Donnerstag, 13. März 2008

Baumfällen - Eine Erregung in 4 Akten

Baumfällen wird seit Menschengedenken betrieben. Thomas Bernhardt, der exzentrische österreichische Schriftsteller schrieb darüber sogar einen 300-Seiten-Roman, für den er wohl den Nobelpreis bekommen hätte (anstelle der Elfriede Jelinek), wäre er nicht zu früh gestorben. Der Titel seines Werks heisst "Holzfällen" und Bernhardt nannte es nicht einen Roman sondern eine "Erregung". Erregend sind auch meine eigenen Erfahrungen beim geplanten Fällen eines eigenen Baums in meinem eigenen Garten in der Karlsruher Waldstadt. Das Ganze vollzog sich in 4 Akten, welche ich einfassen will durch eine Vorbemerkung und eine Nachbemerkung.

Vorbemerkung
Winterzeit ist Baumfällzeit. Und da geht die Karlsruher Stadtverwaltung mit gutem Beispiel voran. An der Alb, in Beiertheim, gegenüber der Zivildienstschule, ja sogar im Schulhof des Lessing-Gymnasiums wurden in ihrem Auftrag ein halbes Hundert alter Bäume gefällt. Gegen den erbitterten Widerstand der Anrainer. Das städtische Gartenbauamt beteuerte pflichtgemäss, dass es stattdessen 65 junge Bäume pflanzen werde: Stieleichen, Winterlinden, Hainbuchen - lauter schöne deutsche Bäume. Nach dem Motto: grosse weg, kleine hin! Bei der Neuen Messe in Rheinstetten hat man schon mal probiert. 250 Hainbuchen wurden um den dortigen Parkplatz gepflanzt. Nicht mit grossem Erfolg, denn viele der Bäumchen sind nicht angewachsen und werden wieder ausgerissen.

1. Akt
Also, warum sollte der steuerzahlende, bislang unbescholtene Karlsruher Bürger Willy M. in seinem Garten nicht auch eine einzelne Schwarzkiefer fällen dürfen? Da in Deutschland jedoch alles verboten ist, was nicht dediziert erlaubt ist, fragte ich sicherheitshalber beim städtischen Gartenbauamt telefonisch an. Dort wackelte man bedenklich mit dem Kopf - ich habe das deutlich durch den Telefonhörer gemerkt - und versprach den Baumexperten zur Ortsbesichtigung zu schicken. Er kam an einem Freitag mittag, stellte sich als Baumschutzsachbearbeiter B. vor und wackelte ebenfalls bedenklich mit dem Kopf als er die Baumrinde meiner Kiefer beklopfte und auf ihren Wurzeln herum trat. Das Ergebnis der Inspektion wollte er mir schriftlich mitteilen.
Seine Stellungnahme war negativ und mündete in den Kernsatz: "...dass wir Ihnen nach eingehender Prüfung der Sach-und Rechtslage aufgrund des §1 Abs.1 sowie der §§2,3 und 6 der Karlsruher Baumschutzverordnung vom 8. 10. 1996 Ihren Antrag auf Fällerlaubnis für den o.g. Baum ablehnen müssen." Freundlicherweise legte er noch kostenfrei einen Auszug aus der "Enzyklopädie der Holzgewächse" bei, worin zu lesen war, dass die Schwarzkiefer (genauer: pinus negra) sich dadurch auszeichnet, dass die Seitenwurzel 1. Ordnung sich horizontal ausbreiten, die Lateralwurzeln 2. Ordnung jedoch vertikal, was dem Baum eine hohe Standfestigkeit verleihe. Peng!

2. Akt
Doch so leicht wollte ich mich nicht geschlagen geben. Ich schrieb nun meinerseits einen Brief an den zuständigen Karlsruher Bürgermeister Dr. Ulrich Eidenmüller, dem Oberchef des Gartenbauamts, mit einer Kopie an den Oberoberchef Heinz Fenrich, seines Zeichens OB. Darin wiederholte ich meinen Antrag auf Fällgenehnigung für die Schwarzkiefer und brachte vor, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung jeder Baum umfallen könnte - ungeachtet seines Wurzelwerks. Bei meiner Kiefer ginge deswegen eine grosse Gefahr aus, weil sie sich bei den immer heftiger werdenden Stürmen (Beispiel Kyrill) stark in Richtung meines Hausdaches biege und ausserdem auf den Gehweg hin, wo jeden Tag Schulkinder passierten. Ausserdem legte ich beweiskräftige Unterlagen bei, wonach meine Gebäudeversicherung in den letzten Jahren kontinuierlich die Prämien erhöht hätte, unter Hinweis auf das gestiegene Sturmrisiko. Für den Fall einer Ablehnung meines Antrags deutete ich dezent an, OB Fenrich und BM Eidenmüller persönlich haftbar zu machen.
Das Ganze verschickte ich per Einschreiben mit Rückschein.

3. Akt
Die Antwort kam von Bürgermeister Eidenmüller persönlich, der die visuelle Überprüfung meiner Schwarzkiefer für ausreichend hielt und sich im Ergebnis hinter seinen Baumexperten stellte. Die Amtshaftpflicht der Stadt leugnete er nicht, empfahl mir aber dringend den Abschluss einer umfassenden Sturmversicherung, welche ich, indes, schon besitze. Überraschenderweise enthielt der Brief des Bürgermeisters keine direkte Ablehnung meines Fällantrags, sondern er verwies auf ein weiteres Schreiben, in welchem mir ein "rechtsmittelfähiger Bescheid" zur Eröffnung des Rechtswegs zugehen werde.

4. Akt
Dieser kam 10 Tage später und umfasste 4 Schreibmaschinenseiten. In diesem, immerhin gebührenfreien, Bescheid, wurde mein Antrag auf Fällgenehmigung nunmehr rechtswirksam abgewiesen. Zur Begründung hiess es, mein Baum habe einem Meter über der Erde einen Umfang von 100 cm, was mehr als die erlaubten 80 cm sei. Die von mir angeführte Neigung des Baumes bei starken Winden sei lediglich eine "intelligente Reaktion" der Schwarzkiefer auf diese Naturereignisse. Das unstreitbar immer bestehende "Restrisiko" müsse nach der Rechtssprechung vom Bürger hingenommen werden. Oh, wie glücklich wäre ich gewesen, hätte mir eine Behörde zu meinen Zeiten als Brüterprojektleiter so ein Schreiben zugeschickt!
In der anhängenden Rechtsmittelbelehrung wurde mir mitgeteilt, dass ich gegen diesen Bescheid Einspruch erheben könne. Nach Abwägung der Höhe meiner Rente und der Höhe der Schwarzkiefer habe ich darauf verzichtet.

Nachbemerkung:
In Eidenmüllers Schreiben steht u. a. "dass mit Blick auf den Klimawandel und die Feinstaubproblematik der Schutz von Bäumen wichtiger ist als je zuvor." Das sehen seine Bürgermeisterkollegen im Karlsruher Umland offensichtlich anders. Denn weder in Eggenstein noch in Weingarten existiert eine Baumschutzverordnung. Dort kann jeder Hausbesitzer jeden seiner Bäume jederzeit schlagen. Ich kenne jemanden aus Weingarten, der sogar einen Mammutbaum (sequoia gigantea) inmitten seines Hofgartens absäbelte, welcher den respektablen Durchmesser(!) von einem Meter besass.
Und mit etwas Chuzpe lässt die Karlsruher Stadtverwaltung sogar "Eingriffe" im Botanischen Garten zu. Die ehemalige Bürgermeisterin Heinke Salisch holte sich eine Abfuhr von den "RotenRoben" des Bundesverfassungsgerichts, als sie die (inzwischen längst erfolgte) Bebauung des denkmalgeschützten Botanischen Gartens verhindern wollte. In der BNN musste sie kleinlaut zugeben: "Ich habe in meinen Gesprächen mit den Richtern die Erfahrung gemacht, dass über ihnen nur noch der blaue Himmel ist."
Wie sagte doch Aldous Huxley sinngemäss:
"Alle Menschen sind gleich, doch einige sind gleicher."

2 Kommentare:

  1. Wie geht das angeblich mit dem rostigen Nagel?

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  2. Wirklich unfassbar, dass Sie für Ihr "Anliegen" einen Schriftsteller zitieren, der sich in die Natur in Oberösterreich zurückzog, weil er dessen Integrität schätzte, ein Ort der ihm NATURGEMÄßES Leben und Arbeiten geboten hat.
    In diesem Sinne: Die Schwarzkiefer, werter Herr Marth, existiert als BEDROHUNG nur in ihrem Kopf. Ansonsten würde ich Ihnen empfehlen, Ihnen Wohnsitz zu wechseln, z.B. Shopping Center Morumbi, Sao Paulo. Nettes Viertel der gehobenenen Media Classe, garantiert ohne teutonisch störende Baumschutzverordnung.

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