Sonntag, 16. März 2014

ITER, ITER, Super-ITER (1)

Man nennt ihn die komplizierteste Maschine der Welt: den ITER im französischen Cadarache. Auf ihn richten die Blicke all derer, die weltweit in das Super-Projekt Kernfusion involviert sind. Um eine Plattform von 60 Fussballfelder zu schaffen, mussten 2,5 Millionen Kubikmeter Erde bewegt werden, was ziemlich genau dem Volumen der Cheopspyramide entspricht. Der sogenannte Tokomak, das Herzstück des ITER wird aus einer Million Einzelteilen bestehen und 23.000 Tonnen wiegen, womit er  das Gewicht des Eiffelturms ums Doppelte übertreffen wird. Zur seismischen Isolierung gegen Erdbeben sind 360.000 Tonnen Beton einzubringen, was dem Gewicht des Empire State Building in New York entspricht.  Jede der 18 D-förmigen Toroidalfeldspulen besitzt ein Gewicht von 360 Tonnen und wiegt damit so viel wie eine vollbesetzte Boeing 747. Die Spulen sind 14 Meter hoch und 9 Meter breit. Sie sind mit supraleitenden Niob-Zinn-Drähten ausgestattet, die in ihrer Länge zwei Mal um den Globus reichen würden.


Schnitt durch den Reaktor des ITER;
rechts unten eine Person

Die Grosskomponenten werden am nächstgelegenen Mittelmeerhafen Marseille angelandet und auf der sogenannten ITER-Strasse zum Standort Cadarache gebracht. Diese 104 Kilometer lange Strasse  wurde eigens für die 200 Schwerlasttransporte des ITER gebaut und besitzt Kurven und Brücken, die für solche Transporte geeignet sind. Die schwerste Komponente wird 900 Tonnen wiegen und vier Stockwerke hoch sein.

Organisation, Termine, Kosten

ITER ist ein Projekt der sechs Länder China, Indien, Japan, Korea, Russland, USA und der Europäischen Union (EU), worin auch Deutschland eingebunden ist. Diese Länder tragen mit Geld, aber vor allem mit Sachmittel zur Finanzierung des Projekts bei. Darin liegt auch eine Schwäche der Organisation, denn die Abstimmung zwischen diesen Ländern kostet viel Zeit. Generaldirektor des Ganzen ist der Japaner Osamu Motojima.

Das Projekt ITER wurde im Jahr 2006 mit grossem Aplomb gestartet und schon drei Jahre danach waren die Vertragskosten von 5 auf 16 Milliarden Euro angestiegen und der Inbetriebnahmetermin hatte sich um satte 10 Jahre nach hinten verschoben. Weitere Kostenerhöhungen und Terminverschiebungen verursachten das Erdbeben und er nachfolgende Tsunami in Fukushima, weil dabei das japanische Forschungszentrum in benachbarten Naka stark beschädigt wurde. Dort werden die wichtigen supraleitenden Magnetspulen für den ITER gefertigt.

Die Zweifel der Amerikaner

Erschüttert wurde das ITER-Projekt vor einigen Monaten - aber nicht durch Naturgewalten sondern durch einige Blatt Papier, welche das Management vergeblich unter der Decke halten wollte. Es war das "Management Assessment" der USA, ein Gutachten, das im Auftrag des Kongress erstellt wurde.
Alle zwei Jahre wird eine solche Begutachtung durchgeführt, jeweils von einem anderen Land. Die amerikanischen Experten nahmen sich kein Blatt vor dem Mund und bescheinigten dem Management im südfranzösischen Cadarache schwere Fehler, die nach Ansicht der Autoren sogar zum Scheitern des gesamten Projekts führen könnten. Die Kritik war so deutlich, dass der ITER-Aufsichtsrat im vergangenen Februar zu einer Sondersitzung einberufen wurde, um einen vertraulichen Aktionsplan zu beschliessen.

Das amerikanische Energieministerium schätzt, das die anteiligen US-ITER-Kosten von 2,9 auf 4,8 Milliarden steigen könnten. Rechnet man diese Zahl auf die Gesamtkosten des ITER um, so könnten sich diese von 16 auf 40 Milliarden Euro erhöhen. Da die Fusionsforschung zu den Verlierern des amerikanischen Energiebudgets gehört, könnte dies sogar den Abbruch des Projekts bedeuten. Die Ersteller des Assessments fordern einen neuen, realistischen Terminplan sowie die beschleunigte Suche nach einen neuen Generaldirektor! Man wirft Motojima vor, die Erstellung realistischer Termin- und Kostenpläne systematisch zu verhindern und in seinem (japan-typischen) Harmoniestreben zu weit zu gehen. Auch seien zu viele Manager und zu wenige Ingenieure am Projekt beschäftigt. Bis zum nächsten ordentlichen Treffen des Rats im Juni soll die Hauptverwaltung eine neue Organisationsstruktur erarbeiten.

Ein Grundproblem in der ITER-Struktur ist die Tatsache, das die verschiedenen Länder zumeist nur Sachmittel (z. B. Komponenten) nach Cadarache liefern, aber kaum Geld. Das führt zu allerhand Schnittstellenproblemen, wenn die Hardware nicht zusammenpasst. Insbesondere, wenn ein Land technische Änderungen will, die bei einem anderen Land zu Mehrkosten führen, ist die Fähigkeit der Zentrale zur Koordination und Entscheidung verlangt. Meist wird das Problem unter den Tisch gekehrt - oder auf die Zeit nach 2020 (offizieller Inbetriebnahmetermin) verschoben. Die Erstellung realistischer Zeitpläne wird vom oberen Management offenbar systematisch unterbunden und führt zur Demotivation der Mitarbeiter.

"Das Projekt ist in einer Malaise und könnte ausser Kontrolle geraten", heisst es in einem vom The New Yorker veröffentlichten Report. Das ist deutlich.

1 Kommentar:

  1. Mich würde schon interessieren, warum in Berlin hingenommen wird, dass die deutsche Industrie kaum bei Aufträgen berücksichtigt wird.
    Immerhin sind wir sicherlich einer der größte Einzelzahler.

    Ulrich

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