Sonntag, 16. Juli 2017

KSC, oh weh!

Bereits drei Spiele vor Saisonende war im Mai 2017 das Schicksal des Karlsruher Fußballclubs KSC besiegelt: von 31 Spielen hatte der badische Zweitligist nur vier gewonnen, dafür 17 verloren. Dabei gelangen lediglich 22 Treffer. Immer wurden die Matches mit den "Big Points" verloren, immer wenn es doppelt zählte, versagten der Mannschaft die Nerven. Die Statistik zeigt es deutlich: Karlsruhe hat von allen Zweitligavereinen die schlechteste Offensive und die schlechteste Defensive. Der letzte Platz in der Tabelle ist also "verdient".

Nach dem Abstieg in die 3. Liga muss der Busfahrer des KSC ab August neue Fahrziele in sein Navi einprogrammieren. Denn die Gegner heißen dann Aalen, Wehen, Lotte und Unterhaching - statt wie bislang Hannover, Lautern, Stuttgart und Nürnberg. Und der KSC muss sich auf eine neue Gangart einstellen; die 3. Liga ist nämlich stärker geworden, allein schon durch die Ost-Vereine. Mit Hacke-Spitze-Eins-Zwei-Drei ist da nichts zu machen. Es geht dort sehr robust zu. Man hat kaum Zeit dafür den Ball anzunehmen, schon wird man vom Gegner heftig attackiert.


Traditionsverein und Fahrstuhlmannschaft

Der KSC bezeichnet sich gerne als "Traditionsverein", Im Gegensatz zu solchen von der Wirtschaft gesponserten Vereinen wie Leverkusen oder gar Wolfsburg. Schon 1894 gründeten einige Mitglieder der Karlsruher Turngemeinde (denen der Wunsch nach einer eigenen Fußballabteilung versagt worden war) den Verein Karlsruher FC Phönix. Aus ihm ging nach einigen Fusionen, u. a. mit dem VfB Mühlburg, im Jahr 1952 der Karlsruher Sport Club KSC hervor, welcher heute ca. 7.300 Mitglieder besitzt. Die Erfolge konnten sich sehen lassen: der FC Phönix wurde 1909 Deutscher Fußballmeister und der KSC errang 1955 und 1956 zwei Mal den Deutschen Pokal - gegen Schalke 04 und den Hamburger SV! Und mit Horst Szymaniak stellte der KSC Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre erstmals einen auch heute noch bekannten Spieler für die deutsche Nationalmannschaft.

Zwischen 1975 und 1986 festigte der KSC seinen Ruf als "Fahrstuhlmannschaft". In dieser Zeitspanne spielte der KSC jeweils sechs Jahre in der 1. Bundesliga und sechs Jahre in der 2. Liga, wobei der Verein nicht weniger als neun Trainer "verschliss". Mit der Verpflichtung von Coach Winfried Schäfer begann die "Goldene Epoche" des KSC von 1986 bis 1998. Mit den jungen Spielern Oliver Kahn, Mehmet Scholl, Oliver Kreuzer, Thorsten Fink und anderen mehr kickte man durchgehend volle 11 Jahre lang in der 1. Bundesliga. Ein Höhepunkt war das UEFA-Cup-Spiel gegen den spanischen Verein FC Valencia, das (nach einem 1:3 im Hinspiel) beim Rückspiel wie im Rausch mit 7:0 gewonnen wurde. Nach dem Abgang des Erfolgstrainers Schäfer stürzte der KSC - unter Joachim Löw (!) - in die damalige drittklassige Regionalliga ab. Das viele Geld, welches der Verein durch den Verkauf der oben genannten Klassespieler an den FC Bayern München eingenommen hatte, wurde zum Ankauf inferiorer Kicker verplempert, wodurch der Verein (bis heute) in finanzielle Schräglage geriet.

Zwischen der Saison 1999/00 und 2016/17 spielte der KSC zwei Jahre in der 1.Bundesliga, 14 Jahre in der 2. Liga und zwei Jahre in der 3. Liga. Dabei beschäftigte er 14 verschiedene Trainer. 


Spieler und Trainer

Zur wichtigsten Personalkategorie eines Fußballvereins gehören die Spieler und die Trainer. Bei deren Auswahl hatte der KSC in der vergangenen Saison - womit wir uns jetzt beschäftigen wollen - keine glücklich Hand. Es fing schon damit an, dass der Club einen Spielerkader im Umfang von 35(!) Kickern aufbot, was für einen Zweitligaverein sehr üppig ist, insbesondere angesichts seiner ständigen Finanznöte. Darunter befanden sich leider auch keine Führungsspieler vom Kaliber eines Hakan Calanoglu, des türkischstämmigen Freistoßspezialisten, welcher früher den KSC stark machte und der jetzt beim AC Mailand spielt.

Stattdessen war die KSC-Truppe in der Saison 2016/17 ein buntes Völkchen mit schwer zu merkenden Namen, wie: Dimitris Diamantakos, Jordi Figueras, Ylli Salahi, Boubacar Barry, Valentino Vujinovic, Malik Kaarameht, Florent Muslija, Nataniel Amamoo, Hiriki Yamada und anderen mehr. Etwa 85 Prozent dieser Spieler werden den KSC in die Drittklassigkeit nicht begleiten. Auf die denkbar krasseste Weise schied der häufig verletzte Spanier Manuel Torres aus. Er befand schlicht: "Ich habe die 3. Liga nicht verdient" und absentierte sich ohne Ablöse. Ein gewisses Mitgefühl kann man mit dem ex-Paderborner Moritz Stoppelkamp empfinden, der etwas Einmaliges im deutschen Profifußball zustande brachte: für ihn endete die dritte Spielzeit (in Folge!) mit dem Abstieg!

Auch bei den Trainern mangelte es beim KSC in der abgelaufenen Saison nicht. Es waren vier an der Zahl, die gleichwohl allesamt den Abstieg  nicht verhindern konnten. Markus Kauczinski, mit dem der Verein in der Saison 2014/15 den dritten Tabellenplatz erreicht hatte und im Relegationsspiel gegen den HSV nur ganz unglücklich verlor, machte den Anfang. Seine Ankündigung, den auslaufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen, verbreitete große Unsicherheit im Club. An seine Stelle rückte der Magath-Schüler Tomas Oral. Der Präsident charakterisierte ihn später in einem Interview als "verbissen, total ehrgeizig und extrem"; die Berufung schob er dem Sportdirektor Jens Todt in die Schuhe, der bald darauf zum HSV wechseln musste.

Von dort kam Oliver Kreuzer als Nachfolger zurück, der Mirko Slomka als Trainer Nr. 3 holte. Von Mirko, oftmals geheuert und genau so oft gefeuert, erzählt man sich folgende Story: Als er in Karlsruhe ankam und den Vereinsbossen vorgestellt wurde, reichte ihm einer der anwesenden Manager aus Höflichkeit seine Visitenkarte. Der Trainer nahm sie nur widerwillig an und sagte platt: "Glauben Sie, dass ich Sie anrufen werde"? Später stellte sich schnell heraus, dass Slomka offensichtlich die Charaktereigenschaft hatte mit niemanden zu reden - außer gelegentlich mit dem Präsidenten. Er blieb in Karlsruhe während seine ganzen Amtszeit ein Fremdling. Als er aus zehn Spielen nur 8 Punkte holte (anstatt der erstrebten 30) wurde er schnell wegen Erfolgslosigkeit in die Wüste geschickt. Seine Stelle nimmt nun  Marc-Patrick Meister ein, früher Coach der U-19 bei Borussia Dortmund. Mit ihm wagt der KSC  das Abenteuer der 3. Liga.



Präsidenten und Stadien

An Präsidenten herrschte beim KSC nie Mangel. Nach dem Abgang des legendären Roland Schmieder im Jahr 2000 haben sich folgende Herren in dieser Position versucht: Detlef Dietrich, Gerhard Seiler, Hubert H. Raase, und Paul Metzger. Im September 2010 erklomm Ingo Wellenreuther diese Stufe. Er ist zwar Jurist, betätigt sich aber zumeist in der Politik. Seit 2002 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages, wo er - kein Freund der Bundeskanzlerin (!) - eher den Hinterbänklern zuzurechnen ist. Dazwischen versuchte er mehrmals sein Glück bei diversen Oberbürgermeisterwahlen, wo er aber jeweils (2007 in Mannheim und 2012 in Karlsruhe) mit deutlichem Abstand verlor.

Noch wichtiger als der Präsident ist beim KSC der Vizepräsident Günter Pilarsky, denn dieser bringt das Geld. Pilarsky ist (Edelstahl-) Schrotthändler und seine Geschäfte laufen offensichtlich bestens, denn er figuriert unter den hundert reichsten Deutschen. Der Milliardär schießt (ähnlich wie der Reeder Kühne beim HSV) immer wieder die fehlenden Millionen Euro zu, um vom Deutschen Fußball Bund (DFB) die notwendige Spiellizenz zu ergattern. Er und Wellenreuther sind offensichtlich nur als "Doppelpack" zu haben, was eine Erklärung für Ingos schon relativ lang andauernde Präsidentschaft sein könnte.




Das derzeitige Stadion des KSC;
immer noch proper



Als langjähriges Mitglied des Karlsruher Gemeinderats gelang es Wellenreuther, dieses Gremium von der Notwendigkeit eines neuen Fußballstadions zu überzeugen - obwohl die derzeitige Arena, ausgelegt für 30.000 Besucher, immer noch relativ brauchbar erscheint. Der Zeitpunkt war gut gewählt, denn der OB Mentrup und seine Crew waren damit beschäftigt für eine (der weltweit kürzesten) U-Bahnen mehr als eine Milliarde Euro auszugeben. So gesehen, spielten die 120 Millionen Kosten für eine brandneues Stadion keine große Rolle mehr. Auch die Tatsache, dass vergleichbare Erstligavereine für ihre Stadien weitaus weniger bezahlen, wurden nur in den Leserbriefen der regionalen Zeitung zur Kenntnis genommen. So zum Beispiel Ingolstadt (20 Millionen Euro), Mainz (55 Mio) und Hoffenheim/Sinsheim (60 Mio). Die Verträge für das KSC-Stadion sehen eine Rückzahlung der Investition in 33 Jahren (if ever) vor - sofern der Verein hinreichend lange in der 1. Bundesliga spielt.

In wenigen Wochen beginnt der KSC seine Saison in der 3. Liga. Für den Spielbetrieb konnte nur ein Etat von 5 Millionen Euro aufgebracht werden. Zum Vergleich: der Erstligist Werden Bremen kann über ein Budget von 40 Millionen verfügen und der absolute Krösus FC Bayern München über 250 Millionen Euro.

Pro Jahr!





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