Sonntag, 14. Juni 2009

Vor 2000 Jahren

Sonderbar ist bereits der Name der Schlacht, die vor exakt 2000 Jahren stattgefunden hat: die Varusschlacht. Sie ist benannt nach dem römischen Feldherrn Quintilius Varus und nicht nach dem Ort des Geschehens, wie das sonst üblich ist (z.B. Waterloo, Verdun, Cannae etc.) Zudem war Varus nicht der Sieger, sondern der schmähliche Verlierer. Der Name des Siegers - Arminius - blieb eineinhalb Jahrtausende verschollen.

Auch der Ort des grausigen Geschehens ist noch nicht eindeutig lokalisiert. In den Geschichtsbüchern ist sie als die "Schlacht im Teutoburger Wald" vermerkt, aber dieser Gebirgszug ist sehr langgestreckt und in seinem Umfeld streiten sich über 700 Gemeinden um die "Ehre", das historische Schlachtfeld gewesen zu sein. Derzeitiger Favorit bei den meisten Archäologen sind die Kalkrieser Berge, nördlich von Osnabrück.

Es war die heftigste Niederlage, welche die Römer zur Zeit ihrer grössten Machtentfaltung hinzunehmen hatten. Augustus war Kaiser in Rom und (als Octavian) unmittelbarer Nachfolger des legendären Julius Caesar, welcher ganz Gallien, das heutige Frankreich, erobert hatte. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtete in seinen "Annalen" zwar über diese Schlacht sowie über Leben und Tod des Germanenfürsten Arminius, aber die Aufzeichnungen wurden erst im 16. Jahrhundert, zur Zeit der Renaissance, in einigen Klosterbibliotheken entdeckt - u.a. von dem Humanisten Ulrich von Hutten. Seiner Meinung nach hatte "Hermann der Cherusker", wie Armin seither genannt wird, die Romanisierung Germaniens verhindert. Aus Arminius resp. Hermann wurde dadurch ein deutscher Nationalheld.

Der Anlass für die Schlacht im Teutoburger Wald war vergleichsweise trivial. Einige Germanenstämme in der norddeutschen Tiefebene - die Marser Brukterer und Cherusker - leisteten sich (aus römischer Sicht) nicht hinnehmbare Übergriffe und Quintilius Varus, der römische Feldherr mit seinen Legionen am Rhein beschloss, diesen Barbaren eine Lektion zu erteilen. Mit drei Legionen, samt Tross und Reiter um die 30.000 Mann, begann er im Sommer des Jahres 9 n.Chr. westwärts zu ziehen. "Klugerweise" befand sich in seinem Heer auch eine Truppe des Arminius. Dieser war zwar Cherusker von Geburt, aber weil ihn sein Vater in früher Jugend zur Ausbildung nach Rom geschickt hatte, war er mittlerweile römischer Bürger und Ritter geworden. Er sollte, da er die Geografie seiner Heimat immer noch bestens kannte, Varus den Weg, vorbei an den Sümpfen und Mooren, zeigen.

Das war ein schlimmer Fehler von Varus, denn Arminius hatte sich bereits seit einiger Zeit innerlich vom Römertum abgewendet und schmiedete insgeheim mit den genannten drei Clans Aufstandspläne. Wie es Arminius gelang mit den weit auseinander siedelnden und zumeist verfeindeten Stämmen zu kommunizieren sowie sie auf seine Seite zu ziehen ist ein Rätsel, spricht aber für seine Führungsqualitäten.

Alles weitere wissen wir von Tacitus. Der listenreiche Arminius führte die römischen Legionen durch eine bergreiche Landschaft mit engen Wegen, in denen sich die übliche strenge Marschordnung der Kohorten mangels Platz auflösen musste. An einer besonders unübersichtlichen Stelle schlugen die germanischer Kämpfer plötzlich zu und versetzten den total überraschten Römern die ersten Blessuren. Es entwickelte sich über drei Tage hinweg ein Katz- und Maus- Spiel, währenddessen es den Legionären nie gelang, ihre gefürchtete Kampfformation aufzubauen. Hinzu kam noch ein Dauerregen, bei dem die schwerbewaffneten Legionäre im Morast einsanken und zur leichten Zielscheibe der flexibel operierenden Germanen wurden.

Das Ende ist bekannt. Das gesamte Römerheer wurde aufgerieben und - wie damals üblich - abgeschlachtet. Varus und seine Unterhäuptlinge stürzten sich in die eigenen Schwerter, um den massakrierenden Barbaren nicht in die Hände zu fallen. Der abgeschlagene Kopf von Varus wurde sogar nach Rom geschickt, was Augustus zu dem legendären Ausruf veranlasste: "Varus, oh Varus, gib mir die Legionen wieder!" (Beziehungsweise, da er ja fliessend lateinisch sprechen konnte: "Vare, Vare, legiones redde!" - Vokativ und Imperativ).

Das politische Rom war in Schockstarre. Man befürchtete alsbald den nächsten Germanenangriff auf die römischen Niederlassungen zwischen Mainz, Köln und Xanten. Einige prophezeiten sogar den Abfall Galliens. Aber dazu kam es nicht. Die siegreichen germanischen Stämme gaben sich zunächst der Plünderung des Schlachtfelds hin. Und das mit einer solchen Intensität, dass die Archäologen bislang Mühe haben grössere Artefakte zu finden, um damit das Schlachtfeld eindeutig zu identifizieren. Danach verfielen die Clans wieder in ihre gewohnten Streitereien und führten ihre Stammeskriege fort. Nicht lange, denn wenige Jahre später, um 15 n.Chr. hatten sich die Römer wieder von ihren Schrecken erholt. Die rheinischen Legionen wurden nicht nur ersetzt, sondern sogar aufgestockt und der junge Heerführer Germanicus erteilte den Germanenstämmen eine Lehre, indem er sie vernichtend schlug. Die Schmach vom Teutoburger Wald war ausgelöscht und blieb für das römische Weltreich ohne Konsequenzen.

Was geschah mit Arminius in dieser Zeit? Nun, er wollte die Cherusker, Brukterer und Marser zusammenführen, aber die Clanfürsten liessen dies nicht zu. Man raubte ihm sogar seine geliebte Gattin Thusnelda und verschleppte sie nach Rom, wo sie mit ihrem jungen Sohn im Triumpfzug dem johlenden Plebs gezeigt wurde. (In der modernen Jugendsprache ist sie als "Tussi" weiterhin präsent.) Isoliert und angefeindet wurde Arminius im Alter von 37 Jahren von den eigenen Verwandten ermordet. Ein klägliches Ende.

Zum deutschen Nationalhelden wurde Arminius im 19. Jahrhundert zur Zeit der Romantik und der deutschen Einigung. Der Schriftsteller Heinrich von Kleist schrieb das Drama "Die Hermansschlacht" und der Komponist Georg Friedrich Händel die Oper "Arminio". Das zehnstrophige Gedicht von Josef Viktor von Scheffel "Als die Römer frech geworden, sim-serim, sim-sim, sim-sim..." ging zwar nicht in die Literaturgeschichte ein, wurde aber vertont zu einem beliebten Studentenlied.

Schliesslich entstand der Wunsch nach einem heroischen Denkmal. Mit finanzieller Unterstützung des Kaisers Wilhelm I. wurde es 1875 realisiert. Der Koloss steht auf einer Anhöhe bei Detmold und erhebt sich 54 Meter in den Himmel. Ein behelmter Krieger, 237 Zentner schwer und ein 7 Meter langes Schwert reckend, richtet seine strengen Blicke - nein, nicht nach dem Süden, wo die bösen Römer zuhause waren - sondern nach Südwesten, ins französische Paris, das man kurz zuvor in einem Blitzkrieg bezwungen hatte. Die Franzosen waren irritiert, aber konterten subtil und clever. Elf Jahre später fertigten sie eine ähnlich schauderhafte Kolossalstatue an - allerdings mit dem Unterschied, dass darauf eine Frau eine Fackel trug - und schenkten sie den Amerikanern. Dort, im quierligen New York, wird die Freiheitsstatue heute noch von den Einwohnern und Touristen bewundert und bestiegen.

Dagegen liegt das Hermannsdenkmal etwas abseits und hat mit der Zeit ein etwas altdeutsch-muffiges Image angenommen. Sei´s drum, den Radfahrvereinen von Bramsche, Lemgo und Paderborn ist das Monument immer noch eine Tagestour wert.

Dort angekommen kaufen sie gerne zur Stärkung die regionale luftgetrocknete Mettwurst, welche als "Harter Hermann" angeboten wird.

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