Sonntag, 10. Dezember 2017

Sind Bücher aus der Mode?

Vielleicht täusche ich mich: aber wenn man in dieser Adventszeit durch die Buchhandlungen schlendert, hat man den Eindruck, dass die Menschenschlangen an den Kassen (im Vergleich zu  früher) kürzer geworden sind. Und auch die jungen Mädchen, welche mit flinken Fingern die Bücher zu attraktiven Geschenken verpacken, haben jetzt weniger zu tun. Das Geschäft mit dem Buch brummt nicht mehr so wie ehedem. Über die Gründe dafür möchte ich in diesem Blog etwas spekulieren.


Weniger Buchhandlungen

Es ist eine statistische Tatsache, dass die gesamte Buchbranche - Händler und Verlage - seit Jahren bei einem Umsatz von 9 Milliarden Euro stagniert. Die Online-Versender, an allererster Stelle Amazon, vermögen noch leicht zuzulegen und machen damit wett, was der stationäre Buchhandel verliert. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, als Ausrichter der Deutschen Buchmesse, hat kürzlich bekannt gegeben, dass er in den vergangenen zehn Jahren ein Drittel seiner einst 7.000 Buchhandlungen und Verlage als Mitglieder verloren hat. Tendenz: weiterhin fallend. Weltweit ist die Situation ähnlich. In den USA werden von einem Debüt-Roman noch nicht einmal 2.000 Exemplare verkauft - und das in einem Land mit 325 Millionen Einwohnern.



Bücher, Bücher, Bücher

In Deutschland sind die führenden Buchhandlungen Hugendubel, Thalia und Weltbild. Hugendubel hat sein Flaggschiff auf dem Münchener Marienplatz von einst 3.600 Quadratmeter auf ein Drittel reduziert. Früher hatte das Unternehmen 100.000 Bücher im Bestand, heute nur noch die Hälfte. Auch Thalia hat Platzangebot und Sortiment restrukturiert. Und Weltbild musste im Jahr 2014 sogar Insolvenz anmelden; die Firma ging auf neue Eigentümer über. In Karlsruhe wurde kürzlich die altrenommierte Universitätsbuchhandlung geschlossen und - höchst profitabel - in eine Bäckereifiliale der "Badischen Backstub´" mit angeschlossener Café-Lounge umgewandelt. Die baubedingte rückläufige Kundenfrequenz in der Innenstadt macht vor allem dem stationären Buchhandel zu schaffen. Nicht wenige Kleingeschäfte um die Ecke sehen im Buchhandel nur noch ein nostalgisches Geschäftsmodell und geben frustriert auf. 


Weniger Bestseller

Die deutschen Buchhändler sehen dem Weihnachtsgeschäft mit Sorge entgegen. Überragende Bestseller gibt es in diesem Jahr nicht, auch wenn die angelsächsischen Autoren Dan Brown und Ken Follet durchaus das Zeug haben, den Absatz etwas zu beleben. Aber bestenfalls gleichen sie den Wegfall der Harry-Potter-Bücher vom Vorjahr aus. Das Abebben der Potter-Konjunktur ist wohl mitverantwortlich dafür, dass der Umsatz bei den Jugendbüchern in den vergangenen Wochen so abgesackt ist.--- Ganz auf Null zurück gegangen ist der Verkauf der Enzyklopädien, z. B. des 20-bändigen Brockhaus, einst der Stolz jedes deutschen Studienrats. Hier haben das Internetlexikon Wikipedia und die Suchmaschinen von Google ganze Arbeit geleistet.

Der vor Jahren beschriebene E-Book-Boom ist zur Ruhe gekommen. Etwa 5 Prozent der Deutschen laden sich solche Bücher auf Ihr Lesegerät Tolino oder Kindle herunter. Von Wachstum ist nichts zu spüren, woran auch der nur geringe Preisunterschied von gedrucktem und elektronischem Buch verantwortlich sein könnte. Auf dem anderen Teilmarkt der Hörbücher ist der Anteil noch geringer als bei den elektronischen Büchern. Positiv wird sich in Zukunft wohl die zunehmende Verbreitung der Abspielgeräte auswirken. Mit dem neuen Smartphones hat inzwischen fast jeder ein solches Gerät in der Hosentasche.


Die Smartphone Generation

Apropos Smartphone: wenn man heute durch die Straßen geht, oder mit der der Bahn fährt, kann man dauernd Jugendliche beobachten - aber selten ohne Smartphone in der Hand. Wie manisch gucken sie  permanent auf dieses flache Ding, "checken" ihre Nachrichten oder tippen selbst Mails, SMS oder Chats ein. Am Strand ein Buch zu lesen - gar eine Tageszeitung - ist für diese Generation praktisch out.

Kein Wunder, dass die neueste internationale IGLU-Studie festgestellt hat, dass es mit der Lesefähigkeit der deutschen Schüler schlecht bestellt ist. Jeder vierte Jugendliche verlässt die Grundschule, ohne richtig lesen zu können, ganz zu schweigen von der Fähigkeit zur Interpretation und Analyse von Texten. Ein Buch von hundert oder gar zweihundert Seiten wird von diesen Heranwachsenden gar nicht mehr in die Hand genommen. Wenn das vormals so gelobte deutsche Bildungssystem es nicht mehr schafft, allen Kindern das Lesen beizubringen,  wie sollen diese Menschen als Erwachsene im verschärften internationalen Wettbewerb bestehen?

Dass die Sucht zum Smartphone noch vor wenigen Jahren deutlich weniger ausgeprägt war und sich erst in letzter Zeit geradezu exponentiell entwickelt hat, zeigt sich an einer PR-Aktion, welche der bekannte Schweizer Verlag "Diogenes" noch vor fünf Jahren ungestraft veranstalten durfte. Die Verlagsmanager hatten sich vor Weihnachten eine Werbekampagne mit Karten, Postern und Tüten ausgedacht, in der sie mit einfachen Sätzen den Zeitgeist und das Lesen kommentierten. Ein Beispiel: "Während Sie dieses Buch lesen, finden Sie keine Freunde bei Facebook". Der Markt hat - damals - noch durchaus positiv und mit Amusement auf diese "Warnung" reagiert.


Einige Buchempfehlungen 

Trotz aller oben geäußerten Bedenken, ist ein gutes (und schön verpacktes) Buch als Mitbringsel immer noch das Geschenk der Wahl. Es wird allenfalls überboten von einer Flasche Champagner, die in etwa gleich viel kostet. Diese bleibt allerdings nur selten unentkorkt, während das Buch schon mal ungelesen weiter verschenkt wird.

Da wir vor dem Weihnachtsfest stehen, möchte ich es wagen, drei Bücher zu empfehlen, wovon ich die beiden ersten (keine Neuerscheinungen!) wirklich - und mit großem Genuss - gelesen habe. Da ist zunächst der 640-Seiten-Roman "Unterleuten" von Juli Zeh. (btb-Verlag, als TB 12 Euro). Es ist ein Gesellschaftsroman, der das Dorf Unterleuten im heutigen Brandenburg beschreibt. Dort gibt es (nach der Wende) viele Originale, welche anfangs gut zusammenleben, aber schließlich in heftige Streitereien geraten. Auch die Idylle kann zur Hölle werden. Fantastisch - wirklich unglaublich fantastisch -  ist der Schluss dieses Romans. Er schlägt jeden Thriller, obwohl das Buch nicht zum Genre der Krimis gehört.

Der zweite Roman, den ich empfehlen möchte, zählt nicht zur großen Literatur, aber er ist sehr spannend. Man kann ihn auf der Couch lesen und zwischendurch Glühwein und Weihnachtsplätzchen genießen. Es ist ein Thriller vom englischen Starautor Robert Harris und führt den Titel "Konklave". (Heyne-Verlag, 350 Seiten, als TB 10 Euro). Er beschreibt die Wahl eines Papstes im Vatikan, nach dem Tod des gegenwärtigen Papstes, in dem man unschwer Franziskus erkennen kann. Aus aller Herren Länder reisen die 117 Kardinäle an und begeben sich zum Konklave in die Sixtinische Kapelle. Es beginnt ein Machtpoker, bei dem viele anfängliche Favoriten scheitern und bei dem schließlich ein nahezu unbekannter Kardinal zum neuen Papst gewählt wird. Spannende Lektüre!

Auch ich lasse mir zu Weihnachten ein Buch schenken: den Tyll von Daniel Kehlmann. (Rowohlt, 474 Seiten, 23 Euro). Es ist die alte Geschichte vom Eulenspiegel", aber in neuer Aufmachung und zeitversetzt in den Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648). Tyll reist darin als Vagant, Schausteller und Provokateur durch die vom Krieg verwüsteten deutschen Lande und begegnet dabei allerlei Jongleuren, Henkern und Fürsten, also vielen sogenannten kleinen und großen Leuten. Ihre Schicksale verbinden sich in dem Roman zu einem Zeitgewebe und damit zum Epos dieser deutschen Urkatastrophe im beginnenden Mittelalter.
Warum mich das interessiert? Nun, im nächsten Jahr jährt sich der Beginn dieses Kriegs zum 400. Mal und ich möchte darüber bloggen.

1 Kommentar:

  1. Danke für die Buch-Empfehlungen! Gute Wahl!
    Was die Zukunft betrifft: Tempora mutantur, nos et mutamur in illis. On verra...

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