Sonntag, 3. April 2011

Aloha Hawaii

Als ich am Samstag, dem 12. März 2011, zusammen mit Brigitte, meinen wohlverdienten Rentnerurlaub nach Hawaii antrat, war ich noch guter Dinge. Die Stimmung änderte sich schlagartig bei einem Drink auf dem Frankfurter Flughafen: auf meinem i-Pad sah ich mit Entsetzen, dass im fernen Japan offensichtlich ein Atomkraftwerk in die Luft flog. Und in den folgenden Tagen wiederholte sich das sogar noch zwei Mal. Piff-Paff-Puff.

Menschen im Hotel

Unser vorausgebuchtes Hotel "Kahala", am Strand von Waikiki, war zu schätzungsweise zu mehr als 50 Prozent von japanischen Gästen belegt. Es war Hochsaison bei den beliebten "Strandhochzeiten". Der Hotelmanager erzählte mir mit leuchtenden Augen, dass in seinem Hause jeden Tag eine solch stimmungsvolle Zeremonie ausgerichtet werde. Er hatte dafür sogar einen eigenen "Priester" angestellt sowie eine kleine Band, die dazu Hawaii-Lieder sang und spielte. Für die jungen Paare war das ein unvergesslicher Abschnitt in ihrem Leben, der zudem von Hotelfotografen professionell festgehalten wurde. Auch die Brautväter werden sich wohl noch lange an dieses Ereignis erinnern; es kostet sie um die 50 bis 100.000 Dollar.


Ein unvergesslicher Tag für Akira und Tomoko


Mit Erstaunen stellte ich fest, dass der Reaktorunfall im fernen Fukushima bei den japanischen Hotelgästen kaum ein Gesprächsthema war. Man musste sie schon direkt (auf englisch) dazu ansprechen, um von ihnen eine Reaktion zu erhalten. Und auch dann waren sie besonnen und unaufgeregt, so als ob das nur ein weiteres Unglück wäre, das Nippon-Land eben, wie so oft in seiner Geschichte, betroffen hat. Diametral entgegengestzt war die Berichterstattung der deutschen Medien, die ich auf dem i-Pad verfolgen konnte - von der direkten Wahlbeeinflussung in Baden-Württemberg ganz zu schweigen.


Fukushima: kein Ruhmesblatt der Japaner

Heute sind ziemlich genau drei Wochen seit dem Erdbeben, dem Tsunami und dem Reaktorstörfall vergangen. Im Rückblick kann man feststellen, dass beim Unfallmanagement weniges gut, das allermeiste leider schieflief. Unsere japanischen Freunde haben eine erstaunlich schwache Leistung geboten.

Ein Glücksumstand war zweifelsohne, dass die drei Reaktoren, welche in Betrieb waren, sich beim Erdbeben selbst abgeschaltet haben. Eine automatische Reaktorabschaltung bei einem Jahrtausenderdstoss der Stärke 9 ist sicherlich nicht trivial. Man mag sich gar nicht ausdenken, was passiert wäre, wenn die Kontrollstäbe sich nicht richtig von unten eingefädelt hätten.

Aber damit sind die positiven Aktionen auch fast schon aufgezählt. Was danach kam, war kaum noch professionell zu nennen. Dabei ging es im Grunde eigentlich nur noch darum, die Nachwärme bzw. Restwärme abzuführen - aber dabei hat die Betriebsmannschaft von Fukushima weitgehend versagt. Die Nachwärme ist die Wärme, also Energie, welche nach der Abschaltung des Reaktors noch erzeugt wird, weil die radioaktiven Spaltprodukte (über den Betazerfall) die Brennstäbe noch eine Zeitlang aufheizen. Vergleichbar ist sie der Wärme, welche die Heizplatten eines Küchenherds immer noch ausstrahlen, auch wenn der Ofen bereits elektrisch abgeschaltet ist.

Nach einer Faustregel besitzt ein Reaktor eine Stunde nach seiner Abschaltung noch eine Restwärme von etwa 1 Prozent seiner ursprünglichen Leistung. Nach einem Tag ist diese Restleistung auf 0,4 Prozent und nach einer Woche auf etwa 1 Promille abgesunken. Das ganze hängt natürlich davon ab, wie lange der Reaktor vorher in Betrieb war. Bilden wir ein Zahlenbeispiel: der Reaktor Nr. 1 in Fukushima hatte eine thermische Leistung von ca. 1.500 Megawatt, d. h. von 1.500.000 Kilowatt. Eine Stunde nach seiner Abschaltung waren davon noch 15.000 Kilowatt an Restleistung vorhanden; heute sind es sicherlich weniger als 1.500 Kilowatt. Das entspricht in etwa einer Leistung von 15.000 bzw. 1.500 handelsüblichen Tauchsiedern. Diese Leistung wegzukühlen war die Aufgabe, weil die Notdiesel am Kraftwerk wegen des Tsunamis ausgefallen waren.

Es ist mir schlichtweg unverständlich, warum die Betriebsmannschaft des grössten Stromversorgers in Japan nicht in der Lage war, per Handy in Tokio einige mobile Notstromaggegate anzufordern und sie per Hubschrauber blitzschnell an den Reaktorstandort bringen zu lassen. Stattdessen liess man - vor aller Welt -  die Batterien leerlaufen und verplemperte damit wertvolle Zeit. Als sich an einigen Stellen Überhitzungen andeuteten, kam man auf die glorreiche Idee mit Feuerwehrschläuchen Meerwasser ins Reaktorgebäude einzuspritzen, was (wegen der Zielgenauigkeit) wenig wirkungsvoll war, dafür aber die Reaktoren - aus Korrosionsgründen -  für immer unbrauchbar macht. Die oftmals geschmähten Russen oder Inder hätten dieser Situation nicht atavistischer begegnen können.

Inzwischen sind, wegen mangelhafter Nachkühlung, eine Reihe von Brennstäben geplatzt, was zum Austritt von radioaktivem Spaltprodukten, wie Jod, Cäsium und Strontium führt. Die inneren Reaktorräume sind dadurch wegen der Strahlung weitgehend unbetretbar. Die Zulaufbecken am Meer sind stark mit Radiojod kontaminiert, was aber zum Glück mit einer Halbwertszeit von zehn Tagen wieder abklingt. Trotzdem: für die Fischer ist diese Verseuchung auch ein wirtschaftliches Problem. Das alles hätte man sich sparen können, wenn man von anfang an die Notkühlung energischer betrieben hätte. Auch strukturelle Schäden scheinen aufgetreten zu sein, was zu Spalten in Beton- und Stahlstrukturen geführt hat und die man mit Kunstharz(!) kitten will.

Zu all diesen Fehlleistungen kommt noch der Umstand, dass die Betriebsleute das entstehende Knallgas nicht schadfrei abgeleitet haben - z. B. über den Kamin - sondern, dass sie bei drei Reaktoren Wasserstoffexplosionen im Oberteil des Containments zugelassen haben. Diese schlimmen Fernsehbilder gingen über die ganze Welt und haben, besonders in Deutschland, die Haltung der Politiker zur Kernenergie extrem negativ beeinflusst. In deutschen Reaktoren, wie Philippsburg, Biblis und Neckarwestheim, verhindert man die Knallgasbildung durch sogenannte Rekombinatoren. Diese vergleichsweise billigen Aggregate wollten sich die smarten Japaner wohl sparen.

Wie konnte es zu diesen vielen Fehlleistungen kommen? Nun unsere japanischen Freunde sind keineswegs dümmer als wir, das konnte ich aus vielen fachlichen Meetings während meiner Berufszeit erfahren. Aber die Japaner generell haben eine andere mentale Ausstattung als die Europäer und Amerikaner. Schnelle Entscheidungen, schon gar Einzelner, sind nicht ihre Sache. Sie sind auf Konsens ausgerichtet und solche Diskussionen benötigen viel Zeit, die man bei Unfällen nur selten hat. Darüberhinaus muss immer erst der "Oberste" gefragt werden, im Zweifel der Vorstandsvorsitzende bei Tepco oder gar der Ministerpräsident. Einen Helmut Schmidt, der 1960 die Hochwasserkatastrophe in Hamburg so erfolgreich managte - obwohl er rein rechtlich gar nicht dazu befugt war - einen solchen Politiker und Organisator gibt es in ganz Japan nicht.

Nun, als Folge von Fukushima haben wir jetzt in Baden-Württemberg einen grünen Ministerpräsidenten und eine rotgrüne Regierung. Sie wird sicherlich auch Einfluss nehmen auf die Forschungsprogramme bei KIT.

Vermutlich wird mancher im Programmbereich NUKLEAR des ehemaligen Kernforschungszentrums demnächst seine Präsentationsfolien überarbeiten.

1 Kommentar:

  1. Bill Gates wundert sich über die Deutschen:
    Daß die Deutschen ihre Atomkraftwerke abschalteten, halte er "wahrlich für ein Zeichen von Wohlstand", meinte der einst reichste Mann der Welt.

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