Sonntag, 10. August 2008

Uran - wie lange reicht es noch?

Bei der gegenwärtigen Diskussion um die Kernenergie spielen - neben der Sicherheit - die Uranreserven eine gewichtige Rolle. Wie lange der Kernbrennstoff Uran noch reicht, darüber kann man die verschiedensten Zahlen lesen: von 25 Jahren (Trittin) über 200 Jahre (Uranindustrie) bis zu mehreren tausend Jahren (Schnellbrüterforscher). Im Rahmen dieses blogs möchte ich diese komplexe Materie etwas durchsichtiger machen.

Zunächst einmal eine Binsenweisheit: Reichweitenbetrachtungen für einen Rohstoff (Ressource) - seien es Uran, Erdöl, Eisen, Diamanten etc. - hängen immer vom angenommenen Verbrauch und von den zugrunde gelegten Vorräten oder geschätzten Reserven ab. Der berühmte "Club of Rome" hatte diese Regel in der 70er Jahren nur unzulänglich befolgt, deshalb waren seine Prognosen auch falsch. Man hatte damals die Vorräte der betrachteten Rohstoffe als relativ fix angesehen und auf einen exponentiellen Verbrauch spekuliert, wodurch man zu einer (fehlerhaften) kurzen Reichweite kam. Der heilsame Einfluss der Preissteigerungen und die verstärkte Rezyklierung der benutzten Ressourcen blieben weitgehend unberücksichtigt.

Zurück zum Uran, wobei ich mich auf die Zahlenangaben der Internationalen Atombehörde in Wien (IAEO) und der Deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) abstütze. Wie ist der ehemalige Umweltminister Trittin zu der relativ kurzen Uranreichweite von nur 25 Jahren gekommen? Ganz einfach. Er hat sich im Jahr 2005 nur auf die billigste Kategorie der Uranvorräte bezogen, wovon es 1.700.000 Tonnen gab und die für unter 40 US-$ pro Kilogramm Uran auf dem Weltmarkt zu beschaffen waren. Diese Uranmenge hat er durch den weltweiten Jahresverbrauch an Uran (damals 68.000 Tonnen) dividiert und kam damit auf 1.700.000 : 68.000 = 25. Nach dieser Rechnung wären also die Uranvorräte in 25 Jahren erschöpft gewesen.

Diese Herangehensweise von Trittin ist rechnerisch zwar korrekt, aber gleichzeitig schlitzohrig. Von einem amtierenden Bundesminister können die Bürger mehr Seriosität erwarten. Denn bereits wenn man einen Uranpreis von knapp über 40 $ pro kg akzeptiert, erhöhen sich die Vorräte (wegen des jetzt höheren Angebots) auf 2.500.000 t und führen zu einer Reichweite von 37 Jahren. Für 80 $/kgU kann man den Rest der Vorräte aufkaufen und landet bei einer Reichweite von ca. 50 Jahren.

Im Prinzip ist es wie bei der Tankstellensuche, die heute jeder Autobesitzer betreibt. Pendelt der Benzinpreis in einer Stadt um die 1,55 Euro pro Liter, so findet man wenige Zapfsäulen an denen der Sprit für 1,52 Euro zu haben ist. Relativ viele kann man anfahren, wenn man sein Kauflimit auf 1,55 schraubt und für 1,60 Euro (oder knapp darunter) kann man praktisch an allen Tankstellen Benzin kaufen.

Nun könnte man einwenden, dass dem Uranpreis nach oben hin enge Grenzen gesetzt sind, denn wenn dieser Energieträger zu teuer wird, dann wird auch der im Kraftwerk erzeugte Strom teuer und bald nicht mehr absetzbar. Dieses Risiko ist jedoch sehr gering. Das Uran trägt nämlich nur mit 3-5% zu den Gesamtkosten der Stromerzeugung bei und beeinflusst selbst bei einem Preisanstieg von 100 oder 200% die Stromkosten damit nur marginal.

Wieder zurück zu unserer Reichweitenabschätzung. Die oben genannte Reichweite von 50 Jahren basiert auf Uranvorräten in "bekannten" Lagerstätten, die tatsächlich vermessen sind. Neben diesen Uranminen gibt es aber noch Vorkommen in der unmittelbaren Umgebung. Diese sind nicht bekannt im strengen Sinne, aber aufgrund geologischer Erfahrungen und Probenahmen sind sie als "vorhanden" einzuschätzen. Nimmt man diese Mengen noch hinzu, so erhält man weitere 35 Jahre an Reichweite. Und wenn man dann noch die "Reserven" betrachtet, die mit wissenschaftlicher und geologischer Kenntnis "sicher vermutet" werden, dann reichen die Uranvorräte insgesamt mindestens 200 Jahre. Das ist der Reichweitenwert, welcher von der Uranindustrie angenommen wird, z.B. der Urenco in Gronau. Natürlich wird dieses Uran, weil es nicht im Tagebau gefördert werden kann, sondern vielleicht aus grösserer Tiefe geholt werden muss, nur zu einem höheren Preis verfügbar sein.

Nochmals zurück zum Benzinmarkt. Der gegenwärtige Anstieg des Benzinpreises signalisiert nicht, wie häufig in den Zeitungen kolportiert, das Ende des Benzinzeitalters. Fast das Gegenteil ist richtig. Die höheren Preise läuten eine neue Phase der Exploration ein. Ölfelder, die früher als unergiebig galten, werden jetzt angebohrt und beliefern in Zukunft den Markt. Nach meiner festen Überzeugung werden auch noch unsere Kinder (und vielleicht sogar die Enkel) mit Benzin ihre Autos fahren - allerdings zu einem höheren Preis.

Bei Nutzung des Schnellen Brüters erhöht sich die genannte Reichweite von 200 Jahren nochmals dramatisch um den Faktor 100, also auf 20.000 Jahre! Der Schnellbrüter ist ein neuartiger Reaktortyp, der auch das "Abfalluran" U-238 in Spaltstoff umwandeln kann. Er wurde unter wesentlicher Mitwirkung des Kernforschungszentrums Karlsruhe entwickelt, in Kalkar am Niederrhein fertig gebaut, aber durch politische Einwirkungen der Grünen und der SPD am Betrieb gehindert. Mittlerweile ist die Planung von schnellen Reaktoren der 2. Generation in vielen grossen Industrieländern im vollen Gange. In Deutschland wird sie wegen der Koalitionsabsprache zwischen CDU und SPD verhindert.

Schliesslich ist zu vermerken, dass Uran auch als Beiprodukt bei der Phosphatgewinnung anfällt - eine weitere Reserve, die ca. 300 Jahre reichen würde. Etwas hypothetisch, aber technisch durchaus machbar, wäre die Abtrennung von Uran aus dem Meerwasser. Die Weltmeere beinhalten die gigantische Menge von 4 Milliarden Tonnen. Selbst wenn man nur ein Promille dieses Uraninhalts gewinnen könnte, wären dies erneut 600 Jahre an zusätzlicher Reichweite - allerdings zu derzeit noch unbekanntem Kostenaufwand.

Eines möchte ich mit dieser detaillierten Darstellung auf alle Fälle erreichen: Zahlenangaben über die Vorräte des Urans und seiner Reichweite bedürfen stets der Kommentierung und Erläuterung. Es ist unsinnig und im Falle des BMU sogar unverantwortlich, Reichweitenzahlen in den öffentlichen Raum zu stellen, ohne die Nebenbedingungen, wie Preise, Art der Lagerstätte u.a.m. deutlich zu benennen.

Die Versorgungssicherheit des Energieträgers Uran wird noch durch zwei weitere Umstände begünstigt, nämlich durch die Art der Herkunftsländer und durch seine leichte Lagerfähigkeit. Während das Erdöl vorallem aus den politisch instabilen Ländern des Nahen Ostens zu uns kommt, ist dies beim Uran nicht der Fall. Die wichtigsten Erzeugerländer dieses Kernbrennstoffs sind Kanada, Australien, USA und Südafrika, alles Gegenden, die politisch stabil sind und bei denen es noch nie zu Lieferschwierigkeiten kam.

Eine günstige Eigenschaft des Urans ist seine ausserordentlich hohe Energiedichte. 1 kg Natururan hat den gleichen Energieinhalt wie 13.000 kg Erdöl oder 19.000 kg Steinkohle. Das bedeutet, dass dieser Energieträger auf kleinem Raum gelagert werden kann. An den deutschen Uranfabriken und Kernkraftwerken ist es kein Problem den Uranbrennstoff für volle 7 Jahre auf kleinem Raum als Vorrat zu lagern. Über diese lange Zeit ist man also autark, d.h. unabhängig von Importen. Beim Erdöl beträgt die deutsche Vorratslagerung lediglich einige Monate.

Fazit: Der Energieträger Uran reicht auf alle Fälle mehrere Jahrhunderte. Will man die Kernenergie ausbauen, so stellt die langfristige Beschaffung dieses Brennstoffs kein Problem dar.

1 Kommentar:

  1. Hallo Herr Marth,

    sehr informativer Artikel und in sich nicht zu kritisieren.
    Allerdings finde ich die Beschaffungsseite von Uran auch gar nicht das Problem, sondern die Entsorgungsseite.
    Denn diese ist m.W. nach noch in keinem Land der Erde gelöst.
    Als zweiten Knackpunkt der Kernenergienutzung gilt das (statistisch vielleicht geringe) Risiko das mit ihrer Nutzung einhergeht. Und dabei ist es vollkommen unerheblich wo und in welchem Land der Erde sich ein solcher GAU abspielt wie der Unfall von Tschernobyl vor vielen Jahren zeigte.

    Und da stellt sich für mich nicht die Frage der Abwägbarkeit. Aber das ist vielleicht auch eine Glaubensfrage.

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