Mittwoch, 21. Mai 2008

Frau Merkel rettet den Regenwald

Unsere Bundeskanzlerin verbrachte eine Woche in Lateinamerika und lernte dort eine Menge Politiker kennen, u. a. Frau Kirchner von Argentinien und Hugo Chaves von Venezuela. Die Probleme, welche besprochen wurden, hingen meist mit der Umwelt und dem Regenwald zusammen. Ich habe aus Zeitungsberichten (und vom Biologen Reichholf) eine Menge darüber gelernt und will einiges davon als "blog" weiter geben.

Immer wieder hört man die Behauptung, die Regenwälder des Amazonas seien die Lungen der Erde", welche für unseren Sauerstoff sorgen. Das stimmt so nicht. Tatsächlich erzeugt ein ausgewachsener Tropenwald (wie jeder andere Wald auch, der keinen Zuwachs mehr hat) kein bisschen Sauerstoff. Denn diesselbe Menge, die bei der Fotosynthese von Blättern und Nadeln abgegeben wird, verbraucht der ausgewachsene Wald wieder für die Zersetzung dieser Stoffe im Boden. Nur wachsende Wälder können in der Nettobilanz Sauerstoff freisetzen und Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden.

Aber: da in nur 50 Jahren etwa die Hälfte der Tropenwälder vernichtet worden ist und davon der weitaus grösste Teil verbrannt wurde, trug diese Reduktion sehr stark zur Zunahme von CO2 und Russ in der Atmosphäre bei. Da auf den so geschaffenen Weideflächen häufig Rinder gehalten werden, kommt deren "Ausstoss" an Methan noch hinzu, insbesondere weil dieses Gas 20-mal stärker als Kohlendioxid wirksam ist.

Seit den Tagen von Alexander von Humboldt hält sich die Mär von der tropischen Fülle der Regenwälder. Aber der luxuriöse Wuchs der Baumkronen täuscht. Am Boden herrscht fast überall Mangel. Die amazonischen Bäume wachsen auf äusserst unfruchtbaren Böden, die ausser Sand und Kaolinit keine weitere Mineralien enthalten. Deswegen leben auch kaum Indios in diesen angenehm warmen Tropenwäldern, sondern sie siedeln in den vergleichsweise kühlen, aber fruchtbareren Hochebenen des Andengebirges.
Die notwendige Düngung der Tropenwälder erfolgt durch die Passatwinde, welche nährstoffhaltigen Staub von der Sahara nach Brasilien wehen. Vergleichbar dem Schirokko-Wind, der Saharasand in das Mittelmeer hinein weht, das ohne diese Naturdüngung viel weniger Fische und Meerestiere aufweisen würde.

Zurück nach Europa fliesst gleichzeitig von Amazonien ein gewaltiger Strom von Nährstoffen in Form von Soja, Raps, Mais, Zuckerrohr etc für die Ernährung unserer heimischen Rinder (und neuerdings in Form von Bioethanol zur Betankung unserer Autos). Unsere Massentierhaltung könnte ohne den Import von Futtermitteln, welche auf den gerodeten Tropenwaldflächen erzeugt werden, gar nicht existieren. Den Indern ist die Kuh "heilig", uns Europäeren das Rind (sowie das Schwein und das Hähnchen). Die indische Kuh existiert aber weitgehend energieneutral, weil sie ohne künstliche Zufütterung von Gemüse- und Pflanzenabfällen lebt. Den Güllegestank der Schweinemassenhaltung im niedersächsischen Vechta riecht man, bei entsprechender Windrichtung, bis nach Holland und sogar bis nach Grossbritannien.

Beeindruckend ist die Artenfülle in den tropischen Regenwäldern. Man vermutet 30 Millionen unterschiedliche Arten, wovon erst gut eine Million wissenschaftlich exakt beschrieben ist. Zuweilen ist es leichter zehn verschiedene Arten von Schmetterlingen zu sammeln, als zehn Exemplare einer einzelnen Art. In dieser Seltenheit liegt letztlich die Verletzbarkeit des tropischen Artenreichtums. Wird ein einziger Quadratkilometer dieses Urwalds gerodet, so werden unter Umständen viele tausend Arten vernichtet, die sonst nirgends mehr vorkommen.

So wie Nährstoffmangel Artenvielfalt erzeugt, so führt die massive Düngung unserer Landwirte auf den Fluren zum Artensterben. Nur vermarktbare Tiere und Pflanzen werden herangezüchtet und jährlich abgeerntet. Gleiches tun viele von uns in ihren häuslichen Kleingärten, wenn sie so stolz auf ihren (unkrautfreien) saftig-grünen Rasen verweisen, der nur aus einheitlichen Graspflanzen besteht. Die natürliche Artenvielfalt bleibt dabei auf der Strecke. Der geballte Einsatz von Nitrophoska, Wasser und badischer Sonne bringt dieses Hausgartenwunder jedes Jahr wieder zustande.

(Zum Beispiel bei meinem lieben Freund H.H.)

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