Sonntag, 11. Januar 2009

"Die Rente ist sicher"

Norbert Blüm wird vermutlich zu Sylvester eine Flasche Schampus in "king-size" geöffnet haben - und das aus gutem Grund. Da wurde der kleinwüchsige, aber redegewaltige Politrentner - Sozialminister während der gesamten Kanzlerschaft von Helmut Kohl (1982 - 98) - jahrzehntelang von den Medien wegen seines auf Litfassäulen verewigten Spruchs: "Die Renten sind sicher" veräppelt, ja verhöhnt - und, siehe da, jetzt stellt es sich heraus, dass er damit doch recht hatte.

Ausgerechnet die seit Monaten (und wohl noch einige weitere Jahre) grassierende Finanzkrise hat ihm zu dieser Bestätigung verholfen. Weltweit kollabieren die Banken, von Goldman Sachs an der Wallstreet bis zur Kaupthing-Bank in Island; Anleger zittern um ihre Ersparnisse und wer steht fest wie ein Fels in der Brandung? Die deutsche staatlich-gesetzliche Rentenversicherung, basierend auf dem Umlagesystem. Mir ist kein Fall bekannt, dass ein Ruheständler in dieser unruhigen Zeit um seine Monatsrente hätte bangen müssen. Im Gegenteil: im vergangenen Jahr wurden die Bezüge um (bescheidene) 1,1 Prozent erhöht und in diesem Jahr sollen es sogar 2, 75 Prozent sein. Die gesetzliche Rente ist, im Gegensatz zu den meisten anderen Formen der Altersvorsorge an die Löhne gekoppelt und so vor einer Geldentwertung geschützt. Den Kurssturz an den Börsen, die Krise der Banken, die Verkaufswelle bei den Investmentfonds - all das hat die Rentenkasse so gut wie nicht berührt.

Dagegen erlebte die private Altersversorgung ihr Waterloo. Viele Geldanleger haben 2008 erfahren müssen wie schnell ihre Ersparnisse bei den Banken und Kapitalmärkten dahin schmolzen oder sogar ganz verloren gingen. In den USA sind 80.000 Pensionsfonds zusammen gebrochen. Spektakulär bei Enron Company, sonst meistens lautlos als stille Beerdigung. General Motors ist von seinem eigenen Pensionsfonds ins Schleudern gebracht worden und steht praktisch vor dem Bankrott.

Demgegenüber hat die deutsche Rentenversicherung zwei Weltkriege, Inflation und Währungsreform überlebt und sogar die Deutsche Einheit sozialpolitisch geschultert, was keiner Privatversicherung der Welt gelungen wäre. Das Umlagesystem, wonach das Geld im einen Monat hereinkommt und im nächsten Monat schon wieder ausbezahlt wird, hat sich als sehr robust erwiesen. Was die Arbeitgeber (anstelle der Beitragszahler) Monat für Monat abführen, wird umgehend an die Rentner ausbezahlt. Deshalb kostet die Verwaltung auch nur bescheidene 1.1 Prozent der Auszahlungssumme. Für Vermittler, Berater oder Verkäufer der Finanzbranche gibt es keine Möglichkeit, Geld abzuzwacken.

Anders ist das bei der privaten Riester-Rente, wo die Verwaltungskosten mehr als 10-fach höher sind als bei der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Bund steuert zwar 13 Milliarden Euro bei, aber diese kommen in erster Linie "Allianz & Co" zugute. Die Kosten der Vertragsabschlüsse fressen diesen Bundeszuschuss auf. Und die Rendite der Riesterrente liegt trotzdem noch unter 4 Prozent, also kein Grund zum Jubeln für die Anleger. Kein Wunder, dass eine Million abgeschlossener Riesterverträge bereits wieder gekündigt worden sind. Eine Festgeldanlage bei Sparkasse oder Direktbank bringt fast die gleiche Rendite, vermeidet aber die monströse und intransparente Riesterbürokratie.

Jahrzehntelang forderten (insbes. wirtschaftsliberale) Politiker das bewährte deutsche Umlagesystem auf Kapitaldeckung umzustellen. Das grenzt an Wahnsinn, wenn man bedenkt, welches Finanzchaos unsere Bankmanager inzwischen angerichtet haben - bei gleichzeitiger massloser Selbstbereicherung. Nein, die allgemeine Altersvorsorge sollte nicht dem Auf und Ab der Zinsen und der Aktienpreise unterworfen werden. Im übrigen bleibt es jedem unbenommen, persönlich und auf eigenes Risiko auf dem Kapitalmarkt zusätzliches Geld anzulegen - falls er sich das zutraut und er dazu in der Lage ist.

Aber nun genug des Lobes für die gesetzliche Rentenversicherung. Sicherlich, sie bewahrt uns vor dem finanziellen Totalverlust, aber sie löst leider auch nicht das Problem des Nettorentenniveaus, das im Idealfall deutlich über dem Sozialfallniveau liegen sollte. Der berühmte "Eckrentner" müsste dafür dauerhaft beschäftigt und 45 Jahre lang Sozialversicherungsbeiträge entrichtet haben. Wieviele werden das in Zukunft noch schaffen? Deshalb ist Blüms berühmter Ausspruch mit einem Appendix zu versehen:

"Die Rente ist sicher - aber, leider, zu niedrig."

2 Kommentare:

  1. In den letzten 10 Jahren hat der deutsche gesetzliche Rentner um 8% seiner Rente real eingebüsst, in dem selben Zeitraum hat der französische Rentner real um 10% mehr in der Tasche, der griechische etwa 30% mehr. Dieser grosse Unterschied hängt wohl von den unterschiedlichen Inflationsraten in der EU, trotz Euro. Das ganze wäre gar nicht so schlimm, wenn wir diesen Reichtumszuwachs der Griechen und den Franzosen nicht selbst finanzieren müssten.

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  2. Die gesetzliche Rente reicht einfach nicht mehr aus. Ohne eine entsprechende zusätzliche Absicherung geraten immer mehr Menschen in die Altersarmut. Das sollte jeder versuchen zu verhindern.

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