Sonntag, 21. Juli 2013

Wie Jean Paul zum Doktor promovierte

Als Johann Paul Friedrich Richter - alias Jean Paul - das vierzigste Lebensjahr erreicht hatte, siedelte er mit seiner Frau Karoline und seinen Kindern Emma und Max in die oberfränkische Stadt Bayreuth über. Dort blieb er, von verschiedenen Kurzreisen abgesehen, bis zu seinem Tod im Jahr 1822. Seine Romane Unsichtbare Loge (darin: Schulmeisterlein Wutz), Siebenkäs, Palingenesien und Titan fanden ein interessiertes Publikum, der Hesperus machte ihn berühmt und wohlhabend. Des weiteren sollten in Bayreuth noch die Werke Dr. Katzenbergers Badereise, Flegeljahre, Levana, Schmelzle und der Komet entstehen.

Die häusliche Arbeit in der Umgebung der Familie war nicht Jean Pauls Sache. Der Dichter erledigte die Romanschreiberei im Gasthaus "Rollwenzel" am Stadtrand von Bayreuth, wo ihm die Wirtin gleichen Namens im Obergeschoss ein Zimmer zur Verfügung stellte und dazu jede Menge von dem braunen, fränkischen Bier, das ihr Gast so liebte. Jeden Tag verliess (der schon etwas dicklich gewordene) Schriftsteller mit Knotenstock, Ranzen und Hund sein Haus und wanderte festen Schritts hinaus in seine Einsiedelei. Frau Karoline sah dies mit leichtem Unwillen, konnte aber "ihrem Hagestolz" diese Routine nicht abgewöhnen. Als sie sich einmal bei ihren Vater in Berlin darüber beklagte, schrieb ihr dieser trocken zurück, sie solle dem Schicksal dankbar sein, so einen berühmten Ehemann ergattert zu haben. Diese Bürgermoral der damaligen Zeit trifft Goethe ziemlich genau in seinen Roman Hermann und Dorothea, wenn er dort feststellt: Dienen lerne beizeiten das Weib nach seiner Bestimmung. Und in einem Bonmot von Jean Paul selbst heisst es: Wenn eine Frau liebt, dann liebt sie in einem fort; ein Mann jedoch hat dazwischen zu tun.


Promotion bei Palaver und Punsch

In den späteren Jahren pflegte Jean Paul während der Sommerzeit jeweils Reisen in benachbarte deutsche Städte zu unternehmen. So besuchte er Bamberg, Erlangen, Nürnberg und Frankfurt, wobei er seiner Ehefrau jeweils einen Zettel hinterliess, worauf vermerkt war, was sie in gewissen Gefahrensituationen zu tun habe. Punkt zwei dieser Aufzählung lautete: "Bei Feuer sind zuerst die schwarzeingebundenen Buchexzerpte zu retten".

Im Jahr 1818 führte ihn eine Reise nach Heidelberg, wo er den Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel kennenlernte. Dieser war vorher Rektor am Nürnberger Egidien-Gymnasium gewesen, wo er Philosophie, Germanistik und Mathematik (!) unterrichtete. Inzwischen war er von der Universität Heidelberg auf deren Lehrstuhl für Philosophie berufen worden. Hegel gilt heute noch als wichtigster Vertreter des deutschen Idealismus. Seine Philosophie erhebt den Anspruch die gesamte Wirklichkeit zusammenhängend, systematisch und logisch zu deuten.

An einem lauschigen Sommerabend veranstaltete die Universität ein Treffen einiger ihrer Honoratioren, zu dem auch Hegel und der besuchsweise weilende Jean Paul geladen waren. Der gereichte Punsch lockerte die Stimmung auf und so wagte ein Pfarrer Hegel aufzufordern, seine philosophischen Vorstellungen einmal so zu artikulieren, dass sie auch für die Mädchen seiner Gemeinde verständlich seien. Hegel wand sich, brachte nichts Nennenswertes zustande und deutete schliesslich auf Jean Paul, wobei er sagte: "Der kann es."  Und in der Tat, unser Schriftsteller explorierte die Gedanken Hegels so leichtfüssig und allgemeinverständlich, dass Hegel platt war. Spontan tat er den Ausspruch: "Jean Paul muss Doktor der Philosophie werden!"

Dabei beliess es Hegel allerdings nicht. Wenige Tage später berief er eine Fakultätssitzung ein, überzeugte seine Kollegen von den akademischen Qualitäten des Jean Paul und die Promotion (ehrenhalber) wurde einstimmig beschlossen. Die Urkunde, natürlich in Latein verfasst, erkannte dem Dichter den Titel, die Privilegien und die Rechte eines Doktors der Philosophie und der freien Künste zu. Versehen mit dem Siegel der Universität wurde das Diplom umgehend in Heidelberg der Öffentlichkeit bekanntgegeben.

Jean Paul war darauf so stolz, dass er von da an nur noch nur noch mit der Nennung seines Dr.-Titels unterschrieb. Seine Frau wies er an, die pergamentene Urkunde, welche in einer roten Kapsel steckte, in der Bayreuther Bekanntschaft fleissig herumzuzeigen.

Dichter sind eben auch nur Menschen.

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