Sonntag, 19. Oktober 2014

Die WAK: Deutschlands sicherster Arbeitsplatz

Die Lebenserfahrung zeigt: mit Superlativen sollte man vorsichtig sein. Aber diesmal fühle ich mich auf der sicheren Seite, denn wo gibt es eine Firma, die Arbeitsplätze bis zum Jahr 2063 anbietet und  die sogar noch aus der Staatskasse finanziert werden. Es ist die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK), welche ab 1960 geplant wurde, die etwa 20 Jahre im Betrieb war und erst im fernen Jahr 2063 wieder in eine grüne Wiese konvertiert sein soll. (Wobei ich mich u. a. auf Informationen des technischen Geschäftsführers Professor Manfred Urban berufe, die vor wenigen Monaten in der FAZ veröffentlicht wurden).

Elite-Personal gesucht

Der Personalstand der WAK wächst und wächst und als kürzlich die Zahl von 500 eigenen Mitarbeitern überschritten wurde, war auch die Zeit zur personellen Aufstockung des Aufsichtsrats gekommen.  Aber die Personaleinstellung wird weiterhin forciert. Zum Rückbau der WAK sucht man per Flyer Ingenieure in den Bereichen Verfahrenstechnik, Maschinenbau, Bautechnik, Elektrotechnik und Strahlenschutz. Gegebenenfalls sogar mit Promotion! Dafür werden die oben genannten langfristigen Unternehmensperspektiven geboten, sowie Vergütungen und Sozialleistungen nach dem bekannt spendablen Manteltarifvertrag der chemischen Industrie. Die Mitarbeiter des benachbarten KIT mit ihren Tarifvertrag öffentlicher Dienst können da wohl nur neidisch blicken. Aber das ist noch nicht alles. In Zusammenarbeit mit der Dualen Hochschule Karlsruhe werden auch Studienplätze zum Bachelor of Science angeboten und außerdem unterstützt die WAK die Bewerber bei Masterarbeiten und Promotionen. Wow!

Dabei war in den vergangenen eineinhalb Jahren bei der WAK gar nicht so arg viel zu tun. Die Geldgeber in Bund (91,8 Prozent) und im Land (8,2 Prozent) waren nämlich klamm und kürzten deshalb die jährlichen Mittelzuweisungen. So war das Jahr 2013 "verloren im Sinne eines technisch erreichbaren Projektfortschritts", was die Geschäftsführung in ihrem Bericht an die Mitarbeiter ganz freimütig zugab. "Design to Budget" war angesagt, d. h. es konnte nur bearbeitet werden, was auch finanziert wurde - die Leistungsdauer, sprich der Terminplan, war nachrangig. Die Fremdfirmenverträge wurden reihenweise gekündigt, das Eigenpersonal jedoch behalten und sogar noch aufgestockt. Im Jahr 2014 musste man endlos auf die Zuwendungsbescheide warten, die dann endlich im Juli - allerdings gekürzt um 18 Millionen Euro - bei der WAK eintrafen.

Lubmin im Blick.  Währenddessen versuchte man die Mannschaft bei Laune zu halten. Die geschah durch "virtuelle Gehwettbewerbe". Innerhalb von 60 Tagen sollte die Strecke von Karlsruhe nach Lubmin, dem Standort des Mutterkonzerns EWN (und Gottvaters Rittscher) zurückgelegt werden. Aber eben nur virtuell, denn jeder der 160 Teilnehmer hatte einen Schrittzähler, konnte seine tägliche Gehleistung selbst auf der Karte eintragen - und trotzdem im Raum Karlsruhe verbleiben. Für die erforderlichen Aufwärmübungen heuerte die WAK die frühere Olympiasiegerin Heike Drechsler an. Wer ko, der ko!

In Lubmin vertrieb sich die Mannschaft der dortigen Energiewerke Nord (EWN) die Zeit mit Paddelwettbewerben im Greifswalder Bodden, wobei man einen respektablen 21. Platz erreichte. Der EWN-Geschäftsführer Henry Cordes hatte mittlerweile alle Aktivitäten für ein GuD-Gaskraftwerk gestoppt, weil u. a. das hiesige Energieversorgungsunternehmen EnBW im Zuge der Energiewende inzwischen die Lust an diesem Projekt verloren hatte. Cordes setzt nun wieder auf das Geschäftsfeld nukleare Entsorgung, wo er seiner Firma praktischerweise gleich selbst "Exzellenz in der Stilllegung" bescheinigte.

Zwischenläger und Gesamtkosten

Selbst bei dem moderaten Abrisstempo der letzten Jahre, ist die Lagerung des rückgebauten radioaktiven Materials ein Riesenproblem. Das bestehende große Lager ist voll und der Neubau zweier weiterer Zwischenläger für schwach- und mittelaktive Materialien ist unausweichlich. Eigentlich sollten diese  Stoffe im Endlager "Konrad" (bei Gorleben) verstaut werden, aber dieses ist seit Jahren wegen vieler Einsprüche der Grünen in Verzug.

Seinen Teil dazu beigetragen hat auch der gegenwärtige baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller in seiner Eigenschaft als Chef des Freiburger Öko-Instituts, als Landtagsabgeordneter der Grünen und als Berater der Partei der Grünen seit den achtziger Jahren. Als Umweltminister muss der joviale  Endfünfziger (gelernter Landschaftsarchitekt) diese beiden Läger nun in seinem Ministerium genehmigen. Die Höchststrafe für einen Grünen! Widerstände sind dabei zu erwarten, denn der Standort dieser Läger ist inmitten des ehemaligen Kernforschungszentrums (jetzt KIT), wo sich täglich ca. 4.000 Personen in unmittelbarer Nähe bewegen.

Zusätzlich befindet sich, wie oben angesprochen, in diesem Bereich das größte deutsche ebenerdige Zwischenlager (Spitznamen: Wasteminster). Wenn die atomrechtlichen Anhörungen für die neuen Läger anlaufen, wird Untersteller zu erklären haben, weshalb diese ungeheure Menge an radioaktiven Stoffen den Mitarbeitern des KIT zugemutet werden kann. Und warum diese gefährlichen Materialien nicht längst im Endlager Konrad, tausend Meter unter der Erde, verstaut sind. Man darf gespannt sein über diese Diskussionen, der Slogan "Gorleben ist überall" wird dabei eine ganz neue Relevanz gewinnen. Derzeit redet man in euphemistischer Weise immer von "Lagerhallen"; klar muss den Ministerialbehörden jedoch sein, dass das Atomrecht für die Lagerung radioaktiver Stoffe "Bunker" verlangt, die gegen Erdbeben und Flugzeugabsturz gesichert sind.

Kosten und Projektstrategien.  Dies führt zu den Gesamtkosten des WAK-Abriss. Urban beziffert sie in dem genannten FAZ-Interview mit "deutlich über 5 Milliarden Euro". Zum angenommenen Projektende im Jahr 2063 könnten dies womöglich 10 Milliarden werden, womit sich die 1990 kalkulierten Rückbaukosten um den Faktor 10 (entsprechend 3 pi) erhöht hätten. Quasi zur Entschuldigung verweist der WAK-Chef darauf, dass die politische Entscheidung, den radioaktiven Abfall nicht im belgischen Mol verarbeiten zu lassen, das Projekt verzögert habe. Genau das Gegenteil ist richtig: die beiden SPD-Politiker Schäfer und Spöri wollten die sogenannte "Atomsuppe" nach Belgien schippern lassen. Es waren die beiden KfK-Manager H&M, welche dieses Wahnsinnsunternehmen gestoppt haben, zugunsten der Verglasung der plutoniumhaltigen Flüssigkeit vor Ort.

Die Möglichkeit, Einnahmen durch die weltweit einzigartige Entwicklung der Verglasungsanlage zu erzielen, wurde leider vertan. Die Chinesen interessierten sich für dieses Projekt und waren bereit, dafür Lizenzgebühren zu entrichten. Jahr um Jahr reisten Scharen von Karlsruher Forscher nach China, sodass schließlich dort ein (größeres) Abbild der hiesigen Verglasungsanlage entstand. Der Nettogewinn für die Karlsruher war leider Null. Wer dabei kaufmännisch versagt hat, ist öffentlich nicht bekannt. Schäuble hätte von einer "schwarzen Null" gesprochen.

Revirements

Einige Revirements sind noch zu vermelden.
Der Leiter der Betrieb für Dekontamination und Lagerung (HDB), Herr Olaf Oldiges, verließ die WAK GmbH bereits nach kurzer Zeit wieder, um extern in ein ähnliches Unternehmen einzusteigen.
Der kaufmännische und juristische Geschäftsführer der WAK GmbH, Herr Herbert Hollmann, wird in den nächsten Monaten diese Position aufgeben.
Und im benachbarten Institut für Transurane (ITU) wurde der Institutsleiter Professor Dr. Thomas Fanghänel vor wenigen Wochen eilends von seinem Posten entpflichtet und nach Brüssel geholt.
Als Berater.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Impressum

Angaben gemäß § 5 TMG:

Dr. Willy Marth
Im Eichbäumle 19
76139 Karlsruhe

Telefon: +49 (0) 721 683234

E-Mail: willy.marth -at- t-online.de