Sonntag, 11. Juli 2010

Feldspat, Quarz und Glimmer...

Die Freunde des guten Porzellans seien auf eine sehr sehenswerte Ausstellung von altem und modernem Porzellan hingewiesen, die derzeit in den oberfränkischen Städten Selb und Hohenberg (noch bis zum November) zu besuchen ist. Rund 70 Prozent des heute in Europa produzierten "Weissen Golds" kommen aus den nordbayerischen Regionen Fichtelgebirge und Oberpfalz und sind verbunden mit weltberühmten Namen wie Rosenthal, Hutschenreuther Thomas und Arzberg.

Das Porzellan wurde bekanntlich vor gut tausend Jahren in China erfunden und lange Zeit gelang es den Asiaten, die Herstellung geheim zu halten. In Europa waren die Adelshäuser geradezu verrückt nach Objekten aus der Ming-Dynastie und der Sachsenkönig August der Starke, der ebenfalls wie die Zarin Katharina und der Preusse Friedrich der Grosse unter der "maladie de porcelaine" litt, "verkaufte" einmal hundert seiner Soldaten für nur zwei Porzellanvasen aus China.

Aber dann, vor genau 300 Jahren, im Jahr 1710, passierte es: Johann Böttger, der Alchimist des Sachsenkönigs, der eigentlich Gold herstellen sollte, stiess per Zufall auf die Rezeptur für Porzellan. August versuchte zwar das Geheimnis zu wahren, indem er den armen Böttcher noch 13 Jahre in seiner Burg gefangen hielt - doch vergebens. Das Rezept sickerte durch und bald gab es sogenannte Porzellanmanufakturen nicht nur im sächsischen Meissen, sondern auch in Nymphenburg und Berlin sowie in Sèvres, Petersburg, Worcester und Venedig. Heute kann jedes Schulkind die Ingredienzien des Porzellans auswendig hersagen: "Feldspat, Quarz und Glimmer - die drei vergess ich nimmer". Das Ganze wird gemahlen, mit Wasser versetzt und bei 1400 Grad im Ofen zu Porzellan verbacken.

In Hohenberg an der Eger, nahe zur tschechischen Grenze, sind die historischen Pretiosen des Porzellans zu bewundern. Sie befinden sich in der ehemaligen Hutschenreuther Direktorenvilla, die durch einen geschmackvollen modernen Anbau ergänzt worden ist. Vom Erdgeschoss ausgehend, begibt man sich dort auf eine Zeitreise durch die 300jährige Geschichte des europäischen Porzellans. Die ersten Versuche und Figuren von Johann Böttger sind ebenso zu sehen, wie die rasche Ausbreitung der Herstellungstechnik in den folgenden Jahrzehnten. Die Austellung ist gegliedert in die Hauptepochen: Barock, Rokoko, Klassizismus, Empire, Biedermeier, Historismus, Art Déco und Jugendstil. Es ist eine Zusammenschau von fast tausend hochwertigen Exponaten, mit Leihgaben von hundert Museen und Privatsammlern. Eine Ausstellung von solcher Qualität zu Thema Porzellan gab es bisher noch nirgends.


Teller aus dem Besitz von Napoleon mit ägyptischen Motiven

Zehn Kilometer weiter nördlich, in der bekannten Porzellanstadt Selb, ist das moderne Porzellan zu sehen, einschliesslich der technischen Anlagen für seine Herstellung. War Porzellan einst nur aristokratischen Kreisen vorbehalten, so hielt es mit der Industrialisierung auch Einzug in die bürgerlichen Wohnstuben. Zur Hochzeit erhielt die Braut klassischerweise ein Service für 12 Personen; nicht selten war es das berühmte "Maria". Die gedeckte Tafel war nur mit gutem Porzellan vorstellbar, keinesfalls mit Keramik oder gar Plastiktellern. Von Bamberg über Selb bis Weiden verläuft die sog. Porzellanstrasse, an der sich so traditionsreiche Unternehmen wie, Rosenthal, Seltmann, Winterling, Goebel und Hutschenreuther reihen. Das Museum in Selb führt eine erfolgreiche Melange von Kunst, Design und Lifestyle vor Augen, womit Philipp Rosenthal jahrzehntelang Furore machte. Er konnte Künstler wie Walter Gropius, Salvador Dali, Niki de St. Phalle, Andy Warhol und viele andere bewegen nach Selb zu kommen um dort Porzellan zu modellieren oder zu bemalen.

Auch die Technik kommt im "Porzellanikon Selb/Hohenberg" nicht zu kurz. Von den ehemals vorhandenen mächtigen Rundöfen sind sechs noch völlig erhalten und sogar begehbar. In den Fabrikräumen wird nachvollziehbar wie Porzellangeschirr entsteht, von der Massenfertigung über den Gipsformenbau bis hin zur Weissware und der Dekoration. Selbst die beiden Dampfmaschinen zur Energiegewinnung sind noch vorhanden und funktionstüchtig.



Fest der Porzelliner in Deutschlands Porzellanstadt Selb

Sollte ich Sie, liebe Leser, zum Besuch des Porzellanikons angeregt haben, dann noch ein letzter Tipp: am Samstag, den 7. August, findet in Selb das "Fest der Porzelliner" statt. Es ist Europas grösster Flohmarkt für Porzellan, der jedes Jahr tausende von Besuchern anlockt. Aus vielen Ländern treffen sich an diesem Tag Sammler und Liebhaber des Weissen Golds und tauschen ihre Schätze aus. Also, auf nach Selb! Sie können sich auf meine Empfehlungen verlassen.

Denn ich bin nur zwanzig Kilometer von Selb entfernt geboren und in dieser Gegend aufgewachsen.

3 Kommentare:

  1. Herr Christof von Tschirnhaus schreibt mir aus Lübeck, dass nicht Böttger, sondern sein Vorfahre Ehrenfried Walther von Tschirnhaus im Jahre 1707 das Hartporzellan erfunden habe. Böttger und Tschirnhaus arbeiteten beide am Hofe von August dem Starken. Vielleicht haben beide irgendwie zusammen gearbeitet. Tschirnhaus starb bald nach seiner Entdeckung. Johann Böttger wurde von August danach noch 13 Jahre in seiner Burg gefangen gehalten. Aber das Fabrikationsgeheimnis drang doch nach aussen.

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  2. Ich wurde mehrfach auf den Glimmer angesprochen, da das Porzellan doch bekanntermassen aus Feldspat (25%), Quarz (25%) und Kaolin (50%) besteht. Nun, in früherer Zeit und im Fichtelgebirge verwendete man für Kaolin (nach dem chinesischen Berg Kau-ling) das Wort Glimmer. Vielleicht weil Kaolin ähnlich schiefrig geschichtet ist wie Kaolin, worauf man ja deshalb im Sommer schifahren kann. (Für Kaolin müssten die Lehrer einen neuen Reim erfinden.)

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  3. Sehr geehrter Herr Marth,
    ich hatte eine Dikussion mit meinen Eltern (beide über 80) zu besagtem Spruch: 'Felspat, Quarz und Glimmer...', weil sie der Meinung waren, dabei handele sich um Bestandteile von Granit, was z.B. Wikipedia bestätigt: http://de.wikipedia.org/wiki/Granit
    Ich habe Ihre Ansicht erzählt, daß es sich um die Rezeptur von Porzellan handelt. Das wurde aber nicht akzeptiert. Sind Sie sich da ganz sicher?
    MfG Ulla Haufe

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