Sonntag, 27. November 2011

ITU-Schlichtung: lauter Verlierer

Wir erinnern uns worum es ging: das Institut für Transurane (ITU) im ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe hatte den Bau eines Labor- und Lagerbunkers für ihre radioaktiven Materialien beim Stuttgarter Umweltministerium (UM) beantragt. Die Gemeinde Linkenheim-Hochstetten, auf deren Gemarkung dieser sogenannte "Flügel M" teilweise errichtet werden sollte, intervenierte durch entsprechende Änderung des Bebauungsplans. Über Monate hinweg tobte in den Medien ein heisser Streit, den der grüne baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller durch eine öffentliche "Mediation" schlichten , bzw. etwas abdämpfen wollte.

Zum Mediator benannte Untersteller den derzeitigen Geschäftsführer des Ökoinstituts Darmstadt, Michael Sailer. Da Untersteller früher selbst einmal Mitarbeiter des Ökoinstituts war und sein für die Genehmigung des Flügels M zuständiger Ministerialdirektor Helmfried Meinel sogar Vorstandssprecher, war die Ökofamilie gewissermassen unter sich.


Geplanter Labor- und Lagerbunker des ITU; genannt: Flügel M

An der baulichen Auslegung des Labor- und Lagerbunkers gab es wenig herumzumäkeln. Er ist ein massives dreigeschossiges Gebäude von der Grundfläche 40 mal 60 Meter und einer Höhe von 25 Metern. Die Aussenwände sind 1,80 Meter dick, wodurch der Bunker gegen Erdbeben und Flugzeugabsturz bestens gesichert ist. Im Verlaufe der 5-tägigen und 25-stündigen Mediation stellte sich heraus, dass es keine gewichtigen Einwände gegen den Bau dieses Flügels M gibt. Indes, jeder der Hauptbeteiligten des Forschungsinstituts ITU und der Gemeinde Linkenheim-Hochstetten musste tüchtig Federn lassen, wie im Folgenden dargestellt wird.

Verlierer Professor Fanghänel

Der Leiter des ITU, Professor Dr. Thomas Fanghänel, wurde stundenlang (und zuweilen geradezu inquisitorisch) befragt zu den in seinem Institut gelagerten und zusätzlich beantragten Mengen an Kernbrennstoffen, zu den radioaktiven Emissionen und zu seinem Forschungsprogramm. Um den Bau des Bunkers nicht zu gefährden, musste er eine Reihe einschneidender Konzessionen machen.

Bei den Kernbrennstoffen wurde die Lager- und Umgangsgenehmigung von 180 Kilogramm Plutonium auf 80 kg reduziert. Statt 50 kg Uran-233 sollen zunächst nur 20 kg genehmigt werden. Des weiteren ist an eine signifikante Reduktion des sonstigen radioaktiven Inventars gedacht. Die beantragten Mengen an Thorium (450 kg) sollen vorzugsweise nicht für die Forschung, sondern für die Ausbildung der internationalen Inspektoren verwendet werden.  Erstaunlich war bei der länglichen Diskussion über diese Dinge, dass Fanghänel nicht schlüssig erklären konnte (oder wollte) wofür er die grossen Mengen an Spalt- und Kernmaterial wirklich benötigt.

Die Emission, also die zulässigen jährlichen Ableitungen aus dem Institut werden für die langlebigen Alpha- und Betastrahler auf ein Zehntel des derzeit erlaubten Werts gesenkt. Zwar schöpft das ITU die jetzigen Obergrenzen bei weitem nicht aus, aber mit den neuen Grenzwerten könnte es künftig gelegentlich in Störfallnähe kommen.

Beim Forschungsprogramm gab es vom Anfang bis zum Schluss heftige Diskussionen. Unstrittig waren die Gebiete Medizin, Sicherheitsüberwachung von Kernmaterialien sowie Aus- und Weiterbildung. Gerungen wurde um die Entwicklung von Kernbrennstoffen für die sogenannten Reaktoren der 4. Generation, also der Schnellen Brüter. Auch die Separation und Transmutation wurde zu "Teufelszeug" erklärt. Insbesondere die Vertreter des BUND (Harry Block, Armin Gabler) wollten dem Institut die Forschungsarbeiten auf diesem Sektor verbieten, was der UM-Beamte Meinel mit Blick auf die im Grundgesetz verankerte "Freiheit der Forschung" jedoch nicht zuliess. Schliesslich einigte man sich - auf Vorschlag des Mediators - darauf, dass das ITU nicht (wie in der Vergangenheit beim Projekt Masurca) tausende von Brennstäben herstellen darf, sondern nur noch gelegentlich einige wenige "Brennstäble". Man sieht, wir sind in Baden-Württemberg.

Verlierer Bürgermeister Johs

Der Bürgermeister Günther Johs von Linkenheim-Hochstetten musste zugestehen, dass die Kernmaterialien im neuen geplanten Bunker weitaus sicherer gelagert sind, als im jetzigen Gebäude, welches nur partiell gegen Erdbeben und Flugzeugabsturz ausgelegt ist. Er musste auch (zähneknirschend) andeuten, dass er den Bebauungsplan so abändern werde, damit Flügel M (und später auch noch ein Flügel P) gebaut werden könne. Für dieses Zugeständnis verlangte er allerdings, dass die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) verbindlich erklären, keine weiteren Bauten für radioaktive Materialien auf der Linkenheimer Gemarkung zu errichten. Da beide Institutionen als Gesellschafter wesentlich von der Berliner Bundesregierung gesteuert werden, ist an eine rasche  Zustimmung allerdings kaum zu denken.

Aber man muss sich auch fragen, wie verbindlich eine solche Erklärung des Bundes überhaupt sein kann. Per Weisung - und in Konformität mit dem Atomgesetz - könnte eine Bundesregierung  jederzeit vom Land die Änderung der atomrechtlichen Genehmigungen und der gemeindlichen Bebauungspläne verlangen. Immerhin gilt der Grundgesetzartikel: "Bundesrecht bricht Landesrecht".

Ein Szenario wurde unter den Zuhörern der Mediation bereits heftig diskutiert: Im benachbarten Philippsburg wurde aufgrund der sogenannten Energiewende der Reaktor 1 im Sommer dauerhaft abgeschaltet, der Reaktor 2 soll in fünf Jahren folgen. Beide Reaktoren müssen zurückgebaut werden, aber wohin mit dem Atommüll? Das Zwischenlager am Standort ist jetzt bereits randvoll. Der Bau eines weiteren Lagers würde, wegen zu erwartender Einsprüche und Gerichtsverfahren, mindestens zehn Jahre dauern und bis dahin alle Abrissarbeiten blockieren.



Die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK);
links (rot angeleuchtet) die Verglasungseinrichtung VEK      

Ist es da verwunderlich, dass sich die Augen der Philippsburger auf das alte WAK-Gelände richten, wo der Bunker für die ehemalige Verglasungsanlage (VEK) nutzlos herumsteht? Er wurde vor wenigen Jahren erst gebaut und erfüllt - sogar mit Bahnanschluss - alle Anforderungen in Bezug auf Erdbeben und Flugzeugabsturz samt Aussenwänden von 1,8 Metern Dicke. Also - so die Philippsburger unter den Zuhörern bei der Mediation - warum die VEK nicht als temporäres Zwischenlager verwenden?

Bis sich die deutschen Politiker auf ein nationales Endlager geeinigt haben.

Sonntag, 20. November 2011

"Nein" bedeutet "Ja" für Stuttgart 21

Am kommenden Sonntag, den 27. November 2011, wird im Land Baden-Württemberg darüber abgestimmt, ob der neue Durchgangsbahnhof Stuttgart - abgekürzt S21 - weiter gebaut werden soll. Die Bauarbeiten sind sind zwar schon seit knapp zwei Jahren im vollem Gange, aber die vor wenigen Monaten ans Ruder gekommene Partei der Grünen schert das wenig. Sie wollen den Abbruch des Projekts und die Kündigung der Verträge. Mit ihrem Koalitionspartner, der (eigentlich bauwilligen) SPD, haben sie sich darauf geeinigt, dass in einer Volksabstimmung alle Baden-Württemberger dazu befragt werden sollen. In der 50-jährigen Landesgeschichte ist es das erste Mal, dass Politiker das Wahlvolk über ein Bauprojekt abstimmen lassen.

Komplizierter Stimmzettel

Die Wahlprozedur ist keineswegs so einfach wie bei den alle paar Jahre stattfindenden Parteiwahlen, wo die Bürger im allgemeinen nur ein Kreuz bei der CDU oder der SPD oder einer anderen Partei anzubringen haben. Bei dieser Volksabstimmung wird im Kern über ein vorher vom Landtag beschlossenes "Kündigungsgesetz" befunden, was die Sache kompliziert macht. Die Abstimmungsfrage lautet nämlich:
Stimmen Sie der Gesetzesvorlage "Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21 (S21-Kündigungsgesetz)" zu?

Verstanden? Möglicherweise nein! Nun das befürchten wohl auch die Stuttgarter Koalitionäre, weswegen sie auf dem Stimmzettel "Hinweise" für den ratlosen Wähler gegeben haben.

Ausriss aus dem amtlichen Stimmzettel

Aber auch diese Hinweise sind für Nichtjuristen - und das ist wohl die Mehrzahl - schwer verständlich. Jedenfalls ist es so, dass die Befürworter des Bauprojekts S21 mit "Nein" stimmen müssen, während die Ablehnenden bei "Ja" ankreuzen dürfen. Ein trickreiches Prozedere des Herrn Kretschmann. Honny soit qui mal y pense!

Fünf gute Gründe für Stuttgart 21

1.  Der bisherige Kopfbahnhof wird in einen 11 Meter tiefer gelegten Durchgangsbahnhof umgewandelt. Die Kapazität des neuen Bahnhofs erhöht sich damit um ca. 50 Prozent, was durch einen Stresstest nachgewiesen wurde. Der markante Bahnhofsturm und das Hauptgebäude ("Bonatzbau") bleiben erhalten. Die berühmten Mineralquellen in 70 Metern Tiefe werden nicht beeinträchtigt.

2.  Der Verkehrsknoten Stuttgart wird neu geordnet. Er enthält den Hauptbahnhof, den Bahnhof Flughafen/Messe und eine zusätzliche S-Bahnstation. Darüberhinaus wird zwischen Wendlingen und Ulm eine neue leistungsfähigere Bahnstecke gebaut. Damit wird die "Europäische Magistrale" zwischen den Städten Paris-Karlsruhe-Stuttgart-Wien-Budapest verwirklicht.

3.  Das Gleisvorfeld des bisherigen Kopfbahnhofs wird abgebaut. Dadurch werden etwa hundert Hektar Grundstücksfläche für die Stadt Stuttgart gewonnen auf denen Immobilien und Parklandschaften entstehen können.

Bahnbewegungen im bisherigen Gleisvorfeld

4.  Das Bahnprojekt S21 hat seit 1995 alle demokratischen (und juristischen) Etappen erfolgreich durchlaufen; der Finanzierungsvertrag wurde am 2. April 2009 geschlossen. Die Kostenbeteiligung des Landes liegt bei 930 Millionen Euro. Bei Vertragskündigung muss Baden-Württemberg mit Schadensersatzkosten zwischen 500 und 2.000 Millionen Euro rechnen ( lt. Ministerpräsident Kretschmann in der Ludwigsburger Kreiszeitung vom 3. Septemer 2011).

5.  Bei Bruch des derzeitigen Projektvertrags verfallen alle Finanzmittel der übrigen Projektteilnehmer, insbesondere der Deutschen Bahn und des Bundes. Ein alternative Planung würde bei Null anfangen und 15 bis 20 Jahre bis zur Erstellung baufähiger Unterlagen dauern. Währenddessen bestünde die Gefahr, dass Stuttgart durch nördliche Gleisführungen umgangen wird und seine Position als grosser deutscher Bahnhof verlieren würde.

Möglicherweise gehen manche Befürworter des Bahnprojekts S21 gar nicht zur Wahl, weil sie auf das sogenannte Quorum spekulieren. In der Landesverfassung ist nämlich festgelegt, dass bei Volksabstimungen ein Drittel der Stimmberechtigten gegen S21 stimmen müssten, damit das Kündigungsgesetz seine Wirksamkeit entfaltet. Das sind 2,5 Millionen Bürger, was nach den Prognosen der Wahlforscher sehr unwahrscheinlich ist.

Hinzu kommt, dass der Wahlsonntag auf den 1. Advent fällt, den viele Menschen zur Glühweinprobe auf den Weihnachtsmärkten nutzen.

Sonntag, 13. November 2011

Golfen Sie schon?

Zum ersten Mal kam ich in den USA mit Golf in Berührung. Unmittelbar nach meinem Studium in München, wurde mir eine Arbeitsstelle in Washington D.C. angeboten und dort forschte ich ein gutes Jahr auf dem Gebiet der Festkörperphysik. Noch Junggeselle, mietete ich mir ein Apartment direkt am Golfplatz meiner Firma. An den Abenden und insbesondere den Wochenenden war Golfspiel mit den Arbeitskollegen sozusagen Pflicht.

Meine Wohnung lag ganz in der Nähe des vertrackten Loches 4 und durch das Küchenfenster konnte ich immer wieder (schwächere) Spieler beobachten, welche dieses Loch offensichtlich mit dem falschen Schläger anspielten, wodurch der Ball entweder im vorgelagerten Sandbunker landete oder über das Grün hinausflog. Bevor es zu solchen Unglücken kam, gab ich manchem Spieler gelegentlich per Zuruf den Tipp: "iron seven". Landete der Ball dann auf dem "green", weil richtigerweise das 7er Eisen benutzt wurde, so mehrte das meinen Ruf als Golfkundiger.

Wieder nach Deutschland zurückgekehrt, konnte ich hier das Aufblühen des Golfsports miterleben. Anfangs gab es nur ganz wenige Golfplätze und die Clubbeiträge waren erheblich. Deswegen sah man auch wenige Spieler auf den Parcours, stattdessen zumeist reifere, ältere Herrschaften. Ein bezeichnender Witz machte die Runde: "Haben Sie noch Sex - oder spielen Sie schon Golf"?  Mit der Zeit wurde der Golfsport erschwinglicher und auch populärer - insbesondere als Bernhard Langer seine spektakulären Erfolge hatte. Ich selbst kam vom Golf ab und wendete mich wieder dem Turnsport zu.

Ausgedehnte Wiesen, schweres Gerät

Ein normaler Golfplatz mit 18 Löchern, den Könner mit 72 Schlägen ("par 72") beherrschen, ist ungefähr sechs Kilometer lang. Und er ist beileibe keine Wiese, sondern ein von mehreren Platzwarten  ("greenkeepers") gepflegtes botanisches Juwel. Die Grünflächen in der Nähe des Lochs werden - zumindest in den USA - mit Unmengen von Kunstdünger und Pestiziden bestreut. Im Verlaufe einer 18-Loch-Runde ist der durchschnittliche Spieler 4 bis 5 Stunden unterwegs und legt dabei 12 bis 15 Kilometer zurück. Mark Twain, der alte Spötter, pflegte deshalb zu sagen: "Golf ist ein verdorbener Spaziergang". Zeitknappe Manager laufen heutzutage kaum mehr zu Fuss, sondern benutzen ein Elektrocart und werden von mobilen Erfrischungsständen am Rande der Fairways versorgt.



Golfplatz Castelfalfi (Toskana)

Eine normale Golftasche ("bag") sollte 12 bis 14 Schläger ("clubs") beinhalten. Die driver sind für die ganz langen Schläge um die 300 Meter. Früher waren sie aus Holz, nun sind es hochkomplexe Schlaggeräte aus verschiedenen Metalllegierungen und einem genau austarierten Schlagpunkt. Der runde Schwung ist hier besonders wichtig, wenn man ein gutes Ergebnis erzielen will. Leider führt er bei älteren Spielern nicht selten zu heftigen Rückenschmerzen, weil die Wirbelsäule beim Golfen der meistbelastete Körperteil ist.

Zur Annäherung an das jeweilige Loch benutzt man die Eisen ("iron, wedge"), deren  Schlagkopf so geneigt ist, dass die Flugbahn des Balles höher und zugleich kürzer wird. Kunstwerke der besonderen Art sind die sogenannten putter. Sie sollen auf dem Grün den Ball endlich ins Loch befördern, was wesentlich schwieriger ist, als es aussieht. Auch hier gibt es einen Witz vom Vater und seinem Kind: "Papi, warum versuchen denn die Spieler den ersten Putt immer vorbeizuschieben und dann erst den zweiten einzulochen"?

Natürlich ist, von den Profis abgesehen, kein Normalspieler in der Lage, eine Runde mit 72 Schlägen zu beenden. (Für viele bedeutet eine Runde unter 100 bereits ein stolzes Ergebnis). Deswegen hat man auch das "handicap", die Vorgabe, erfunden. Ein Spieler mit dem Handicap 40 darf sich nach 72+40=112 Schlägen so gut fühlen, wie der Platzkönig. Für die Mehrzahl der Amateurgolfer sind das grösste Handicap jedoch der Ball und die Schläger! Trotzdem gelingt  dem einen oder anderen auf einem kurzen 3er-Loch immer wieder mal den Ball mit einem einzigen Schlag ins Loch zu befördern. Das ist traditionsgemäss  der Anlass für eine Cocktailrunde im Clubhaus, dem 19. Loch.

Unsere Supergolfer

International waren die deutschen Golfprofis lange Zeit nur zweite oder gar dritte Wahl - bis Bernhard Langer 1985 (als 28-jähriger) völlig überraschend das U.S. Masters-Turnier in Augusta, Georgia, gewann. Dies ist das prestigeträchtigste Golfturnier der Welt und in etwa vergleichbar mit Wimbledon im Tennis. Die übrigen drei Grand-Slam-Turniere (auch "Majors" genannt), sind das U.S. Open, das British Open und die PGA Championship. Acht Jahre später, 1993, gelang es Langer noch einmal das Masters-Turnier zu gewinnen, worauf er im Jahr 2002 in die "Hall of Fame" einziehen durfte.

Derzeit ist der beste deutsche Berufsgolfer der 27-jährige Martin Kaymer aus Düsseldorf. Er gewann 2010 die PGA Championship und stand im Februar 2011 sogar für einige Monate an der Spitze der Weltrangliste. Vor wenigen Wochen gewann Kaymer das internationale Golfturnier in Shanghai, China, mit einer Superplatzrunde von 63 Schlägen. Dabei lag er neun Schläge unter par und erspielte neun "birdies".


Martin Kaymer präsentiert den Siegerpokal beim Shanghai-Turnier




Tiger Woods beim Abschlag

So gut auch Langer und Kaymer sein mögen, an den derzeitigen Weltchampion Tiger Woods reichen sie nicht heran. Der 36-jährige "Tiger" hat im Verlaufe seiner Golfkarriere mehr als eine Milliarde US-Dollar mit seinem Spiel verdient und 14 Grand-Slam-Titel gewonnen. Bei letzteren wird er allerdings noch übertroffen von Jack Nicklaus, der 18 Majors gewann. Seit einiger Zeit befindet sich der Tiger in einem emotionalen und spielerischen Tief, ausgelöst durch selbstverschuldete Sexkapriolen und es ist deshalb fraglich, ob er den Rekord von Nicklaus noch wird brechen können.

Der scheinbar mechanische Ablauf des Golfspiels hat golfende Physiker immer wieder gereizt, sich mit der Biomechanik dieses Sports zu befassen. Einer von ihnen ist mein Freund Helmut Appel, weiland Professor und Dekan an der Universität Karlsruhe. Unter dem Titel "Physikalische Aspekte des Golfspiels" veröffentlichte er eine Darstellung der Strömungsphysik und des Designs von Bällen und Schlägern über sechs Seiten hinweg. (Siehe: Physikalische Blätter 56 (2000) Nr. 10). Der physikalische Laie wird seinem Darlegungen zum Magnuseffekt, den Bernoulli-Gleichungen und dem dynamischen und statischen Druck nicht immer folgen können, aber zum Schluss seiner Veröffentlichung kommt er zu ernüchternd-ehrlichen Erkenntnissen.

"Der praktizierende Golfer möge nicht erwarten, nach der Lektüre unmittelbar ein niedrigeres Handicap zu erspielen. Zur Warnung sei auf die Berichte der Konferenz "Golf and Science" verwiesen. Auf diesen, eine Woche währenden Konferenzen, wird jeweils der Mittwoch frei gehalten, um praktisches Golf zu üben. Von den Konferenzteilnehmern wird berichtet, dass sie dann das schlechteste Golf des ganzen Jahres spielen".

"Die Erklärung ist offenbar:  Paralyse durch Analyse".

Sonntag, 6. November 2011

Die EnBW in Schieflage

Die Energiewerke Baden-Württemberg (EnBW) mit Sitz in Karlsruhe ist das drittgrösste deutsche Energieversorgungsunternehmen (EVU). Es war eine kerngesunde Aktiengesellschaft und machte in den zurückliegenden Jahren stets um die zwei Milliarden Euro Gewinn bei einem Umsatz von 17 Milliarden. Der Aktienkurs bewegte sich stetig in der Spanne zwischen 35 bis 40 und konnte Witwen und Waisen wegen seines geringen Risikos durchaus empfohlen werden.

Das hat sich seit einem halben Jahr dramatisch verändert. Der Vorstand der EnBW musste im Sommer einen Halbjahresverlust von 600 Millionen Euro verkünden und deutete dabei dunkel an, dass er die Belegschaft an diesem Minus "beteiligen" und eine Reihe von Firmen, die zum Konzern gehören, verkaufen wolle. Manche Wirtschaftsblätter sahen die EnBW schon an der Grenze zur Insolvenz - aber so weit wird es (hoffentlich) nicht kommen.

Zwei Gewinnbringer fehlen

Was war geschehen? Nun, nach dem Atomunfall von Fukushima wurde bekanntlich durch die Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Moratorium für die deutschen Kernkraftwerke verfügt. Die EnBW, welche 51 Prozent ihres Stroms aus Kernkraftwerken erzeugt, traf dies besonders heftig. Aus rein politischen Gründen wurden die beiden Meiler Philippsburg 1 und Neckarwestheim I abgeschaltet. Das waren  insgesamt 1.766 Megawatt (MW) an Kapazität, wodurch sich die Kernenergieproduktion der EnBW spontan um 20 Prozent verringerte. Beide Kraftwerke waren während ihrer Laufzeit sehr zuverlässig, und hatten eine Arbeitsverfügbarkeit von über 90 Prozent - bei Erzeugungskosten von 2 bis 3 Cent pro Kilowattstunde (!). Um die laufenden Stromlieferverträge erfüllen zu können, musste die EnBW alte (und teure) fossile Kraftwerke hochfahren, sowie Strom aus dem benachbarten Ausland einkaufen.


Die Kernkraftwerke Philippsburg 1 (oben) und Neckarwestheim I (unten)

Die Abschaltung dieser Kraftwerke hat auch Auswirkungen auf das Steueraufkommen der Standortgemeinden. Philippsburg kann dieses Jahr nicht mit Gewerbesteuereinnahmen rechnen; der Bürgermeister Stefan Martus will sich "revanchieren", indem er seine EnBW-Aktien verkauft.

Umsteuern - doch wohin?

Im Frühjahr 2011 kam es - im Gefolge von Fukushima - auch zu einem Wechsel der Landesregierung. Erstmals seit mehr als einem halben Jahrhundert wird diese nicht mehr von der CDU (und der FDP) gestellt, sondern von den Grünen und der SPD. Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein roter Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid sitzen nun an den Hebeln der Energiewirtschaft in Baden-Württemberg.

Kurz vor dem Regierungswechsel, nämlich Ende 2010, hatte das Land ein EnBW-Aktienpaket von 45,01 Prozent für 4,7 Milliarden Euro vom französischen Stromkonzern EdF erworben. Die jährlichen Zinsen in Höhe von 110 Millionen Euro sollten aus den Dividendenzahlungen der EnBW bezahlt werden. Nach dem Atomausstieg und der damit verbundenen finanziellen Schieflage der EnBW, war dies jedoch nicht mehr möglich.

Seit Monaten tobt im "Ländle" ein heftiger Politikerstreit darüber, ob der Kaufpreis dieser Anteile gerechtfertigt war und ob der frühere Ministerpräsident Stefan Mappus berechtigt war, diesen Deal ohne vorherige Zustimmung des Landtags einzufädeln. Fakt ist, dass die EdF dieses Aktienpaket abgeben wollte und Mappus hat zugegriffen, damit es nicht die Hände zockender Hedgefonds gelangte. Die jetzige Aktionärsstruktur - Land 46,55 %, Kommunale Versorger OEW 46, 55 %,  Rest: Gemeinden und Kleinaktionäre - sollte dem Land die ideale Möglichkeit geben, den Konzern nach seinen Vorstellungen auszurichten.

Stattdessen gibt es nur Streit im Aufsichtsrat. Der Vorstandsvorsitzende Hans-Peter Villis und die OEW mahnen die Deckung des Konzerndefizit an, z. B. über eine Kapitalerhöhung, während die klammen Stuttgarter Regierungsvertreter dagegen halten. Gleichzeitig drängen diese den Vorstand auf eine stärkere Ausrichtung des Konzerns in Richtung erneuerbarer Energien. Das würde jedoch erheblich Investitionsmittel erfordern, wie sich bereits an dem Ostsee-Windpark Baltic 2 gezeigt hat. Je nach Wassertiefe werden dort die Windräder entweder auf Monopiles oder (ab 33 Meter Tiefe) auf Jackets montiert. Das Windprojekt wird eine Gesamtkapazität von 288 MW haben und soll 2013 in Betrieb gehen. Sowohl hinsichtlich der Leistung als auch der Verfügbarkeit ist diese Anlage aber kein Ausgleich für die abgeschalteten Blöcke KPP 1 und GKN I.


Windräder beim Projekt Baltic 2; Gründung in Jackets (links) und Monopiles (rechts)

Noch bescheidener ist der Stromertrag beim Solarpark Leibertingen, der bereits im Dezember 2009 im Landkreis Sigmaringen in Betrieb ging. Auf einem Feld von 7,3 Hektar ist eine Anlage  von der bescheidenen Leistung von 2,1 MW platziert, die etwa 10 Prozent des Jahres Strom produzieren dürfte.

Villis braucht Geld

Bis jetzt wird in den alle zwei Monate stattfindenden Aufsichtsratssitzungen zwar viel diskutiert, aber wenig entschieden. Zu der von Villis angemahnten Kapitalerhöhung ist es jedenfalls noch nicht gekommen. Die OEW würde der Aufstockung zwar zustimmen, aber das Land legt sich quer. Frisches Geld benötigt der Vorstand auch zur Abdeckung möglicher Risiken bei der Beteiligungsfirma EWE. Mit dem Kauf dieses Oldenburgischen Energieversorgers wollte sich die EnBW einen besseren Zugang zum Gasmarkt sichern, aber irgend etwas ging wohl schief. Möglicherweise muss sich die EnBW auf Risiken in Millionenhöhe einstellen.

In den letzten Wochen hat Villis angekündigt, dass er die 20.000 Mitarbeiter der EnBW in die Pflicht nehmen werde. Rund 250 Millionen Euro soll der "Verzicht" auf freiwillige Leistungen einbringen, weitere 500 Millionen will der Konzern durch Umstrukturierungen und den Verkauf von Beteiligungsfirmen einsparen. Die Gewerkschaften, insbesondere Verdi, befinden sich bereits auf den Barrikaden.

Richtig viel Geld soll eine Anleihe in die leeren EnBW-Kassen spülen, die der Konzern letzte Woche auf den Markt gebracht hat. Es handelt sich um eine sogenannte Hybrid-Anleihe im Volumen von 750 Millionen Euro und einer Laufzeit von 60 Jahren. Die Rückzahlung ist für den 2. April 2072 vereinbart. Der Zinskoupon von 7,375 Prozent wird so manchen Investor anlocken.
Aber Vorsicht: bei Hybridanleihen darf die Zinszahlung unter bestimmten Umständen verschoben bzw. ganz ausgesetzt werden. Der relativ hohe Zins ist ein Ausgleich für das erhöhte Risiko - das bis zum Totalverlust des Kapitals im Falle einer Insolvenz reicht.

Lehmann lässt grüssen!

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