Sonntag, 20. April 2008

Casting

Casting ist in. In populären TV-Shows "castet" Heidi Klum jugendliche Bewerber auf ihre Tauglichkeit als Models, Thomas Gottschalk sucht Talente für Musicals und Dieter Bohlen, der König des casting, übertrifft alle mit seiner Show "Deutschland sucht den Superstar", kurz DSDS. Ursprünglich kommt casting aus der Filmbranche und bedeutet Rollenbesetzung durch geeignete Schauspieler. Am Erfolg der Filme "Ben Hur" und "Goldfinger" hatte das casting mit den Schauspielern Charles Heston und Gert Fröbe sicherlich grossen Anteil.
Aber auch die Personalabteilungen von Firmen kann man als casting-Büros ansehen. Dort bemüht man sich, die Anforderungen eines Jobs mit dem Profil der Bewerber in Einklang zu bringen. Baufirmen suchen in der Regel Bauingenieure, Computerfirmen suchen Informatiker und so weiter.

Es ist reizvoll - und der Inhalt dieses blogs - die Personalausstattung von Städten auf der Ebene der Bürgermeister mit dem Anforderungsprofil der Ämter, sprich Dezernate, zu vergleichen. Nehmen wir beispielsweise Karlsruhe, eine Gemeinde mit 300.000 Einwohnern und mit einem Etat von ca. 1 Milliarde Euro pro Jahr. Diese nicht unerhebliche Summe wird im wesentlichen über Steuern eingenommen und für Personal, Betrieb und Investitionen der Kommune wieder ausgegeben. Der grösste Teil dieses Geldes sind sogenannte Durchlaufposten, an denen nicht viel zu verändern ist, etwa die Ausgaben für Lehrer, Polizisten etc. Aber das gilt nicht für die Investitionen, welche das zukünftige Bild der Stadt prägen. In der Regel sind dies grössere Bauvorhaben wie Schwimmbäder, Sportstadien und Strassen, wo man sehr wohl gestalterisch eingreifen kann und zwar sowohl auf der technischen wie auf der betriebswirtschaftlichen Seite.

Die grösste Karlsruher Investition in der jüngeren Zeit war die Neue Messe in Rheinstetten. Es ist bekannt, dass es ein finanzielles Desaster war, mit enormen Überschreitungen der vorher angesetzten Bausumme. Die damals verantwortliche Bürgermeisterin und Dezernentin hiess Heinke Salisch. Vom Gemeinderat wurde sie mit diesem Vorhaben betraut - ungeachtet der Tatsache, dass sie von der Ausbildung her Dolmetscherin war und die meiste Zeit als Europaabgeordnete verbracht hatte. Das Anforderungsprofil für diesen Job hatte mit dem Bewerberprofil nur wenige Berührungspunkte und so nimmt es nicht Wunder, dass ihr Abgang vom Bürgermeisteramt etwas abrupt geschah. Frau Salisch hat danach ihren Wohnort in die Pfalz verlegt, betreibt dort die Galerie "Kidsch" (Kunst in der Scheune) und fühlt sich dabei offensichtlich wohl, wie ihr Wahlspruch "Das Neue geniessen" vermuten lässt.

Das Ressort "Bauen und Planen"wurde danach an Ulrich Eidenmüller übertragen. Er war im Laufe seines 24jährigen Dezernentendaseins zuständig für die Kliniken, die Kultur, die Umwelt, den Müll, die Feuerwehr, die Schlachthöfe, die Friedhöfe und vieles andere mehr. Als studierten Juristen konnte ihn offensichtlich keine Aufgabe in Verlegenheit bringen. Sein Wahlspruch, echt badisch: "Leben und leben lassen".

Als mächtiger (Doppel-) Bürgermeister für Wirtschaft und Finanzen agierte ab dem Jahr 2000 bis vor kurzem Manfred Groh. Für ihn ein gewaltiger Karrieresprung, denn vorher hatte er sechs Jahre lang als Prokurist bei einer Parkraumgesellschaft gedient. Sein Wahlspruch lautete: "Wer nicht handelt, dem wird auch der Himmel nicht helfen", womit er als Nichtakademiker immerhin Sophokles bemühte. Aber auch er konnte die jährlichen Betriebsverluste bei der Neuen Messe in Höhe von 12 bis 15 Mio Euro nicht verhindern, sodass sich sein Verhältnis zum Oberbürgermeisterchef Heinz Fenrich immer mehr abkühlte und er als Landtagsabgeordneter nach Stuttgart rangiert wurde.

Die derzeitige Bürgermeisterin für Wirtschaft und Finanzen ist Frau Margret Mergen. Sie besitzt sogar ein Diplom von der Universität Münster - allerdings in Geografie. Unter dem vormaligen OB Gerhard Seiler war sie Trainee in der Stadtverwaltung und brachte es immerhin bis zur Stadtkämmerin. Ihre Bewährungsprobe wird kommen, wenn die Tunnelprojekte und das Stadion zur Finanzierung anstehen. Über einen Wahlspruch ist bei Frau Mergen nichts bekannt.

Siegfried König ist erster Bürgermeister und einer der dienstältesten Dezernenten. Er hat den ehrenvollen Beruf des Grund- und Hauptschullehrers erlernt und auch jahrelang ausgeübt. In seinen Bereich fallen u.a. die städtischen Bäder und somit auch das kürzlich eröffnete "Europabad". Diese Schwimmanstalt wurde in den Zeitungen heftig kritisiert, da sie mit erheblichen Mehrkosten und erst nach monatelangen Verzögerungen in Betrieb genommen werden konnte. Und, wie in vielen Leserbriefen zum Ausdruck kam, weil sie bei der Einweihung technisch erst "halb fertig" war. Letzteres wird vielleicht verständlich, wenn man Königs eigenes Lebensmotto kennt, das da lautet: Nur wer das Unmögliche will, erreicht das Mögliche". "

Nach dem Abgang von Ulrich Eidenmüller und demnächst auch von Siegfried König, werden in diesem Jahr drei neue Bürgermeister ihr Amt übernehmen. Klaus Stapf ist bereits benannt worden. Der hoch aufgeschossene Konzernbetriebsratsvorsitzende lebt nach dem Motto: "Sich nicht klein kriegen lassen, gut leben". Im Sommer soll ein weiterer Bürgermeister gekürt werden, nämlich Wolfram Jäger, seines Zeichens Richter an einem Amtsgericht. (Motto: "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg"). Und im Herbst - man ahnt es schon - kommt noch ein Jurist auf die Bürgermeisterbank. Es ist Michael Obert von der Landesversorgungsanstalt, der nach der Devise lebt: "In der Ruhe liegt die Kraft". Alle genannten Herren, und auch Frau Mergen, sind ehrenwerte Persönlichkeiten, gewiss. Wer von diesen das 500 (oder vielleicht schon 800) Millionen schwere Projekt der Stadtuntertunnelung verantworten soll, liegt in der Entscheidung des OB und des Gemeinderats. Ein Baufachmann ist jedenfalls darunter nicht zu finden.

Inzwischen beobachten die Karlsruher Bürger mit Besorgnis und wachsendem Unmut den Probelauf eines Projekts, das um den Faktor 10 kleiner ist, nämlich des Fussballstadions. Oberbürgermeister Heinz Fenrich, seines Zeichens Finanzwirt (FH) und Reserveoffizier hat sich seiner angenommen und es zur Chefsache erklärt. Seit fast zwei Jahren verhandelt er mit dem KSC und den übrigen Beteiligten. Inzwischen sind die Kosten von 58 auf 75 Millionen Euro angestiegen, viele ungelöste Knackpunkte tun sich noch auf, ja sogar die Standortfrage wird wieder diskutiert. Von der Lokalzeitung BNN nach den Aussichten der Verhandlungen befragt, gab Oberbürgermeister Fenrich offen zu: "Ich bin mit meinem Latein am Ende".

Wie lautet doch unser Wahlspruch? "Karlsruhe - viel vor, viel dahinter"

4 Kommentare:

  1. Auch nach der neuen Rechtschreibung schreibt man Straße und genießen weiterhin mit ß.

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  2. Vielen Dank, bin offensichtlich wegen der vielen Änderungen der deutschen Rechtschreibung nicht mehr up to date.

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  3. (Wenn wir schon genau werden wollen...) das stimmt aber nicht in jedem deutschsprachigen Land.

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  4. Es ist absolut falsch, dass Heinke Salisch für die Neue Messe verantwortlich gewesen sein soll. Verantwortlich war der damalige CDU-Bürgermeister und heutige Landtagsabgeordnete Manfred Groh, der anschließend auch einige Hunderttausend Euro Verlust mit seinem Baby "Sommernachtstraum" verursachte. Von den vielen Tausendern ganz zu schweigen, die der von Groh geschasste Messe-Chef Krumrey vor Gericht erstritt.

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