Montag, 22. April 2019

Deutschlands Spitzenmanager - oh Jammer!


Mit der deutschen Wirtschaft geht es derzeit steil bergab. Vor einem Jahr lag unser Wirtschaftswachstum noch bei 2,5 Prozent, nun ist es auf 0,5 Prozent abgesackt - mit Tendenz nach unten, vielleicht sogar in die Rezession. Demgegenüber liegt der gleiche Koeffizient in den USA bei nahezu 3 Prozent. Einer der Gründe dafür ist, dass in Amerika in den letzten zehn Jahren eine neue technologiegetriebene Industriebranche entstanden ist, die Arbeitsplätze, Umsatz und Gewinne in reichem Maße generiert. Dafür stehen die Namen Apple, Amazon, Google, Facebook, Microsoft, Tesla, Uber, Airbnb,  Netflix und viele weitere. Allein die Unternehmen Apple und Amazon produzieren jährlich einen Umsatz von je ca. 250 Milliarden Dollar, bei mindestens 10 Prozent Gewinn, der dank weltweiter Steueroasen weitgehend in die USA zurückfließt.

Demgegenüber hat Deutschland auf diesem modernem Technologiebereich wenig vorzuweisen. Die Zeiten von Zuse, Nixdorf und Steinbuch sind lange her. Diese Vorkämpfer der Informationstechnologie haben kaum Nachfolger gefunden. Stattdessen verharrt Deutschland noch weitgehend in der Tonnentechnologie (Chemie!), im Sparkassendenken (Banken) und im klassischen Maschinenbau (Autos). Leider kommen unsere Spitzenmanager auch damit oft nicht zurecht, wie im folgenden Blog beschrieben wird.


Am Beispiel Bayer AG


Werner Baumann, (56), gebürtiger Krefelder und studierter Betriebswirt, wurde am 1. Mai 2016 Vorstandsvorsitzender der deutschen Vorzeigefirma Bayer AG. Sein Ziehvater, der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning, beförderte diese Karriere, weil Baumann als Finanzchef des Bayer-Konzerns zu erkennen gab, dass er den Kauf des US-Unternehmens und Herbizidherstellers Monsanto auf die Hörner nehmen würde. (Dafür musste Baumanns Vorgänger, der Holländer Marijn Deckers (61) zwei Jahre früher in Rente gehen.). Baumann lieferte prompt im Sinn seines Chefs indem er die Monsanto-Akquisition am 7, Juni 2016 zum Preis von 56 Milliarden Euro vollzog. Nur fünf Wochen später verurteilten zwei US-Gerichte in Kalifornien die Firma Bayer und ihre neue Tochter Monsanto zur Zahlung von 289 Millionen Dollar. Zwei Kläger, die an Krebs erkrankt waren - angeblich weil sie jahrelang das Unkrautvernichtungsmittel "Glyphosat" (in den USA vertrieben unter dem Namen "Roundup") nutzten - erstritten diese gigantische Summe. Mehr als weitere 11.000 ähnliche Fälle, oft angetrieben von klagegierigen Anwaltskanzleien, liegen derzeit noch bei US-Gerichten. Im Gefolge dieser Gerichtsprozesse fiel der Börsenkurs der Bayer-Aktie von 99 Euro (am 7. Juni 2016) auf 61 Euro (21. März 2919), also um fast 40 Prozent.

Hat sich Bayer mit Monsanto den Tod ins Haus geholt? Vernichtet das Glyphosat am Ende die eigentlich kerngesunde Bayer AG? Mit jedem weiteren finanziellen Rückschlag wächst die Gefahr, dass agile Aktienfonds Unternehmensteile von Bayer aufkaufen und damit den Traditionskonzern zerschlagen, um seine Einzelteile mit Gewinn zu verkaufen. Bei der turnusmäßigen Aktionärsversammlung am 26. April 2019 ist viel Turbulenz zu erwarten. Sogenannte kritische Aktionäre werfen Baumann vor, dass er die Risiken des Monsanto-Deals nicht richtig eingeschätzt habe und auch zu geringe Prozessrückstellungen getroffen habe. Deshalb müssten in einer plötzlichen "Sparaktion" in Deutschland 4.500 Personalstellen gestrichen werden, global sogar 12.000. Auch habe Baumann die negativen Gutachten der Weltgesundheitsorganisation weitgehend ignoriert. Und - ganz wichtig - habe er übersehen, dass die "Gesellschaft" in der großen Mehrheit dem Herbizit Glyphosat/Roundup sehr negativ gegenüberstehe. Man denke nur an das kürzliche Volksbegehren in Bayern, wo 1,7 Millionen Menschen den Aufruf "Rettet die Bienen" unterschrieben hätten.


Am Beispiel Deutsche Bank AG

Josef Ackermann, Vorstandschef der Deutschen Bank (DB) von 2002 bis 2012 war ein Charmeur und Blender gleichermaßen. Unter dem Victory-Zeichen verkündete er ein Renditeziel von 25 Prozent, fuhr aber meist nur Milliardenverluste ein. Die Investmentabteilung residierte nicht in Frankfurt, sondern in der weitaus kostspieligeren  Londoner City, wo die Manager gerne Hotels für mehrere Tausend Euro pro Nacht buchten. Eine einzige Abteilung verprasste dort in einem Jahr 22 Millionen Euro an Spesen! Ein angestellter Banker (Christian Bittar) manipulierte sogar den Referenzzinssatz "Libor". Zusammen mit windigen Hypothekengeschäften in den USA verschob die Deutsche Bank illegalerweise hohe Summen in allerlei Steueroasen. Die amerikanischen Aufsichtsbehörden sanktionierten diese "Geschäfte" mit milliardenhohen Strafzahlungen. Ackermanns Vorgänger, Rolf Breuer, äußerte sich sogar öffentlich kritisch zur Kreditwürdigkeit des Bankkunden und Medienzar Leo Kirch. Der Unternehmer klagte und die Deutsche Bank musste 975 Millionen Strafe zahlen für eine Untat, die keinem Banklehrling hätte unterlaufen dürfen.

Am 8. April 2018 wurde der in Bünde (NRW) geborene Christian Sewing für ein Jahresgehalt von 7 Millionen Euro zum Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank ernannt. Sewing absolvierte nach dem Abitur 1989 eine duale Berufsausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank, die er 1991 mit einem Abschluss bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) beendete. Auch er konnte den Niedergang der einstigen deutschen Vorzeigebank nicht aufhalten. Unter ihm und seinen Vorgängern fiel der Aktienkurs der DB von 100 auf (derzeit) 7,5 Euro. Der Börsenwert reduzierte sich analog. Aus einem globalen Player ist die Deutsche Bank zu einem  Regionalinstitut geworden, das zu den Kleineren in Europa zählt und mit dem Aufkauf rechnen müsste, wenn sie nicht zur Abschreckung noch einige kostenträchtige Leichen im Keller hätte. Diese triste Lage bringt einige deutsche Politiker auf die Idee, die Deutsche Bank mit der ähnlich finanzschwachen Commerzbank zu fusionieren. Ein Lahmer soll also einen Blinden stützen. Allerdings: selten war das Verhältnis der Börsenwerte so günstig für einen Zusammenschluss. Die DB bringt 15 Milliarden Euro auf die Waage, die Commerzbank 9 Milliarden. Momentan wird - unter strenger Geheimhaltung - über eine Fusion verhandelt. Alles ist noch im Fluss, allerdings würde es wohl zur Entlassung mehrerer zehntausend Beschäftigter kommen. Wait and see!


Am Beispiel VW AG

Martin Winterkorn, promovierter Metallphysiker, Ehrenprofessor und vielfacher Ehrendoktor war vom Januar 2007 bis zum September 2015 Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG - wusste aber von nix. Vor allem war ihm die in seine Amtszeit fallende Dieselaffäre völlig unbekannt geblieben. Kein Wunder, beschäftigte er sich doch vorwiegend mit der Überprüfung der Spaltmaße an seinen VW-Modellen. Das Sollmaß von 3,5 Millimeter zwischen Karosserie und Autotür war gewissermaßen ein Gesetz, dessen Einhaltung er eisern verfolgte. Was tief unten, in der Motorenentwicklung geschah, interessierte ihn wenig bis gar nicht. Insbesondere, dass dort irgendwelche verantwortungslose Gesellen eine Schummel-Software entwickelten und einbauten, welche die Abgaswerte auf den TÜV-Prüfständen verminderten, kam ihm nie zu Ohren. Trotzdem trat Winterkorn, Ehrenmann der er war, am 23. September - als die cleveren Amerikaner diesen Abgasschwindel längst entdeckt hatten -  "freiwillig" als CEO der Volkswagen  AG zurück und schaut seitdem in seiner Villa in München-Bogenhausen den Bäumen beim Wachsen zu. Als Topmanager, der früher in einer Woche drei Kontinente abflog, fürchtet er nun bei Auslandsreisen
den längst ergangenen US-Haftbefehl. Nicht einmal nach Österreich getraut er sich zu fahren, denn man weiß ja nie was diese Austro-Schlawiner... Freilich die dreißig Millionen Euro Abfindung bei seinem Ausscheiden nahm er noch mit.



Martin Winterkorn: bald im Knast?

In Wolfsburg ging das Leben weiter, wenn auch in anderer Weise und mit anderem Personal. Winterkorns Nachfolger wurde der Maschinenbauer Dr. Herbert Diess, der bis dato den Einkauf bei BMW verwaltete. Diess merkte bald, dass er gegen die rigiden Schadensersatzforderungen der amerikanischen Justiz- und Umweltbehörden nicht ankam und erklärte sich zwischen 2015 und 2017 bereit, die gigantische Summe von 28 Milliarden Euro (nicht: Millionen!) als Schadensersatz an die dortigen Dieselbesitzer und Behörden zu zahlen. Aber das war noch nicht alles. VW musste auch einen "Aufpasser" akzeptieren, der als sogenannter Monitor ein Ethik- und Compliance-Programm
beim Konzern einrichtet, das in Zukunft Betrug und Verstöße gegen die Umweltgesetze verhindern soll. Chef ist der ranghohe ehemalige US-Vizejustizminister Larry Thompson, der für (mindestens) drei Jahre bei VW ein- und ausgehen darf und das Recht hat alle Unterlagen einzusehen. In einem Autoreich mit 600.000 Beschäftigten und zwölf Marken, die in 153 Ländern verkauft werden!

Inzwischen wachten auch die deutschen Justizbehörden auf, denen lange Zeit Saumseligkeit vorgeworfen worden war. Nach mehr als dreijährigen Ermittlungen im Dieselskandal muss sich Martin Winterkorn demnächst vor Gericht verantworten. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft legte dem Landgericht Braunschweig neben einer fast 700-seitigen Klageschrift rund 300 Aktenordner mit weiteren 75.000 Seiten vor, die jetzt durch die 6. Wirtschaftskammer zu prüfen sind. Mit einem Prozess ist frühestens im Jahr 2020 zu rechnen. Für Winterkorn kann dieses Verfahren hochgefährlich werden. Denn in Unterlagen aus dem Jahr 2014 - als er noch im Amt war - geht eindeutig hervor, dass ihn seine Mitarbeiter auf den Abgasschwindel aufmerksam gemacht haben. Sollte das Gericht diesen Nachweis anerkennen, dann drohen dem ehemaligen Topmanager (maximal) 11 Millionen Euro Geldstrafe und 10 Jahre Haft. Was das Unternehmen VW betrifft, so ist eine Äußerung des Aufpassers Larry Thompson interessant. In einen Spiegel-Interview sagte er ungeschminkt:
Einen weiteren Dieselskandal wird Volkswagen nicht überleben".


Nachschlag

In den letzten Wochen kommen besorgniserregende Meldungen aus Stuttgart. Der Premiumhersteller Daimler AG steht im Verdacht, bei seinem Geländewagen GLK 220 eine verbotene Abschalteinrichtung eingebaut zu haben, die für saubere Werte auf dem Prüfstand, aber dreckige Luft in der Stadt sorgt. Daimler hat auf diesem Gebiet immer eine "weiße Weste" reklamiert, aber wer von den Außenstehenden will das heute noch beschwören? Schönreden gehört in der Automobilbranche seit langem zum Geschäftsmodell. Angaben zum Spritverbrauch, beispielsweise, glaubt schon lange niemand mehr.


Auch bei Bosch, weltweit der größte Zulieferer für Autoelektronik, rumort es. Volkmar Denner, der Geschäftsführer der Bosch GmbH, vermeidet es seit Jahren in die USA zu fahren, obwohl dort, im Silicon Valley, eine seiner größten Fabriken platziert ist. Hat er Angst, mit dem Dieselskandal in Verbindung gebracht und dort eingelocht zu werden?---Nach Medienberichten (ZEIT 15/2019) hat einer der Boschingenieure im Abgasbereich, namens Karsten von Bruch, bereits 2015 hausintern vor dem Schwindel in der Dieselabgasreinigung gewarnt. Und damit gegen ein ehernes Gesetz bei Bosch verstoßen, das da heißt:
"Halt dei Gosch, i schaff bei Bosch"
Der Mitarbeiter wurde für sein Verhalten sanktioniert und erhielt die Kündigung seiner Firma.
Heute arbeitet er als Rettungssanitäter beim Malteser Hilfsdienst. Womit sich die Gültigkeit des zweiten Bosch-Gesetzes erwies, das lautet:
"Hädsch dei Gosch ghalda,
hädd di dr Bosch bhalda"

2 Kommentare:

  1. Leider alles wahr und ohne Übertreibung .
    Ich glaube trotzdem , daß unsere Industrie noch gute Chancen in der Zukunft hat. Zweckoptimismus ?

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  2. Wenn man die Gründungsjahre der Unternehmen im amerikanischen Nasdaq 100 - Index mit jenen der Unternehmen im deutschen DAX - Index, aber auch den Unternehmen in anderen europäischen Leitindizes wie EUROSTOXX 50, SMI, ATX, CAC 40, IBEX, FTSE MIB, AEX, OMX 20, OMX 30 und FTSE 100 sowie mit den Unternehmen im japanischen Nikkei 225 - Index vergleicht, wundert das alles nicht.

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