Freitag, 7. November 2008

KIT: Quo vadis, FZK?

Eigentlich sollte das sog. KIT-Gesetz, welches die Fusion von Universität und Forschungszentrum Karlsruhe (FZK) regelt, bereits zu diesem Herbst in trocknen Tüchern sein. Aber jetzt, da wir uns schon dem Winter nähern, liegt noch nicht einmal der Referentenentwurf vor, wie bei der gestrigen Akademischen Jahresfeier bekannt wurde. Woran es hakt, ist von aussen schwer abzuschätzen, aber einiges klingt doch durch. So scheint die Besetzung des Aufsichtsrats noch nicht klar zu sein. Uni-Rektor Hippler möchte am liebsten nur externe Mitglieder; die FZK´ler wollen aber auf ihr gewohntes Besetzungsrecht für Mitarbeiter nicht verzichten. Ausserdem will der Betriebsrat die Einigungsstelle nicht aufgeben, sonst hätte der zukünftige Arbeitgeber KIT das letzte Wort bei Streitigkeiten. Heiss diskutiert wird die sog. Zivilklausel, was bereits zu drei parlamentarischen Anfragen in Berlin und Stuttgart geführt hat. Hinter diesem Begriff versteckt sich die Militärforschung. An der Uni ist sie - viele wissen das gar nicht - durchaus erlaubt und wird auch (in kleinem Masstab) betrieben, am Forschungszentrum jedoch traditionell nicht.

Die derzeitige Pause in den Geschäften mit den Gesellschaftern nutzte der FZK-Vorstand, um sich Gedanken über seine künftige Organisationsstruktur zu machen. "Governance" nennt man das neuerdings. Chef Umbach stellt sich offensichtlich vor, dass unter dem 5-köpfigen Vorstand eine 2. Ebene von Direktoren mit Weisungsbefugnis eingezogen wird. Dies könnten zum Beispiel die Leiter der grossen Programme sein. Damit würden die Institutsleiter jedoch in die 3. Ebene rutschen, was diesen aber gar nicht behagt. In ihrem ureigenen Club, dem Wissenschaftlich-Technischen Rat (WTR) wird darüber heftig diskutiert. Vielleicht bereits zu spät, denn in den letzten Jahren hatte es den Anschein, als wäre der WTR etwas weggedämmert. Obschon er eine starke rechtliche Stellung als Gesellschaftsorgan hat, meldete er sich selten zu Wort und verkroch sich im KIT-Senat.

Noch grösser ist der Aufruhr an der Uni. Dort würde die 2. Ebene vermutlich von Dekanen besetzt werden, aber von diesen wollen sich die selbstbewussten Ordinariusprofessoren schon gar nichts sagen lassen. Deshalb kursiert auch bereits die Bezeichnung "Kümmerer-Ebene", was ausdrücken soll, dass diese Organisationsebene bei der Uni kein Weisungsrecht erhält. Aber kann der Rektor, mit seiner kleinen Mannschaft, die mehr als 200 Institutsleiter dirigieren?

Auch bei der Besetzung der Institutsleiterstellen knirscht es immer wieder in der FZK. Betrachten wir den Energiebereich. Dort wird jetzt bereits die dritte Hausberufung in einem wichtigen Institut vorbereitet. Nach der Fusion (Noe-ITB), der Endlagerung (Geckeis-INE) kommt es nun auch beim Reaktorinstitut INR zur Berufung eines internen Bewerbers, nachdem der an erster Stelle gelistete externe Kandidat plötzlich abgesagt hat. Angeblich waren ihm die Strukturen zu undurchsichtig. Auch das wichtige Fusionsprojekt ist schon seit Monaten führungslos und wird, so gut es eben geht, von einem pensionierten Vorstandsmitglied halbtägig geleitet.

Dabei sind gerade bei der Energieforschung die Ziele des FZK hoch gesteckt. "KIT wird Europas führendes Zentrum für Energieforschung werden", verkünden Programmleiter und Fachvorstand unisono. Dabei lehnt man sich weit aus dem Fenster. Man vergleiche demgegenüber die experimentelle Basis des französischen CEA in Cadarache und Marcoule: zwei Versuchsreaktoren Horowitz und Phenix, ITER, Wiederaufarbeitungsanlagen, Plutoniumlabore etc. etc.

Aber selbst in Deutschland schläft die Konkurrenz nicht. In Berlin soll demnächst eine private Hochschule für Energieforschung entstehen. Das "Global Energy Institute Berlin" ist für 500 Masterstudenten und 15 Professoren konzipiert und wird von Forschungsministerin Schavan und Aussenminister Steinmeyer nachdrücklich unterstützt. Im sächsischen Freiberg hat die Bundeskanzlerin Merkel kürzlich die Anlage "Choren" eingeweiht, die jährlich 15.000 Tonnen Diesel aus Holzabfällen herzustellen vermag. Man kann sie sehr wohl in Konkurrenz zum Bioliq-Verfahren des FZK sehen, aber leider ist dessen Pilotanlage terminlich stark zurückgefallen, wofür aber die Kosten gestiegen sind.

Eine weitere Personalie: hartnäckig hält sich seit Monaten das Gerücht bei FZK, wonach der für Energie zuständige Vorstand vom Gesellschafter für "höhere Aufgaben" vorgesehen sei. Immer wieder wird auf die Energiewerke Nord bei Lubmin verwiesen, welche sich vorzugsweise mit dem Rückbau nuklearer Anlagen beschäftigen und deren gegenwärtiger Leiter sich dem Ruhestand nähert.

Über die Internet-Umfrage zu KIT bei den Uni- und FZK-Mitarbeitern wurde bereits berichtet. Nur 30 % der zukünftigen Belegschaft beantworteten überhaupt die gestellten Fragen; von diesen waren nur 43 % , also eine klare Minderheit, voll mit KIT einverstanden. Viele Mitarbeiter haben in ihren Antworten persönliche Bemerkungen angefügt und dabei beträchtlich "vom Leder" gezogen. Nach der offiziellen Auswertung wurde folgendeKommentare bekannt: Man sieht die wissenschaftliche Mitbestimmung gefährdet, kritisiert den wilden Aktionismus sowie die Hau-Ruck-Aktionen und bemängelt die ausufernde Bürokratie und den entstehenden Wasserkopf. Bezogen auf den Informationsfluss wünscht man sich weniger Hochglanz und Selbstbeweihräucherung, stattdessen klare Informationen und zwar vor den Entscheidungen. Schliesslich kritisiert man den hohen Aufwand des KIT-Prozesses, ohne, dass er zu einem klaren Mehrwert führt und man hat grosse Bedenken gegen die Übernahme des FZK durch die Uni mit ihrer ganz andersartigen Kultur.

Einer hat bereits das Weite gesucht: der Uni-Kanzler Dr. Dietmar Ertmann. Er setzte sich nach Pakistan ab, um dort bei der Gründung einer Universität zu helfen.

War ihm die Gründung des KIT zu wenig anspruchsvoll?

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