Sonntag, 24. Juni 2012

Deutschland soll die Welt retten

Als am 9. November 1989 die Berliner Mauer fiel, bestand Frankreichs Präsident Francois Mitterand auf einer stärkeren Einbindung des nun grösseren Deutschlands in den europäischen Verbund; andernfalls hätte er die Wiedervereinigung bei den 2 plus 4 Verhandlungen blockiert. Unter anderem forderte er einen gemeinsamen europäischen Währungsverbund, also den Euro. Bundeskanzler Kohl, der vorher immer eine vorausgehende politische Union verlangt hatte, gab schliesslich nach. Sein damaliger Innenminister Wolfgang Schäuble räumte später ein: " Die Preisgabe der D-Mark war eine der Konzessionen, die dazu beigetragen haben, den Weg zur deutschen Vereinigung zu ebnen".
In den Verträgen von Maastricht gelang es dem Finanzminister Theo Waigel noch zwei wichtige Bedingungen in die Euro-Verträge einzubauen: die Klauseln no bail out und no transfer. Im Klartext heisst das: Jedes Euro-Land muss für seine eigenen Schulden aufkommen  und  Es gibt keine Geldüberweisungen an Schuldnerländer.

Der Ruf nach den Eurobonds

Die traurige Realität, gut zehn Jahre nach Einführung des Euro, ist folgende: Griechenland hat sich durch Betrug und unter Mithilfe der "Finanzexperten" von Goldman-Sachs in die Euro-Länder geschummelt. Darüberhinaus hat es seitdem hunderte von Milliarden Schulden angehäuft, u. a. deswegen, weil es nur ein marodes Steuersystem besitzt und die Korruption in diesem Land allgegenwärtig ist. Die spanische Regierung hat eine gigantische Immobilienblase zugelassen. Hunderttausende von Wohnungen an den Küsten stehen leer und bringen keine Rendite. Die beleihenden Hypothekenbanken sind praktisch pleite und musten kürzlich vom Staat (unter Mithilfe der EU) "gerettet" werden. In Italien geht die Wirtschaft seit Jahren bergab, inbes. wegen der Verkrustungen auf dem Arbeitsmarkt. Portugal, Irland und (neuerdings) Zypern stöhnen unter ihren Schuldenbergen aus ähnlichen Gründen.

Die genannten Länder waren es gewohnt, sich jedes Jahr mit -zig Milliarden Euro neu zu verschulden. Der Zinssatz für zehnjährige Anleihen lag bei moderaten 3 Prozent oder gar darunter. Er ist nun auf 6 bis 7 Prozent gestiegen, weil die Käufer dieser Anleihen ihr Risiko höher bewerten, was sich im Zinssatz niederschlägt. Im Gegenzug liegt der Zins für deutsche Anleihen mittlerweile bei 1 bis 0 (!) Prozent.

Aus dieser Sachlage heraus kam die Idee der Eurobonds auf. Dies wären gemeinsame Anleihen der Euroländer. Die Zinsen für die ärmeren Länder würden fallen, für die reichen, wie Deutschland, würden sie steigen. Finanzexperten haben ausgerechnet, dass Deutschland bei Einführung der Eurobonds jährlich 47 Milliarden Mehrkosten haben würde. Kein Wunder, dass sich die Bundeskanzlerin Merkel gegen die Idee der Eurobonds stemmt. Nicht zuletzt auch deswegen, weil sie klar gegen das EU-Recht verstossen  (siehe oben) und weil das Bundesverfassungsgericht dagegen wohl Bedenken hätte.


Der Fiskalpakt und weitere Gedankenmodelle

Um das Vertrauen der Anleger wieder zu gewinnen, schlägt die Kanzlerin den sogenannten Fiskalpakt vor. Das ist die Verpflichtung aller Länder, die Neuverschuldung in absehbarer Zeit schrittweise auf Null abzusenken. Um diese Absicht glaubhaft zu machen, soll diese Schuldenbremse in der Verfassung verankert werden. Dagegen wehren sich die meisten Schuldnerländer, insbes. Frankreich. Stattdessen werden allerlei Varianten vorgebracht. Eine ist die sog. Bankenunion. Mit ihr gäbe es keine deutschen oder spanischen Banken mehr, sondern nur noch europäische Institute. Das Problem: der Bankenrettungsfonds wäre ebenfalls mit einer Vergemeinschaftung von Risiken verbunden. Aussdem müsste die Brüsseler Behörde Durchgriffsmöglichkeiten auf die nationalen Banken haben, was von den meisten Staaten abgelehnt wird.

Eine (theoretisch) nie versiegende Geldquelle ist die Europäische Zentralbank (EZB). Sie druckt ihr Geld selbst und muss dafür noch nicht einmal die Zustimmung der nationalen Parlamente einholen. Warum sollte sie nicht die maroden Anleihen der Schuldnerländer, wie Griechenland etc. aufkaufen und in Euros umwandeln - wie es die amerikanische Fed bereits macht? Nun die EZB darf dies aus rechtlichen Gründen nicht tun, u. zw. aus folgenden Gründen: sie würde allmählich zu einer "Bad Bank" werden und die Nationalbanken (wie die Deutsche Bundesbank) hätten für ihr Defizit einzustehen. Leider ist dieser Sündenfall in einigen Notfällen bereits geschehen.


Deutschland unter Druck

Inzwischen blickt alle Welt nach Deutschland, dem scheinbaren Gewinner der Euroeinführung. Bei dem kürzlichen G 20-Treffen in Mexiko ist Bundeskanzlerin Merkel unter erheblichen Druck geraten. Konjunkturprogramme werden gewünscht, insbes. vom französischen Präsidenten Francois Hollande. Aber woraus finanzieren bei leeren Kassen? Zur Erinnerung: das letzte deutsche Konjunkturprogramm vor drei Jahren für die Abwrackprämien etc. hat 400 Milliarden Euro gekostet und das deutsche Staatsdefizit auf 2.000 Milliarden hochschnellen lassen.

Auch Journalisten, zumeist angelsächsischer Herkunft, versuchen die Bundeskanzlerin unter Druck zu setzen. Geradezu hysterisch wird sie bedrängt, den Sparkurs aufzugeben und damit Europa zu retten. Deutschland müsse seine Verpflichtung für Europa in ähnlicher Weise wahrnehmen, wie vor 20 Jahren für Ostdeutschland. Aber dieser Vergleich hinkt: schon 17 Millionen Ostdeutsche kosteten Westdeutschland 1,5 bis 2 Billionen Euro. Das lässt erahnen, was 300 Millionen Menschen in Europa kosten würden.

Nein, jedes Land der Eurozone muss begreifen, dass man sich nicht auf Kosten anderer exzessiv verschulden darf und, dass die Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit nicht ohne Opfer zu erreichen ist. 6 bis 7 Prozent Zinsen für zehnjährige Anleihen waren auch in der der vor-Euro-Zeit für Südländer nicht unüblich. Warum sollte Deutschland jetzt beispringen? Die Bundesregierung muss hart bleiben, wenn sie nicht selbst mit in den Finanzstrudel gerissen werden will!

Unverfrorene Forderungen kommen in den letzten Tagen aus den USA. Dort kämpft Präsident Barack Obama um seine Wiederwahl und die Aussichten dafür sind nicht gut, denn die Wirtschaft befindet sich auf Talfahrt. So lässt er ihm wohlgesonnene Kongressmitglieder und Journalisten auf die deutsche Kanzlerin eindreschen. Sie solle endlich ein Konjunkturprogramm anwerfen, das nicht nur Europa, sondern auch auch Amerika aus der Krise hilft. Veranlassung dafür bestehe, denn immerhin hätten die Deutschen den 2. Weltkrieg verursacht und den Holocaust! Gegen diese Tatsachenbehauptungen kann man nur auf eine weitere Tatsache hinweisen: das US-Defizit ist mit 20 Billionen zehn mal so hoch wie das deutsche mit 2 Billionen. Vielleicht wären gerade mal die Chinesen in der Lage, den amerikanischen Karren aus dem Dreck zu ziehen.

Obama hat seinen Wahlkampf vor vier Jahren unter anderem mit dem Slogan "Yes, we can" gewonnen. Möglicherweise erhöht es Frau Merkels Wahlchancen in 2013, wenn sie kontert mit

"No, we can´t".

1 Kommentar:

  1. Dies ist eine gelungene Zusammenfassung der Eurokatastrophe. Aber der Autor glaubt anscheinend selbst, genauso wie die meisten deutschen Politiker, daß die Südländer fiskal diszipliniert werden können. Das ist ein Irrglaube und eine Illusion, denn die Südländersitten zu ändern, würde es viele Jahrhunderte brauchen. Die Unterschrift der Südländer unter den Fiskalpakt ist einen Pfifferling wert. Keine Auflagen werden die Südländer einhalten, genausowenig wie bisher.
    Die einzige Moglichkeit diese Geldtransfermaschine, die sich Eurozone nennt und die den deutschen Steuerzahler ausbeutet, zu stoppen, ist, aus der Eurozone auszutreten. Die andere Alternative, die Südländer samt Frankreich hinauszuwerfen ist unrealistish, denn keines der Südländer wird freiwillig aus dem Schlaraffenland austreten, das wir finanzieren (dank der Dummheit unserer Politiker), und eine Zwangsausweisung der Südländer aus der Eurozone wäre sinnlos in Betracht zu ziehen, angesichts der Tatsache, dass die Südländer alle Gremien der Eurozone beherrschen.

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