatten vorher in ihrem "Tröpfchenmodell" superschwere und gleichzeitig stabile Elemente, weit jenseits des Urans postuliert. Dorthin wollte man vordringen. Während sich hinter Uran mit der Ordnungszahl 92 ein "Meer der Instabilität" ausbreitet, vermutete man, etwa ab der Ordnungszahl 100, "stabile Inseln", wo die Atomkerne nicht mehr spontan zerstrahlen, sondern stabil bleiben und deshalb chemisch analysiert werden können. Besonders aufregend schien die Suche nach den "magischen" und "doppelt-magischen" Kernen, bei denen die Protonen und Neutronen in einem bestimmten Verhältnis standen und die "Schalen" aufgefüllt waren.

Die Suche nach superschweren - aber noch nicht stabilen Elementen - war durchaus nicht erfolglos. Im Laufe von Jahrzehnten fand die Forschergruppe um Peter Armbruster, Gottfried Münzenberg und Sigurd Hofmann ein halbes Dutzend dieser Exoten. Sie sind auf der Nuklidkarte als Bohrium, Meitnerium, Roentgenium und Copernicium vermerkt. Hinzu kommen Hahnium und Darmstadtium, deren Namensgebung eine Hommage an Darmstadt und das Land Hessen darstellt. Die meisten dieser Elemente existierten nur Bruchteile von Sekunden und konnten in der Regel nur als einzelne Atomkerne erzeugt werden. Sie bildeten sich beim (wohldosierten) Zusammenstoss zweier mittelgrosser Kerne.



Die stolzen Entdecker des Elements 112

Armbruster, ein Schüler von Maier-Leibnitz, war der Teamführer und wurde zuweilen als Kandidat für den Physiknobelpreis angesehen. Zur Verleihung kam es aber dann doch nicht; über die Gründe dafür kann man nur spekulieren. Vielleicht wurde das "Zusammenbacken" von Atomkernen mehr als diffizile Handwerkskunst denn als hohe Wissenschaft gesehen. Vielleicht wollte man auch in Stockholm auf das postulierte Endziel, das Erreichen der stabilen Inseln warten; vorderhand bildeten die generierten Elemente lediglich "Landungsbrücken" über das Meer der Instabilität. Möglicherweise wollte sich das Nobelkommittee aber auch aus einem "Wespennest" heraushalten, denn neben dem GSI gab es ähnliche Forschungsgruppen in Berkeley (USA) und Dubna (Russland), zwischen denen es immer wieder zu Streitigkeiten bei der Erstentdeckung und der Namensgebung kam.

Vor etwa fünf Jahren beschloss man bei der GSI die thematische Monokultur der superschweren Atomkerne zu verlassen und sich der programmatischen Vielfalt der Kernphysik zu öffnen. Die Anlage FAIR - "Facility for Antiproton and Ion Research" - wurde vorgestellt und der wissenschaftliche Geschäftsführer Horst Stöcker versprach, "die Physik des Universums in das Labor zu holen". Als Vielzweckmaschine sollte FAIR die Physik der Hadronen bis zur Astrophysik abdecken. Über das frühe Universum und den Ursprung der Elemente sowie grundlegende Fragen des Quark-Gluon-Plasma sollen im Endausbau 3000 Physiker aus aller Welt in Darmstadt forschen. CERN lässt grüssen!

Apparatives Kernstück von FAIR werden zwei grosse Beschleunigerringe mit 1.100 Metern Umfang sein, die übereinander in einem gemeinsamen unterirdischen Tunnel gebaut werden. Die derzeitigen Beschleuniger der GSI dienen dann als Vorbeschleuniger. An die beiden Beschleunigerringe schliesst sich ein komplexes System von weiteren Speicherringen und Experimentierstationen an. Die Fertigstellung der Anlage und der Experimentierbeginn ist auf das Jahr 2016 avisiert.



Computergrafik zeigt Altanlage GSI (links) und FAIR-Komplex (rechts)

Derzeitiger Knackpunkt des ganzen Unternehmens ist seine Finanzierung. Die Investitionskosten sind seit Planungsbeginn (2005) von 675 über 940 auf jetzt 1.200 Millionen Euro gestiegen. Das muss noch nicht das Ende sein, denn schwierige Planungsphasen und vorallem der Bau stehen noch aus. Hinzu kommen noch die jährlichen Betriebskosten, welche auf mindestens 120 Millionen veranschlagt werden. Die Zuwendungsgeber sind der Bund (65 %), das Land Hessen (10 %) sowie die 16 internationalen Partner (25 %). Zur Zeit klafft noch eine Finanzierungslücke von gut 100 Millionen Euro, was eine gewichtige Änderung der Gesamtplanung erforderlich machte: einige Anlagenmodule mussten auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.

Nicht enthalten im Investitionsbudget sind zusätzliche Kosten in Höhe von 110 Millionen Euro, die standortbedingt sind. Testbohrungen haben nämlich gezeigt, dass das Gelände neben dem bestehenden GSI-Areal keinen (wie eigentlich erwartet) felsigen Untergrund hat, weswegen 2000 jeweils 50 Meter lange Pfähle den Boden stabilisieren müssen. Da die Partnerländer nicht bereit waren, zusätzliche Millionen "in Beton" zu investieren, mussten sich Bund und Land zähneknirschend zur Kostenübernahme bereit erklären. Im Frühjahr soll dann die FAIR GmbH als internationaler Projektträger gegründet werden.

Angesichts dieses holprigen Projektbeginns mag sich mancher Beteiligter an die Worte der Bundesforschungsministerin Annette Schavan erinnern, die bei der offiziellen Festveranstaltung im November 2007 zum Start von FAIR folgendes gesagt hat:

"Physiker müssen einen genetischen Defekt haben, der ihnen übergrossen Optimismus verleiht".

Impressum

Angaben gemäß § 5 TMG:

Dr. Willy Marth
Im Eichbäumle 19
76139 Karlsruhe

Telefon: +49 (0) 721 683234

E-Mail: willy.marth -at- t-online.de