Sonntag, 24. November 2013

Die INKA-Austellung in Stuttgart

Wer in diesen Tagen in der Stadt Stuttgart zu tun hat, der möge sich zwei oder drei Stunden Freizeit gönnen zum Besuch der dortigen INKA-Ausstellung im Lindenmuseum. Das Staatliche Museum für Völkerkunde bietet einen umfassenden Blick auf den ehemaligen Staat der Inka, einem südamerikanischen Imperium der Superlative. Es ist die grösste Ausstellung zu diesem Thema, die je in Europa arrangiert worden ist; sie wird noch über die kommenden Feiertage bis zum 16. März 2014 geöffnet sein.

Die Inka, ihr Leben und ihre Kultur haben seit jeher Rätsel aufgegeben und uns zugleich in ihren Bann gezogen. Dieses Volk kannte keine Schrift, kein Geld, kein Eisen, keine Pferde - nicht einmal das Rad. Und doch gründete es das grösste Reich der damaligen Zeit, welches sich - vergleichsweise - über eine Entfernung vom Nordkap nach Sizilien erstreckte. Es war perfekt organisiert und trotzdem gelang es dem spanischen Eindringling Francisco Pizarro mit wenigen Gefolgsleuten dieses Imperium in kurzer Zeit zu Fall zu bringen und nahezu auszulöschen. Ein Rätsel noch bis zum heutigen Tag!


Ein Imperium in den Anden

Geografisch gesehen, erstreckte sich das Reich der Inka über 5.000 Kilometer vom (heutigen) Kolumbien bis zum südlichen Chile. Es bestand im 15. und 16. Jahrhundert nach Christus aus etwa 200 ethnischen Gruppen, die in dem gebirgigen Land der Anden unter grössten klimatischen Gegensätzen zusammenlebten. Der politische Mittelpunkt des Reichs war das heutige Peru mit dem Titicacasee, welcher zu allen Zeiten eine wichtige Trinkwasserreserve bildete. Die Herkunft der Führungsschicht - die ebenfalls als Inka bezeichnet wurden - liegt weitgehend im mythischen Dunkel. Etwa um 1250 n. Chr. sollen sie die Herrschaft angetreten haben, aber nur die sechs letzten Inka-Führer von 1438 - 1633) sind namentlich bekannt. Der wichtigste König der Inka, Pachacutec (1438 - 1471), ist in der Ausstellung als Mumie in Fiberglass zu sehen.



Goldmaske eines Inka-Adeligen

Regiert wurde das Andenreich mit seinen 6 Millionen Bewohnern von der Stadt Cuzco aus, die im Mittelpunkt des langgestreckten Staatsgebiets auf 3.400 Meter Höhe liegt. Zur Zeit seiner Hochblüte bestand Cuzco aus gitterförmig angeorneten Gebäudekomplexen, die durch dicke Mauern mit einer Höhe von bis zu fünf Meter von der Aussenwelt abgetrennt waren. Diese Stadt war das Zentrum der Verwaltung und der Geistlichkeit sowie der Schnittpunkt aller Strassen im Reich. Vieles von der alten Inka-Architektur hat überlebt, deshalb wurde Cuzco 1983 von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt.

Erst vier Jahrhunderte nach dem Einfall der Spanier wurde das Felsennest Machu Picchu von den US-Amerikaner Hiram Bingham entdeckt. Aufgrund von Radiokarbondatierungen weiss man, dass die Anlage um 1450 n. Chr. von dem genannten König Pachacutec erbaut wurde, um für sich und seine Edelsippe eine Vergnügungsareal zu schaffen. Die Ausgräber legten u. a. ein königliches Bad frei, eine Brauerei für Maisbier sowie ein Sternenobservatorium. Aus konservatorischen Gründen dürfen heute pro Tag maximal 2.500 Touristen diese Stätten besuchen.


Knotenschnüre zur Information

Die Inka benutzten keine Schrift im herkömmlichen Sinne, sondern entwickelten den qiupu, eine Knotenschnur. Ein qiupu besteht aus einer dicken Hauptschnur, an der dünnere Nebenschnüre hängen. Die verschiedenen Knotenarten stehen für unterschiedliche Zahleninformationen. Weitere Hinweis ergeben sich aus Dicke, Farbe, Material, Drehung etc. der herabhängenden Schnüre. Diese "Schrift" ist bis heute erst teilweise verstanden; viele Wissenschaftler beschäftigen sich noch damit. Die Verwalter des Inka-Reichs konnten ihre Berechnungen und Zuweisungen nur mit Hilfe der Knotenschnüre festhalten. Daneben gab es Stafettenläufer zur Übermittlung von Botschaften. Barfuss rannten sie los, mit Schneckenhörnern kündigten sie der nächsten Raststelle und dem nächsten Läufer ihre Ankunft an. So gelang es, Depeschen an einem Tag bis zu 400 Kilometer zu befördern.

Zusammengehalten und regiert wurde das Inka-reich durch eine ausgeklügelte Planwirtschaft. Das ganze Land war in tributpflichtige Einheiten aufgeteilt. Anstelle des Zehnten verlangten die Inka-Herrscher Arbeitsleistung als Tribut. Alle Bürger mussten für den Sohn der Sonne harte Fron leisten. Sie errichteten Wasserleitungen, bauten Tempel und beschäftigten sich mit Ackerbau der Zucht der Lama und Alpaka. Jeder noch so steile Hang wurde terrassiert und mit Bohnen, Tomaten und Avocados bepflanzt. Die Gartenbauern züchteten nicht weniger als 240 verschiedene Sorten von Kartoffeln. Das Land war von einem 40.000 Kilometer langen  Strassennetz durchzogen. Störende Felswände wurden durch Tunnels durchbrochen, Schluchten mit Hängebrücken überwunden.

Die Inka waren kein sonderlich friedfertiges Volk. Jeder neu antretende König musste das Land durch eigene Eroberungen erweitern. Kriegsdienst war wie andere Arbeitspflichten als "Steuer" für das Reich zu entrichten. Planten die Inka eine Eroberung, so forderten sie die Bewohner dieser Länder durch Botschafter auf, sich friedlich zu ergeben. Das gelang in vielen Fällen. Kam es zum Krieg, dann marschierten die Inka mit einem möglichst grossen Heer in das gegnerische Territorium ein und versuchten eine Entscheidungsschlacht zu erzwingen. Zuerst kamen die Steinschleudern zum Einsatz, dann suchte man den Nahkampf mit Palmschwertern. Siegten die Inka in der Schlacht - was häufig der Fall war - dann konnten die Gegner auf Milde hoffen, wenn sie sich schnell ergaben. Dabei verloren die Herrscher nie ihr Ziel aus den Augen: die Gewinnung neuer, produktiver Untertanen.


Die Spanische Eroberung

Im Jahr 1492 landete Christoph Kolumbus in Amerika. Ursprünglich wollte Spanien in der Neuen Welt friedliche Handelsniederlassungen gründen. Aus Geldmangel gab die spanische Krone aber bald die Eroberung Amerikas für "private Investoren" frei. Das Königshaus beanspruchte nur das eroberte Land für sich, sowie 20 Prozent der erbeuteten Edelmetalle. Bald war der amerikanische Kontinent von gierigen Desperados überschwemmt, die auf Schiffen angesegelt kamen.

Einer von ihnen war Francisco Pizarro, ein mutiger und willensstarker Mann. Er stammte aus der ärmlichen Extremadura in Westspanien und war Analphabet. Als Kind musste er Schweine hüten. Nach zwei vorsichtigen Erkundungsreisen, die er von Panama aus antrat, bracht ihn die dritte Reise im Jahr 1531 auf drei Schiffen vor die Küste Ecuadors. Dort ging er an Land und zog mit 180 schwerbewaffneten Spiessgesellen und 27 Pferden in Richtung Süden. In zwei Jahr hatte er das Land der Inka erobert! Wie war das möglich? Es erscheint fast so absurd, als würde der Kleinstaat Liechtenstein die USA angreifen und okkupieren.


Der Eroberer Francisco Pizarro

Nun, der Vergleich hinkt. Militärtechnisch lagen die Spanier weit vorn. Sie besassen Vorderladergewehre, Kanonen und Pferde, währen die Inka noch halb in der Steinzeit steckten mit ihren Steinschleudern und Schwertern aus gehärtetem Palmholz. Ausserdem fanden die spanischen Konquistatoren auf ihrem Marsch in den Süden viele indigene Verbündete wegen der inneren Zerrissenheit des Reiches. Ausschlaggebend war schliesslich, dass es Pizarro in einem kühnen Handstreich gelang, den König Atahualpa zu fangen und ein Jahr festzusetzen. Dadurch konnte er 6.000 Kilogramm Gold erpressen und 11.000 Kilogramm Silber, das aus den Tempeln stammte. Die Spanier schmolzen diese Edelmetalle umgehend ein, weswegen es heute kaum noch lithurgische Objekte aus der Zeit der Inka gibt. Inzwischen brachen bei der Inka-Bevölkerung Epidemien durch eingeschleppte Krankheiten, wie Pocken, aus, welche die Einheimischen um fast 90 Prozent dezimierten. Pizarro brach übrigens nach Erhalt des Tempelgoldes sein ursprüngliches Versprechen auf Freilassung des Königs. Stattdessen liess er Atahualpa durch die Garotte ersticken.

 In der nachfolgenden Kolonialzeit blieb Francisco Pizarro hochgeehrt. Heute rückt das politische Peru von ihm ab, was dadurch zum Ausdruck kommt, dass das gewaltige Reiterstandbild des Eroberers vom Regierungspalast in einen abseitigen Park verbannt wurde. Der Schädel von Pizarro liegt demgegenüber immer noch aufgebahrt in der Kathedrale der Hauptstadt Lima.

Die katholische Kirche steht immer noch unverbrüchlich zu ihrem furor domini.

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