Mittwoch, 24. Juni 2009

Wasser marsch !

Sofern Sie, meine lieben Leser, ultimo Juni noch - oder schon wieder - liquide sein sollten, dann empfehle ich Ihnen einen 5 Euro-Geldschein aus der Brieftasche zu ziehen und die Rückseite zu betrachten. Sie sehen darauf (vielleicht zum ersten mal) die Strichzeichnung eines Bauwerks. Es scheint eine Bogenbrücke zu sein, die einen Fluss überquert. Tatsächlich ist es der Pont du Gard, die Brücke über den kleinen Fluss Gardon bei Nîmes in Südfrankreich. Sie wurde im 1. Jahrhundert n. Chr. in nur drei Jahren von tausend Bauarbeitern errichtet, aber keineswegs um den dortigen Strassenverkehr zu bewältigen. Auf der oberen Ebene verlief keine Verkehrstrasse, sondern eine Wasserleitung in einem Schacht von 1,2 m Breite und 1,8 m Höhe. Dieser sogenannte Aquädukt versorgte die nahe Römersiedlung Nemauses - so hiess Nîmes zur damaligen Zeit - mit Trinkwasser aus den umliegenden Bergen. Wegen ihrer baulichen Ästhetik wurde der Pont du Gard 1985 in die Unesco-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.

Aquädukte waren eine Spezialität der alten Römer. Sie führten das Wasser bis zu hundert Kilometer weit; meist unterirdisch, teilweise aber auch über Brücken in die grössten Städte des römischen Reiches. Die Hauptstadt Rom wurde allein von elf Aquädukten mit Trinkwasser (und Brauchwasser) versorgt. Drei dieser altehrwürdigen Wasserleitungen sind heute noch in Betrieb. Eine speist die Fontana di Trevi, den Trevi-Brunnen, der vorallem bekannt wurde durch den Filmklassiker "La dolce vita", weil darin zu nächtlicher Stunde die üppige schwedische Filmschauspielerin Anita Ekberg mit ihrem Partner Marcello Mastroianni ein Bad nahm. Sinnigerweise heisst diese Wasserleitung "aqua virgo", weil eine Jungfrau (virgo) den Weg zu der besonders reinen Quelle gezeigt haben soll.

Der Ausgangspunkt eines Aquädukts war immer das Quellhaus (lat. caput), die Mündung ein Hochpunkt in der Stadt, zumeist ein Wasserturm mit einem Verteiler (castellum). Da das Wasser vom Anfangs- zum Endpunkt stetig fliessen musste, benötigte die Leitung - egal ob unterirdisch oder überirdisch - ein leichtes, aber stetiges Gefälle. Die von Tunneln durchschnittenen Berge oder die überbrückten Talkessel mussten über Dutzende von Kilometern hinweg ein gleichmässiges Gefälle aufweisen. Dass die römischen Ingenieure dies geschafft haben, verdient heute noch höchste Respekt. So besitzt der oben genannte Pont du Gard ein durchschnittliches Gefälle von nur 24 Zentimetern auf einem Kilometer. Bezogen auf die Gesamtlänge dieser Wasserleitung von 50 km war das Gesamtgefälle nur 12 m, entsprechend 0,2 Promille! Dabei wurde in den Kurven das Gefälle sogar noch weiter erniedrigt, damit das Wasser infolge der Fliehkraft nicht zu weit nach aussen getrieben wurde.

Das wichtigste Hilfsmittel beim Nivellieren während des Baus war der sogenannte Chorobat, eine Art riesige Wasserwaage in Form eines Tisches. Über Kimme und Korn wurde eine mehrere Meter lange Holzrinne anvisiert und danach das Gefälle mit Messlatten im Gelände festgelegt. Der selbsbewusste römische Chef-Wasserwerker Frontinus stellte deshalb sein Aquäduktsystem auch über die damals bekannten Weltwunder wie "die ganz offensichtlich nutzlosen ägyptischen Pyramiden und die griechischen Tempel."

Der Wasserverbrauch im alten Rom war gigantisch. Es mussten nicht nur die Einwohner mit Trinkwasser versorgt werden, sondern auch die mehr als 800 städtischen Thermen - ganz zu schweigen von den Villen der Reichen. So liess Hadrian seine "Villa Adriana" mit Fischteichen, Brunnen, Thermen und sogar mit einem künstlichen See ausstatten. Unter dem Kolosseum im Stadtzentrum von Rom sind die Archäologen auf grosskalibrige Röhren gestossen, weshalb vermutet wird, dass in diesem Amphitheater der Kampfplatz der Gladiatoren und Bären gelegentlich auch geflutet wurde, um "Seeschlachten" zu veranstalten. Rechnerische Abschätzungen ergaben, dass - bezogen auf den Kopf der Bevölkerung - die Römer fünfmal mehr Wasser verbraucht haben als ein derzeitiger Mitteleuropäer!

Trotzdem, oder gerade deshalb, wurde auch immer wieder Wasser gestohlen. Der vom Senat eingesetzte Wasserwart (curator aquarum) sah für Wasserraub herbe Strafen vor, aber die Einfallskraft der Diebe war beträchtlich. Insbesondere bei Aquädukten im Bereich der landwirtschaftlich genutzten Felder, kamen die Grundstücksbesitzer immer wieder in die Versuchung, die öffentlichen Leitungen anzuzapfen. Zur Kappung dieser by-Pässe wurde nach schriftlichen Aufzeichnungen eine Menge Blei verbraucht.

Womit wir bei dem Werkstoff und chemischen Element wären, worüber heute noch heftig diskutiert wird: das Blei. Die Römer verwendeten vorallem für die Rohrleitungen innerhalb des Stadtgebiets das leicht formbare und nicht rostende Metall Blei und zwar in rauen Mengen. Für eine Leitung vom Sammelbecken zum Forum Romanum, knapp zwei Kilometer lang, wurden beispielsweise mehr als 200 Tonnen Blei zu Rohren verpresst. Über die gesundheitlichen Gefahren von Trinkwasserleitungen aus Blei warnte bereits vor zweitausend Jahren der römische Architekt und Ingenieur Vitruv. Er beobachtete die hohe Mortalitätsrate der Arbeiter in den Bleiminen und erkannte die toxische Wirkung dieses Elements. Trotzdem ist seine Vermutung auch heute noch nicht gesichert, denn in vielen untersuchten Skeletten von beerdigten römischen Bürgern wurden keine Spuren von Bleivergiftungen gefunden. Vielleicht auch deshalb, weil sich die Rohre im Betrieb rasch mit Kalk überzogen, was den direkten Kontakt des Wassers mit dem Blei verhinderte.

Dies hat jedoch einen US-amerikanischen Untersuchungsausschuss für Umweltqualität nicht daran gehindert, eine gewagte Hypothese aufzustellen. Die Abgeordneten glaubten, die Unfruchtbarkeit und geistige Verwirrung mancher römischer Kaiser könnte durch Bleivergiftung hervorgerufen worden sein und zum Untergang des römischen Weltreiches geführt haben.

Ist diese Vermutung richtig, so scheinen auch heute noch
manche Politiker mit Blei in Verbindung zu stehen.

1 Kommentar:

  1. Lieber Herr Marth!

    > Tatsächlich ist es der Pont du
    > Gard, die Brücke über den
    > kleinen Fluss Gardon bei Nîmes
    > in Südfrankreich.
    Laut Internetseite der ECB (http://www.ecb.eu/ecb/educational/facts/euro/html/bc_001.de.html) stellt "keines der Motive ... ein tatsächlich existierendes Bauwerk dar".

    Mit freundlichen Grüßen,
    Heiko Theißen

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