Sonntag, 18. September 2011

Ein überstürzter Ausstieg

Am Freitag, dem 11. März 2011, passierte das Unglück von Fukushima und schon vier Tage später, am Montag, dem 15. März, verkündete die Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre neue Atompolitik. "Das war´s, das kerntechnische Restrisiko ist nicht mehr tolerierbar, der schnellstmögliche Ausstieg ist notwendig", soll sie in der kleinen Runde ihrer Kanzleramtszuarbeiter ("Küchenkabinett") gesagt haben. Und sogleich verkündete sie über alle Medien die sofortige Abschaltung von acht der insgesamt 17 deutschen Kernkraftwerke (KKW) sowie die gestufte Abschaltung der verbleibenden neun KKW während der kommenden zehn Jahre. Dieses sogenannte Moratorium haben Bundestag und Bundesrat im Juni/Juli 2011 (fast) einstimmig beschlossen. Es ist somit Gesetz und wohl nicht mehr rückgängig zu machen. Mir fällt kein so abruptes politisches Umsteuern im Nachkriegsdeutschland ein, das so schnell durch die Parlamente gepaukt wurde und hinter dem gleichzeitig eine solide Mehrheit der Bundesbürger (man spricht von 60 bis 70 Prozent) gestanden hat. Bundespräsident Christian Wulff hat öffentlich gerügt, dass diese fundamentale Richtungsänderung der deutschen Politik nicht vorher auf Parteitagen ausführlich diskutiert worden ist.

Auf eine  Kommunikation - oder gar Beratung - mit den Kernforschern, den Energieversorgungsunternehmen und den Nachbarländern, wie Frankreich, hat Frau Merkel glatt verzichtet.Trotzden folgte bis heute kein weiteres Land dem rigiden deutschen Beispiel für eine Abkehr von der Kernenergie - noch nicht einmal das hart betroffene Japan selbst. Die Schweiz, welche anfänglich den deutschen Weg einschlagen wollte, hat bereits wieder zurück gerudert. Die USA, mit über hundert Atomkraftwerken (AKW), erzeugen mehr Atomstrom denn je und halten sogar Uraltkraftwerke, wie Indian Point (70 Kilometer südlich von New York) weiterhin am Netz.

Kommissionen pro und contra

Im April und Mai hat die Bundesregierung zwei Kommissionen beauftragt, die 17 deutschen Atomkraftwerke unter technischen und "ethischen" Gesichtspunkte zu bewerten. Die Reaktorsicherheitskommission (RSK) legte einen Bericht von 120 Seiten vor, den der Bundesumweltminister Norbert Röttgen in einer Pressekonferenz so zusammen fasste: "Unsere Anlagen in Deutschland weisen alle miteinander ein deutlich höheres Sicherheitsniveau und grössere Reserven gegenüber solchen Ereignissen auf, als die betroffenen Ereignisse in Japan. Es ergibt sich aus sicherheitstechnischer Sicht keine Notwendigkeit, Hals über Kopf aus der Kernenergie auszusteigen". Die Fachleute waren von diesem Statement nicht überrascht, denn erst im vergangenen Herbst hatten die deutschen KKW von der RSK das grüne Licht zur Laufzeitverlängerung erhalten. Warum also der überstürzte Ausstieg?

Die Kernforscher, z.B. im ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe (KfK),  hätten - wären sie denn gefragt worden -  noch weitere wichtige Hintergrundinformationen geben können: durch ihre Forschungen, etwa am SNR 300, waren bereits in den achziger Jahren die zwei reaktortypischen Kernprobleme Nachwärmeabfuhr und Kernschmelze identifiziert und weitgehend entschärft worden. Die Nachwärmeabfuhr, welche in Fukushima solche Probleme verursacht hat, wurde an dem genannten Kernkraftwerk so gestaltet, dass sie automatisch, d, h, ohne menschlichen Eingriff vonstatten ging. "Passive Wärmeabfuhr" nannte man dieses System. Und zur Beherrschung der Kernschmelze wurde, zusammen mit der Siemens-Tochtergesellschaft INTERATOM eine Kernauffangvorrichtung konzipiert und gebaut ("core-catcher"), welche eventuell geschmolzenes Kernmaterial zurück hält und die befürchteten Rekritikalitäten verhindert.

Ganz im Sinne der Bundesregierung entschied sie sogenannte Ethikkommission. Sie setzte sich . a. aus Bischöfen, Erzbischöfen, Soziologen, Philosophen und Plitikwissenschaftlern zusammen, geleitet von dem früheren Bundesumweltminister Klaus Töpfer - den man getrost als politischen Wendehals bezeichnen kann. Nach wenigen Treffen kam dieses Konglomerat kerntechnischer Laien zu dem Beschluss, dass die Kernenergie "unethisch" sei und dass man sie - wie regierungsseitig bereits vorgedacht - bis zum Jahr 2022 aufgeben solle. Den Tenor gab dabei der Münchener Erzbischof und Kardinal Reinhard Marx vor, der bereits vor Beginn der Beratungen ("ex-cathedra?) öffentlich erklärte, dass die Kernenergie "Teufelszeug" sei.

Vielfache Weltmeister

Man muss aber kein Kenner des Alten und Neuen Testaments sein, es genügt schon eine gute Zeitung zu lesen, um die Zuverlässigkeit der deutschen Kernkraftwerke einschätzen zu können. Hilfreich sind die darin immer wieder veröffentlichten Zahlen der jährlichen Stromproduktion und der Vergleich mit den übrigen Kernkraftwerken weltweit. Die "atw" ist eine solche informative Zeitschrift und ihrer kürzlichen Ausgabe gibt es eine Auflistung der "Top Ten" der gegenwärtig 441 betriebenen Atomkraftwerke.


Top Ten der Kernkraftwerke weltweit (deutsche KKW mit "D" gekennzeichnet)


Wer weiss schon - wer? - dass in dieser "Bundesligatabelle" die deutschen AKW zwischen 1981 und 2010 nicht weniger als volle 25 mal den ersten Rang in der Stromproduktion eingenommen haben - sozusagen "Weltmeister" waren! Unter den Top Ten der übrigen konkurrierenden AKW waren sie jeweils mindestens drei Mal, häufig aber auch sieben oder acht Mal vertreten. Zuverlässigkeit, also möglichst permanente Verfügbarkeit, ist aber auch gute Technik und wenige Ausfälle durch Störungen.

Das Kernkraftwerk "Unterweser" nimmt in dieser Auflistung im Jahr 2010 noch einen respektablen 10. Platz ein, hat also 431 global operierende KKW hinter sich gelassen. Trotzdem hat sie das scharfe Schwert von Frau Merkel getroffen: es gehört zu den acht Atomkraftwerken, welche die Bundeskanzlerin sofort stilllegen liess. Pardon wurde nicht gewährt. Als Bill Gates, der Begründer von Microsoft davon hörte, sagte er nur:

"die Deutschen müssen sehr reich sein"!


1 Kommentar:

  1. na ja, es ist und bleibt eine zähe Grundsatzdebatte über die man lange disputieren kann. Aber im ethischen Sinn hat die hanseatisch-mecklenburgische Küchen-Kanzlerin und Pfarrerstochter doch die rechte Eingebung erhalten: ethisch nämlich, ist der Betrieb eines AKW nicht zu vertreten. Ebensowenig wie der Betrieb von Autobahnen, Rüstungsindustrie, Diplomatie mit Tyrannen, zu bezahlenden Toilettenhäuschen, etc. (mit der Notdurft Reisender Mammon scheffeln - pfui) Und im Ernst? 10 Gebote reichen durchs Leben zu wandeln. Die C-Parteien sollten´s wissen. Man muß nicht Fußball- und Atomweltmeister (gewesen) sein, um glücklich aus dem Leben zu scheiden - memento mori (sterben geht auch ohne Atom - mit Atome eventuell schneller...) Also - lassmers gut sein. Das solare Zeitalter wird (wieder)entdeckt... Mit nachhaltigen Grüßen aus dem strahlenden Fichtelgebirge! Ihr Heinrich Ernst

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